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ISSN 1612-7331
10.07.2024 - Nr. 2072
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Mit zwei ONLINE-EXTRA-Ausgaben läutet Compass die Sommerpause ein: ONLINE-EXTRA Nr. 350 erscheint am Mittwoch, 17. Juli 2024, und ONLINE-EXTRA Nr. 351 am Mittwoch, 24. Juli 2024.



Anschließend geht Compass in die Sommerpause bis einschließlich 3. September 2024.


Guten Tag!

Nr. 2072 - 10. Juli 2024



Der Lebenslauf von Mosab Hassan Youssef ist alles andere als gewöhnlich: 1978 in Ramallah als Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Youssef geboren, wird er 1996 von israelischen Sicherheitskräften festgenommen und wechselt die Seiten: er wird Informant für den Inlandsgeheimdienst Shin Bet. Seinen Spitznamen „Grüner Prinz“, verdankt der Tatsache, dass er Israel während der zweiten Intifada in den 2000er-Jahren dabei half, zahlreiche Terroranschläge zu vereiteln. Heute lebt der 46-jährige Architekt in den USA, konvertierte zum christlichen Glauben und bekennt sich offen zu Israel - und tritt für eine Vernichtung der Terrororganisation Hamas ein, wofür er mit dem Tod bedroht wird. Im Interview mit "Le Figaro", das das in der WELT in deutscher Übersetzung zu lesen ist, antwortet er auf die Frage, wie die Hamas und ihre Ideologie beseitigt werden können:
"Man muss eine Politik der Entradikalisierung aufbauen. Man muss die Köpfe der Hamas abschlagen, den Kopf der Schlange, die den Massenmord vom 7. Oktober begangen hat. Ich bin der Meinung, dass eine Exekution der Hamas-Führer eine angemessene Strafe wäre. Eine lebenslange Haft würde letztlich wieder nur zu Geiselnahmen von Israelis führen, denn die Hamas würde auf diese Weise versuchen, ihre Anführer freizupressen. Daher ist eine extreme Maßnahme notwendig, um die Ketten zu sprengen und den Teufelskreis zu durchbrechen. Israel war vor dem 7. Oktober zweifellos nicht hart genug. Wenn man die Köpfe der Hamas vorher neutralisiert hätte, dann wäre es nie zu dieser Geiselnahme gekommen."
Und auf die Frage, was er von der Anerkennung Palästinas durch mehrere europäische Länder hält, antwortet er:
"Für mich ist das ein Geschenk an die Hamas. Je unverantwortlicher die Palästinenser sich verhalten, desto mehr sind einige europäische Länder geneigt, sich bei ihnen zu bedanken. Ich halte das für eine unsinnige Entscheidung, die auch noch im ungünstigsten Zeitpunkt gefällt wurde. Sie ist praktisch ein Dolchstoß in den Rücken Israels, und das in einem Moment, in dem der jüdische Staat in einen Existenzkampf verstrickt ist. Länder wie Spanien können einfach nicht begreifen, dass dies für die Islamisten immer noch islamisches Gebiet ist, das man zurückerobern muss."

Mehr dazu in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Nachdem am vergangenen Sonntag genau 9 Monate nach dem 7. Oktober erneut Zehntausende Israelis an einem „Tag der Störung“ in Tel Aviv und anderen Städten des Landes für einen Geisel-Deal demonstriert haben und laut Medienberichten die Hamas bereit sei, zunächst einer nur temporären Feuerpause zuzustimmen, wuchs zunächst die Hoffnung auf einen Geisel-Deal. Der Ball lag in Israels Feld. Aber bereits am Sonntagabend gab Netanjahu dann eine Liste mit vier Punkten bekannt, die „nicht verhandelbar“ seien: u.a. müsse Israel weiterhin das Recht haben, nach Gaza zurückzukehren und zu kämpfen, „bis alle Ziele des Krieges erfüllt sind“. Für die Hamas unannehmbar. Die Tatsache, dass die Liste von Netanjahus Bedingungen über die Presse bekannt gemacht wurden, hat unterdessen zu Verärgerung geführt und den Eindruck bestärkt, dass Netanjahu an einem Deal nicht interessiert ist. In einem Bericht der TAGESSCHAU wird der frühere Armee-General Israel Ziv mit den Worten zitiert: "Es wird ziemlich deutlich, dass Netanyahu alles tut, um ein Abkommen zu verhindern. Wer an einem Abkommen interessiert ist, veröffentlicht nicht in den Medien seine Bedingungen oder macht neue Bedingungen öffentlich", sagt Ziv. "Für so etwas gibt es eine Delegation, die Bedingungen innerhalb der Verhandlungen einbringen kann." Dass derlei Kritik aus dem Munde eines wenn auch ehemaligen Armee-Generals kommt, lässt darauf schließen, so Christian Meier in der FAZ, dass der Konflikt sich inzwischen "auf die Führung von Armee und Geheimdiensten ausgedehnt" hat. Weiter heißt es in Meiers Bericht:
"Politiker und Kommentatoren kritisierten die Stellungnahme scharf. Der Journalist Ben Caspit schrieb, die Wahrheit laute schlicht und einfach: 'Benjamin Netanjahu will kein Geiselabkommen. Er will nicht, dass der Krieg beendet wird.' Der Ministerpräsident befinde sich in einem 'strukturellen Interessenkonflikt'. Er sei wohl bereit, die Geiseln zurückzubekommen, aber nicht auf Kosten des Wohlergehens seiner Koalition."

