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ISSN 1612-7331
05.06.2024 - Nr. 2067
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Die nächste Tagesausgabe erscheint am Mittwoch, 12. Juni 2024.


Guten Tag!

Nr. 2067 - 05. Juni 2024



Während in Tel Aviv und anderen israelischen Städten erneut Zehntausende Menschen für eine Vereinbarung mit der Hamas zur Freilassung der seit fast acht Monaten verschleppten Geiseln demonstrierten und einmal mehr auch Neuwahlen forderten, hat Ministerpräsident Netanjahu den von US-Präsident Biden vorgelegten Drei-Stufen-Plan für Waffenruhe und Geiselaustausch abgelehnt. Ohne die Zerschlagung der Terrormiliz Hamas werde es keine dauerhafte Waffenruhe geben, so ließ er verlauten. Dabei steht Netanjahu auch unter Druck der rechtsradikalen Minister in seinem Kabinett, die mit einem Austritt aus der Koalition gedroht haben, sollte Netanjahu einem Abkommen über eine Waffenruhe mit der Hamas zustimmen. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG weist Matthias Kolb in seinem Kommentar darauf hin, dass Bidens Vorschlag Netanjahu zumindest weiter unter Druck bringe, "Fragen zu beantworten, denen er seit Monaten ausweicht: Wie soll eine Nachkriegsordnung für Gaza aussehen? Und ist ihm sein Amt wichtiger als ein Ende Israels internationaler Isolation?"
Derweil fordert die Hamas verbindliche Aussagen und Garantien für ein definitives Ende der Kampfhandlungen. Vor dem Hintergrund dieser sich einmal mehr ausschließenden Maximalforderungen kommentiert Jan-Christoph Kitzler für TAGESSCHAU.de:
"Klar scheint nur, dass eine nächste Runde des zynischen Schwarze-Peter-Spiels begonnen hat, in der sich beide Seiten gegenseitig die Schuld für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen geben. Für das Schicksal der verschleppten Geiseln und der leidenden Bevölkerung im Gazastreifen sind das keine guten Nachrichten."
Links zu Berichten, Kommentaren und Analysen im Blick auf Bidens Vorschlag und den Reaktionen in Israel in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Am 1. Juni 1964 trat in Kairo der 1. Palästinensische Nationalrat zusammen und beschloss die Gründung einer „Organisation zur Befreiung Palästinas“. Es ist die Geburtsstunde der PLO („Palestine Liberation Organization“). Außerdem wurde ein „Grundgesetz“, eine „palästinensische Nationalcharta“ und die Schaffung einer „Palästinensischen Befreiungsarmee“ (PLA) beschlossen. Ahmed Shukeiri war der erste Vorsitzende der PLO, die aber erst unter ihrem Führer Yassir Arafat aufblühen sollte. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU wirft Michael Hesse einen Blick zurück und erzählt die Vorgeschichte, Entwicklung und den Niedergang der PLO. Bei einem kommenden Wiederaufbau des Gazastreifens werde sie freilich keine Rolle mehr spielen, meint Hesse und zieht folgendes Fazit:
"Nach Arafats Tod 2004 setzte sich der Machtverlust der PLO unter Mahmud Abbas fort. Die PLO bleibt die international anerkannte Vertreterin der Palästinenser, doch der Vertrauensverlust in der Bevölkerung ist wegen Korruption und interner Konflikte unter Abbas immens. Die Trennung zwischen dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen und der PA im Westjordanland schwächt die PLO zusätzlich. Sie hatte maßgeblich zum Wachstum des nationalen Bewusstseins und Solidaritätsgefühls unter Palästinensern beigetragen, um nun bis zur Unkenntlichkeit zu verblassen."
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Sechs Monate nach ihrer Freilassung berichtete Moran Stella Yanai der "Washington Post" von ihren Erfahrungen in der Hamas-Gefangenschaft und schilderte die Schrecken ihrer Entführung, die Grausamkeit ihrer Entführer und die bleibenden Folgen der Tortur für ihren Geist und ihren Körper. Sie hofft, dass dies die Öffentlichkeit an die 125 Geiseln erinnern würde, die sich noch im Gazastreifen befinden. „Ich möchte, dass meine Schwestern und Brüder aus dieser Hölle herauskommen“, sagte sie. Shira Rubin, die als Reporterin für die "Washington Post" aus Israel berichtet, schildert in ihrem bewegenden Beitrag, den die FRANKFURTER RUNDSCHAU ins Deutsche übersetzt hat, das Schicksal von Moran und ihren Einsatz für die Freilassung der Geiseln: "Gefangen zwischen Hoffnung und Terror: Das Martyrium einer israelischen Geisel".
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL INTERN

