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ISSN 1612-7331
07.03.2024 - Nr. 2059
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Am Dienstag, 12. März 2024, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 345 mit einem Beitrag von Axel Töllner: "Von christlichem Antijudaismus im modernen Antisemitismus".


Guten Tag!

Nr. 2059 - 07. März 2024



Die UN-Sonderbeauftragte Pramila Patten hat nun einen Bericht über Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt durch die Hamas am 7. Oktober vorgelegt. Hinweise auf die grausamen Taten gab es seit dem ersten Tag. Der Bericht nennt „stichhaltige Gründe“, dass es zu Verstümmelungen und Gruppenvergewaltigungen kam. Gleichwohl konnte ihr Team keine Aussagen über die «Vorherrschaft sexualisierter Gewalt» machen, also inwiefern Vergewaltigungen von der Hamas systematisch als Waffe eingesetzt wurden. Dafür mangele es an forensichen Beweisen. Israels Aussenminister Israel Katz warf unterdessen dem Generalsekretär der UNO Guterres vor, trotz dem vorgelegten Bericht keine Sitzung des Sicherheitsrates einberufen zu haben, um die Hamas weltweit als eine terroristische Organisation einzustufen. Auch gibt es Streit darüber, ob die Terroristen - wie es das israelische Militär behauptet - auch Frauen als „Sklavinnen“ verschleppt haben. Patten und ihr Expertenteam besuchten auch auf eigenen Wunsch Ramallah und die besetzten Gebiete. In ihrem Report kritisiert sie nun auch die israelischen Sicherheitskräfte, «zunehmend verschiedene Formen sexueller Gewalt» anzuwenden. Konkret ist die Rede von «invasiven Leibesvisitationen, Drohungen mit Vergewaltigung und erzwungene Nacktheit über längere Zeit». Vergewaltigungen seien nicht gemeldet worden. Christof Münger kommentiert dies im schweizer TAGES-ANZEIGER wie folgt:
"Angesichts des Ausmasses des Hamas-Massakers vom 7. Oktober erstaunt, dass die UNO-Sonderbeauftragte implizit auf eine Art Gleichgewicht des Schreckens hinweisen möchte. Das israelische Aussenministerium wies diesen Teil des Berichts zurück, als 'ein palästinensisches Manöver, das darauf abzielt, eine unerträgliche Gleichsetzung' herzustellen zwischen den Verbrechen der Hamas und 'unbegründeten Behauptungen', die die Israelis betreffen."

Der israelische Historiker mit deutschen Wurzeln Moshe Zimmermann, dessen Buch „Niemals Frieden? Israel am Scheideweg“ soeben erschienen ist (Propyläen Verlag, Berlin 2024), plädiert im Interview mit der TAZ einmal mehr vehement auch und gerade vor dem Hintergrund des 7. Oktober für die Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt, beschreibt die politischen Gruppierungen, die sich diesem Weg entgegenstellen. Auch geht er auf die politische Rolle Deutschlands ein und äußert sich vor dem Hintergrund des Antisemitismus zu dem falschen Vorwurf, Zionismus sei Kolonialismus:
"Der Zionismus entstand nicht als Kolonialbewegung. Er war national motiviert. Ihm zugrunde liegt der Wunsch von Juden, sich als Nation zu definieren. Dieser Wunsch ist legitim. Die Auswanderer nach Palästina waren – wie ich im Buch betone – keine Gesandten eines europäischen Imperiums, sondern sie waren Verfolgte und Vertriebene, die gezwungen waren, Europa zu verlassen. Das ist eine Situation, die man nicht eine typisch kolonialistische nennen kann, und deswegen ist diese pauschale postkoloniale Betrachtung des Zionismus im Nahen Osten oder Israel mindestens undifferenziert und im Endeffekt auch unfair. Der Kampf der zionistischen Bewegung gegen die englische Mandatsmacht war sogar ein Kampf gegen Kolonialismus. Die postkoloniale Leseart der Siedlungsbewegung im Westjordanland seit 1967 halte ich, im Gegensatz, für berechtigt."

