ACHTUNG:
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Vor dem Internationalen Gerichtshof muss sich Israel seit dem 11. Januar gegen den Vorwurf des Völkermordes in Gaza verteidigen. Eingebracht hat die Klage Südafrika, was keineswegs ein Zufall ist. Denn zwischen Israel und Südafrika gibt es seit Jahrzehnten Spannungen und die Sympathie für die Palästinenser seitens Südafrikas ist groß. Das Problem geht auf die Zeiten der Apartheid zurück und birgt mehrere historische und geopolitische Aspekte wie Beiträge im STANDARD, der FRANKFURTER RUNDSCHAU und der WELT deutlich machen: "Warum Südafrika Israel einen Völkermord vorwirft und vor Gericht zerrt."
Volker Türk (1965) ist seit 2022 Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Der oberste UN-Wächter der Menschenrechte verfügt über keine direkte Macht gegenüber Regierungen. Der österreichische UN-Diplomat sucht den Dialog mit politisch Verantwortlichen, um Menschenrechte zu stärken, kann Ermittlungen einleiten und Unrechtsregimes öffentlich anprangern. Türk ist Jurist und war Strategiechef des UN-Generalsekretärs und bekleidete Positionen im Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Im Interview mit dem österreichischen STANDARD fordert er die juristische Verfolgung von Straftaten im Nahostkonflikt und äußert sich über den Genozidvorwurf gegen Israel: "Verbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben".
Ebenfalls Jurist ist Kai Ambos, einer der angesehendsten Völkerrechtler Deutschlands. In einem Beitrag für DIE WELT weist er zunächst darauf hin, dass es für den Genozidvorwurf "einen großen Unterschied (macht), ob ein Staat militärische Gewalt als Reaktion auf den Angriff einer nicht staatlichen Konfliktpartei ausübt oder sich seine militärischen Maßnahmen alleine gegen eine bestimmte Gruppe der Zivilbevölkerung richten." Sodann führt er mehrere juristische Aspekte an, die den Genozid-Vorwurf widerlegen. U.a. schreibt er:
"Aus der völkerrechtlich maßgeblichen Definition der Genozidkonvention, die Eingang in alle nachfolgenden Instrumente gefunden hat, ergibt sich insoweit, dass es um den Schutz der Existenz bestimmter Gruppen geht, wobei - dies ist entscheidend - der Täter mit der übergreifenden Absicht handeln muss, die betreffende Gruppe mindestens zum Teil zu zerstören. Es handelt sich also um einen Tatbestand mit einer 'überschießenden Innentendenz', der Täter muss mehr wollen als er objektiv ausführt. Beispielhaft: die Tötung von Mitgliedern einer Gruppe oder die Verursachung schwerer Schäden an ihren Mitgliedern - beides Handlungen, die einem Genozid objektiv zugrunde liegen können - reicht für die Bejahung eines Genozids nicht aus; es bedarf immer der darüber hinausgehenden Zerstörungsabsicht. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass ein Genozid nicht alleine deshalb angenommen werden kann, weil massive Militärschläge erfolgen und erhebliche Schäden an Menschen oder Sachen verursachen."
Der Politikwissenschafter und Kriegsforscher Ron Hassner wurde 1971 in Wien geboren und ist in Israel aufgewachsen. Seit über 25 Jahren lebt, forscht und lehrt er in den USA. Er ist Leitungsmitglied und Inhaber eines Lehrstuhls am Helen-Diller-Institut für Israel-Studien an der Universität Berkeley. Im Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG legt er dar, warum der Westen Israel zu Unrecht kritisiere. Spätestens seit dem 7. Oktober sollten alle begriffen haben: "Die Hamas, das sind Wahnsinnige". Er sagt:
"Die Hamas hat kein Interesse an Frieden. Sie interessiert sich nicht für westliche Werte. Sie ist einzig daran interessiert, ein Tabu nach dem anderen zu sprengen. Der Gewalt und dem Horror sind keine Grenzen gesetzt. Seit dreissig Jahren beschäftige ich mich mit Terrorismus. Ich habe noch nie zuvor von einer Terrororganisation gehört, die ihre Greueltaten mit einem Mobiltelefon filmt und die Videos dann an die Familienangehörigen der Opfer sendet."
