Michael Krupp: "Messias" - Eine Rezension
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Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag des evangelischen Theologen Hans Maaß. Als Schuldekan und Kirchenrat war er über zwei Jahrzehnte im Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe für alle Fragen zuständig, die den Religionsunterricht an Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen betreffen. 1992 - 2003/2004 Lehrauftrag an der PH Karlsruhe für Neues Testament und Judentum. Maaß war u.a. viele Jahre Vorstandsmitglied im Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe
seiner Rezension an dieser Stelle.
Messias
© Copyright 2018
Entsprechend lautet das erste Kapitel „Messias im Alten Testament“. Die weiteren Kapitelüberschriften zeigen, wo und wie überall diese Thematik relevant fassbar wird: „Messianische Gestalten und Erwartungen in der zwischentestamentlichen Literatur“. Hier beschränkt sich Krupp allerdings auf drei Texte, die er exemplarisch aus der Fülle des Materials herausgreift: Aus den Psalmen Salomos zitiert er Kap. 17, das die sog. Natanverheißung auf den endzeitlichen „Sohn Davids“ bezieht. Interessant ist an diesem Text, wie diese messianische Gestalt beschrieben wird und welche Erwartungen hier für Jerusalem und „das Volk des Herrn“ damit verbunden sind. Ein kurzer Ausschnitt aus Henoch 71 und 4.Esra 7 runden dieses Kapitel ab, wobei das Henochbuch allerdings vom „Menschensohn“ spricht, der ebenfalls als „messianische Gestalt“ anzusehen ist.
Sehr viel umfangreicher sind die Textbeispiele im Kapitel „Der Messias und die Endzeit in Qumran“; dies ist wohl darin begründet, dass diese in der nichtuniversitären Theologie inhaltlich weithin nicht genügend beachtet werden, obwohl wir uns damit im unmittelbaren Umkreis des Neuen Testaments befinden. Vor allem kann die Tatsache, dass nicht alle in Qumran belegten Vorstellungen nur ein einziges Denkmodell repräsentieren, davor bewahren, sich das Judentum zur Zeit Jesu zu homogen vorzustellen. Krupp zitiert dabei auch Texte, die nur fragmentarisch erhalten sind, und stellt deren dadurch bedingte begrenzte Aussagekraft heraus.
Das Kapitel „Jesus, der Messias, im Neuen Testament“ müsste eigentlich lauten, „… in den Evangelien“; denn darauf beschränkt sich Krupp, und zwar auf Erzählungen mit messianischem Charakter. Besonders ausführlich geht er dabei auf einen Text ein, der in der Lutherbibel „Der verdorrte Feigenbaum“ betitelt ist, und stellt überraschende Beziehungen zu messianischen Vorstellungen im Judentum heraus. Unter den „Messiasvorstellungen im rabbinischen Judentum“ verweist er auf den einzigen Beleg in der Mischna. Natürlich darf aus dem Talmud Sanhedrin XI nicht fehlen, das er in Sachgruppen nach bestimmten Fragestellungen übersichtlich gliedert. Darauf beschränkt er sich jedoch nicht, sondern zitiert und kommentiert auch Texte mittelalterlicher Rabbiner, denen z.T. anzumerken ist, dass sie aus der Zeit nach dem Entstehen des Islam stammen. Außerdem führt er eine Fülle anderer Texte aus unterschiedlichen Corpora an, die im allgemeinen schwer zugänglich sind und ein interessantes Panorama der unterschiedlichsten Vorstellungen bieten, die verschiedenen Richtungen des Judentums entwickelt wurden. Dies ist für christliche Theologen gerade deshalb aufschlussreich, weil dadurch dem Irrtum entgegen gewirkt werden kann, im Judentum habe es eine mehr oder weniger genormte Messiasvorstellung gegeben. Dies kann auch helfen, neutestamentliche „Christus-Stellen“ differenzierter zu betrachten. Erzählerische Messias-Texte finden ebenso Berücksichtigung wie Messiaserzählungen in der Polemik und werden ausführlich kommentiert. Selbst an die „Messiassehnsucht in der Liturgie Israels ist gedacht.
Ausführlich geht Krupp auch auf die Messias-Thematik in mittelalterlichen Midraschim ein, eine Textgruppe, die den meisten christlichen Theologen unbekannt sein dürfte. Vom „Midrasch über den Messias und die Auferweckung der Toten“ ist sogar die Titelseite abgebildet. An dieser Stelle ist es umso bedauerlicher, dass Michael Krupp zwar am Ende des Bandes ein Literaturverzeichnis, aber kein Schriftstellenverzeichnis angefügt hat; dies würde den Nutzwert dieser Veröffentlichung noch erhöhen. Ich habe mir diese Stellen in die elektronische Fassung meines Bibelstellenregisters zum Talmud eingetragen. Auch die Messiasthematik in weiteren Midraschim aus der Zeit des Hochmittelalters sind dokumentiert. Dabei fällt auf, dass teilweise die gleichen Stellen wie im Neuen Testament zitiert, aber anders verstanden werden ohne polemische Auseinandersetzung mit dem Christentum. Der jüdischen Beschäftigung mit Jesus ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Damit begnügt sich Michael Krupp jedoch nicht; ohne den Anspruch auf Vollkommenheit zitiert er jüdische Stimmen zu Jesus „Von der frühen Neuzeit bis zur Gründung des Staates Israel“, Texte von Joseph Klausner und Leo Baeck als Stimmen „Im vorstaatlichen Israel“, Martin Buber, Schalom Ben Chorin, Pinchas Lapide und David Flusser im Kapitel „Jesus in Israel“, den jüngst verstorbenen Amos Oz als Beispiel für „Jesus in der israelischen Literatur“, um mit drei kurzen Kapiteln über „Jesus in der bildenden Kunst“, „Kein Prophet in seinem Land“ und „Messianische Bewegungen“ zu schließen.
Mir ist kein Buch mit einer solch umfassenden und weit gespannten Dokumentation einschlägiger jüdischer Äußerungen zum Thema „Messias“ bekannt. Es sollte zu einem Arbeitsbuch jedes christlichen Theologen werden, der sich mit diesem Thema befasst – und wer wäre dies nicht!
Dr. Hans Maaß
Michael Krupp
MESSIAS
226 S., brosch., einige Abbildungen
Verlag Lee Achim Sefarim
Jerusalem/TVT, Tübingen 2018.
ISBN 978-3-929128-59-3
Euro 20,- zzgl. Porto und Verpackung.
BESTELLUNGEN:
Lee Achim Sefarim, P.O.B.7682, Jerusalem 91076
E-mail: michaelkrupp@bezeqint.net
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