"In Kriegszeiten ruft das Land nach Generälen, und so hat nun auch Israels linke Arbeitspartei einen Armee-Granden an die Spitze geholt", schreibt Peter Schäfer in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über Jair Golan, der mit 95 Protzen zum neuen Vorsitzenden der altehrwürdigen Arbeiterpartei "Avoda" gewählt wurde. Golan verfügt, wie auch die FAZ berichet, derzeit über eine hohe Popularität in Israel, die sich seinem Einsatz am 7. Oktober verdankt. Am Morgen des Terrorangriffs antwortete er auf die telefonische Bitte um Hilfe eines „Haaretz“-Journalisten, dessen Sohn auf den Supernova-Festival war und sich zusammen mit einem Freund in einem Gebüsch versteckte: „Schick mir seine Position, und ich werde ihn dir zurückbringen.“ Tatsächlich gelang es Golan, als „Ein-Mann-Rettungseinheit“ („Haaretz“) die jungen Leute unversehrt aus dem Kriegsgebiet zu bringen. Golans wichtigstes Ziel: eine Neuwahl und den Sturz von Netanyahus rechts-religiöser Regierung. Golan macht sie für die Spaltung der Gesellschaft verantwortlich und für das Versagen am 7. Oktober. «Ich bin nicht wütend auf die Hamas, von ihr habe ich nichts anderes erwartet», sagte er in einem Interview der «Jerusalem Post». Und:
«Ich bin wütend auf uns selbst: Wie konnten wir es zulassen, dass uns eine korrupte Regierung von innen zermahlt? Warum hatten wir nicht den Mut, die Kraft und die Entschlossenheit, diese Regierung noch vor dem Krieg zu stürzen?»
Links zu Porträts des neu gekürten Avoda-Vorsitzenden in der Rubrik
ISRAEL INTERN

"Dieser Spielfilm kommt zu einem weltpolitischen Moment, den niemand erahnen konnte, als er vor zweieinhalb Jahren gedreht wurde." Mit dieser Feststellung beginnt Andreas Platthaus seine Filmkritik in der FAZ über den soeben in den deutschen Kinos gestarteten Spielfilm "Golda", der von den schweren Entscheidungen der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir im Jom-Kippur-Krieg 1973 erzählt - mit einer wohl glänzenden Hellen Mirren in der Hauptrolle. Unvermeidlich, dass der Film vor dem Hintergrund des Massakers der Hamas am 7. Oktober 2023 eine ganz spezielle Aufmerksamkeit erhält. Unvermeidlich wohl auch, dass „Golda“ - ein britischer Film, aber von dem israelischen Regisseur Guy Nattiv inszeniert - eine israelische Perspektive einnimmt und entsprechend viel Widerstand von propalästinensischer Seite erntet. Ist "Golda" nun eine Filmbiografie? Oder ein Kriegsfilm? "Weder noch oder beides zugleich", meint Jakob Hayner in der WELT: "Was Regisseur Guy Nattiv ... und sein Drehbuchautor Nicholas Martin geschaffen haben, ist ein verdichtetes Lehrstück über politisches Handeln in Zeiten des Krieges. Und weil der Film sich nicht der Suggestivkraft hyperbrutaler Bilderfolgen überlässt, gelingt das fulminant."
Links zu einigen Filmkritiken sowie zu zwei Interviews mit dem Regisseur Guy Nattiv in der Rubrik ISRAEL INTERN

