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ISSN 1612-7331
21.03.2025 - Nr. 2099
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ACHTUNG:

Am Mittwoch, 26. März 2025, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 362 mit einem Beitrag von Amy-Jill Levine: "Kontroverse Geschichten und jüdisch-christliche Beziehungen".


Guten Tag!

Nr. 2099 - 21. März 2025



Die Wiederaufnahme von Bombenangriffen auf den Gaza-Streifen und den erneuten Einmarsch israelischer Bodentruppen rechtfertigt Netanjahu im wesentlichen mit den gescheiterten Verhandlungen um eine Freilassung der Geiseln. TAGESSCHAU.de und NEUE ZÜRCHER ZEITUNG verweisen dementgegen vor allem auf den innenpolitischen Druck, unter dem Netanjahu steht. Die Wiederaufnahme der Kriegshandlungen veranlassten nämlich den rechtsextremen Politiker Itamar Ben-Gvir in die Regierungskoalition zurückzukehren und damit Netanjahus hauchdünne Mehrheit bei der anstehenden Haushaltsabstimmung zu garantieren. Freilich "ignoriert" Netanjah damit volltändig die politische Stimmungslage in der israelischen Bevölkerung, schreibt Steffi Hentschke in der ZEIT:
"Laut einer repräsentativen Umfrage des Israel Democracy Institutes von Anfang März fordern 70 Prozent eine Fortsetzung der Waffenruhe. Innenpolitisch ist die Stimmung damit vollkommen anders als zu Kriegsbeginn, nach dem verheerenden Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023. Der Armee gehen zudem die Soldaten aus. Viele Reservisten sind wegen Verletzungen und posttraumatischen Belastungsstörungen nicht mehr dienstfähig. Bis zu 12.000 Soldaten und Soldatinnen sollen der Armee aktuell fehlen, berichten israelische Medien."
Zudem herrscht in Israel große Sorge, dass die erneute Aufnahme der Kriegshandlungen einem Todesurteil für die noch in Händen der Hamas verbliebenen Geiseln bedeute, wie u.a. Christian Meier für die FAZ berichtet. Yossi Kuperwasser, Geheimdienst- und Sicherheitsexperte, ehemaliger General der israelischen Armee und langjähriger Leiter der Forschungsabteilung des israelischen Militärgeheimdienstes, sieht dies freilich genau andersrum, wie er in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG schreibt:
"Und ich bin davon überzeugt: Um die noch in Gaza befindlichen Geiseln endlich zu befreien, muss Israel den militärischen Druck auf die Hamas erneut massiv erhöhen. Die Erfahrung der vergangenen 18 Monate zeigt: Erst wenn die Hamas um ihr eigenes Überleben fürchten muss, wird sie möglicherweise zu Zugeständnissen bereit sein. Die einzige Sprache, die Terroristen verstehen, ist die Sprache der Gewalt."

Pankaj Mishra ist indischer Essayist, Literaturkritiker und Schriftsteller. International bekannt wurde er mit seinem Sachbuch "Butter Chicken in Ludhiana", einer soziologischen Studie des kleinstädtischen Indiens, und als Essayist für "The New York Review of Books". Seit kurzem liegt sein Buch "Die Welt nach Gaza" in deutscher Sprache vor. Mishra gilt als Stimme des globalen Südens und erhebt für seine Analysen den Anspruch eine kritische, postkoloniale Perspektive einzunehmen. Im Gaza-Konflikt wirft er den westlichen Staaten, darunter Deutschland, vor, durch eine kritiklose Unterstützung Israels Schuld auf sich geladen zu haben. Wie er seine Ansichten begründet und welche Rolle Donald Trump in diesem Konflikt einnimmt, erläutert er im Interview mit T-ONLINE NEWS: "Ich rechne mit dem Schlimmsten"

