ACHTUNG:
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Hilal Khashan, Professor für Politische Wissenschaften an der American University in Beirut, macht in einem Beitrag für CICERO deutlich, dass trotz des Gaza-Kriegs ein Friedensabkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel noch immer nicht vom Tisch ist. Freilich dringt Riad auf die Gründung eines palästinensischen Staates. Unabhängig davon gibt es jedoch eine Reihe von starken Faktoren und Motiven, die in beiden Staaten einen festen Willen zum Friedensschluss hervorgebracht haben, wie Khashnan näher erläutert: "Israels und Saudi-Arabiens langer Weg zum Frieden".
Immer wieder wirft die palästinensische Seite Israel "Apartheid" in besetzten Gebieten vor, zuletzt vor dem Internationalen Gerichtshof. Und auch bei pro-palästinensischen Kundgebungen gehört der Vorwurf der Apartheid zum Standardreservoir der Israel-Kritiker, so auch zuletzt auf dem heftig kritisierten Abschlussabend der Berlinale. Was aber bedeutet Apartheid eigentlich genau und ist der Vorwurf berechtigt? In einem Beitrag für ZDF HEUTE geht Samuel Kirsch diesen Fragen nach, klärt über Entstehung und Kriterien dieses zu einem völkerrechtlichen Rechtsbegriff gewordenen Begriff auf und mißt ihn an der Realitiät in Israel: "Apartheid: Vorwurf gegen Israel berechtigt?"
"Alle Appelle zum Innehalten richten sich ausschließlich an Israel, das am 7. Oktober vergangenen Jahres Opfer eines mörderischen Angriffs geworden ist", schreibt Thomas Schmid in einem Beitrag in der WELT, und kritisiert, dass dabei "Israel immer entschiedener vom Opfer zum Täter umgedeutet" werde. Zwar könne man die israelische Kriegsführung sicher kritisieren, aber die Kritik an Israel sei bigott, weil sie den Kontext ausblende:
"Die Hamas kämpft nicht für einen eigenen Staat neben dem jüdischen, sie will erklärtermaßen und mit Unterstützung des Irans den Staat Israel auslöschen. Israel kann daher nur überleben, wenn es sich konsequent verteidigt. Und spätestens seit dem 7. Oktober 2023 ist klar, dass es zwischen Israel und den Palästinensern keine Besserung geben kann, solange die Hamas ein handlungs- und kampffähiger Akteur ist. Die Vernichtung der Hamas mag kein realistisches Ziel sein, ein legitimes ist es in jedem Fall."
Die Erinnerung an die Hamas-Blutorgie vom 7. Oktober verblasst. Hingegen setzen sich die Bilder von palästinensischen Flüchtlingen und zerbombten Wohnhäusern im Gedächtnis fest. Mit Hilfe von Clausewitz analysiert Josef Joffe, Stanford-Fellow und Publizist, zunächst die Merkmale der kriegerischen Auseinandersetzung im Gaza-Streifen und der hinter den kämpfenden Parteien stehenden Mächte, um sich dann einem Problem zu widmen, das er wie folgt beschreibt:
"Die IDF [die israelischen Streitkräfte] sind der Hamas in die voraussagbare Falle getappt. In deren verquerer Logik sind die eigenen Toten zehnmal wertvoller als jede israelische Leiche. Deshalb verstecken die Kämpfer sich hinter «menschlichen Schutzschilden» – Hospitälern, Schulen und Zivilisten. Diese Taktik haben die Genfer Konventionen geächtet. Doch hat das politische Kalkül wie geplant funktioniert: je mehr eigene Tote, desto besser für die Hamas. Täglich wächst der Druck der USA und der EU. So hat Israel die Schlacht um die Legitimität verloren."
Der österreichische Autor und Journalist Robert Misik analysiert in einem Essay für das IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung die vergifteten Nahost-Debatten, die wir beinahe alltäglich erleben. "Israel ist zu einem Triggerpunkt in den Kulturkämpfen geworden", konstatiert er und zitiert zustimmend Hanno Rauterberg von der ZEIT, der kürzlich über die deutschen Israel-Debatten schrieb: „Ein falsches Wort oder auch nur ein nicht gesagtes, schon droht die diskursive Exkommunizierung.“ Misiks Grundthese, die den aktuellen Kulturkampf um Nahost und Israel kennzeichnet, lautet: "Die Nahost-Debatte verschwindet zunehmend hinter dem starren Korsett eigener Geschichtsschreibung und Selbstinszenierung." Das fasst er nach seiner Analyse in seinem Fazit wie folgt zusammen:
"Meistens hat das alles weniger mit realen Palästinensern und realen Israelis zu tun als damit, wer und was man sein will – wie man die Welt und sich selbst in ihr sehen will. Man gibt sich als heldenhafter Kämpfer gegen Antisemitismus oder gegen Rassismus und Kolonialismus, während die äußeren Gegebenheiten der Realität allenfalls zum Bühnenbild für diese Selbstinszenierung werden, zu Requisiten in einem Theaterstück, dem die Realität angepasst werden muss."