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft sieht die Gründung eines palästinensischen Staates kritisch, wie der SPIEGEL und die in Osnabrück erscheinende HASE-POST berichten: »Aus den Außenministerien von Washington, Paris und Berlin kam nach dem 7.10. der Ruf nach der Zweistaatenlösung. Dieser Reflex war mehr ein Ausdruck von Fantasie und Konzeptionslosigkeit«, heißt es in dem Entwurf eines Leitantrags des Präsidiums zur Hauptversammlung am kommenden Wochenende. Am Ende des Papiers, in dem auch auf die Legitimität von Israels Vorgehen im Gazastreifen eingegangen wird, heißt es: »Wir werden am Ende jede politische Lösung unterstützen, die Israel mit seinen arabischen Nachbarstaaten und Vertreter:innen der Palästinenser:innen erreicht«. Eines sei aber gewiss. »Der arabisch-israelische Konflikt und auch die palästinensische Frage werden nicht in Berlin gelöst oder entschieden.«
Intern werde auch über das Selbstverständnis der Organisation diskutiert, schreibt der SPIEGEL. Zur Debatte stünde, ob folgender Satz Aufnahme in den Leitantrag findet: »Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist eine zionistische Organisation.« Die Hauptversammlung der DIG findet am kommenden Wochenende in Bremen statt.
Die Links zu den Berichten in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Die Barmer theologische Erklärung ist das entscheidende theologische Dokument des Kirchenkampfes zwischen bekennender Kirche und den sogenannten Deutschen Christen in der NS-Zeit. Damit steht sie zugleich für den Kampf der Bekennenden Kirche um ihre Unabhängigkeit von der NS-Diktatur. Ihr Hauptautor war der reformierte Theologe Karl Barth, Mitautoren waren die lutherischen Theologen Thomas Breit und Hans Asmussen. Bis in die Gegenwart hinein reicht ihre Wirkungsgeschichte. Am 31. Mai diesen Jahres wurde die Barmer Erklärung 90 Jahre alt, was in den evangelischen Kirchen mit Gottesdiensten und Ansprachen gewürdigt wurde. In Interviews mit dem Kirchenhistoriker Thomas Schneider und dem Kirchengeschichtler Jürgen Kampann wird die Bedeutung des Dokuments im Kampf gegen den Nationalsozialismus deutlich und ihre Bedeutung für die Krisen der Gegenwart eruiert: "Kirchen-Dokument gegen NS-Machtansprüche".

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen hat sich vor kurzem deutlich von der AfD distanziert, weil deren Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah die Verbrechen von Himmlers SS relativiere. Krah hatte zuvor im Interview mit der römischen Zeitung „La Reppublica“ gesagt: „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war.“ Wie aber ist diese Aussage historisch zu bewerten? Kann jeder Angehörige der SS als Verbrecher bezeichnet werden oder nicht? Wie ist die Zugehörigkeit zu Himmlers Truppe zu bewerten? Dieser Frage ist Sven Felix Kellerhoff für die WELT nachgegangen: "War nun die SS an sich verbrecherisch?".

„So im Sommer wie im Winter/Ist der Hund stets stubenrein./Nimm mal an, du hättest Kinder,/Würden die das immer sein?“. Mit solchen humoristischen Reimen, die nicht wirklich bösartig, aber dennoch zielgenau waren, machte sich der jüdische Humorist Gustav Hochstetter im Berlin der Weimarer Republik einen Namen. Geboren wurde der Erfinder derlei Reime am 12. Mai 1873 in Mannheim als Sohn des Kaufmanns Isaak Hochstetter und dessen Ehefrau Mathilde. Die Familie des Vaters war mit dem Komponisten Kurt Weill verwandt. 1903 ging Hochstetter nach Berlin und arbeitete in der Redaktion der "Lustigen Blätter". Am 26. Juli 1944 wurde er von den Nazis im Ghetto Theresienstadt ermordet. Bettina Müller zeichnet sein Leben und Wirken in einem Beitrag für die BERLINER ZEITUNG nach: "Gustav Hochstetter: Jüdischer Humorist mit prophetischem Gespür".

1934, ein Jahr nach der »Machtergreifung«, gerät das NS-Regime in eine schwere Krise. Die politischen Erfolge bleiben aus, die erste Euphorie unter den Anhänger:innen ist verflogen. Ernst Röhm baut seine »Sturmabteilung« weiter aus und fordert eine Fortsetzung der »nationalsozialistischen Revolution«, gleichzeitig formieren sich ultrakonservative Kräfte. Im Juni 1934 hält Hitler blutige Abrechnung: Er lässt Röhm und die SA-Spitze kaltblütig liquidieren. Doch die Morde eskalieren. Zwei Neuerscheinungen - einmal von dem WELT-Redakteur und Historiker Sven Felix Kellerhoff und dem Historiker Peter Longerich - rekonstruieren die komplexen Hintergründe des sogenannten »Röhm- Putschs«. Florian Keisinger stellt sie in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG näher vor: "Das Blutbad von 1934 markierte endgültig Deutschlands Einstieg in die totalitäre Diktatur".

Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus und die AfD: In einem offenen Brief haben Holocaustüberlebende und Weltkriegszeugen nun an Erstwählerinnen und -wähler appelliert, ihre Stimme abzugeben - und die Demokratie zu stärken. Zu den Erstunterzeichnern gehören u.a. die 81-jährige Eva Umlauf, Holocaust-Überlebende und Bundesverdienstkreuzträgerin, die 91-jährige Eva Szepesi, Holocaust-Überlebende und Bundesverdienstkreuzträgerin sowie der 102 Jahre alte Georg Stefan Troller, Bundesverdienstkreuzträger und Grimme-Preisträger. Sie alle mahnen: "Wir konnten es nicht verhindern. Ihr könnt es heute."

Im Vordergrund liegen scheinbar abertausende Körper, in Leichentücher gewickelt. Im Hintergrund thronen Berge. In der Mitte des Bildes der weiße Schriftzug „All eyes on Rafah“ (zu Deutsch: „Schaut alle auf Rafah“), der aus Leichen geformt ist. Fast 50 Millionen Mal wurde dieses KI-generiertes Bild seit dem 28. Mai weltweit auf Instagram geteilt. Jeder Klick soll Anteilnahme ausdrücken, bezeugen, dass der Blick der Welt auf Nahost gerichtet ist. Allerdings weiß kaum einer der User, die per Klick vor allem dem eigenen Umfeld zeigen wollen, wo ihr humanitärer Fokus liegt, wer der Urheber des KI-Bildes ist. Dieser Frage gingen die FRANKFURTER RUNDSCHAU und die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG auf den Grund - und haben Erstaunliches zutage gefördert: "Mit «All Eyes on Rafah» wollen Millionen Menschen ihre Solidarität mit Gaza ausdrücken – und unterstützen unbewusst die Argumente eines mutmasslichen Antisemiten".

"Ich habe über dreißig Jahre in einer Diktatur gelebt. Und als ich nach Westeuropa kam, konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Demokratie jemals so infrage gestellt werden könnte. Ich dachte, dass man in der Diktatur planmäßig verblödet wird", in der Demokratie hingegen das Denken lerne, erklärt Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in einem Vortrag, den sie vor kurzem auf dem "October 7 Forum" in Stockholm hielt und der nun in der FAZ nachzulesen ist. Angesichts der vielen propalästinensischen Studentenproteste und Hetze in den sozialen Medien ist sie entsetzt. Wie ist es nur möglich, den mörderischen Antisemitismus der Hamas, deren Verachtung für die Leiden des eigenen Volks, die brutale Intoleranz gegenüber anderen Meinungen, Lebensweisen und vor allem für das Leben von Frauen ausblenden? Was geht in diesen akademischen Köpfen ab? Müller dazu:
"Gaza ist eine einzige Militärkaserne, ein deep state des Judenhasses unter der Erde. Lückenlos und dennoch unsichtbar. Im Iran gibt es die Redewendung: Israel braucht seine Waffen, um seine Bevölkerung zu schützen. Und die Hamas braucht ihre Bevölkerung, um ihre Waffen zu schützen. Diese Redewendung ist die kürzeste Beschreibung des Dilemmas, dass man in Gaza das Zivile nicht vom Militärischen trennen kann. Und das gilt nicht nur für die Gebäude, sondern auch für das Personal der Gebäude. In diese Falle wurde die israelische Armee bei ihrer Antwort auf den 7. Oktober gezwungen. Nicht gelockt, sondern gezwungen. Gezwungen, sich zu verteidigen und sich durch die Zerstörung der Infrastruktur mit all den zivilen Opfern schuldig zu machen. Und genau dieses Unvermeidliche wollte und nutzt die Hamas. Seither führt sie Regie über die Nachrichten, die in die Welt gehen. Der Anblick des Leids verstört uns täglich. Aber kein Kriegsreporter kann in Gaza unabhängig arbeiten. Die Hamas steuert die Auswahl der Bilder und orchestriert unsere Gefühle. Unsere Gefühle sind ihre stärkste Waffe gegen Israel."