In einem längeren, ebenso eindringlichen wie interessanten Beitrag für CICERO analysiert der Sicherheits- und Militärexperte Ralph Thiele die sicherheitspolitische Lage in Israel nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und beurteilt die Sicherheitslage in der Region insgesamt "so instabil wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr". Thiel hat kürzlich als Teil einer internationalen Militärdelegation in Israel Schauplätze des terroristischen Überfalls der Hamas vom 7. Oktober 2023 und Schlüsseleinrichtungen der israelischen Sicherheit und Verteidigung besucht. In Gesprächen mit führenden Politikern, Diplomaten und Journalisten, militärischen, polizeilichen und nachrichtendienstlichen Verantwortungsträgern, mit Schlüsselakteuren der humanitären Hilfe und der rechtlichen Aufsicht sowie mit zahllosen Betroffenen konnte er ein umfassendes Bild darüber gewinnen, wie die Entwicklung seit dem Überfall die sicherheitspolitische Lage in Israel und weit darüber hinaus prägt. Israel sieht er an acht Fronten gefährdet, die er benennt. Vor allem  hält er die achte Front für besonders gefährlich, die er wie folgt beschreibt:
"Insgesamt offenbart sich die tiefgreifende Wirkung einer achten Front – eine neue Art der Kriegsführung, die nicht nur Mainstream-Medien und Nachrichtenkanäle, sondern auch soziale Medien umfasst. Die Veröffentlichung von Geiselvideos durch die Hamas, die Verbreitung von Gerüchten etc. hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf die öffentliche Stimmung in Israel und trugen zum Chaos bei, insbesondere zu Beginn des Krieges. Bis heute bestimmen faktenfreie Informationen der Hamas auch das Berichtswesen der UN-Organisationen vor Ort und darüber das Bild Israels in der Welt. Es beeinflusst die Unterstützungsbereitschaft wichtiger Verbündeter Israels, die für dessen militärische Schlagkraft und strategische Position unentbehrlich ist. Es bestärkt Finanzflüsse nach Gaza und damit die Wiederherstellung der terroristischen Wirkmöglichkeiten der Hamas. Diese achte Front bereitet Israel heute die größten Sorgen, denn es bekommt sie nicht in den Griff."

"Lavender", "Ghospel" und "Where is Daddy?" - Sind Ihnen diese Bezeichnungen bekannt? Es handelt sich allesamt um KI-gestützte Programme, die im israelischen Militär zum Einsatz kommen: "Lavender" soll mögliche menschliche Ziele ausmachen; "Ghospel" erkennt Gebäude und Infrastruktur, die möglicherweise von Gegner genutzt werden. Und "Where is Daddy?" kann den Aufenthaltsort von Personen bestimmen. Das ergaben Recherchen des Oscar-gekrönten Journalisten Yuval Abraham. Der israelische Journalist konnte mit einem halben Dutzend anonymer Quellen innerhalb des israelischen Militärs sprechen. In einem Beitrag für den STERN erläutert Marlon Saad, warum diese Programme dafür mit entscheidend sein könnten, warum bei den israelischen Attacken im Gaza-Streifen immer wieder Hunderte von Zivilisten ums Leben kommen: "Die KI gibt ihm 20 Sekunden. Dann muss der Soldat entscheiden, ob ein Mensch stirbt".

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Ronen Bar muss gehen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dem Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet (ISA) das Vertrauen entzogen und ihm nahegelegt zu kündigen. Als Bar dies verweigerte, entschloss sich der Premier, ihn seines Amtes zu entheben. Prompt reagierte Geheimdienstchef Ronen Bar und wies Netanjahus Ansinnen als - so wörtlich - inakzeptabel zurück. Eine solche Entlassung widerspreche dem Geheimdienstgesetz, das den Shin Bet als überparteiliche Institution einstufe. Hintergrund des Zerwürfnisses sind laut vieler Kommentatoren politischer Natur. Ronen Bar drängt beispielsweise schon lange auf einen Untersuchungsausschuss zum Hamas-Angriff, was Netanjahu tunlichst zu vermeiden trachtet. Derzeit ermittelt der Shin Bet zudem zu mutmaßlichen illegalen Beziehungen von Vertrauten Netanjahus zu Katar. Oppositionsführer Jair Lapid komentiert wütend:
"Weil Ronen Bar diese Ermittlungen betreibt, hat sich Netanjahu entschieden, ihn von heute auf morgen zu entlassen. Sobald Ronen Bar geht, wird Netanjahu einen neuen Geheimdienstchef ernennen können. Und das wird eine Puppe sein, die dann diese Ermittlungen einstellt."
Heute morgen war es dann soweit: Die Regierung sei dem Vorschlag von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu „die Amtszeit (Bars) zu beenden“ einstimmig gefolgt, teilte Netanjahus Büro am Freitag mit.