Auch verteidigt er die israelische Kriegsführung und hält es sehr wohl für möglich, eine Terrororganisation wie die Hamas zu zerstören:
"Die etwas älteren unter uns sollten sich erinnern: Die Rote-Armee-Fraktion der siebziger Jahre gibt es nicht mehr. Die irische Freiheitsbewegung IRA - weg. Die al-Kaida - zumindest so weit zerstört, dass ein zweites 9/11 nicht mehr möglich wäre. (...) Politiker wie Biden verstehen, dass die Forderung nach einer Waffenruhe hauptsächlich das Überleben der Hamas sichert. Die wichtigen Gespräche finden sowieso nicht vor den Fernsehkameras statt. Wenn Biden Israel kritisiert, spricht er zu Ihnen, zu mir und zu seinen Wählern. Zum ersten Mal in der Geschichte sind amerikanische Truppen in Israel. Sie tauschen mit Israel Informationen aus, sie fliegen zusammen Drohnen und suchen gemeinsam nach Geiseln, weil einige der Geiseln Amerikaner sind. Vermutlich intervenieren die Amerikaner stark hinter den Kulissen auf der taktischen Ebene."
Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
Vergangenen Sonntag waren es hundert Tage seit dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel und der Entführung von 250 Menschen. Zwar konnten eine Reihe von Geiseln im November freikommen, aber noch immer sind über 130 von ihnen in der Hand der Terroristen. Um an ihr Schicksal zu erinnern, demonstrierten am Samstagabend 120 000 Menschen in Tel Aviv. Und am Sonntag – einem normalen Arbeitstag in Israel – organisierten die Gewerkschaften einen Solidaritätsstreik für hundert Minuten. Angestellte von mehr als 150 Unternehmen legten im ganzen Land die Arbeit nieder. Rewert Hoffer berichtet für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus einem traumatisierten Land: "Israel steht still, um an das Schicksal der Geiseln zu erinnern".
In einem sehr instruktiven Interview mit TAGESSCHAU.de bestätigt der Historiker Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, diese Sicht von der "Retraumatisierung einer ganzen Gesellschaft". Gerade aus Israel zurückgekehrt schildert er seine Eindrücke davon, in welcher Verfassung die israelische Gesellschaft ist, wie sie vor Ort den Krieg gegen die Hamas beurteilt, welche Vorstellungen für Gaza nach Ende des Krieges bestehen und wie Netanjahu den Krieg auch für eigene Zwecke instrumentalisiert.
Ebenso empfehlenswert ein Interview mit dem in Österreich aufgewachsenen Psychiater Martin Auerbach, klinischer Direktor für die Hilfsorganisation AMCHA, die Holocaustüberlebende psychologisch unterstützt. Seit dem 7. Oktober aber betreuen er und sein Team auch Überlebende des Terrorangriffs der Hamas. Rund tausend Menschen haben bei ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen eine Traumabehandlung angefragt; 700 haben sie bereits begonnen. Im Gespräch schildert er die Ausdrucksformen und Mechanismen der Traumatisierung, wie man ihr therapeutisch begegnet und welchen Niederschlag sie auf gesellschaftlicher Ebene finden. Zur Frage, welche Rolle dabei die Erinnerung an den Holocaust in der israelischen Gesellschaft spielt, sagt er:
"Der sichere Zufluchtsort wurde durch den Terrorangriff der Hamas verletzt wie vielleicht nie zuvor. Kinder und Eltern wurden voreinander gefoltert, Frauen wurden vergewaltigt. Menschen wurden nicht nur ermordet, sondern gequält und lebendig verbrannt. Jede andere Gesellschaft wäre danach ebenfalls traumatisiert. Aber in Israel weckt es eben noch zusätzliche Erinnerungen. Es ist zwangsläufig, dass wir an die Progrome der Vergangenheit und an die Schoa denken. Viele haben ein Gefühl, als könne sich der Holocaust wiederholen. Die Überlebenden von damals, mit denen ich jetzt spreche, sagen: So war meine Kindheit. Das, was die Hamas jetzt gemacht hat, das habe ich im Holocaust mit eigenen Augen gesehen – als Kind."