Viel Wirbel um Geraldine Rauch, die 2022 als erste Frau zur Rektorin der TU Berlin gewählt wurde. Sie ist gerade einmal 41, trägt ein Nasenpiercing und tritt gegen rechts auf. Drei Likes von Postings auf X, die als antisemitisch und israelfeindlich eingestuft werden, könnten der erfolgreichen Mathematikerin mit Schwerpunkt Biostatistik nun allerdings ihre Führungsposition kosten. Zwar hat sich Rauch mittlerweile von den Postings und ihren Likes distanziert, aber der Schaden ist nunmal angerichtet - und nicht jeder glaubt ihrer Entschuldigung und betrachtet sie als "unglaubwürdig", wie etwa Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. Laut dem TAGESSPIEGEL wurde Rauch auch universitätsintern aufgefordert, „sofort aus dem Amt zurückzutreten“. Rauch habe mit ihren Judenhass-Likes „der TU wie auch der Wissenschaftsstadt Berlin und der Wissenschaft insgesamt enorm geschadet“. Gestern wiederum gab es für die kritisierte Rektorin freilich auch Unterstützung: 129 TU-Beschäftigte, nämlich Professoren, Verwaltungsmitarbeiter, wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte, verfassten einen Solidaritätsbrief. Auch in den Kommentaren der Zeitungen sind die Meinungen geteilt, teilweise sogar innerhalb ein und derselben Redaktion, wie beispielsweise in der TAZ: während Claudius Prösser in seinem Kommentar die Debatte für "maßlos" hält und dahinter "vor allem rückwärtsgewandte Akteure" sieht, schreibt Klaus Hillenbrand an gleicher Stelle: "Der internationale Schaden für die Uni ist da und würde sich noch vergrößern, bliebe Rauch weiterhin auf ihrem Posten. So oder so ist Geraldine Rauch nicht länger als TU-Präsidentin geeignet". Und ähnlich in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG, in der Noam Petri, Vizevorsitzender der jüdischen Studierendenunion, die Rektorin auffordert: "Übernehmen Sie Verantwortung und ziehen Sie endlich Konsequenzen!"

In einem Beitrag für die FAZ beschreibt Ahmad Mansour seine Sorge, wie antisemitische Narrative in linken Milieus um sich greifen. Er weist darauf hin, dass etwas die pro-palästinensischen Proteste der Studenten mit ihrem antisemitischen Unterton "nicht plötzlich vom Himmel gefallen (sind) wie ein Meteoritenschwarm. Es gab eine erhebliche Phase des Vorglühens, ehe es zur aktuellen Eskalation kam." Er betont, dass radikale Islamisten israelfeindliche Entwicklungen im Westen schon seit Jahren für sich instrumentalisieren, was nun beim Postkolonialismus auf fruchtbaren Boden falle:
"Deutsche Politik betont die unverbrüchliche Unterstützung Israels. Viel wird investiert in Gedenkstätten und Bildungsprogramme. Umso entsetzter müssen wir angesichts der jüngsten Entwicklungen fragen, wie es dazu kommen konnte, dass Tausende junge Leute für Gaza auf die Straße gehen, während Kundgebungen für Israel erheblich kleiner bleiben. Das ist nach meiner Beobachtung Folge einer politischen und gesellschaftlichen Schieflage. Nicht nur Unis, auch Schulen und Museen haben die postkolonialen Schwarz-Weiß-Muster aufgegriffen und geben sie an Kinder und Jugendliche weiter. Viele Projekte gegen Rassismus werden mit erheblichen staatlichen Mitteln unterstützt. Bei näherem Hinsehen finden sich dort jedoch oft stereotype antijüdische Narrative, im Gewand der Dekolonisierung und der 'Israelkritik'."

Die Links zu den Themen in der Rubrik
ANTISEMITISMUS.

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Der Judenhass, das bedrohte jüdische Leben, christlich-jüdische und jüdisch-muslimische Gesprächsversuche: all das prägten auch Umfeld und Programm des diesjährigen Katholikentags, der am Sonntag in Erfurt endete. Für die DEUTSCHE WELLE hat Christoph Strack eine ganze Reihe von Eindrücken gesammelt, die er in Begegnungen und bei Veranstaltungen gewonnen hat: "Wenn der Schmerz über den Antisemitismus durchbricht". Und im Interview mit DOMRADIO beleuchtet Julia Braband, Evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Thüringen, die Bedeutung des Thema auf dem Katholikentag und betont, der Dialog mit Juden und Judentum sei: "Wichtiger denn je".