Die Links zum Thema in der Rubrik
ISRAEL INTERN.

364 junge Menschen wurden getötet, als die islamistischen Terroristen der Hamas am 7. Oktober das Nova-Musikfestival in der israelischen Negevwüste überfielen. Die 25-jährige Shani Oshana hat das Massaker in einem Gebüsch versteckt überlebt. Gerettet wurde sie nach Stunden der Todesangst von Oz Daidian, einem 53-jährigen Landwirt, der mit seinem Pick-Up immer wieder das Gelände absuchte, teilweise unter Beschuss der Hamas. Gerettet hat er auf diese Weise 120 Festivalbesucher und wird in Israel deshalb als Held verehrt. Auf Einladung der jüdischen Gemeinde waren die Beiden dieser Tage in Frankfurt, um ihre Geschichte zu erzählen. Alexander Jürgs hat ihnen für die FAZ zugehört: "Der Held des Nova-Festivals".

Amalya Sapir ist 16 Jahre alt, sie besucht ein Gymnasium im Süden von Berlin und ist derzeit Schülerpraktikantin in der Berlin-Redaktion der BERLINER ZEITUNG. Dort schildert sie nun in beeindruckender Weise, wie sich der Nahostkonflikt in ihrem Schulalltag niederschlägt. Haben ihr Mitschüler beispielsweise vor dem 7. Oktober nur genickt oder mit den Schultern gezuckt, wenn sie erzählte, dass sie als Achtjährige aus Israel nach Berlin gekommen war, habe sich das nach dem 7. Oktober drastisch geändert:
"Seit diesem Tag haben auch die meisten Jugendlichen in Berlin eine ganz klare Meinung zu diesem Konflikt; ich aber bin vor allem verwirrt. Als gebürtige Israelin und deutsche Staatsbürgerin, die eine zehnte Klasse in Berlin besucht, werden die Fragen, die sich mir stellen, immer mehr. Warum setzt sich immer mehr ein Schwarz-Weiß-Denken durch? Warum reden Bekannte, die früher nicht mal wussten, dass in Israel Hebräisch gesprochen wird, nun wie Nahost-Experten? Woher wissen sie, wer gut ist und wer böse?"

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Am vergangenen Montag wurde in der staatlichen israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ein neues Erinnerungszentrum eröffnet: Der „Moshal Shoah Legacy Campus“. Bei der Einweihung war nicht nur Staatspräsident Isaac Herzog (63) zugegen, sondern auch zahlreiche Vertreter der deutschen Wirtschaft, die bei der Finanzierung des neuen Campus maßgeblich beteiligt waren. Wie das neue Zentraum ausschaut und welchem Zweck es gewidmet ist, zeigt und erläutert Jeanne Plaumann in einem Beitrag für die BILD-ZEITUNG: "Neues Holocaust-Erinnerungszentrum eröffnet".