In Israel gilt Wehrpflicht, jeder und jede muss zur Armee. Frauen werden für zwei Jahre, Männer für zweieinhalb Jahre. Ausgenommen sind einzig ultraorthodoxe Juden und arabische Israelis. Gleichwohl gibt es auch immer wieder Menschen, die den Wehrdienst aus moralischen Gründen verweigern wollen. Und das auch in der gegenwärtigen Kriegssituation, wie Henriette de Maizière für ZDF HEUTE berichtet und einige Beispiele schildert: "Was Kriegsdienstverweigernden droht."
Der Historiker und Verleger Ernst Piper erzählt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG die Geschichte der Gründung Israels als "eine Geschichte leerer Versprechungen und dauernder Rückschläge", die wesentlich auch von strategischen Interessen der Grossmächte geprägt war. Am Ende seines Beitrages erinnert er schließlich an die unmittelbaren Folgen nach der von David Ben Gurion proklamierten Unabhängigkeit am 14. Mai 1948:
"Am Tag darauf griffen Jordanien, Syrien, Libanon, Ägypten, der Irak und Saudiarabien Israel an. Sie bestritten das Existenzrecht des neuen Staates und wollten «die Juden ins Meer werfen». Am Ende hatte Israel ein Territorium erobert, das grösser war als das von der Uno vorgesehene. Der Gazastreifen wurde ägyptischer Verwaltung unterstellt, das Westjordanland von Jordanien besetzt und annektiert. An einem Palästinenserstaat hatten die arabischen Staaten kein Interesse."
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Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel kennt fast jeder in Deutschland die erst 32-Jährige Sophie von der Tann, die fast täglich Neuigkeiten, Analysen und Hintergründe aus dem Kriegsgebiet übermittelt. Aufgewachsen ist sie in Tann in der Rhön und legte 2010 ihr Abitur an der Rabanus-Maurus-Schule in Fulda ab. Anschließend studierte sie in Oxford, London und New York Theologie, Geschichte und Orientalistik. Beim Bayerischen Rundfunk (BR) absolvierte ihr Volontariat. Im Interview mit der FULDAER ZEITUNG spricht sie über ihre Verbindung zum Nahen Osten und die Herausforderungen ihres Jobs in Kriegszeiten: „Tasche für Notfall ist gepackt“.
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.
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100 Jahre war es im November 2023 her, als Hitler versuchte, sich in München an die Macht zu putschen. Anlass für die FRANKFURTER RUNDSCHAU, die Geschichte dieses gescheiterten Putschversuches in drei Teilen nachzuzeichnen, deren erste beiden Teile im November letzten Jahres und der dritte und letzte Teil vor wenigen Tagen erschienen. Der Beitrag macht deutlich, dass der Putschversuch bei aller dilletantischen Ausführung, nicht nur für Juden voller Gefahren war, sondern auch trotz seines Scheiterns Hitler nicht zum Nachteil gereichte: "24 Stunden, in denen die Republik wankte".
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete der Lehrer und Holocaustüberlebende Mejlech Bakalczuk in einem Lager für jüdische Displaced Persons im österreichischen Linz eine Historische Kommission, die Zeugnisse von Holocaustüberlebenden sammeln sollte. Bakalczuk leitete die Kommission gemeinsam mit dem aus Butschatsch stammenden Architekten und Überlebenden Simon Wiesenthal. Ziel ware es, Informationen zur Identifizierung und späteren Strafverfolgung der Täter zu ermitteln. In einem Beitrag für den STANDARD schildert die Historikerin Lea von der Hude, wie sich angesichts der Passivität und Nachsicht der österreichischen Behörden gegenüber den NS-Verbrechern die Holocaustüberlebenden groteskerweise selbst für die Suche nach ihren Peinigern verantwortlich fühlten: "Wie jüdische Überlebende im Nachkriegsösterreich nach NS-Tätern suchten".