Ein neues Studienhandbuch soll Perspektiven und Antworten rund um den Dialog zwischen Judentum und Christentum liefern. Das Studienhandbuch will zentrale Erkenntnisse zum aktuellen Stand des jüdisch-christlichen Dialogs und zum jeweiligen Selbstverständnis der theologischen Disziplinen im Angesicht des Judentums vermitteln. Ziel ist es, Akteuren in der pastoralen und religionspädagogischen Praxis ein Instrument in die Hand zu geben, um sachlich korrekt und differenzsensibel mit Fragen des jüdisch-christlichen Verhältnisses umzugehen. Herausgegeben hat es Barbara Schmitz, Professorin für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, gemeinsam mit Jan Woppowa, Professor für Religionsdidaktik am Institut für Katholische Theologie an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn, und Christian M. Rutishauser, Mitglied der Kommision für Beziehungen mit dem Judentum der Deutschen und der Schweizer Bischofskonferenz sowie Konsultor des Heiligen Stuhls für das Judentum. Der INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT und das BISTUM WÜRZBURG stellen das Studienhandbuch näher vor: "Zum Dialog zwischen Juden- und Christentum".

Am 9. März 2025 wird der Politologin, Pädagogin und Publizistin Saba-Nur Cheema und dem Historiker, Erziehungswissenschaftler und Publizisten Meron Mendel im eindrücklichen Rathaus der Hansestadt Hamburg im Rahmen der Eröffnung der „Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit 2025 – 5785/86“ die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen. Dies gab der Deutsche Koordinierungsrat (DKR), Dachverband der über 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, im Mai bekannt. Die Laudatio hält Bischöfin Kirsten Fehrs, kommissarische Ratsvorsitzende der EKD und Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche. Weitere Informationen zu Preisträgern und Hintergründen kann man der Pressemeldung des DKR entnehmen: "Streiten für Demokratie und Menschenrechte".

Die Links und Infos zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT

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Liebe, Triebe, Tradition, Moderne: In der Ausstellung „Sex. Jüdische Positionen“ räumt das Jüdische Museum Berlin mit Klischees auf. Ingeborg Ruthe hat für die BERLINER ZEITUNG einen Rundgang durch die Ausstellung gemacht und schildert ihre Eindrücke: "Sex-Ausstellung im Jüdischen Museum: Von vergeudetem Samen, ehelicher Lust und Tumtums".

Elisa Klapheck war einst eine Ausnahme als Rabbinerin, heute sieht sie sich als „vollkommen akzeptiert“, wie dem informativen Porträt ihres Werdegangs von Petra Zeichner in der FRANKFURTER RUNDSCHAU zu entnehmen ist. Klaphecks Mutter überlebte als Kind den Holocaust, doch ein Teil ihrer Familie wurde in Auschwitz ermordet. Sie selbst wird in Düsseldorf geboren, wächst in den Niederlanden und Deutschland auf, studiert Politologie, entscheidet sich in fortgeschrittenem Alter zu einem Rabbinatsstudium. Noch später folgt die Promotion. Und nun wirkt sie nicht nur als liberale Rabbinerin in Frankfurt, sondern ist auch vielfach publizistisch tätig und politisch aktiv: "Frankfurter Rabbinerin: Für gleiche Rechte im Judentum".

Anlässlich von Franz Kafkas 100. Todestag am 3. Juni 2025 ist eine regelrechte Flut an Beiträgen in den deutschen Printmedien erschienen, die sich mit nahezu allen Aspekten des Werkes und der Wirkung des Autors beschäftigen. An dieser Stelle sei vielleicht besonders hingewiesen auf den Beitrag des Judaisten und Religionswissenschaftlers Karl Erich Grözinger, der in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG der Frage nachgeht, ob Kafka ein "deutscher oder ein jüdischer Schriftsteller" sei; oder aber der Beitrag von Timo Lechner im SONNTAGSBLATT, der sich explizit mit Kafkas Verhältnis zum Judentum beschäftigt; oder aber die Interviews mit dem israelischen Schriftsteller Etgar Keret in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG und dem Schriftsteller Daniel Kehlmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU zur Bedeutung Kafkas. Schließlich sei ebenfalls erwähnt der Beitrag von Christine Schmitt, die für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG Schüler und Lehrer an jüdischen Schulen befragt hat, ob man Franz Kafka heute noch lesen müsse: "Er ist der Meister der Groteske".