Vor dem Hintergrund des überraschenden Wahlausgangs in Frankreich, bei dem ein linkes Bündnis den Durchmarsch des rechtspopulistischen Rassemblement National von Marie Le Pen verhindern konnte, erinner Michael Hesse in der FRANKFURTER RUNDSCHAU an die 1934 in Frankreich gegründete Volksfront, die gegen den Faschismus antrat. Ähnlich wie heute gelang es vor fast neunzig Jahren dieser Volksfront noch einen Wahlerfolg zu feiern:
"In Frankreich stellte sich die nun zusammengefundene Linke der 'entarteten Form der Demokratie', für die der Faschismus gehalten wurde, entgegen. Gewaltaktionen und Hetze der Rechten hatten die Linke zusammengeschweißt, 1936 unter einem gemeinsamen organisatorischen Dach mit dem Namen Rassemblement populaire. Man wollte die Freiheit verteidigen und den Frieden in Europa bewahren, den man durch die Nationalsozialisten in Deutschland gefährdet sah."
Hesse schildert Entstehung und Schicksal der damaligen Volksfront, deren Hoffnung auf Frieden und Abwehr der Nationalsozialisten unter dem gemeinsamen Dach des Antifaschismus sich mit dem Hitler-Stalin-Pakt endgültig in Luft auflöste: "Volksfront in Frankreich: Vereint im Kampf gegen rechts".

Am 25. Juli startet RP Kahls „Die Ermittlung“, basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Peter Weiss über den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt, in den deutschen Kinos. Vor wenigen Tagen feierte der das künstlerisch radikale Projekt, das Kino und Theater miteinander verbindet, bei den Münchner Filmfestspielen Premiere. Nach einer intensiven, vierwöchigen Probenzeit haben 60 der reonommiertesten Schauspieler:innen Deutschlands den Text von Peter Weiss, der 1965 uraufgeführt wurde, für die Kinoleinwand zum Leben erweckt. Auf zwei seriösen Filmseiten - FILMSTARTS.de und FILMREZENSIONEN.de - sind die ersten Kritiken erschienen: "Die Ermittlung: Die Auschwitz-Prozesse als vierstündiges Kino-Meisterwerk".

Ebenfalls in der kommenden Woche startet Joachim A. Langs Film „Führer und Verführer“, der seine Weltpremiere auf dem Filmfest München gefeiert hatte und dort mit dem Publikumspreis für den besten deutschen Film ausgezeichnet wurde. Im Mittelpunkt steht das Machtgefüge im Dritten Reich rund um den von Robert Stadlober gespielten Propagandaminister Joseph Goebbels. Die auf historischen Quellen bis hin zu verbrieften Dialogen basierende fiktionalisierte Handlung wird durch bislang nur selten gezeigte Archivaufnahmen und Interviewsequenzen mit Holocaust-Überlebenden wie Margot Friedländer, Charlotte Knobloch, Eva Umlauf, Leon Weintraub, Ernst Grube und Eva Szepesi ergänzt. Die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND stellen den Film und seine Besonderheiten näher vor. Und u.a. in der WELT ist ein Interview mit dem Regisseur Joachim A. Lang zu lesen, der seine Intention, die Propaganda-Maschine der Nationalsozialisten mit einem fiktionalen Spielfilm zu entlarven, näher erläutert. U.a. sagt er, die übliche Darstellung etwa von Goebbels als "schreiender Dämon" habe wohl viel mit Distanzierungswünschen zu tun: "Auf solch ein Monster muss man sich nicht einlassen. Das greift aber zu kurz. Wäre er tatsächlich eine schreiende Witzfigur gewesen, hätte er nicht so viele Anhänger gewonnen. Goebbels hat den Mythos aufgebaut". Für Lang ist es daher "viel verantwortungsvoller, einen fiktionalen Film zu drehen, ich muss neue Bilder des Führungszirkels schaffen. Unser Ansatz war: Wir zeigen die historischen Bilder - und dekonstruieren sie sofort, indem wir erklären, wie sie entstanden sind.".

Im Blick auf die beiden oben angesprochenen Neustarts im Kino lohnt die Lektüre eines Beitrags von Martin Seng in der TAZ. Er beleuchtet die besondere Rolle, die dem Film bei der Auseinandersetzung mit dem Holocaust zufällt. Seng schildert dabei die zuletzt durch den Film "The Zone of Interest" ausgelöste Debatte um die Darstellbarkeit des Holocaust, die in ihrer Bedeutung für die Erinnerungskultur weit über die Feuilletons hinausgeht: "Filme für sechs Millionen."

Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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„Wenn die Erinnerung verblasst, hat die Barbarei gesiegt!“ – Mit diesem Appell startet ein Initiativkreis aus dem gesamten Spektrum der deutschen Zivilgesellschaft die Kampagne „siebteroktober.de“. Federführend ist hierbei die gemeinnützige Stiftung „Jugend fordert! Step21“, wie ISRAELNETZ informiert: "Eine Kampagne gegen das Vergessen". Und das Video zur Kampagne gibt es auch zu sehen.

In zwei Beiträgen für die FAZ berichtet Matthias Rüb über den Antisemitismus und Rassismus in der Jugendorganisation Gioventù Nazionale (GN), der Jugendorganisation von Giorgia Melonis Fratelli d'Italia. Rübs Berichte stützen sich u.a. auf Recherchen des italienischen Online-Magazins "Fanpage". Dem Magazin war es gelungen, undercover Sitzungen der Organisation zu filmen. So kann man sehen, wie dort etwa davon die Rede ist,
"dass 'Schwarze stinken, weil sie in Afrika nicht an Wasser gewohnt sind', es wird über die 'berüchtigten Juden' und über Menschen mit Downsyndrom als 'Zurückgebliebene' hergezogen. Schließlich sind auf den Aufnahmen GN-Aktivisten bei einem Treffen zu sehen, wie sie 'Duce, Duce!' und 'Sieg Heil!' rufen und dabei den rechten Arm zum sogenannten Römischen Gruß - vergleichbar dem Hitlergruß - in die Höhe recken."

Im Februar diesen Jahres sorgte ein Vorfall im schweizerischen Urlaubsort Davos für internationale Aufmerksamkeit. Von "Tagesschau" über die BBC bis zur "Washington Post" wurde über ein Bergrestaurant berichtet, das jüdisch-orthodoxen Gästen keine Sportgeräte mehr vermieten wollte. Die Berichte ließen fast den Eindruck aufkommen, der bei orthodoxen Juden sehr beliebte Urlaubsort Davos sei der schweizer Hotspot des Antisemitismus. In der Folge wurde eine extra einberufene Taskforce etabliert, die einen Massnahmenkatalog für den Umgang mit jüdischen Gästen erarbeiten sollte. Ziel war es, die Verständigung zwischen der Davoser Bevölkerung und internationalen Gästen zu fördern und gegenseitigen Respekt zu gewährleisten. Nun hat die Taskforce die Ergebnisse vorgelegt, u.a. soll während des Sommers eine Anlaufstelle für jüdische Gäste geschaffen werden, bei der es Informationen gibt, wie die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ) und der schweizter TAGES-ANZEIGER berichten. Ergänzend dazu in der NZZ ein Interview mit dem Spitzendiplomat Michael Ambühl, emeritierter Professor für Verhandlungsführung und Konfliktmanagement an der ETH Zürich, der an dem Vermittlungsprojekt maßgeblich beteiligt war: "Keine Schlitten für Juden: Mit zehn Massnahmen will Davos solche Skandale in Zukunft vermeiden."

Der Jurist und Publizist  Murat Kayman, der einst als Anwalt für die Ditib tätig war, betont in einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, dass es für Muslime "keine Pflicht zum Judenhass" gebe, "auch nicht aus Solidarität mit den Palästinensern". Kayman kritisiert mit scharfen Worten die führenden Vertreter der größten muslimischen Dachverbände in Deutschland, darunter Ditib, IGMG und den sogenannten Zentralrat der Muslime. Diese hätten, so sein Vorwurf, nach dem 7. Oktober
"bewusst vermieden, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen. Sie haben es erneut - wie schon in den vielen Jahren zuvor - vorgezogen, eine Strategie der doppelten Botschaften zu praktizieren. Nach außen betonen sie, es gebe unter Muslimen keinen Antisemitismus. Nach innen sind sie sich bewusst, dass der Hass auf Juden und den Staat Israel innerhalb der muslimischen Gemeinschaften weit verbreitet ist. Sie wissen, dass der Antisemitismus mit all seinen Stereotypen zum normalen 'Wissen' über 'den Juden' gehört."
Apodiktisch schließt Kayman seinen Beitrag:
"Wer jüdisches Sterben als 'legitimen Widerstand' auch für die Zukunft rechtfertigt, muslimisches Sterben aber als 'Völkermord' verstanden wissen will, der wird nicht als vertrauenswürdige Stimme der Vernunft und der Friedfertigkeit verstanden."