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Tausende Menschen demonstrierten am Samstagabend in mehreren israelischen Städten für die Freilassung der Geiseln und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Medienberichten zufolge kam es dabei zu Chaos und gewaltsamen Zusammenstößen von Regierungsgegnern mit der Polizei. Die Polizei setzte in der Stadt Wasserwerfer und berittene Beamte ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Es habe Verletzte gegeben. Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte das Vorgehen der Polizei. »Das gewaltsame Vorgehen der Polizei heute Abend gegen Demonstranten, darunter die Familien der Geiseln, ist gefährlich, antidemokratisch und darf nicht weitergehen«, zitierten Medien aus einer Erklärung Lapids. Nun hat die israelische Polizei ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie u.a. die FAZ berichtet: "Hoffnung, Wut und neuer Protest".
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Die Vereinigung für Vergewaltigungsopfer in Israel hat einen umfassenden Bericht über den Hamas-Angriff vom 7. Oktober vorgelegt. Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnisse belegen, wie systematisch und brutal die Terrormiliz folterte, vergewaltigte und mordete. Der Bericht dokumentiert vor allem die gegen Frauen eingesetzte, unfassbare Gewalt. In einem nur schwer zu ertragenden Beitrag für die WELT fasst Rossella Tercatin den Bericht zusammen. Im Interview mit der TAZ kritisiert vor diesem Hintergund die israelische Oppositionspolitikerin Shelly Tal Meron das Schweigen der Weltgemeinschaft. Frauenrechtsorganisationen hätten die sexualisierte Gewalt der Hamas nicht ausdrücklich verurteilt. Und in einem weiteren Interview, das in der WELT zu lesen ist, empfiehlt sie, jeder sollte Videos der Hamas-Gräuel gegen Frauen sehen, denn ein solcher Terror bedrohe letztlich den ganzen freien Westen. Nach dem Krieg sieht sie eine wichtige Rolle Deutschlands - und lobt die grüne Außenministerin, auch weil diese Israel „harte Fragen“ stelle.
Kürzlich fand in Frankfurt eine dreitägige Konferenz unter dem Titel „Der 7. Oktober“ statt. Veranstalter waren die Bildungsabteilung des Zentralrates der Juden in Deutschland, die Kinder- und Jugend-Aliyah e. V. sowie das israelische Generalkonsulat in München. Teilnehmer waren u.a. die ehemalige Israel-Korrespondentin der ZEIT Gisela Dachs, die Journalistin Esther Shapira und der Terrorexperte Peter Neumann vom King’s College in London. ISRAELNETZ, JÜDISCHE ALLGEMEINE und die FAZ berichten von der Konferenz: „Israel ist zu einem anderen Land geworden“
Israel erwägt eine Absage seiner Teilnahme am diesjährigen Eurovision Song Contest. Der Grund sind mögliche Widerstände der Organisatoren gegen das eingereichte Lied. Der Text des dafür ausgewählten Liedes „October Rain“ könnte aus Sicht der offiziellen Teilnahme-Regeln allerdings als „zu politisch“ gedeutet und daher disqualifiziert werden. Laut israelischen Medienberichten bezieht sich das größtenteils auf Englisch und mit einigen hebräischen Worten gesungene Lied auf die Opfer des Hamas-Angriffs auf Israel vom 7. Oktober. Aber stimmt das auch? Reproduzieren die Songzeilen wirklich politische Parolen? Und geht es im Streit tatsächlich um Lyrics – oder doch um etwas anderes? Diese Fragen, die aufgeregte Debatte dahinter und über den Stand der Dinge berichten u.a. der SPIEGEL, die TAZ und Gisela Dachs für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, während im schweizer TAGES-ANZEIGER der Liedtext in Gänze zu lesen: "Der Eurovision Song Contest kommt nicht um den Gaza-Krieg herum".