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

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In Prag gibt es viele Orte, an denen nichts mehr an die jüdischen Bewohner erinnert, die bis zum Zweiten Weltkrieg hier lebten und von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Ein neuer interaktiver Stadtplan macht ihre Geschichten digital sichtbar und zeigt, wo Verfolgung und Ausgrenzung stattfanden. Er heißt MemoMap. Die interaktive Karte zeigt die Adressen von mehr als 40.000 Opfern des Holocaust, 1.700 Fälle von Verstößen gegen antijüdische Verordnungen, wichtige Orte, die mit der jüdischen Geschichte und Verfolgung in Verbindung gebracht werden. Auf einer Zeitleiste kann man sehen, wie Menschen nach und nach aus ihren Häusern verschwanden. Die MemoMap ist für mobile Geräte als App angepasst, so dass man sie direkt beim Gang durch die Stadt einsetzen kann, wie Lina Zimmermann für RADIO PRAG erläutert und einige Beispiele illustriert: "Digitale Erinnerung: Die MemoMap zeigt jüdische Schicksale Prags".

Mehr als acht Jahre lang hat sich Olivier Mannoni mit der Neuübersetzung von Hitlers "Mein Kampf" ins Französische befasst, bevor es 2021 im Verlag Fayard in einer 864 Seiten starken kritisch-analytischen Ausgabe erschien, bei der die Kommentare und Fußnoten mehr Platz einnehmen als das Original. Der Stil des deutschen Diktators sei geradezu ein Hohn, urteilt der Übersetzer. Was aber machte die Übersetzung von "Mein Kampf" so schwierig? Und welche Lehren der Geschichte sollten nicht vergessen werden? Und wieso erinnert ihn der Stil Hitlers an die Reden von Trump? Darüber gibt er im Interview mit T-ONLINE Auskunft: "Das ist absolut beängstigend"

Neue Erkenntnisse aus den vatikanischen Archiven zeigen, dass Papst Pius XII. bereits Ende 1942 detaillierte Informationen über die nationalsozialistischen Vernichtungslager in Auschwitz und Belzec besass. Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster, hat neu zugänglichen Dokumente ausgewertet und belegt in enem Artikel für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, dass der Papst sowohl durch diplomatische Berichte als auch durch tausende Hilferufe jüdischer Menschen direkt über die Shoah informiert war:
"Alle Versuche, das Schweigen Pius' XII. mit seinem mangelnden Wissen über den Holocaust zu entschuldigen, werden durch die vatikanischen Akten eindeutig widerlegt. Der Papst war auf dreifache Weise über die Entwicklung der Judenverfolgung in Europa genau informiert. Erstens durch Hunderte von Berichten seiner diplomatischen Vertreter aus den einzelnen Ländern, den Nuntien und Delegaten. Zweitens durch rund 10.000 bisher unbekannte Bittschreiben jüdischer Menschen aus ganz Europa von 1939 bis 1945, die Pius XII. um Hilfe baten und ihre Not und Verfolgung minuziös schilderten - und denen Papst und Kirche tatsächlich nicht selten zu helfen versuchten. Und schließlich durch ein geheimes jesuitisches Informationsnetzwerk, dessen Fäden beim Geheimsekretär des Papstes, dem Jesuiten Pater Robert Leiber, zusammenliefen. Er legte die entsprechenden Schriftstücke im Privatarchiv von Pius XII. ab."
Bei alledem sei sich der Papst seines Schweigens bewusst gewesen, so Wolf, aber geschwiegen haber er nicht aus Antisemitismus, sondern wegen der Neutralitätspolitik des Vatikans.  Wolf urteilt abschließend:
"Pius XII. war weder «Hitler’s Pope» noch der grösste Wohltäter des jüdischen Volkes während der Shoah. Die vatikanischen Quellen, die bisher ausgewertet werden konnten, verbieten eine Schwarz-Weiss-Malerei. Tausende von Schachteln harren noch der Bearbeitung und halten wahrscheinlich noch die eine oder andere Überraschung bereit."