Im Interview mit der FAZ betont der Historiker Michael Wolffsohn, dass die jüngst aufkeimende antiisraelische und antijüdische Militanz an den Hochschulen im Grunde nicht neu sei, sodern im Kern seit 1967 bestehe. Der Terror der Hamas vom 7. Oktober habe lediglich jetzt auch den "linken und muslimischen Antisemiten grünes Licht" gegeben, "ihren Judenhass in voller Wucht" auszuleben:
"Das war ein Dammbruch. Aber im Kern ist das keine neue Entwicklung. Über das jüdisch-israelische Thema hinaus erkennen wir hier eine fundamentale ethische Dekadenz der westlichen Gesellschaften. Denn hier findet die Umkehrung von Opfer und Täter statt. Man kann mit besseren oder schlechteren Argumenten für oder gegen die jeweilige israelische Politik eintreten, auch gegen oder für das militärische Vorgehen Israels an – wohlgemerkt – sieben Fronten, nicht nur an der Gaza-Front. Aber die Solidarisierung mit dem Täter, also mit Terroristen, die 1200 Menschen auf brutale Weise massakrieren, das Identifizieren mit dem Massakrieren ist ein Zeichen ethischer Dekadenz, unabhängig davon, ob es um Juden oder Nichtjuden geht."
Fast schon bitter konstatiert er:
"Meine Generation, auch ich selbst, hielt massiven Judenhass für vergangen, also für Geschichte. Dass unsere physische Existenz und Lebensqualität im Alltag in Deutschland widerrufen werden könnten, das hätte ich nicht erwartet. Das haben die meisten von uns nicht erwartet. Wir dachten, dass unsere Existenz gesichert sei, auch dadurch, dass der Staat jüdisches Leben schützen will, es aber, ich wiederhole mich, nicht kann. Das ist das Grundproblem, und insofern ist Geschichte Gegenwart."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Martin Steiner, Theologe und Judaist und derzeit kommissarischer Leiter des Instituts für Jüdisch-Christliche Forschung an der Uni Luzern, will mit seiner Doktorarbeit „Jesus Christus und sein Judesein. Antijudaismus, jüdische Jesusforschung und eine dialogische Christologie“ einen Beitrag zur theologischen Antisemitismusforschung und zum christlich-jüdischen Dialog leisten. Für FEINSCHWARZ gibt er einen Einblick in die Ergebnisse seiner Arbeit, die im Laufe dieses Jahres publiziert werden soll: "Jesus Christus und sein Judesein".

Das Verhältnis Roms zu Israel hat sich stark gewandelt. Die jüngsten Päpste haben die antijudaistische Haltung des Vatikans überwunden. Der Weg dahin war lang und steinig, was sich insbesondere in der Einstellung des Vatikans zum jüdischen Volk und zum Staat Israel abzulesen war, wie Guido Horst für die TAGESPOST zusammenfasst: "Jüdisch-christlicher Dialog fordert Respekt und Demut".

Der in der evangelischen Kirche alljährlich gepflegte Israelsonntag, an dem das Verhältnis von Christen und Juden im Mittelpunkt seht, wird in diesem Jahr am 4. August begangen. Das Motto lautet diesmal: „Zu jener Zeit werden zehm Männer aus allen Sprachen der Völker einen jüdischen Mann am Saum seines Gewandes ergreifen ...“. Eine Arbeitshilfe, die neben einer Predigt und einem Liturgievorschlag auch Texte zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Thema enthält, steht zum Download bereit.

Nida-Errahmen Ajmi (28) ist die erste muslimische Armeeseelsorgerin in der Schweiz. Am 14. Juni wurde sie ernannt. Im Interview auf KATH.ch erzählt sie, wie es dazu kam und wer sie in dem mehrheitlich männlich geprägten Umfeld am meisten unterstützt hat: «Für mich erfüllte sich ein Traum»

Seit langem schon gehört die diversen Aspekte und Themen der Gender-Debatte zu einem der dominierenden Diskurse unserer Zeit, die in der einen oder anderen Weise in allen akademischen Disziplinen und in der Öffentlichkeit nicht selten kontrovers geführt wird. Das trifft in gewissem Umfang auch auf den Islam zu. Auch dort wird über Geschlechterrollen und die Stellung der Frau debattiert. Die Soziologin Nazife Sisman gibt für ISLAMiq einen Überblick, wie sich die Debatte im Islam darstellt. Aus ihrer Sicht ist es notwendig, aufgrund tiefgreifender sozialer Veränderungen und Dynamiken, die bestehenden Begriffe und Methoden, wie sie bisher im Islam zu beobachten sind, zu überdenken: "Gender-Debatte im Islam: Begriffe erneuern, Methoden entwickeln".

