ACHTUNG
ONLINE-EXTRA Nr. 290
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Vergangenes Wochenende wurde bekannt, dass die Bloggerin Marie Sophie Hingst, die sich eine fiktive jüdische Familiengeschichte zugelegt hatte und als Holocaust-Opfer ausgab, bereits am 17. Juli in Dublin tot aufgefunden wurde. Ein Fremdverschulden schloss die irische Polizei aus.
Hingst hatte in ihrem Blog "Read on my dear, read on" sowie in gefälschten Opferbögen für die Gedenkstätte Yad Vashem behauptet, sie stamme aus einer jüdischen Familie, die viele Mitglieder im Holocaust verloren habe. Der SPIEGEL entlarvte diese Angaben Anfang Juni diesen Jahres als falsch und frei erfunden. Der offenbare Freitod der gerade einmal 31-jährigen Frau (siehe hierzu vor allem: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 28. Juli 2019) stellt damit das ebenso erschütternde wie grelle Ende einer bizarren Gechichte dar, die alles andere als ein singuläres Phänomen in der jüngeren Geschichte Deutschlands anzusehen ist. So belegt es eindrucksvoll der nachfolgende Beitrag des Historikers Julius H. Schoeps, dessen Titel bereits programmatischen Charakter hat: "Eine deutsche Krankheit. Von der Sehnsucht und dem drängenden Verlangen, ein „jüdisches“ Opfer zu sein".
Schoeps schildert - ausgehend just von dem jüngsten Fall der Bloggerin Hingst - eine ganze Reihe markanter, nicht selten spektakulärer Fälle von einer fiktiv angeeigneten jüdischen Identität, die nach dem Holocaust und seit Kriegsende im deutschsprachigen Raum zu erleben waren. Hat man sich mit den von Schoeps geschilderten Beispielen vertraut gemacht, kommt man kaum umhin, dem Fazit des Autors zuzustimmen: "Man kann die geschilderten Fälle zweifellos nicht alle über einen Leisten schlagen, sollte sie aber als das ansehen, was sie tatsächlich sind – Phänomene einer Gesellschaft, die geradezu traumatisch an ihrer Vergangenheit leidet."
Zu Entstehung und Hintergund des nachfolgenden Textes von Schoeps beachten Sie bitte auch die Angaben des Autors zu Beginn der Fussnoten sowie die Buch-Anzeige im fortlaufenden Text.
COMPASS dankt dem Autor herzlichst für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Textes an dieser Stelle!
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Einen angenehmen Tag und einen erfreulichen Sommer wünscht
Dr. Christoph Münz
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