Der Palästinenser Osama Eliwat und der Israeli Rotem Levin gehören Beide zu den "Combatants for Peace", einer Gruppe ehemaliger israelischer Soldaten und palästinensischer Widerstandskämpfer, die 2006 gegründet wurde. Sie setzt sich für ein Ende der israelischen Besatzung, Gewaltfreiheit und den Dialog zwischen der israelischen und palästinensischen Bevölkerung ein. Gemeinsam organisiert die Gruppe unter anderem Gesprächsformate, die offenbar immer größeren Anklang finden. Wo früher 50 Menschen saßen, seien es heute 200, sagt Levin. In den vergangenen Wochen war er gemeinsam mit Eliwat auf Vortragsreise quer durch Deutschland, an Schulen, in Kirchgemeinden und Kulturhäusern. Anna Hofmeister hat sie für ND-DIREKT begleitet: "Frieden in Nahost: Zusammen reden und trauern".

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Mindestens 25 Menschen aus dem Umfeld der Hebräischen Universität sind seit dem 7. Oktober 2023 Krieg und Terror zum Opfer gefallen, berichtet Valentin Schmid in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG:
"Und es könnten jeden Tag mehr werden. Denn gut ein Fünftel der 25.000 Studierenden und Angestellten gehört der israelischen Armee an. Als viele von ihnen zu Kriegsbeginn in den Reservedienst einberufen wurden, stand gerade das neue Studienjahr vor der Tür. Die Universität wechselte in den Krisenmodus, und so mancher Lebenstraum wurde infrage gestellt."
Wie sieht vor diesem Hintergrund der studentische Alltag an der Hebräischen Universität Jerusalem in Kriegszeiten aus? Was bewegt die Studenten, wie gehen sie mit Krieg und Lernen um? Schmid hat sich an der Jerusalemer Hochschule umgesehen und mit einigen Studenten gesprochen: "Resilienz auf dem Campus".

Während die Vorbereitungen der israelischen Armee für den Angriff auf Rafah unvermindert voranschreiten, sterben immer mehr Soldaten oder kehren verwundet zurück. Was macht der Krieg mit den Soldaten, die gekämpft haben? Dieser Frage ging Rewert Hoffer in einer längeren Foto-Reportage für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nach. Er besuchte in einer Militärbasis und einem Spital mit verwundeten Soldaten und ihren Vorgesetzten.

Der Konflikt über die Wehrdienstbefreiung ultraorthodoxer Juden in Israel schwelt schon seit Jahrzehnten, im Grund schon seit der Gründung des Staates Israel. Damals hatte Staatsgründer David Ben-Gurion den Religionsstudenten die Befreiung zugestanden. Freilich ging es zu dieser Zeit lediglich um etwa 400 Personen. Heute hingegen machen ultraorthodoxe Juden rund 13 Prozent der Bevölkerung aus. Fast 140.000 von ihnen besuchten im Jahr 2021 Religionsschulen, nur zwischen 1000 und 2000 dienten in der Armee. Vor dem zunehmenden Druck, für den Krieg in Gaza Soldaten zu rekrutieren, machte nun der Verteidigungsminister eine brisante Ankündigung, die dazu angetan ist, Netanyahu und seine Koalition unter Druck zu setzen, wie Christian Meier für die FAZ berichtet: "Der Streit über Wehrdienst für Ultraorthodoxe eskaliert".

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Alles in allem recht schäbig hat sich nach Meinung von Matthias Venetz der Eurovision Song Contest in den letzten Wochen gegenüber Israel verhalten (Siehe auch: Compass 28.02.2024). Zwar wurden die diversen  Ausschlussforderungen zurückgewiesen, aber dafür ließ man sich gleich zwei Lieder vorlegen, die beide zumindest verschlüsselt an das Hamas-Massaker erinnern, was wiederum als zu politisch abgelehnt und nun letztlich doch von israelischer Seite aus überarbeitet wurde. Doch, so Venetz,
"wer sich die jüngere Vergangenheit des ESC anschaut, könnte zum Schluss kommen: Ob eine Erinnerung politisch ist, hängt davon ab, wer erinnern will. 2016 gewann die ukrainische Sängerin Jamala mit den Lied '1944' den ESC. Es bezieht sich auf ein Verbrechen gegen die Volksgruppe der Krimtataren. ... Auch damals wurde Kritik geäußert, das Lied sei zu politisch. Doch die EBU winkte ab und teilte mit, weder Titel noch Inhalt des Liedes hätten einen politischen Hintergrund. Eine deutliche politische Botschaft platzierte 2019 die isländische Band Hatari. Während der Punktvergabe in Tel Aviv hielten die Bandmitglieder Schals mit der palästinensischen Fahne in die Kamera. Später verhängte die EBU eine Buße von 5000 Euro gegen das isländische Fernsehen. Interessant ist dabei, dass Hatari bereits vor dem ESC angekündigt hatte, die Veranstaltung für eine Stellungnahme zu nutzen."

