Deutsche Bibliothek
ISSN 1612-7331
23.10.2017 - Nr. 1745
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Luther, Rosenzweig und die Schrift. Ein deutsch-jüdischer Dialog



Die Macht des Heiligen



Der europäische Säkularisierungsweg ist eine Ausnahme. Davon ist der Sozialphilosoph Hans Joas überzeugt. Dass vor allem Großstädte sich weitgehend säkularisieren würden, wie von Soziologen vorhergesagt, trifft fürs Gros der "heutigen Metropolen gerade nicht zu", erläutert Joas im Interview...


Religion ist nicht zu zertrümmern



Welche umstürzende Kraft der Schriftsteller Michel Houellebecq der Religion und dem Islam zutraut, wissen wir seit dem Roman „Unterwerfung“. Jetzt äußert er sich nochmals dazu – und bringt den Katholizismus als Staatsreligion ins Gespräch...

Von satten Gärten umrankter Diamant



Von Inge Günther | Gewaltfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Wissenschaft als Ergänzung zur Religion: Der Prophet Bah’u'llah galt als Vordenker. Am Sonntag feiern seine Anhänger das 200. Jubiläum ihrer Religion.

Ein Exodus mit Konsequenzen



Von Darius N. Meier | Durch die Auswanderungswellen der Christen aus dem Westjordanland verschärft sich der Israel-Palästina Konflikt und wird um eine Facette reicher bzw. ärmer. Die mässigende Rolle, welche die Christen im Westjordanland innehatten, wird vermindert und die Auseinandersetzung droht auf einer neuen, religiösen Stufe zu eskalieren...

Abschied in tiefer Trauer - gemeinsames Gedenken an die verstorbene Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin



In tiefer Trauer haben heute (Sonntag, 22. Oktober) Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und Professor Dr.-Ing. habil.Reinhard Schramm (Vors. Jüdische Landesgemeinde Thüringen) von der verstorbenen Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin Abschied genommen ...

Feiern mit Buddha und Mohammed



Von Sandra Busch | Beim ersten „Tag der Religionen“ informieren in Frankfurt verschiedene Religionsgemeinschaften über ihre traditionellen Feste...

Wie Religionsfreiheit auf dem Campus gelingt



Von Benjamin Haller | Vollverschleiert zur Prüfung? Die Seminare nach Gebetszeiten ausrichten? Immer wieder war die Universität Hamburg mit solchen Situationen konfrontiert worden. Sie reagierte - deutschlandweit einmalig...

Slowakische Bischöfe verstärken Dialog mit dem Judentum



Bratislava, 18.10.2017. Die Slowakische Bischofskonferenz will den Dialog mit dem Judentum verstärken und errichtet im Rahmen ihres Ökumenereferats eine Sektion für die Beziehungen zur jüdischen Religion...

„Sehr viel für die Verständigung der Religionen geleistet“



 Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat am Freitag, 20. Oktober, die Bürgermedaille der Landeshauptstadt Stuttgart an Landesrabbiner i. R. Dr. h. c. Joel Berger überreicht. Mit der Medaille wird das langjährige Engagement Bergers für die christlich-jüdische Zusammenarbeit und Verständigung gewürdigt...




"Jüdische Schizophrenie im Umgang mit Luther"



Von Thomas Klatt | Martin Luthers Judenhass war vor 100 Jahren durchaus bekannt. Dennoch verehrten ihn viele Juden - besonders liberale wie Franz Rosenzweig. Der jüdische Bibelübersetzer verehrte den Kollegen wegen seiner Sprachgewalt. Konnten oder wollten Juden die Ambivalenz des Reformators nicht sehen? ...



Zu Gast bei ...



Original-Beitrag



Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag des evangelischen Theologen Hans Maaß.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe
seiner Rezension an dieser Stelle.


Luther, Rosenzweig und die Schrift. Ein deutsch-jüdischer Dialog


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In ihrem Geleitwort weist Margot Käßmann dankenswerterweise auf Franz Rosenzweigs Anliegen bei seiner Bibelübersetzung hin, die er zusammen mit Martin Buber unter schwersten Bedingungen in Angriff genommen hatte, und bezeichnet Micha Brumlik als originellen und kreativen Querdenker, der jüdische Theologie und Praxis für uns, nämlich die nichtjüdischen Normalbürger, als „Brückenbauer“ zugänglich gemacht habe. Diese Essay-Sammlung sie sieht daher auch im Zusammenhang mit der Thematisierung und Aufarbeitung von Martin Luthers Judenfeindlichkeit. Dies kommt auch in manchen Beiträgen, die Micha Brumlik vorlegt, zum Ausdruck.