Eine neue Studie zeigt, dass Russland mit seinen Desinformationskampagnen immer stärker auf die israelische und palästinensische Gesellschaft zielt und innergesellschaftliche Konflikte in Israel und das israelisch-arabischen Konfliktpotential zu befeuern. Es wird dabei nicht nur systematisch gegen die USA gehetzt, sondern die Ukraine für die Bewaffnung der Hamas verantwortlich gemacht oder der Westen für das Befeuern aller lokaler Konflikte. So das Ergebnis einer Studie von Arik Segal, Dozent an der Reichman-Universität und der Bar-Ilan-Universität, die er für die Friedrich-Naumann-Stiftung nun vorgelegt hat unter dem Titel: "Russlands Informationskrieg im Nahen Osten".
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Salo Muller, dessen Eltern 1942 zunächst mit niederländischen Zügen und dann mit jenen der Deutschen Reichsbahn nach Auschwitz deportiert wurden, wo man sie ermordete, hat es geschafft, die niederländische Staatsbahn dazu zu bewegen, den überlebenden Opfern und Hinterbliebenen der Ermordeten 50 Millionen Euro Entschädigung zu zahlen. Jetzt wendet er sich an die Deutsche Bahn - und die will nicht zahlen. Rechtlich gebe es dazu keine Verpflichtung, so Anna Lindemann in ihrem Bericht für die TAZ. Dennoch, so gibt sie den Historiker Constantin Goschler wieder, sollte es "eine Debatte über Teilverantwortung geben. Das Unternehmen habe Tausende Menschen wissentlich in Viehwagen in den Tod transportiert und niemand habe versucht, das zu stoppen. Das sei der wichtige Punkt: 'Die Bahn hat eine Rolle im arbeitsteiligen Prozess der Massenermordung eingenommen. Und das muss sie genauso einsehen: Sie hat einen Beitrag zum Holocaust geleistet', so Goschler. Auch [Mullers Anwalt] Klingner fordert, dass die Bahn moralische Verantwortung für die 7.000 niederländischen Opfer und Hinterbliebenen übernimmt. Er sagt, das gehöre auch zur Prävention, zu einem 'Nie wieder'. Gerade in Zeiten, in denen die AfD in Parlamente gewählt wird und die Anzahl an antisemitischen Straftaten steigt. Deshalb versuche er öffentlich Druck aufzubauen, Verbündete in der Politik zu finden."
Morgen, am 29. Februar, startet in den Kinos ein Film über den Holocaust, in dem - überspitzt gesagt - der Holocaust nicht vorkommt und genau deswegen präsent wie nie ist. „The Zone Of Interest“ heißt der Film, der Brite Jonathan Glazer hat ihn gedreht. Der Film war der grosse Favorit der Kritiker bei den letzten Filmfestspielen in Cannes und wurde dort mit dem Grossen Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten Preis nach der Goldenen Palme. Christian Friedel spielt darin Rudolf Höß, den Lagerkommandanten von Auschwitz, Sandra Hüller seine Frau Hedwig. Das Ehepaar hat es sich mit seinen fünf Kindern gemütlich gemacht in seiner Villa - unmittelbar in Nachbarschaft des Vernichtungslagers. Die ersten Kritiken zeugen gleichermaßen von Beklemmung und Begeisterung. So etwa Simone Meier auf dem schweizer Portal WATSON:
"Wie man diesen unbedingt sehenswerten Film nun deuten mag, als unverklärten Blick auf die Vergangenheit, als Warnung gegen den aufbrandenden Faschismus oder als Detailbetrachtung eines Killers wie Putin, ist allen selbst überlassen. Hauptsache ist, dass ihn alle sehen. Und etwas begreifen über die Abgründe, in die man fällt, wenn man sich allzu geschmeidig und ohne jede Frage einer totalitären Macht unterwirft."
Und in mehreren Interviews beschreiben die Hauptdarsteller Hüller und Friedel eindrücklich die außergewöhnlichen Dreharbeiten und die auch menschlich abgründige Herausforderung ihrer Rollen. „Ich hatte eine Panikattacke wegen dieser Rolle“, gesteht Friedel in Interviews mit der RHEINISCHEN POST und der WELT. Und in der FAZ betont Sandra Hüller, die für ihre Rolle für den Oscar nominiert ist, das sei "kein historischer Film, sondern einer über die Gegenwart, in dem wir uns sehen können".