Die Links zu den Themen in der Rubrik
ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Viel Lob und beeindruckende Rezensionen erhält derzeit der für mehrere Oscars nominiterte Holocaust-Film "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer (siehe Compass 28.02.2024). In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG gibt nun Andreas Scheiner kritisch zu bedenken, dass der Film es versäume, den antisemitischen Hass seiner Figuren zu thematisieren und den Holocaust auf ein kaltes, logistisches Unternehmen reduziere. So beispielsweise wenn der Auschwitz-Kommandant Höß die "Pläne für ein neues Krematoriumssystem vorstellt, redet er von der 'Ladung', die möglichst effizient verbrannt werden müsse." Das sei gewiss nicht falsch, denn schon Hannah Arendt habe in ihrem Bericht zu Adolf Eichmann und der 'Banalität des Bösen' betont, "dass die Sprache der Nazis darauf aus war, die Ermordung der Juden möglichst zu abstrahieren". Doch der Film mache nicht transparrent, dass Höß "schon in den Zwanzigerjahren ein glühender Judenhasser [war], der gerne selber Hand anlegte. Indem Glazer ihn auf den grauen Technokraten reduziert, riskiert der Film eine Trivialität des Bösen."
In Ergänzung zum Film und dessen Hintergrund porträtiert wiederum Sven Felix Kellerhoff in der WELT den Krakauer Untersuchungsrichter Jan Sehn, der die treibende Kraft hinter den Prozessen gegen NS-Täter in Polen und mithin auch gegen Höß 1946 bis 1949 war: "Wie Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß seine Strafe erhielt".

Die Zeugen Jehovas gehörten im Nationalsozialismus zu den ersten verfolgten Gruppen. Weil sie die geforderten staatlichen Loyalitätsgesten ebenso verweigerten wie den Wehrdienst, wurden sie drangsaliert, eingesperrt und getötet. Wie hängen tiefe Glaubensüberzeugung, geschlossene Organisation und kompromissloser Widerstand zusammen? Dieser Frage ging Julia Haungs in einem Feature des SWR nach, dessen Manuskript nun nachzulesen ist. Haungs kommt u.a. zu dem Schluß, dass womöglich gerade manches Merkmal, das die Zeugen Jehovas heute als Organisation problematisch macht, damals eine Voraussetzung für ihr mutiges Handeln war: "Zeugen Jehovas in der NS-Zeit – Widerstand durch Verweigerung".

Als der Amerikaner Varian Fry im September 1941 Marseille verlässt, ist es mithilfe des Emergency Rescuie Comitees, in dessn Auftrag er vor Ort war, gelungen, über 2000 Flüchtlingen vieler Nationalitäten aus Frankreich zu entkommen. Unter ihnen ein bemerkenswert großer Teil der kulturellen und künstlerischen Elite Europas: Lion Feuchtwanger, Siegfried Kracauer und Heinrich und Golo Mann, Franz Mehring, Alma Mahler und Franz Werfel, Alfred Polgar und Anna Seghers, André Breton, Marc Chagall, Marcel Duchamp und Max Ernst, Max Ophüls, Pablo Casals und Hannah Arendt. Uwe Wittstock hat nun eine überfällige Würdigung dieses mutigen Amerikaners und seiner Helfer in einem spannend erzählten, streng chronologisch geordneten und von Empathie geprägten Buch vorgenommen. Wolf Lepenies hat es für die WELT gelesen: "Dieser Amerikaner rettete deutsche Dichter und Denker vor den Nazis".

Die Links zu den Themen in der Rubrik
VERGANGENHEIT...