Eine Ausstellung im Würzburger Rathaus unter dem Titel "Nichts war vergeblich – Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" würdigt den Mut von Frauen, die sich gegen den Terror des NS-Systems stellten. In der Ausstellung werden 18 Frauen portraitiert, die sich auf vielfältige Weise dem NS-Regimes entzogen oder widersetzten. Sie verfassten und verteilten beispielsweise Flugblätter, boten Verfolgten Unterschlupf oder klärten im Ausland über das Unrecht in Deutschland auf. Carolin Hasenauer hat die Ausstellung für den BAYRISCHEN RUNDFUNK besucht: "Mut und Widerstand: Frauen gegen das NS-Regime."
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In einem Essay für die FAZ spürt Dan Diner, emeritierter Professor für Moderne Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, den christlich und islamisch geprägten Formen des Antisemitismus nach, um sich dann den Veränderungen dieser antisemitischen Stereotypen in den säkular geprägten Gesellschaften nach dem Holocaust zu widmen. Als Kern des aktuell wiedererstandenen Antisemitismus macht er einen theologisch geprägten "negativen Erwählungsmythos" aus, der sich in den gegenwärtigen, vor allem postkolonial geprägten Debatten vor allem an der Rolle des Holocaust festmacht:
"Ein solcherart theologisch formatiertes Deutungsmuster findet sich vor allem in der Kontroverse um das Aufmerksamkeitsprivileg wieder, das der Holocaust vorgeblich für sich in Anspruch nimmt: seine einer Gleichsetzung mit anderen Massenverbrechen sich entziehende Besonderheit. Ein solches beanspruchtes Aufmerksamkeitsprivileg, so das Argument, verweigere anderen Massenverbrechen, vornehmlich solcher kolonialen Natur, eine ihnen angemessenen Wahrnehmung und damit deren Anerkennung."
Dem hält Diner entgegen:
"Der Holocaust als absoluter Genozid ist ein Verbrechen sui generis. Die Vermutung, diese Einsicht sei Ergebnis jüdischer Machenschaften, ignoriert seinen Charakter ebenso wie den antijüdischen Resonanzboden, auf den dieses Argument fällt. Dass die Erinnerung an den Holocaust heute zunehmend als jüdisches Privileg denunziert wird, das angesichts der Pluralität und der normativen Gleichbehandlung aller Kollektivverbrechen wegen zurückzutreten habe, ist eschatologisch ein später Sieg der „Endlösung“: Indem die Nazis das Versprechen des Vernichtungsantisemitismus nahezu erfüllt haben, haben sie den Juden das Privileg einer negativen Erwählung aufgebürdet und sie damit aufs Neue zum Hassobjekt der Völker gemacht."
Die "Jüdische Allgemeine Wochenzeitung" gehört mit einer Auflage von rund 10.000 Exemplaren zwar zu den kleinen Zeitungen in Deutschland, aber als wichtigste jüdische Stimme im Chor der Medien erhält sie viel Aufmerksamkeit - erst recht in der Folge des Hamas-Massakers vom 7. Oktober. Vor diesem Hintergrund hat die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG den Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen" Philipp Peyman Engel zur jüngsten Entwicklung des Antisemitismus befragt. Engel kritisiert dabei u.a. auch die deutschen Medien, die den islamischen Antisemitismus lange tabuisiert hätten:
"Die Problematik wurde jahrelang von vielen unserer Journalistenkollegen zwar gesehen, aber verdrängt. Aus Angst, als rechts oder rechtsextrem bezeichnet zu werden. Jüdische Journalisten hingegen, die auf die Anfeindungen aufmerksam gemacht haben, wurden als vermeintliche Wegbereiter der AfD beschimpft. Da hat unsere Zunft versagt."