Wie hängen Psychoanalyse, Judentum, Antisemitismus und das psychotherapeutische 20. Jahrhundert zusammen? Drei Neuerscheinungen gehen diesen diversen Aspekten auf den Grund: eine Studie über den berühmten Psychotherapeuten und Romancier Irvin D. Yalom, ein Band der amerikanischen Theologentochter Dagmar Herzob über Therapiegeschichte im katastrophischen 20. Jahrhundert und schließlich ein Tagungsband zum Thema "Judentum und Psychotherapie". Alexander Kluy stellt sie für das jüdische Stadtmagazin WINA näher vor: "Thora, Therapie, Freud, Leid?"

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT

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Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann ist tot. Er starb am Montag im Alter von 98 Jahren in Tübingen. Moltmann galt als einer der bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Seine 1964 erschienene "Theologie der Hoffnung" wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und hat Theologen weltweit beeinflusst. Seine theologischen Studien hatte Moltmann in englischer Kriegsgefangenschaft begonnen. Nachrufe würdigen die Verdienste des einflussreichen Theologen: "Trauer um Jahrhundert-Theologen Jürgen Moltmann".

Die Europawahlen 2024 stehen vor der Tür. Wie positionieren sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen zu Themen wie Religion, Kirche und Glaube? Das SONNTAGSBLATT hat sich das angeschaut und zwar für die SPD, CDU, FDP, DIE GRÜNEN und das BÜNDNIS SAHRA WAGENKNECHT: "Was im Europawahlprogramm der Parteien zu Religion, Kirche und Glaube steht".

Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

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Die Sozialen Medien revolutionieren mit ihren Technologien und Geschäftsmodellen die Verbreitung von Antisemitismus. Ein Mitte Juni erscheinender interdisziplinäre Band gibt Einblicke in Fallstudien zu verschiedenen Plattformen und analysiert Strategien gegen antisemitischen Hass. Auf knapp 330 Seiten und in 14 Kapiteln lassen Monika Hübscher und ihre Mitherausgeberin Sabine von Mering, Professorin an der US-amerikanischen Brandeis University, Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Israel, den USA, Indien, Großbritannien und Dänemark zu Wort kommen. Der INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT stellt den Band näher vor: "Erstes Standardwerk auf Deutsch: Antisemitismus in den sozialen Medien".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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EDITORIAL HIGHLIGHTS

05. Juni 2024

* Wie Biden den Gazakrieg beenden will ... mehr

 * 60 Jahre PLO: Ein Kampf um Land ... mehr

 * Das Martyrium einer israelischen Geisel ...
mehr
 
 * Jair Golan - die neue Hoffnung der Linken ...
mehr
 
 * In den Kinos: "Golda" ... mehr
 
 * DIG kritisiert Ruf nach Zweistaatenlösung ... mehr
 
 * 90 Jahre Barmen: Protestanten-Protest gegen Hitler ...
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 * War nun die SS an sich verbrecherisch? ...
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 * Hitler, Röhm und die Morde vom 30. Juni ... mehr
 
 * Ich kann mir die Welt ohne Israel nicht vorstellen ...
mehr
 
 * Berliner Uni-Präsidentin nach Antisemitismus-Vorwürfen in der Kritik  ...
mehr
 
 * Wie Judenhass vordringt  ... mehr
 
 * Zum Dialog zwischen Juden- und Christentum ...
mehr
 
 * Buber-Rosenzweig-Medaille 2025 für Saba-Nur Cheema und Meron Mendel ... mehr
 
 * Sex-Ausstellung im Jüdischen Museum ...
mehr
 
 * Die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck ...
mehr
 
 * Franz Kafka und sein Verhältnis zum Judentum ...
mehr
 
 * Thora, Therapie, Freud, Leid? ... mehr
 
 * Theologe Jürgen Moltmann gestorben ...
mehr
 
 * Die Parteien und die Religion ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Antisemitismus in den sozialen Medien ... mehr

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ACHTUNG:
Die nächste Tagesausgabe erfolgt am Mittwoch, 12. Juni 2024.