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"Wir können unterschiedliche Ansichten über die Hamas als politische Partei haben. Wir können unterschiedliche Ansichten über den bewaffneten Widerstand haben... Aber ich denke, es ist ehrlicher und historisch korrekter zu sagen, dass der Aufstand vom 7. Oktober ein Akt des bewaffneten Widerstands war. Es handelt sich nicht um einen terroristischen Angriff und auch nicht um einen antisemitischen Angriff... Es war ein Angriff gegen Israelis."
Diese Worte stammen nicht von einerm verblendeten Antisemiten, der jeglichen Kompass für Moral und Ethik verloren hat, sondern von einer der prominentesten Philosophinnen der Gegenwart: Judith Butler. Ausgesprochen hat sie ihre Worte am Sonntag bei einer von linksradikalen und postkolonialen Gruppen organisierten Veranstaltung im Pariser Vorort Pantin. Fassungslos kommentiert Jürgen Kaube in der FAZ: "Butler spuckt auf Gräber, über die sie vorschlägt, ein Seminar zu Wertungsgesichtspunkten bei Abschlachtungen abzuhalten." Die Schlächterei der Hamas weder als Terror noch als antisemitisch, sondern als "Widerstand" zu klassifizieren, erregt den Zorn Kaubes:
"Die Eltern der toten Kinder und die Kinder der toten Großeltern werden ihr für diese Unterscheidung danken. Judith Butler will sie wie uns erkennbar für dumm verkaufen. Denn sie weiß ja, dass am 7. Oktober am Rande des Gazastreifens auch Nicht-Israelis massakriert worden sind. Sie weiß, dass unter den Toten Kleinkinder waren und Jugendliche, die mit dem Staat Israel zu identifizieren das Abstraktionsvermögen von Killern erfordert. Der Überfall auf sie war weder eine militärische Operation, noch galt sie staatlichen Zielen. Es ging um ein Blutbad in der Bevölkerung."
Auch in der TAZ zeigt Jan Feddersen wenig Verständnis für Butlers Entgleisungen:
"Dass Butler sich explizit auch politisch argumentierend versteht und dabei (empirisch blind) verkennt, dass der 7. Oktober kein Hamas-Angriff auf israelische Militärs war, sondern ein Schlachten und Morden an Wehrlosen (sehr oft: Teilen der israelischen Friedensbewegung). Die Hamas-Marodeure zeigten sich nicht in Gefolgschaft Mandelas und Gandhis, sondern in der Tradition der SS in Osteuropa."
Im TAGESSPIEGEL warnt Gerrit Bartels vor den Folgen von Butlers "Thesen":
"Man muss da wohl von gefährlicher Verharmlosung, gar Beschönigung sprechen, von nicht nur punktuellen Irrlichtern. Man könnte Butler ja reden lassen. Doch bei ihrer Prominenz, ihrem Renommee finden ihre Äußerungen nicht nur mehr bei der postkolonialen Linken Widerhall, sondern werden in einem sowieso schon schwer zerrissenen Kulturbetrieb nachgeplappert, kontextlos."

Im Umfeld der Uni Marburg machen linksradikale Gruppen mobil, die Israels Existenzrecht ablehnen. Bei einem Treffen in Räumlichkeiten der Linken propagierten Redner die Entmenschlichung von Israelis sowie die Verklärung islamistischen Terrors. Der WELT liegen interne Mitschriften und Zeugenaussagen vor, die Kevin Culina und Jan Alexander Casper in ihrem Beitrag zusammenfassen: "Wie linksradikale Israel-Hasser intern über die Hamas-Gräueltaten sprechen".

Ebenfalls in der WELT fragt sich Thomas Schmid, warum ausgerechnet "der kleine Staat Israel einen fast grenzenlosen Hass auf sich zieht, und zwar schon lange vor dem 7. Oktober 2023". Eigentlich wäre es doch ganz einfach, denn zum Einen "verdienen die Palästinenser im Gazastreifen, die seit der traumatischen Nakba ein prekäres Leben führen, unsere praktische (nicht ideologische) Hilfe. Und zweitens verdient Israel, die reale und virtuelle Heimstatt aller Juden der Welt, unsere praktische, gar nicht ideologische Solidarität". Dem stehe freilich eine globale Internationale entgegen, deren "frei flottierender Hass" immer wieder in "regelrechte antiisraelische Vernichtungsphantasien" münde. Nachdem Schmid eine Reihe von Beispielen aus jüngster Zeit anführt, kommt der zu dem wenig erbaulichen Schluß:
"Es ist nicht Politik, sondern ein leichtfertiges Gesellschaftsspiel. Wie in einem System kommunizierender Röhren, das den ganzen Globus umfasst, stacheln sich Aktivisten und eine denkfaule, aber nach Eindeutigkeit dürstende Öffentlichkeit gegenseitig an und stilisieren Israel – nicht Russland, nicht Nordkorea, nicht den Iran – zum Hauptfeind aller Menschen guter Gesinnung. Eine derart leidenschaftliche polyglotte Feinderklärung hat es seit dem Nationalsozialismus nicht mehr gegeben."