Im April 1923 erschien die erste Ausgabe des radikal-antisemitischen Wochenblatts „Der Stürmer“. Noch immer gilt die Privatzeitung des fränkischen Gauleiters Julius Streicher als Musterbeispiel erfolgreicher Indoktrination. Eine nun vorliegende Studie von Melanie Wagner („Der Stürmer“ und seine Leser: Ein analoges antisemitisches Netzwerk. Zur Geschichte und Propagandawirkung eines nationalsozialistischen Massenmediums. Metropol Verlag) reflektiert diese Einschätzung anhand einer Auswertung vielfältiger historischer Reaktionsquellen, die das Zusammenspiel zwischen der Leserschaft und der „Stürmer“-Schriftleitung offenbaren: Massenhafte Einsendungen an den Verlag bis hin zu speziellen Aktivitäten wie der eigeninitiativen Errichtung unzähliger „Stürmerkästen“ sind Ausdrucksformen der bewussten Zustimmung eines Teils der deutschen Bevölkerung zu den antisemitischen Inhalten des Blattes. Das SONNTAGSBLATT hat die Autorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg besucht und mit ihr über ihre Studie gesprochen: "'Der Stürmer' und seine Leser: Sensationslust, Empörungskultur – und Parallelen zur Gegenwart"
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Bei der Verleihung der Goldenen Bären auf der Berlinale am Samstagabend versicherten sich die Preisträger praktisch reihum ihrer Solidarität mit Palästina. "Apartheid", "Genozid", das Palituch waren die üblichen Vokabeln und Accessoires. Das Publikum klatschte, auch Frau Staatsministerin Claudia Roth, und das Massaker der Hamas vom 7. Oktober fand auf einem anderen Planeten statt, jedenfalls blieb es unerwähnt, wie auch die israelischen Geiseln in den Händen der Terroristen. Einen Tag später ist man - wie üblich - allseits entsetzt und ruft "Skandal". Und tatsächlich, es ist auch einer. Jedenfalls meinen das nahezu alle Kommentatoren. Rüdiger Suchsland, einer der kompetentesten Filmkritiker hierzulande, schreibt fassungslos im CICERO:
"Wo war irgendeine Reaktion des deutschen Jurymitglieds Christian Petzold? Von anderen Jurymitgliedern? Von der sogenannten Kulturstaatministerin? Alle blieben feige still. [...] Am beschämendsten aber war, dass, als abstoßende Parolen fielen und eitle Europäer mit frisch gebügelten Palästinensertüchern und Flugblättern auf der Bühne posierten, niemand aufstand, oder buhte oder anders einschritt. Nicht das Publikum. Denn das ist offenkundig zu sensibel für die Kulturtechnik des beherzten Buhrufs zur rechten Zeit. So etwas gilt als „schlechtes Benehmen“. Dabei ist der Verzicht auf Protest nicht Höflichkeit, sondern ein peinlicher Mangel an Zivilcourage. Wer dann noch mitklatscht, sollte sich in Zukunft nicht mehr bei den „Nie wieder“-Demos blicken lassen."
Fast noch zurückhalend und um Differenzierung bemüht Susanne Lenz in der BERLINER ZEITUNG:
"Es geht nicht darum, dass Filmschaffende das Podium nicht nutzen dürfen, das Leid der Palästinenser im Gazastreifen zu benennen. Es geht um die vulgäre und undifferenzierte Art, mit der sie es tun. Da wurden politisch aufgeladene Begriffe wie Genozid und Apartheid in den Saal geschleudert und vom festlich gekleideten Publikum im Berlinale-Palast beklatscht."
Für Anna Schneider in der WELT rückt vor allem die Frage der staatlichen Unterstützung für die Berlinale in den Fokus:
"Es war zum Gruseln, wie bei der Preisverleihung des Filmfestivals ein realitätsblindes Milieu in aparter Selbstbesoffenheit die große Bühne für seinen Antisemitismus suchte. Dass dafür Millionen an Steuergeldern flossen, ist unverantwortlich. ... 12,6 Millionen Euro an institutioneller Förderung erhielt die Berlinale in diesem Jahr von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, also von der Grünen-Politikerin Claudia Roth. Man darf sich schon fragen – wieder einmal, die Documenta lässt grüßen –, was hier eigentlich (mit)finanziert wird. Die Kunst ist frei, Künstler sind es auch, und manche sind Antisemiten. Dass dafür allerdings auch noch Steuergeld ausgegeben wird, ist nicht zu verantworten."