Der Link dazun in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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Erich Salomon zählt zu den Pionieren der Pressefotografie und gilt als einer der Begründer der modernen Bildreportage. Anfang der 30er Jahre hat er es zu internationaler Bekanntheit gebracht, obwohl er erst seit 1928 als professioneller Fotograf tätig ist. Geboren 1886 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Bankiers in Berlin studierte er später Maschinenbau an der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin sowie Rechtswissenschaften, bevor er 1925 Mitarbeiter der Werbeabteilung im Ullstein-Verlag wurde, für den er zu fotografieren begann.  Mit seinen Fotos erregte er schnell großes Aufsehen und machte sich als unabhängiger Fotoreporter einen Namen. Auf der Flucht vor den Nazis in Holland untergetaucht werden er, seine Frau und sein Sohn Dirk 1943 durch Denunziation verhaftet, nach Auschwitz deportiert, wo sie am 7. Juli 1944, vor fast genau 80 Jahren, ermordet wurden. In zwei Beiträgen erinnert die JÜDISCHE ALLEMEINE WOCHENZEITUNG an ihn, sein prägendes Werk und sein trauriges Ende: "Erich Salomon: Pionier der Pressefotografie".

Am Donnerstag wurde das Militärrabinat der Bundeswehr in Berlin offiziell eingeweiht. Im Beisein von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte ein Thora-Schreiber zuvor die letzten Buchstaben einer 40 Meter langen Thora geschrieben. In seiner Rede, die in der JÜDISCHEN ALLGMEINEN WOCHENZEITUNG im Wortlaut zu lesen ist, betonte Schuster die Pflicht zur Verantwortung füreinander, die auch in einer "von innerer Führung und moralischer Stabilität" gekennzeichneten Bundeswehr auszuüben ist. Mit dabei war natürlich auch Zsolt Balla, der bereits seit 2021 als Militärbundesrabbiner fungiert. Im Interview mit der FAZ spricht er über sein Selbstverständnis als jüdische Militärrabbiner, wie er mit säkularen Juden oder Muslimen in der Bundeswehr umgeht und worin er die Rolle der Bundeswehr sieht. Auch erzählt der in Ungarn aufgewachsene Balla, wie er erst im Alter von neun Jahren erfahren hat, dass er Jude ist:
"Wir lebten in Budapest immer in der Nähe meiner Großeltern. Sie waren Holocaustüberlebende – wie meine Mutter. Mein Großvater sagte immer: „Man kann dir alles nehmen. Aber was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen.” Wenn ich lesen wollte, hat meine Familie das sehr gefördert. Mein Lieblingsbuch war damals die Bibel. Ein Jahr vor der Öffnung des Eisernen Vorhangs, es war 1988, habe ich in meiner Grundschule die Einladung der katholischen Gemeinde zum Bibelunterricht gesehen und fragte meine Mutter, ob ich teilnehmen darf. Sie erwiderte: „Wir müssen reden” und eröffnete mir, dass ich jüdisch bin. Danach bin ich in die Synagoge gegangen."

»Er übernimmt das Amt der nationalen Führung in einer kritischen Zeit, in der unsere zerbrechliche Welt von Polarisierung, Extremismus und Konflikten bedroht ist. Möge er diesen Herausforderungen mit Weisheit und Mitgefühl begegnen, und möge seine Regierung allen Bürgern unseres großen Landes den Segen von Wohlstand, sozialem Zusammenhalt und Sicherheit bringen.«
Mit diesen Worten gratulierte Großbritanniens Oberrabbiner Ephraim Mirvis dem Wahlsieger Keir Starmer, dem neuen Premierminister. Wie sich das Ergebnis der Wahlen aus jüdischer Sicht darstellt, schildern Michael Thaidigsmann und Charles E. Ritterband für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und die schweizerische TACHLES. Und Daniel Zylbersztajn-Lewandowski wirft einen besonderen Blick auf die neuen Abgeordneten und verrät, was vielleicht noch nicht alle wissen: Zum ersten Mal in der Geschichte Großbritanniens ist die First Lady jüdisch, ebenso wie ihre zwei Kinder: "Schabbat in der Downing Street".