Die Historikerin Anne-Christin Klotz und die Psychologin Jasmin Spiegel arbeiten an einer neuen Studie zu Antisemitismus in Deutschland nach dem 7. Oktober aus jüdischer Perspektive. Wie sie methodisch dabei vorgehen und welche Hindernisse sich stellen, schildert Anne-Chrsitin Klotz im Interview mit der JUNGLE WORLD: »Die Erfahrungen von Antisemitismus Betroffener werden in der Wissenschaft oft vernachlässigt«

In Köln wurde das Festival lit.Cologne mit einer Debatte über den Judenhass eröffnet. Im Gespräch über dessen Ursachen und seine Bekämpfung saßen Michel Friedmann, Nele Pollatschek und Robert Habeck auf der Bühne. Ein beeindruckend ernstes Gepräch, wie Oliver Jungen in der FAZ schreibt:
"Nele Pollatschek machte deutlich, wie alleingelassen sich Juden nach dem Anschlag gefühlt haben, weil die sonst übliche Welle der Solidarität mit ihnen ausblieb und stattdessen die Anfeindungen zunahmen. Hunderttausende trieb erst das Potsdamer Geheimtreffen zur 'Remigration' auf die Straße, ergänzte Friedman, nicht der Umstand, dass wieder 'Tod den Juden' gerufen worden sei. Seinen Zorn hielt er nicht zurück. Gebrochen worden sei das Wehret-den-Anfängen-Versprechen dieses Landes, auf das er trotz aller Anfeindungen lange gebaut habe."
Angesprochen auf den 7. Oktober reagierte Friedmann, so berichtet Dorothea Marcus in der TAZ, "lustvoll ungehalten":
"Er habe es satt, dass Judenhass in Deutschland stets mit dem Nahostkonflikt verknüpft werde. Dieser habe mit deutschen Juden in etwa so viel zu tun wie der Ukrainekrieg: 'Ich bin kein Israeli. Auch ich finde die israelische Regierung eine Katastrophe – deswegen die Vernichtung von Israel zu fordern, ist antisemitisch.'“

Die Links zu den Themen in der Rubrik
ANTISEMITISMUS.

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Der interreligiöse Dialog zwischen Christentum, Judentum und Islam war in seiner Substanz schon zuvor umstritten, mit dem Pogrom der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung ist er gänzlich in die Krise geraten. Nun hängt ihm die Politik wie ein Klotz am Bein. So der im interreligiösen Dialog bewanderte Theologe und Jesuit Christian M. Rutishauser in einem Essay für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Er wirft einen Blick zurück unter anderem auch auf die theologische und politische Bedeutung Israels im Dialog und konstatiert für die Situation nach dem 7. Oktober:
"Das Gespräch zwischen Muslimen und Juden ist vielerorts verstummt. Austritte und Ausschlüsse aus Dialog-Gremien sind zahlreich. Juden und Christen fanden in ihren Dialogstrukturen nach einer ersten Schockstarre eher zusammen. Doch fragen gerade die jüdischen Partner, was die religiösen Bande von Christen und Juden, die in den letzten Jahrzehnten im Dialog oft betont und argumentativ untermauert wurden, nun bedeuteten. Und war die gemeinsame Arbeit zur Bekämpfung des Antisemitismus der letzten Jahrzehnte vergeblich?"
Das Fazit seiner Überlegungen formuliert er am Ende wie folgt:
"Ob und wie sich der noch junge jüdisch-muslimische Dialog entwickelt, wird von starken Protagonisten abhängen. Für den jüdisch-christlichen Dialog wird fortan nicht mehr die Aufarbeitung der Shoah der erste Bezugsrahmen sein, sondern der vielgestaltige Antisemitismus des 21. Jahrhunderts sowie die Frage nach der jüdischen Existenz, die auf globaler Ebene in der polemischen Auseinandersetzung um Israel Urständ feiert. Zudem käme es drauf an, den interreligiösen Dialog und seine theologischen Fragen mit den sozialethischen Diskursen und einer politischen Theologie ins Gespräch zu bringen."