Ähnlich auch Ulf Poschardt an gleicher Stelle in der WELT:
"Auf der Bühne wurden Genozid-Vorwürfe gegen Israel erhoben – und der Saal applaudierte. Die Berlinale ist mit einem Antisemitismus-Skandal zu Ende gegangen. Steuerfinanziert wird – wie bei der Documenta – das Land vergiftet. Das muss ein Ende haben. "
Der bereits Document-leidgeprüfte Meron Mendel von der Anne Frank Bildungsstätte in Frankfurt weist schon fast abgeklärt in der ZEIT darauf hin:
«Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen lernen, solche Debatten auszuhalten. Es wird nicht anders funktionieren. Eine Verbotskultur wie bei der Debatte um eine Antidiskriminierungsklausel in Berlin und Versuche, das alles von der Politik zu regulieren, funktionieren nicht».
Treffsicher und scharf stellt Christian Tretbar im TAGESSPIEGEL schließlich die vermutlich richtigen Fragen:
"Wo war die deutliche Kritik an der Terrororganisation Hamas, die Israel am 7. Oktober 2023 brutal überfiel? Wo war die klare Aufforderung, die noch immer festgehaltenen Geiseln freizulassen? Wo ist die Auseinandersetzung damit, dass die Hamas ihr eigenes palästinensisches Volk in Unterdrückung hält - ohne Wahlen, ohne Justiz? Wo ist die Kritik daran, dass Millionen an Hilfsgeldern in unterirdische Tunnel geflossen sind, statt in den palästinensischen Wohlstand? Kein Wort dazu. Stattdessen wohlig-warmer Applaus für eine einseitige Pro-Palästina-Show auf der großen Berlinale-Bühne in Berlin. Die Berlinale rühmt sich damit, ein politisches Filmfestival zu sein. Nur ist dies nicht ernsthaft politisch. Es ist peinlich, beschämend, verstörend und propagandistisch."
Und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG - leider hinter der Abo-Schranke und nicht frei zugänglich - wundert sich Nils Minkmar fassungslos darüber, dass gerade Menschen aus Kultur und queerer Szene vermutlich mit besten Absichten gleichwohl das Geschäft derer betreiben, die ihnen bei nächstbester Gelegenheit den Hals durchschneiden würden:
"Als bedrohe diese Hamas nicht auch ihr Lebensmodell, also auch das derer, die sich in Berlin gerne Filme aus einer freien Welt ansehen. ... Man kann das alles nicht mehr sehen: Diese entsetzlich falschen Slogans und Symbole, die mangelnde Vorbereitung, die hilflosen Aufarbeitungsversuche danach in Arbeitsgruppen. Es ist beschämend, wie jede Großveranstaltung größte Sorgfalt auf Antidiskriminierungsprogramme legt, wie Großfirmen und Institutionen ihre Achtsamkeiten pflegen und täglich öffentlich durchdeklinieren, wie auf jedem Großkonzert Anlaufstellen für Awareness eingerichtet werden - aber der Hass auf Juden all diesen Institutionen und Initiativen vollkommen egal zu sein scheint. Da sitzen die Honoratioren im Berlinale-Palast, staunen, lachen, klatschen."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG erinnert Lucien Scherrer an die Slansky-Prozesse in Prag 1952, die Teil der antisemitischen Kampagne im späten Stalinismus war. Einer der Angeklagten war Rudolf Margolius, der Auschwitz und Dachau überlebt hatte und nun vor Gericht ein durch Folter erwirktes Geständnis ablegte, für das er hingerichtet wurde. Scherrer trifft auch Margolius' 1947 geborenen Sohn Ivan Margolius, der heute in London lebt und immer noch um die Rehabilitierung seines Vaters kämpft. Bei aller Information und Aufklärung, die es inzwischen gebe, würden dennoch
"die seelischen und die politischen Verheerungen, die der Prager Schauprozess angerichtet hat, bis heute unterschätzt. Das Schicksal der Familie Margolius zeigt, wie Diktaturen Menschen zerstören und wie linksextreme Ideologen Prinzipien wie Frieden, Antifaschismus und den Kampf gegen Nazis missbraucht haben, um politische Verbrechen zu legitimieren. Es offenbart auch die Ursprünge jenes 'antizionistischen' Hasses auf Juden und auf Israel, der sich derzeit an propalästinensischen Kundgebungen in Zürich, Berlin, New York und anderen Städten entlädt."