Der 1995 gegründeten Liberalen Jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München gehören mehr als 600 Mitglieder an, darunter auch "viele aus Israel, die seit dem 7. Oktober in München leben", wie die Vorsitzende der Gemeinde Eva Ehrlich betont. Künftig soll die Synagoge, deren aktuelle Räumlichkeiten an ein modernes Großraumbüro erinnern, in einem neuerrichteten Bau einziehen, der vom amerikanischen Star-Architekten Daniel Libeskind entworfen wurde. Anne Wildermann hat für die MÜNCHNER ABENDZEITUNG mit Eva Ehrlich gesprochen und gibt eine Reihe von Einblicken in die jüdisch liberale Gemeinde: "Es können sogar Frauen Rabbinerin werden".

Der Comic-Autor Joann Sfar, der mit "Die Katze des Rabbiners" Erfolge gefeiert hat, wurde kürzlich beim wichtigsten deutschen Comicfestival für sein Lebenswerk geehrt: für sein vielfältiges Werk und auch, weil er sich in zwei großen Comicbänden mit seiner jüdischen Herkunft auseinandersetzt. Der zweite Band ist gerade erschienen: "Der Götzendiener". Sfar erzählt darin, wie er trotz des jüdischen Bilderverbots Zeichner wurde – und von dem Fehlen der Mutter, die früh starb. Andrea Heinze hat Joann Sfar getroffen und stellt seinen Band für den RBB näher vor: ."Der Götzendiener"

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

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Auch wer nicht Katholik ist, kennt das Verfahren bei der Wahl eines neuen Papstes und wartet gespannt, bis der weiße Rauch aufsteigt. Als erstes Konklave überhaupt gilt die Papstwahl von 1241, als erstmals die Wahlberechtigten solange eingeschlossen (cum clave - mit einem Schlüssel) wurden, bis sie sich auf einen neuen Papst geeinigt haben. Kein Kardinal durfte das Konklave verlassen, außer er wurde schwer krank. Ein- und Ausgänge wurden bewacht, wie Roland Juchem in einem Hintergrundbericht für KATHPRESS erläutert: "Warum Kardinäle ins Konklave gesperrt werden."

Der Link dazu in der Rubrik
CHRISTLICHE WELT.

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Antisemitische Beleidigungen auf offener Straße, Diskriminierung im Beruf oder der Kampf um staatliche Wiedergutmachung: Die von Ruth Wodak herausgegebenen »Alltagsgeschichten« sammeln Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten, die viele Juden und Jüdinnen aus drei Generationen erlebt haben und klarmachen: Das kann immer noch in Wien passieren. Dabei wollen die Geschichten nicht »anklagen«, vielmehr sind sie voll Humor, aber auch von Trauer und Wut erfüllt. Irene Klissenbauer stellt den Band auf den Seiten des ORF näher vor: "Antisemitismus im Alltag in Wien".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik
ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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EDITORIAL HIGHLIGHTS

10. Juli 2024

 * „Israel war vor dem 7. Oktober zweifellos nicht hart genug“ ... mehr

 * Torpediert Netanyahu ein Geiselabkommen? ... mehr
 
 * Der Held des Nova-Festivals ... mehr

 * Nahostkonflikt in Berliner Schule ...
mehr
 
 * Neues Holocaust-Erinnerungszentrum eröffnet ... mehr
 
 * Auschwitz-Prozesse als vierstündiges Kino-Meisterwerk ...
mehr
 
 * Im Kino: „Führer und Verführer“ ...
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 * Filme für sechs Millionen ...
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 * Eine Kampagne gegen das Vergessen ... mehr
 
 * Die Parteijugend von Meloni übt sich in Judenhass und Rassismus ...
mehr
 
 * Jesus Christus und sein Judesein ... mehr
 
 * Israelsonntag 2024  ...
mehr
 
 * Genderdebatte im Islam  ...
mehr
 
 * Erich Salomon: Pionier der Pressefotografie ... mehr
 
 * Neues jüdisches Militärrabbinat eingeweiht ...
mehr
 
 * Schabbat in der Downing Street ...
mehr
 
 * Warum Kardinäle ins Konklave gesperrt werden ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Ruth Wodak (Hg.) - Das kann immer noch in Wien passieren ... mehr

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