Dafür macht er insbesondere die "Deuschen Presseagentur" (DPA) verantwortlich, deren Israel-Berichterstattung Engel scharf kritisiert. Auf den Einwand, die DPA habe doch jüngst angekündigt, die Hamas künftig als Terrororganisation zu bezeichnen, sagt er:
"Ja, aber musste die Hamas erst Kinder enthaupten, Frauen vergewaltigen und hinrichten, Familienvätern vor ihren Kindern Gliedmassen abhacken und dann in den Kopf schiessen, bis auch die DPA verstanden hat, worum es geht? Ein Blick in die Hamas-Charta und auf ihre Verbrechen in den vergangenen Jahren hätte genügt."
Um die Geschichte dieses von Philipp Peyman Engel als tabuisiert beklagten islamischen Antisemitismus geht es in einem Beitrag von Karl Rössel in der JUNGLE WORLD. Rössel, der Journalist und Kurator der Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ ist, skizziert einmal mehr die Zusammenarbeit zwischen den Nationalsozialisten und damaligen politischen Führungskräften im Nahen Osten. Im Anschluss beklagt auch Rössel die Verdrängung und sogar Verleugnung dieser Geschichte selbst in öffentlich geförderten, wissenschaftlichen Institutionen wie dem "Zentrum Moderner Orient" (ZMO) in Berlin, der bedeutendsten Institution »für interdisziplinäre Studien« zum Nahen Osten, dem er "Geschichtsklitterung" vorwirft. Nach einem Blick auf die antisemitischen Tendenzen in der deutschen Linken in ihrem Verhältnis zu Israel und den Palästinensern seit 1968 kritisiert er schließlich postkoloniale Positionen, die sich nicht einmal von den Anschlägen vom 7. Oktober irritiert zeigen. U.a. schreibt Rössel:
"Offenbar macht sich kaum jemand in dieser Szene Gedanken darüber, welche Form von »Freiheit« es »from the river to the sea« wohl nach einem Sieg von Hamas, Islamischem Jihad, Fatah und Hizbollah in ihrem Kampf gegen Israel geben würde, einmal ganz abgesehen davon, dass die Vertreibung oder Vernichtung der jüdischen Bevölkerung die Voraussetzung dafür wäre. Soll in Palästina etwas eine »befreite« Gesellschaftsordnung entstehen, wie sie in den islamistischen Ländern besteht, von denen die Hamas propagandistisch, finanziell und militärisch unterstützt wird, also wie im Iran, in Katar oder in der Türkei?"
Ob rechtsextrem, linksextrem oder islamistisch: Im Antisemitismus sind sich Radikale aller Richtungen offenbar einig. Der Historiker und Kommunikationswissenschaftler Rudolf Stöber erklärt im Interview mit der WELT, wie sich der Hass seit 1945 in Deutschland entwickelt hat – und warum das Bekenntnis „Nie wieder“ zu kurz greift:
"Hitlers größter Sieg ist die Verankerung der Idee in den Köpfen, es gebe einen Unterschied zwischen „den“ Juden und „den“ Deutschen. Wenn man dem Antisemitismus etwas entgegensetzen will, muss man hier ansetzen. Das ist sinnvoller als die ebenso selbstverständliche wie inzwischen oftmals rituell geäußerte Parole „Nie wieder“. Wenn die Juden überall als Mitmenschen betrachtet würden, wäre dem Antisemitismus die Grundlage entzogen."
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"Den christlichen Kirchen laufen die Mitglieder scharenweise davon, der Glaube an den christlichen Gott ist minoritär geworden. Doch das täuscht, zumindest in einem wesentlichen Punkt: Die Sünde als Schlüsselbegriff des Christentums ist lebendiger denn je und mit ihm ein säkularisiertes, theologisch entkerntes und umgewertetes Christentum."