Vor diesem Hintergrund scheint es wie eine aktuelle Bestätigung zu sein, was über Putins Antisemitismus in der TAZ zu lesen ist. Alexander Friedman, 1979 in Minsk geboren und promovierter Historiker, der an der Universität des Saarlandes sowie Politische Wissenschaft in Nancy lehrt, erläutert ausgehend von dem kürzlich stattgefundenen Interview mit dem amerikanischen FOX-Journalisten Tucker Carlson, wie sehr Putins Denken von antisemitischen Geist geprägt ist:
"Der Antisemitismus – mal subtil, mal offen – ist zu einem Bestandteil der russischen Politik und Propaganda geworden. Sein aktueller Anstieg ist zwar situationsbedingt, er spiegelt jedoch das Weltbild von Putin und seiner im spätsowjetischen KGB beruflich sozialisierten Mitstreiter wider. Im KGB waren antisemitische Vorstellungen über die „jüdische Weltherrschaft“ fest verankert, wobei der Untergang der UdSSR als eine bittere Niederlage im Kampf gegen den von „den Juden“ dominierten Westen wahrgenommen wurde."
Vor Kurzem haben sich jüdische Hochschullehrer zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um gemeinsam besser gegen Antisemitismus zu kämpfen. Mit zwei der Gründungsmitglieder, der Soziologin Julia Bernstein und der Konzertpianistin und Professorin für Kammermusik Roglit Ihsay, sprach nun die FAZ über ihre Beweggründe, den Antisemitismus an Hochschulen und wie man ihm begegnen kann. Zu Beginnn des Gesprächs beschreibt Julia Bernstein die gegenwärtige Situation wie folgt:
"Da ist purer Hass. Sobald Sie sich öffentlich mit Israel oder dem Judentum identifizieren und jüdische Symbole zeigen, laufen Sie Gefahr, angegriffen zu werden. Das ist eine neue Qualität. Es geht jetzt nicht mehr nur um Prävention von Antisemitismus, sondern erst einmal um Intervention. Die Sicherheit von Menschen ist in Gefahr."
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Der Religionswissenschaftler Jan Assmann ist tot. Er starb am Montag, dem 19. Februar, im Alter von 85 Jahren in Konstanz, wo er zuletzt lebte. Zentrale Themen seines Wirkens waren u.a. die Religionsgeschichte und die Jenseitsvorstellungen im Alten Ägypten. Maßstäbe setzten auch seine Arbeiten zur Entstehung des Monotheismus, dessen Anfänge er im Auszug der Israeliten aus Ägypten sieht. Auch international bekannt wurde er durch seine Forschungen über Erinnerungskulturen sowie seine gemeinsam mit seiner Frau Aleida Assmann entwickelte Theorie des kulturellen Gedächtnisses. Die WELT spricht von einem „Power-Couple der bundesrepublikanischen Geisteswissenschaften“. Viele Nachrufe würdigen sein Leben und Wirken, das von bleibendem Wert sein wird: "Erinnern heisst Verantwortung übernehmen: Der Ägyptologe Jan Assmann ist gestorben".
Der Weltgebetstag der Frauen ist die größte ökumenische Basisbewegung von Frauen. Ihr Motto lautet: „Informiert beten – betend handeln“. Der Weltgebetstag wird in über 120 Ländern in ökumenischen Gottesdiensten begangen. Vor Ort bereiten Frauen unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam die Gestaltung und Durchführung der Gottesdienste vor. Jedes Jahr schreiben Frauen aus einem anderen Land der Welt die Gottesdienstordnung zum Weltgebetstag, der jeweils am ersten Freitag im März stattfindet. In diesem Jahr sind für Liturgie und Gebet Frauen aus Palästina zuständig. Und deren Entwürfe führten bereits im Oktober letzte Jahres im Schatten des Massekers der Hamas an Israelis zu heftiger Kritik seitens des Deutschen Koordierungsrates der über 80 Gesellschften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der dem Material vorwarf, "falsche und tendenziös politische Aussagen [zu enthalen], die im Zusammenhang als antisemitisch zu klassifizieren sind." Diese Stellungnahme führte zunächst zu Bewegung und partiellen Revisionen seitens der Weltgebetstagsorganistion. Nun aber hat sich der Koordinierungsrat erneut und enttäuscht wieder zur Sache geäußert: "Alle Bemühungen werden unterlaufen".