Die Stadt Frankfurt wird erstmals zum islamischen Fastenmonat Ramadan den öffentlichen Raum beleuchten. Ab Sonntag wird die als "Freßgass" bekannte Große Bockenheimer Straße in der Innenstadt mit einer Dekoration durch Halbmonde, Sterne und Laternen und dem Schriftzüge "Happy Ramadan" illuminiert. Das Stadtparlament hatte die Beleuchtung im vergangenen Jahr beschlossen. Naturgemäß stößt die Initiative in bestimmten Kreisen auf heftige Kritik, wie Hanning Voigts in der FRANKFURTER RUNDSCHAU berichtet:
"Alle möglichen Leute, von FDP-Politikern bis hin zum AfD-Faschisten Björn Höcke regen sich wie wild darüber auf, dass die Innenstadt zum Fastenmonat Ramadan erstmals mit blinkenden Sternen und Halbmonden geschmückt wird. Von „Unterwerfung“ ist da die Rede, vom Ende des christlichen Erbes, sogar von „Islamisierung“."
Dem hält Voigts entgegen:
"In Wirklichkeit ist es einfach so, dass in Frankfurt mehr als 100 000 Muslime leben und die Stadt dieser Tatsache Rechnung trägt. Wenn Weihnachtsbeleuchtung ein Zeichen von gelebter Tradition und besinnlicher Familienzeit ist, ist es Ramadan-Beleuchtung beim Shoppen eben auch. Kritisch könnte man höchstens diskutieren, ob der öffentliche Raum nicht auch mal frei von Religion sein sollte."
Auch Manfred Köhler sieht das in der FAZ alles in allem recht gelassen, mahnt aber Magistrat und Koalition im Stadtrat, "dass in der Migrationspolitik kompliziertere Aufgaben der Lösung harren als das Anbringen von schlichten Zwei-Wort-Botschaften in luftiger Höhe."

Die Links zu den Themen in der Rubrik
INTERRELIGIÖSE WELT.

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Ist Donald Trump ein Freund der Juden und Israels? Vor dem Hintergrund, dass auch jüdische Amerikaner Anhänger von Trump sind, geht der in New York lebende Journalist und Autor Hannes Stein in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG dieser Frage nach. Auf den ersten Blick spricht vieles für einen "judenfreundlichen" Trump: in seiner ersten Amtszeit hatte er einen guten Draht zu Netanjahu, verlegte die amerikanische Botschaft nach Jerusalem und hat nicht zuletzt einen jüdischen Schwiegersohn und jüdische Enkel. "Womit haben wir es hier zu tun: mit einem judenfreundlichen Faschisten?", fragt Stein. Seine Antwort ist deutlich: "Wir haben es bei Donald Trump mit einem philosemitischen Antisemiten zu tun." Und dieses Urteil begründet er mit einer Reihe, teils scharf formulierter Argumente, mit denen er seine Warnung verbindet, Juden sollten nicht in die Falle tappen, Donald Trump für einen Verbündeten zu halten: "Falscher Freund".

Die knapp eine halbe Million umfassende jüdische Gemeinde Frankreichs steht bereits seit geraumer Zeit unter Druck. Der grösste Teil sind Einwanderer aus Nordafrika, von denen heute viele wichtige Positionen in Bereichen des öffentlichen Lebens, der Forschung und der Kunstwelt innehaben. Dazu kommen die Israélites, ältere französische Juden, und Flüchtlinge aus Osteuropa vor oder nach der Shoah. Nun aber, nach dem 7. Oktober, hat sich die Lage weiter angespannt, wie die in Jerusalem lebende Autorin und Regisseurin Michal Govrin in einem sehr nachdenklichen und bedrückenden Bericht über ihren Besuch in Frankreich für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schildert: «Sprich in Paris kein Hebräisch».

