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ISSN 1612-7331
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Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Deutscher Koordinierungsrat

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Koordinierungsrat





Online-Extra Nr. 351


Ich sehe was, was Du nicht siehst.
Deutschland. Israel. Einblicke.


ALEXANDRA NOCKE & TERESA SCHÄFER


Auszug:



Lucie und Leon Reif mit Eva und Marcel, Überfahrt von Neapel
nach Haifa, 1956 © Marcel Reif




Marcel Reif (2. von rechts) als verantwortlicher Redakteur
bei den Olympischen Spielen in Barcelona, 1992 © Marcel Reif


Der Journalist Marcel Reif wurde 1949 als Marc Nathan Reif in Polen geboren. Sein Vater Leon Reif wurde von dem Industriellen Berthold Beitz vor der Deportation durch die Nationalsozialisten gerettet. Aufgrund des antisemitischen Klimas in Polen zog seine Familie 1956 nach Tel Aviv. Reif besuchte in Jaffa das von belgischen Mönchen geleitete Collège des Frères de Jaffa. Als Reif acht Jahre alt war, zog seine Familie nach Kaiserslautern. Reif studierte Publizistik, Politikwissenschaft und Amerikanistik in Mainz und arbeitete ab 1972 zunächst freiberuflich für das ZDF. Von 1981 bis 1983 war er im Londoner ZDF-Büro tätig und wechselte 1984 in das Sport-Ressort. Seitdem arbeitete er für verschiedene Print-, TV- und Audiomedien als Sportjournalist und kommentator und wurde mehrfach ausgezeichnet. Seit 2020 moderiert er zusammen mit Matthias Brügelmann den BILD-Podcast Reif ist live und kommentiert zweimal wöchentlich die wichtigsten Themen und Ereignisse des nationalen und internationalen Fußballsports. Marcel Reif lebt in München.




MARCEL REIF
» ISRAEL

Interview am 24. Mai 2019 in Berlin (Deutsch)

Wenn du rauskamst aus der Schule, war da ein Sabresstand* und da gab es Falafel. Und ich gehe jedes Mal wieder dahin, gehe am Meer entlang. Früher standen an der Promenade oben leere Ölfässer, die waren mit kochendem Wasser gefüllt und darin wurden Maiskolben gekocht. Und die hat man dann rausgenommen, gebuttert und gesalzen. Der Geschmack aus dem Wasser vom Meer und dann das Ding. Das sind kulinarische Erinnerungen, darin könnte ich eine Stunde schwelgen. Und dann dieser Kolonialwarenladen, den Geruch kann ich sofort abrufen. Süß, Gewürze, Waschpulver und roter Kaugummi. Viel zu trocken, in der Hitze wird er so trocken, dann zerfällt er dir erst mal im Mund. Und dann musst du ihn bearbeiten, solange der Süßkram darin noch hält, musst ihn weichkriegen, sonst ist der Spaß vorbei. Um fünf rum, wenn die Sonne langsam untergeht, und es ist immer noch warm, aber es brennt nicht mehr, da am Wasser entlang. Ich höre das Rauschen vom Meer. Ich habe schon viele Meere gesehen, aber das Meer in Tel Aviv hat ein besonderes Grundrauschen. Das trifft sich mit den Maiskolben.
* Sabres (hebräisch): Kaktusfeigen

MARCEL REIF » DEUTSCHLAND
Interview am 24. Mai 2019 in Berlin (Deutsch)