Der Historiker und ehemalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz schildert in seinem jüngst erschienen Buch "Zukunft der Erinnerung: Das deutsche Erbe und die kommende Generation" das Entstehen der deutschen Erinnerungskultur. Er setzt sich mit Ritualisierung und Bürokratisierung des Gedenkens auseinander und warnt vor selbstgefälliger Zufriedenheit. Er will vor allem der jungen Generation einen Weg aufzeigen, die Last des Nationalsozialismus zu tragen, ohne sich erdrücken zu lassen. Denn um die Demokratie wirksam zu verteidigen, müssten gerade junge Menschen gründlicher über die Verbrechen der Nazis aufgeklärt werden und neue, eigene Formen der Erinnerungskultur entwickeln. Was dies bedeutet und worin die Gefahren liegen, darüber spricht er im Interview mit dem VORWÄRTS. Auf die Frage, wie es seiner Meinung nach um die Demokratie in Deutschland bestellt sei, antwortet er:
"Dass es um die Demokratie in Deutschland nicht gut steht, wissen wir leider. Als 83-jähriger Historiker empfinde ich dies als persönliches Unglück. Jahrzehntelang habe ich internationalen Journalisten auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten versichert, die deutsche Demokratie sei stabil. Ich dachte, wir hätten aus der Geschichte gelernt. Diese Überzeugung habe ich verloren. Wenn fast 20 Prozent der Wähler für die AfD stimmen, ist unsere Demokratie in Gefahr. Was der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zum Umgang mit der NS-Geschichte von sich gibt, steht in krassem Gegensatz zur gewachsenen Erinnerungskultur und ist höchst gefährlich."

Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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Der Antisemitismus in der Schweiz hat 2024 ein alarmierendes Niveau erreicht. Das geht aus dem soeben veröffentlichten Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus für 2024 hervor. So wurden im Jahr 2024 221 antisemitische Vorfälle in der realen Welt registriert, was eine Steigerung von 42,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Besonders auffällig ist die Zunahme von Tätlichkeiten, die mit 11 Vorfällen einen signifikanten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren zeigen. Auch antisemitische Aussagen nahmen stark zu, von 38 Fällen im Jahr 2023 auf 103 im Jahr 2024. Online wurden mit einer neuen Suchsoftware 1.817 antisemitische Vorfälle erfasst, wobei Telegram mit 890 Fällen die grösste Plattform bleibt. Auch Kommentarspalten von Online-Zeitungen verzeichneten mit 300 Vorfällen einen Anstieg. Der Nahostkrieg bleibt der Haupttreiber für die Zunahme antisemitischer Vorfälle, sowohl in der realen Welt als auch online. Rund 45 Prozent der Vorfälle im realen Leben stehen in direktem Zusammenhang mit dem Konflikt. Besonders auffällig ist, dass jüdische Personen zunehmend für die Politik Israels verantwortlich gemacht und mit dem Krieg in Verbindung gebracht werden. Ralph Friedländer vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, einem der zwei Herausgeber des Antisemitismusbericht, spricht im Interviwe mit dem schweizer Portal über die Angst unter Juden, Israelkritik und die Grenzen der Meinungsfreiheit. Er mahnt:
"Es gab tatsächlich einen Dammbruch. Die Schleusen sind geöffnet worden. Es wird schwierig sein, dieses Niveau wieder herunterzubringen."
Ähnlich Zsolt Balkanyi-Guery, Rektor einer jüdischen Schule und Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, dem zweiten Herausgeber des Antisemitismusberichts, bekennt im Interview mit der schweizer Zeitung BLICK:
"... bezüglich meiner Kinder bin ich sensibler geworden. Wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin, möchte ich nicht, dass sie eine Kippa tragen, sondern eine Dächlikappe. Vor dem 7. Oktober hatte ich dieses Empfinden nicht."
 