Einen gewissen Kristallisationspunkt der hier versammelten Aufsätze bildet eine von Franz Rosenzweig in seinem Aufsatz von 1926 „Die Schrift und Luther“ (dem ersten Beitrag dieses Bandes) thematisierte Bemerkung aus Luthers Vorrede zum Psalter, in der er unterscheidet, wo „das Wort und wo hingegen der Hörer »in Ruhe gelassen wird«.“ Daraus ergibt sich die Forderung, man solle „der hebräischen Sprache Raum lassen, wo sie es besser macht, denn unser Deutsch tun kann.“ Mit diesem Grundsatz befassen sich mehr oder weniger die meisten Autoren dieses Buches. Alle Aufsätze sind außerdem jeweils am Ende reichlich durch Anmerkungen dokumentiert.

Brumlik stellt Rosenzweigs Übersetzung im Spiegel zeitgenössischer jüdischer Diskussionen dar und verweist darauf, Rosenzweig habe in Luthers Bibelübersetzung die „Vermählung deutschen und hebräischen Geistes“ gesehen. Walter Homolka geht generell auf die jüdische Lutherrezeption ein, die in ihm einen Wegbereiter der Freiheit sah und von seinen judenfeindlichen Schriften lange Zeit wenig Notiz nahm. Irmela von der Lühe befasst sich ausführlich mit Heines Urteil über Luthers Bibelübersetzung, um dann hervorzuheben, dass Luthers „Rekurs auf das Hebräische erfolgt, um die christliche Erlösungs- und Gnadenlehre nur noch deutlicher zu machen“, Rosenzweig habe daran keinen Anstoß genommen, allerdings sei diese nicht mehr „Wort Gottes“, sondern „Monument einer nationalen Sprache und Kultur“ und Luthers Sprache zum Kanon geworden. Klaus Wengst zeichnet Luthers Umgang mit dem Alten Testament in den innerchristlichen Diskurs des 1. Jh. „Aussagen des Alten Testaments, die heilvolle Zusagen für Israel enthalten und Verheißungen formulieren, zieht Luther konsequent von Israel weg und bezieht sie exklusiv auf Jesus Christus.“ Wenn Wengst in diesem Zusammenhang feststellt, damit sei faktisch eine „Entjudung“ vorgenommen, trifft dies jedoch eher für die von ihm herangezogenen Katechismusbeispiele zu. Auf Rosenzweig kommt Wengst mit dessen Feststellung, Luthers Übersetzung sei von seinem Glauben her bestimmt, denn nach dessen Überzeugung kann man „an die Bibel nur herantreten mit einer Bereitschaft zum Glauben und Unglauben, nicht mit einem umschreibbaren Glauben, den er in ihr bestätigt findet.“

„Mit einer Übersetzung wird der Radius an Deutungsmöglichkeiten des heiligen Textes empfindlich eingeschränkt“, stellt Elisa Klapheck in einem der ersten Sätze ihres Beitrags „Luther als Targum“ fest. Anhand von Beispielen aus Gen 1 erläutert sie die Problematik der Septuaginta, am Beispiel der Targumim, diese seien als freie Übersetzung eine Vorform der Midraschim. Im Blick auf Luther fragt sie: „Wären Protestanten bereit, die Lutherübersetzung als eine Deutung durch Übersetzung aufzufassen und sie in einen größeren Horizont von Übersetzungen zu stellen, die man gegeneinander diskutieren kann?“ In Rosenzweigs Schrift sieht sie Ansätze, „Luthers Ambition in dieser Richtung gehend erscheinen“ zu lassen. Ob sich allerdings generell behaupten lässt, die „Targum-Kultur“ habe im Judentum anders als im Protestantismus „ein Sprechen über den Text“ ermöglicht, müsste genauer untersucht werden. Der Hinweis auf Rosenzweigs und W. Benjamins Auffassung, heilige Schriften könne man nur wirklich übersetzen, indem man „das Werk in der eigenen Sprache neu erfasst und damit ein eigenes Original schafft“, ist nachdenkenswert.

Gesine Palmer weist u.a. auf Rosenzweigs Warnung vor einer „glaubens-entleerte(n) Wissenschaftsübersetzung“ hin. Jedenfalls gehe es ihm um das Vermeiden einer „Verwechslung dessen, was in das Buch hineingeschrieben wurde, mit dem was aus ihm herausspricht.“

Einen breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung Siegfried Kracauers mit Rosenzweig  ein, mit der sich Christoph Kasten befasst. Dass Krakauer dieser Übersetzung einen „ästhetischen Fundamentalismus“ bescheinigt, zeigt, woran er eine gute und sachgerechte Übersetzung misst, an einer die Gegenwart verändernden Wirkung. Er wirft Buber und Rosenzweig sogar vor, in „völkisches Fahrwasser“ geraten zu sein. Entsprechend fällt auch Rosenzweigs Reaktion in einem Brief an Buber aus. Für ihn ist „die allgemeine Entrüstung über uns nur eine über den Urtext.“ Bubers Voraussetzung, „das Wort entzieht sich jeder rein zeitlichen Fixierung“, entbindet jedoch nicht von der Pflicht, bei der Interpretation den zeitbedingten Voraussetzungen nachzuspüren. Dies bringt Kracauer in seiner Replik darauf zum Ausdruck. Nicht von der Hand zu weisen ist Kracauers Vorwurf, die von Rosenzweig und Buber beanspruchte Treue gegenüber dem Original sei gar nicht »treu«, weil sie zeitbedingten Ausdrucksformen „die ungebrochene Gewalt des Originals verleihen möchten.“