Diese These vertritt und erläutert Volker Reinhardt, emeritierter Professor für allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Freiburg i. Ü., in einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Dabei geht es ihm weniger um das Christentum per se, sondern darum aufzuzeigen, wie eine postmoderne Gesellschaft das christliche System der Sünde in säkularisierter Weise neu installiert hat: "Sünde gibt es jetzt nur noch gegen die Natur, und zwar reichlich. Und der Umgang damit folgt heute in verblüffender Analogie den Regeln der christlichen Kirchen." Dem gemäß entwickelt er zehn neue Gebote, in denen sich dieses neue Verständnis von Sünde niederschlagen: "Bekenne dich schuldig: Der christliche Glaube hat an Bedeutung verloren, doch die Sünde ist lebendiger denn je"
Mit langem Vorlauf, wie es beim ökumenischen Weltgebetstag der Frauen (WGT) üblich ist, haben Christinnen aus Palästina von 2020 bis 2022 für den diesjährigen Gottesdienst am 1. März eine Vorlage und Begleitmaterialien erarbeitet, die am 21. September 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Zunächst ohne kritische Resonanz. Dann kam der 7. Oktober - und veränderte alles. Nun wurde Kritik an der Vorlage laut. Zu den schärfsten öffentlich wahrnehmbaren Kritikern zählten die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit ihrer Zentrale, dem Deutschen Koordinierungsrat (DKR). In Teilen des WGT-Materials stecke "christlicher Antisemitismus schlimmster Art", lautete dessen Urteil. Was sich seitdem getan hat und wie die inzwischen überarbeitete Vorlage die Kritik aufgenommen hat, schildert Christoph Renzikowski für KATHOLISCH.de: "Weltgebetstag der Frauen: Auf Gratwanderung"
Gestern, am 17. Januar, begingen die Kirchen in Österreich zum 25. mal den "Tag des Judentums". Dabei sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Zugleich soll auch das Unrecht an jüdischen Menschen und ihrem Glauben in der Geschichte thematisiert werden. Die Initiative zum "Tag des Judentums" geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in der Schweiz, Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums begangen - in Deutschland nicht. Das Datum dafür wurde bewusst gewählt: So sollen die Kirchen den Geist dieses Tages in die anschließende weltweite "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18. bis 25. Januar) weiter tragen; denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter, darunter der Österreichische "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit". U.a. erinnerten die christlichen Theologen Kampling, Tück und Heil in einem Theologie-Podcast zum "Tag des Judentums" an christliche Quellen des Antisemitismus und rufen zu verstärkter Thematisierung in den theologischen Bildungsinstitutionen auf, wie die Erzdiözese Wien auf ihrer Homepage berichtet. Besonders sei zudem ein Beitrag des Theologe und Jesuit Christian Rutishauser für das Portal "communio.de" erwähnt, in dem er fünf Konsequenzen ausführt, die es angesichts des Antijudaismus und Antisemitismus, der sich "verwandelt wie ein Chamäleon", zu ziehen gelte. In seinem Beitrag kritisiert er außerdem die Deutsche Bischofskonferenz, die es verabsäumt habe, einen solchen Tag einzuführen, wie es ihn in zahlreichen katholischen Kirchen der Nahbarländer seit Jahrzehnten gebe. Das Argument der deutschen Bischöfe, es gäbe bereits eine Vielzahl bestehender Gedenktage, die dem Schoah-Gedenken oder den Beziehungen zum Judentum gelten, sei nicht befriedigend: "Hier zeigt sich, wie sich zwei Horizonte überlagern: Einerseits die Aufarbeitung der Schoah und die Bekämpfung von Antijudaismus und Antisemitismus, andererseits eine Vertiefung der jüdisch-christlichen Beziehung und des christlichen Glaubens."
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Es ist ein deutschlandweit einmaliger Studiengang: die Ausbildung jüdischer Frauen und Männer zu Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern beziehungsweise Sozialpädagogen mit Schwerpunkt jüdische Sozialarbeit. Der Studiengang ist eine Kooperation zwischen der Fachhochschule Erfurt, der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Nun machten 24 Studenten ihren Abschluss in jüdischer Sozialarbeit. An der Feierstunde nahm viel Prominenz teil: Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deuschland, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke), der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, die Leitung der Fachhochschule Erfurt und der Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, Dr. Werner Arnold. Esther Goldberg hat das alles für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG beobachtet: "Der Studiengang ist deutschlandweit einmalig".