Ich kann nicht eine einzelne Sache rausgreifen, ein Bild. Das ist Pollock. Und jeder Klecks ist wichtig, ich kann nicht einen raussuchen, weil Sie ein Bild brauchen. Durch dieses Nicht-sprechen-Können als Kind habe ich einen Sprachenwahn entwickelt, so dass ich nach zwei Wochen in London wirklich sehr gut Englisch sprechen konnte. Und zwar so, dass ich auch Dialekte beherrsche. Ich kann Ihnen auch italienische Dialekte anbieten. Das hat etwas jüdisch-assimilationsgetriebenes, glaube ich. Meine erste Auslandsreise nach dem Abitur war zu meiner Tante und Cousine nach Tel Aviv. Und da war ich dann »der Sohn vom schönen Leon«. Man mochte mich. Abends kamen Freundinnen meiner Tante




zum Essen. Ältere Damen, lila Haare. Und ich war etwa 19. Das Essen war fürchterlich ungastlich. Es wurde immer kühler, auch wenn ich es mir nicht erklären konnte. Und kein Wort Deutsch. Schön stringent Hebräisch und ich verstand nichts. Und dann ging es los »Wie konnte dein Vater wieder nach Deutschland gehen? Wie kannst du als der Sohn in Deutschland leben?« Das ging gefühlt eine Ewigkeit. Ich habe mich nirgends so deutsch gefühlt und so missverstanden wie in diesen zwei Stunden. Die haben mich zu Hackfleisch gemacht. Ich konnte auch die Dimension nicht verstehen, weil mein Vater sie bei uns zu Hause nicht etabliert hatte. Über seine Geschichte wurde nicht geredet. Irgendwann war ich platt, und sie haben wohl auch gemerkt, dass ich jetzt nicht die deutsche Nationalhymne anstimmen werde. Sie hörten auf, mich anzugreifen und die Situation drehte sich. Und dann kamen so erste Brocken Deutsch. Am Ende liefen Tränen, das können Sie sich nicht vorstellen. Sie haben Deutsch gesprochen und mich ausgefragt, »Wie ist es denn jetzt in Berlin?«. Ich war in meinem Leben noch nie in Berlin gewesen. Das war das Ergreifendste, was ich je erlebt habe. Ich habe dort das jüdische schlechte Gewissen des Überlebens verstanden, und was Heimat bedeutet. Tel Aviv ist schön. Aber Tel Aviv bei 50 Grad, wenn chamsin* ist? Einer Dame mit lila Haaren fehlt der Tauentzien.
* Chamsin (arabisch): Heißer Wüstenwind

MARCEL REIF / NACHTRAG
Auszug Rede zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag, 31. Januar 2024 (Deutsch)

Manches, was ich nach dem 7. Oktober, nach dem Hamas- Massaker an Israelis, auf Deutschlands Straßen und Plätzen hören und sehen musste, das hat mich entsetzt, und mein Vater muss sich im Grab umgedreht haben. Aber was da zuletzt zu hören und zu sehen war, die großen Demonstrationen der Aufrechten, das macht mir Hoffnung.


* Auszug JULIA FERMENTTO TZAISLER


* Auszug ALMA SADÉ


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Eine Publikation der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e.V.

Ich sehe was, was Du nicht siehst.
Deutschland. Israel. Einblicke.


Herausgegegen von
Alexandra Nocke & Teresa Schäfer


35 Menschen. 2 Fragen. 70 Bilder.



KOSTENFREI bestellen:
Deutschland.Israel.Einblicke

Mit einem Grußwort des Vorstandsvorsitzenden der KIgA e. V., Dervis Hizarci.
Mit einem Vorwort und einem Nachtrag zum 7. Oktober 2023 von Meron Mendel.

Mit Beiträgen von:
    
Rana Abu Fraiha-Asyag, Viviane Andereggen, Uri Avnery, Gabriel Bach, Micha Bar-Am, Sarah Blau, Noam Brusilovsky, Dorothee Bär, Joe Chialo, Tehila Darmon, Lizzie Doron, Julia Fermentto Tzaisler, Tomer Gardi, Uri Geller, Katrin Göring-Eckardt, Alexander Graf Lambsdorff, Jenny Havemann, Günther Jauch, Kevin Kühnert, Igor Levit, Kais Nashif, Anja Reich-Osang, Petra Pau, Idan Raichel, Benyamin Reich, Marcel Reif, Yael Ronen, Alma Sadé, Ben Salomo, Richard C. Schneider, Sara von Schwarze, Natan Sharansky, Shimon Stein, Micha Ullman, Günter Wallraff.

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