Rosenzweigs „Die Schrift und Luther“ erschien erst nach Kracauers entschiedener Kritik an Bubers und Rosenzweigs Bibelübersetzung als indirekte Antwort. Ein höchst lesens- und nachdenkenswerter Beitrag für alle, die mit Sprache und Bibelauslegung befasst sind, auch wenn Kasten das hohe Kriterium wiedergibt, das Rosenzweig anlegt: „Es ist nicht die reine philologisch-wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit, die zur Wahrheit der Schrift vordringen kann, sondern das lebendige Ereignis, das der Gläubige beim Sprechen des Textes erlebend wiederhole.“ Auch für den Ungläubigen muss eine Übersetzung aussagekräftig, wenn auch nicht inhaltlich nachvollziehbar sein.

Christian Wiese widmet sich im letzten Beitrag dieses Bandes Rosenzweigs und Bubers „Kritik des protestantischen Neo-Marcionismus im Kontext der Zeit“. Dieser Begriff bezeichnet im Anschluss an Leo Baeck Versuche, alles Jüdische aus der christlichen Verkündigung herauszuhalten. Rosenzweigs antimarcionistische Absichten werden in Zusammenhang mit seiner eigenen Biografie und religiösen Entwicklung gesehen. Zugleich bietet Wiese damit einen Abriss protestantischer Theologiegeschichte zu Beginn des 20. Jh. aus jüdischer Sicht. Man fühlt sich an die Diskussion um Slenczka erinnert, mit dem sich Wiese am Ende seines Aufsatzes dann auch auseinandersetzt. Buber habe zudem mit dieser Übersetzung der Tendenz der Loslösung des Christentums vom Judentum entgegen wirken wollen. Wenn nach Rosenzweigs Grundverständnis die Bibel „sich in keinen Raum einschließen lassen“ dürfe, sondern „immer wieder aufs neue als fremder, unvertrauter Laut von draußen die zufriedene Gesättigtheit des vermeintlichen Besitzers aufstöbern“ müsse, sind Parallelen zur gleichzeitigen Dialektischen Theologie nicht zu übersehen. Es wundert daher nicht, dass Emil Brunner das Werk lobte, während die übrige protestantische Theologie reserviert bis ablehnend reagierte. Ein längeres Zitat von Gershom Scholem bezeichnet diese Übersetzung als ein „Gastgeschenk, das die Juden dem deutschen Volk in einem symbolischen Akt der Dankbarkeit noch im Scheiden hinterlassen konnten.“ Allerdings verwies dieser auch darauf, dass die ursprünglichen Adressaten nicht mehr lebten, ihre Kinder nicht mehr die deutsche Sprache beherrschten und selbst diese sich seither gewandelt habe.

Einige ausführliche Buber- und Rosenzweig-Zitate die den Neo-Marcionismus charakterisieren, besitzen noch immer Aktualität und sollten von christlichen Theologen aufmerksam zur Kenntnis genommen werden. Mit einem längeren Buberzitat, das wichtige Impulse für das christlich-jüdische Gespräch enthält, schließt Wieses Beitrag. Hier nur die ersten Sätze:

    „Was die Bibel vermögen wird, wird auch in Europa und Amerika ein Entscheidendes sein, jüdisches Leben in dem, was es gibt, und in dem, was es erfährt, wird hierdurch bestimmt werden. Und ebenso doch auch, wenn auch das gesagt werden darf, christliches Leben; es gibt hier eine Gemeinschaft des Geschickes. …“

Alles in allem eine wichtige Veröffentlichung zu grundlegenden hermeneutischen Fragen und zum Wesen des Verhältnisses von Christentum und Judentum.

Micha Brumlik [Hrsg.] :
LUTHER, ROSENZWEIG UND DIE SCHRIFT.
Ein deutsch-jüdischer Dialog.

Essays.
Mit einem Geleitwort von Margot Käßmann.
295 S. Kart.
Europäische Verlagsanstalt
Hamburg 2017
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Dr. Hans Maaß




Gemeinsam auf dem Weg der Religionen unterwegs



Von Christof Lampart | Mehr als hundert Christen und Muslime begaben sich am Freitagabend auf den «Weg der Religionen», beteten gemeinsam für den Frieden und diskutierten angeregt über Gott und die Welt...

DITIB: Genug ist genug



Von Leo Latasch | Die jüdischen Gemeinden sollten ihr Verhältnis zum größten islamischen Dachverband überdenken. [Der Autor ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und aktiv im Rat der Religionen] ...




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