Er ist der jüngste Premier, den das Land je hatte – und Macrons Geheimwaffe gegen die extreme Rechte: Frankreichs neuer Premierminister Gabriel Attal. Seine Familiengeschichte zeugt von den Schrecken des 20. Jahrhunderts - und so verkörpert alles, was judenfeindlichen Bewegungen sauer aufstößt. Trotzdem legte er einen fulminanten Aufstieg hin, der nun in der Ernennung zum Premier gipfelte. Uta Cohen stellt den Überflieger und dessen jüdische Verwurzelung in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG näher vor: "Gabriel Attal: Frankreichs Hoffnungsträger".
In Brooklyn/New York wurde vor einigen Tagen ein Tunnel unter einer Synagoge der orthodoxen Chabad-Lubawitsch-Bewegung entdeckt. Der 2,4 Meter breite und 1,5 Meter hohe unterirdische Gang verläuft nach Angaben des New Yorker Bauamtes unter dem Gebäude neben der Hauptsynagoge des Komplexes und erstreckt sich über 18 Meter. Im Netz sorgt der Tunnel sogleich für skurrile Verschwörungstheorien. Unter anderem meinen viele User und Userinnen, der Tunnel werde für illegale Aktivitäten benutzt. Als der Tunnel dann mit Beton verschlossen werden sollte, kam es zu Tumulten zwischen Gläubigen und Bauarbeitern, wie das Schweizer Nachrichtenportal "20min" und T-ONLINE berichten: "Tunnel unter Synagoge befeuert Verschwörungstheorien".
Es gibt Themen, um die seit eh und je und immer wieder heftig gestritten wird. Weil sie von hoher Relevanz für die Menschen und die Gesellschaft als solche sind. Und weil sie tiefe Überzeugungen berühren. Ein solch heißes Eisen ist die Abtreibung. Oder besser: die Frage, ob Abtreibungen erlaubt oder verboten werden sollen. Ob sie strafbar oder straffrei sein sollen. Diese Frage, die heute Gerichte beschäftigt, wurde frelich schon in der Tora diskutiert: Wie viel wert ist das ungeborene Leben gegenüber dem der Mutter? Und sollte sie selbst entscheiden, ob sie das Kind behält? Daniel Neumann stellt die Antworten auf diese Fragen in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN vor: "Mutter-Schutz".
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
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Die Debatte um die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) hat die Wogen hoch gehen lassen: Ein Essay, in dem Jan-Heiner Tück, Professor am Institut für Systematische Theologie und Ethik der Universität Wien, und Ulrich Körtner, Professor für Systematische Theologie (reformierte Theologie) an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, "eine Theologie, die von Kirche her und auf Kirche hin denkt" forderten, wurde von den beiden Pastoraltheologen Rainer Bucher und Michael Schüßler als ein Rückzug ins binnenkirchliche Ghetto gedeutet. In der katholischen Zeitschrift COMMUNIO antworten nun Tück und Körtner. Wo Religiosität und theologisches Nachdenken nicht mehr kirchlich rückgekoppelt sind, drohen sie sich zu verflüchtigen. Sie plädieren: "Für eine theologischere Theologie".
Der Link dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Am 7. Oktober 2023 wachte der israelische Soziologe Natan Sznaider in einer anderen Welt auf. Entsetzt und verzweifelt waren unzureichende Worte, um das Massaker der Hamas zu fassen. Aus der Ferne erkannte der Kölner Schriftsteller Navid Kermani den Schrecken wieder, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits über so viele Völker im Nahen Osten gekommen war. Die beiden Freunde erinnerten sich eines leidenschaftlichen Mailwechsels, den sie 2002 nach ihrer ersten Begegnung in Haifa geführt hatten. Dasselbe gespenstische Gefühl beschlich sie, weil sich alle Befürchtungen bewahrheitet hatten. 21 Jahre später lesen sich die Emails, als wären sie heute geschrieben, meint Thomas Ribi in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Israel. Eine Korrespondenz"
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
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