Saba-Nur Cheema ist Publizistin und Politologin, selbst Muslima, und ihr jüdischer Ehemann, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, kämpfen gemeinsam für die Werte unserer Demokratie. Der SWR hat ein Gespräch mit den Beiden aufgezeichnet, in dem sie über ihre Familien, muslimischen Antisemitismus und die Folgen des 7. Oktober sprechen. Ergänzend dazu in der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG ein Bericht über einen Abend mit den Beiden Dialog(Ehe-)Partnern in Herne: "So schafft ihre Liebe einen Dialog zwischen Religionen".
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Nach monatelangem Streit hat das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland harte Sanktionen gegen die Jüdische Gemeinde zu Berlin beschlossen: Die Berliner Gemeinde – eine der größten in Deutschland – darf für ein Jahr nicht mehr in den Gremien des Zentralrats mitbestimmen. Hintergrund ist ein Rechtsstreit um die Vorstandswahlen 2023, die bereits vor Gericht für regelwidrig erklärt wurde, was die Gemeinde unter ihrem Vorsitzenden Joffe pfleglich ignorierte. U.a. der SPIEGEL und die JÜDISCHE ALLGEMEINE schildern die Hintergründe und Ursula Voßhenrich kommentiert das Ganze im RBB:
"Die Berliner Gemeinde verliert an Einfluss, Renommé und zudem immer mehr Mitglieder – wegen Überalterung oder aus Frust über die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen. Der Zentralrat auf der anderen Seite läuft Gefahr, die Berliner Gemeinde zu verlieren. Trotzdem kann der Zentralrat der Juden in Deutschland nicht zulassen, dass eine Mitgliedsgemeinde agiert und die Spielregeln ändert, wie es ihr passt - und wenn es bis zum Rauswurf der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geht."
Freilich ist das alles nicht die einzige Baustelle, um die im jüdischen Berlin gestritten wird. Auch das Zacharias Frankel College (ZFC) sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Die 2013 gegründete Rabbinerausbildungsstätte der Masorti-Bewegung in Potsdam ist seit gut einem Jahr nämlich auch im Besitz der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, kümmert sich aber, so die Vorwürfe, so gut wie gar nicht um die Aussbildungsstätte, wie die JÜDISCHE ALLGEMEINE berchtet. Jetzt haben die zehn Studierenden des ZFC einen Hilferuf ausgesendet. In einem Offenen Brief warnen sie vor der drohenden Schließung des einzigen Masorti-Rabbinerseminars in Europa. Es herrsche, seit »die Jüdische Gemeinde zu Berlin im Januar 2023 die Trägerschaft unserer Institution übernommen hat, größere Unklarheit als jemals zuvor«.
Und dann gibt es ja noch das Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg. Und auch hier herrscht Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde Berlin und dem Zentralrat. Hintergrund: Im Januar 2023 hatte die Berliner Gemeinde sämtliche Anteile des als gemeinnützige GmbH firmierenden Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs übernommen. Walter Homolka war nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs von seinen Ämtern zurückgetreten. Dem entgegen will der Zentralrat sowohl das Geiger-Kolleg wie auch das Frankel College perspektivisch in eine Stiftung einbringen, die Berliner Gemeinde wäre damit als Träger aus dem Rennen, wie der TAGESSPIEGEL berichet.
Und als ob das alles nicht schon genug wäre, tut sich für den Zentralrat eine weitere Front auf: Nach jahrelangem Streit über eine staatliche Förderung legt die Union progressiver Juden nun Verfassungsbeschwerde ein. Die Vereinigung will nicht mehr abhängig vom Zentralrat der Juden sein und beklagt eine Ungleichbehandlung, wie DOMRADIO berichtet. Deshalb erhebt sie Verfassungsbeschwerde – und die Chancen auf Erfolg stehen gar nicht schlecht, meint Christian Rath für REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND: "Progressive Juden pochen auf Gleichbehandlung mit Zentralrat"
Vor dem Hintergrund des zweiten Jahrestages des Kriegsbeginns in der Ukraine hat Clara Engelien für das WESTFALEN-BLATT die Berliner Chabad Gemeinde besucht. Dort sind seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 insgesamt 486 neue Mitglieder aus der Ukraine aufgenommen worden. Rund 300 von ihnen wurden in einem Berliner Hotel aufgenommen, dem laut der Chabad-Gemeinde gewissermaßen einzigen jüdischen Flüchtlingsheim in Deutschland. Ergänzend dazu ist in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN ein berührender Beitrag von Marina Weisband zu lesen. Nach zwei Jahren Krieg trauert sie über eine zerstörte Heimat – und will dennoch die Hoffnung nicht aufgeben:
"Was passiert mit einem Baum, dessen Wurzeln vergiftet werden? In meinen Wurzeln explodieren Artilleriegeschosse. Aber ich bestehe. Und wir bestehen. Und vielleicht geht das Leben weiter. Und vielleicht kann aus der Ukraine etwas Neues werden, wenn sie sich vom Krieg erholt. Ich weiß nicht, welche Hoffnung ich habe. Aber ich habe sie. Weil ich keine andere Wahl habe."