Joseph Roth, Sohn galizischer Juden, gehört sicher zu den bedeutendsten und schillerndsten jüdischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Der Schöpfer des "Radetzkymarschs", dem Abgesang auf das Habsburger Reich, und des "Hiob", der Geschichte des Leidenswegs des jüdisch-orthodoxen Toralehrers Mendel Singer im (fiktiven) Schtetl Zuchnow in Russland, gehören zu den bekanntesten Werken aus seiner Feder. Eine verhängnisvolle Liebe zum Alkohol bescherte ihm im Pariser Exil, wohin er vor den Nazis geflüchtet war, im Mai 1939 ein qualvolles Sterben. Diese letzten Jahre und sein Tod sind nun Thema von zwei neuen Büchern, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit den letzten Jahren dieses Wiender Originals beschäftigen. Es sind keine biografischen Dokumentationen, vielmehr Romane, die aus den überlieferten Quellen von Roths Leben in Paris zu imaginieren versuchen. Bernd Noack stellt sie in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG näher vor: "Joseph Roth trank sich in Paris zu Tode und blieb Optimist bis zuletzt".

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik
JÜDISCHE WELT.

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Er war kaisertreuer U-Boot-Kommandant, saß als Hitler-Gegner im Konzentrationslager und fuhr im Kalten Krieg nach Moskau: Der vor 40 Jahren gestorbene Theologe und Kirchenpräsident Martin Niemöller scheute keine Kontroversen. Am gestrigen 6. März war es 40 Jahre her, dass der Theologe Martin Niemöller gestorben ist. Dieter Schneberger erinnert für KATHOLISCH.de an den zeitlebens umstrittenen Theologen: "Stets kontrovers: Vor 40 Jahren starb der Theologe Martin Niemöller"

Der Link zum Wortlaut der Stellungnahme sowie ersten Kommentaren in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

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Wer war Gabriele Tergit, der zu Lebzeiten der literarische Erfolg verwehrt wurde und die heute als große wiederentdeckte jüdische Autorin gefeiert wird? Mit ihren so politisch mutigen wie journalistisch brillanten Gerichtsreportagen erregte sie in der Weimarer Republik Aufsehen. Tergit war nicht nur eine couragierte Journalistin, sondern vor allem eine leidenschaftliche Schriftstellerin, die über ihr Leben und ihre Zeit berichten wollte. Das tat sie in drei großen Romanen, am bekanntesten davon Effingers. Sie wurde von den Nationalsozialisten gehasst, entging in der Nacht des 4. November 1933 nur knapp einer Verhaftung und musste fliehen. Doch auch im Exil, erst in Palästina, später in London, blieb sie Optimistin und baute sich mit viel Energie ein neues Leben auf. Die Herausgeberin ihrer Werke und Tergit-Expertin Nicole Henneberg hat nun auf de Grundlage von Hunderten von Briefen der Autorin eine Biographie dieser beeindruckenden Frau vorgelegt, die Gerhard Zeilinger im STANDARD vorstellt: "Deutschlands erste Reporterin Gabriele Tergit".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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EDITORIAL HIGHLIGHTS

07.März 2024

 * Vergewaltigungen bei Hamas-Terrorangriff ... mehr

 * Moshe Zimmermann: Einen Ausweg suchen ...
mehr

 * Frieden in Nahost: Zusammen reden und trauern ... mehr
 
 * Jerusalem: Resilienz auf dem Campus ...
mehr
 
 * Was macht der Krieg mit den Soldaten? ...
mehr
 
 * Ultraorthodoxe: Streit über Wehrdienst eskaliert ... mehr
 
 * Israel knickt ein: ESC-Song bekommt nach Kritik neuen Text ... mehr
 
 * Zeugen Jehovas in der NS-Zeit ...
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 * Amerikaner rettete deutsche Dichter und Denker vor den Nazis ... mehr
 
 * Judith Butler bezeichnet Hamas-Massaker als „bewaffneten Widerstand“ ...
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 * Linksradikale Israel-Hasser über die Hamas-Gräueltaten ...
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 * Festival lit.Cologne: Diskussion über Antisemitismus ... mehr
 
 * Interreligiöser Dialog nach dem 7. Oktober ...
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 * Erstmals Ramadan-Beleuchtung in Frankfurt ... mehr
 
 * Donald Trump: Falscher Freund ...
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 * «Sprich in Paris kein Hebräisch» ...
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 * Joseph Roth und sein Ende in Paris ... mehr
 
 * Vor 40 Jahren starb der Theologe Martin Niemöller ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Nicole Henneberg´- Gabriele Tergit ... mehr

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Am Dienstag, 12. März 2024, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 345 mit einem Beitrag von Axel Töllner: "Von christlichem Antijudaismus im modernen Antisemitismus".