In ihem Bestseller "Unorthodox" erzählte Deborah Feldman ebenso berührend wie beeindruckend von ihrer Selbstbefreiung aus einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte in New York. Seitdem jedoch habe Feldman eine beängstigende Entwicklung durchgemacht, denn - so fragen Nicole Dreyfus und Philipp Peyman Engel in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN:
"Gibt es eine Person im Literatur- und Medienbetrieb hierzulande, die in ihren öffentlichen Statements - man muss es so deutlich sagen - niederträchtiger und bösartiger auftritt als Deborah Feldman?"
Für eine Weile war Feldman zu Gast in allerlei Talkshows, in denen sie behauptete, ihre gegen den angeblich jüdischen Mainstream gerichtete Meinung werde unterdrückt. In letzter Zeit war sie dann vor allem auf Social Media aktiv, was Dreyfus und Engel wie folgt beschreiben:
"Verschwörungstheorien, Menschenhass pur, 'Witze' mit selbst erstellten Fake-Goebbels-Zitaten, das Markieren von Personen als Feinde, öffentliche Aufrufe zum Denunzieren und zur Demontage von israelsolidarischen Aktivisten: Was die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen auf Social Media beobachten konnte, war die veritable Selbstdemontage einer einstmals geachteten Schriftstellerin in Echtzeit. Es ist ein beunruhigender, höchst irritierender Prozess einer Selbstradikalisierung, der sich vor aller Augen vollzogen hat und in dem Social Media eine ganz zentrale Rolle spielt."
Gestützt wird diese Einschätzung in einem weiteren Beitrag von Mirna Funk, ebenfalls in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN. Sie beschreibt ebenfalls die bestürzende Entwicklung und Arroganz, mit der Feldman sich akutell im Netz bewegt:
"Die Gewalt und Wucht, mit der Deborah Feldman wie ein Tsunami durchs Internet fegt, um Juden ihr Jüdischsein abzusprechen, sie zu diffamieren, Lügen über sie zu verbreiten und zu diskreditieren, ist ohnegleichen. Die Ignoranz, mit der sie aus ihrer privilegierten amerikanischen Erfahrung spricht, nämlich eine von 7,5 Millionen Jüdinnen und Juden zu sein, und dabei keinerlei Verständnis für den historischen Bruch aufbringen kann, der das europäische und insbesondere deutsche Judentum zutiefst prägt, ist erschütternd."
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
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Mit Sorge sehen die deutschen Bischöfe auf Gefahren für die Demokratie: Die derzeit größte extremistische Bedrohung Deutschlands komme von rechts. Gegen völkische Ideologien stellen sie das christliche Menschenbild – und wenden sich ausdrücklich gegen die AfD. So nachzulesen in einem Papier, das die Deutsche Bischofskonferenz einmütig verabschiedet hat: "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar".
Der Link zum Wortlaut der Stellungnahme sowie ersten Kommentaren in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Sibirien, 1908. Ein Knall erschüttert den sibirischen Wald Tunguska. Zwei Jahrzehnte später plant Stalin eine jüdisch-sozialistische Autonomie an der Grenze zu China: Birobidschan. Was als stalinistisches Experiment der 1930er Jahre scheitert, wird in Tomer Dotan-Dreyfus’ Debütroman zum Dreh- und Angelpunkt einer funkensprühenden Geschichte, die an die jiddische Erzähltradition und den magischen Realismus anknüpft. Bozena Badura stellt den Roman für LITERATURKRITIK.de näher vor: "Magischer Realismus trifft auf jüdische Literaturtradition".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
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