Beinahe jeden Tag sagt ein anderer ab: Eine von Israels Diaspora-Minister Amichai Chikli für Ende kommender Woche angesetzte Antisemitismus-Konferenz in Jerusalem erntet beißende Kritik, weil Chikli auch europäische Rechtspopulisten eingeladen hat, u.a. Politiker der französischen Partei Rassemblement National. Jüngste prominente Absage zur Konferenz kommt von dem französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy, nachdem bereits andre englische Experten sowie der britische Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis ihre Teilnahme zurückzogen. Auch Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, wird ebenso wenig wie der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein teilnehmen. Über weitere Einzelheiten und Hintergründe des ziemlich einmaligen und international blamablen Aktes berichten die schweizer-jüdische TACHLES und die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG: "Jerusalem: Koscherstempel bei Antisemitismus-Konferenz?"

Über die Angriffe gegen Journalisten bei antiisraelischen Demos und dass in diesem Kontext als auch aufgrund seiner Berichterstattung zu linkem Antisemitismus insbesondere der TAZ-Redaktuer Nicholas Potter ins Visier geraten ist, haben kürzlich schon "Tagesspiegel" und "Jüdische Allgemeine Wochenzeitung" berichtet (siehe Compass 14.3.2025). Auch DEUSCHE WELLE und NEUE ZÜRCHER ZEITUNG greifen diesen Fall und das damit verbundene Phänomen auf. Und schließlich hat sich auch der Betroffene selbst, Nicholas Potter, in der TAZ zu Wort gemeldet und spricht von einer "Intifada gegen die Presse". Die Aktivisten verbünden sich zudem mit prorussischen Medien, schreibt Potter, der u.a. auch eine interessante Parallele sieht:
"Diese Ablehnung von Qualitätsmedien kennt man schon von verschwörungsideologischen Protesten während der Coronapandemie. Damals griffen Aktivist*innen die Presse regelmäßig an, oft gewaltsam. Sie bastelten Fahndungsplakate mit den Fotos unliebsamer Journalist*innen, erklärten die 'Staatsmedien' zum Feind. Stattdessen setzten sie auf 'alternative Fakten' und wirre Verschwörungsmythen, die sie auf Telegram oder russischen Desinformationskanälen fanden."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Der katholische Amerikaner Ross Douthat will in seinem bislang nur auf Englisch erschienen Buch  „Believe. Why Everyone Should Be Religious“ ("Glaube. Warum jeder religiös sein sollte") beweisen, dass es einen Gott gibt und es der Logik entspricht, religiös zu sein. Dabei bedient er sich u.a. auch einer Denkmethode, die sogar Kant für respektabel erachtet. Gleichwohl gibt es Einwänder aus der Physik und - wie Hannes Stein in seinem Beitrag für die WELT erläutert - sogar "von Gott selbst": "So unwahrscheinlich ist die Entstehung von Mensch und Universum ohne Gott".

Das klingt nun wirklich abenteuerlich: in Hannover soll es demnächst eine wahrlich ungewöhnliche Kirchengemeinde geben. Eine, in der neben evangelischen Christen auch Katholiken sowie Muslime und Menschen ohne Konfession Mitglied werden können. Als Gründungstag ist der 11. Mai anvisiert. EVANGELISCH.de hat mit Pastor Sven Quittkat, Bereichsleiter für Theologische Unternehmensentwicklung der Diakonie in Hannover und maßgeblich an dem Projekt beteiligt, über die Gründungsidee, den interreligiösen Dialog und die Zukunftsaussichten dieser ungewöhnlichen Gemeinde gesprochen: "Eine Sprache finden, die uns eint mit Gott".

Norbert Krüger, Professor in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Robottertechnologie und Wissenschaftstheorie an der Süddänsichen Universität in Odense, ist völlig begeistert von einer gerademal 77 Seiten umfangreichen Schrift des katholischen Theologen Norbert Reck mit dem Titel "Dem Juden Jesus auf der Spur - Was er wollte, was er glaubte". Ein "echtes Juwel", das von einem Christentum erzählt, in dem der Jude Jesus im Mittelpunkt stehe, wie Krüger in einem Beitrag für FEINSCHWARZ ausführt. Damit meine Reck nämlich nicht nur, dass Jesus von Geburt Jude war, sondern, dass er die Thora als Mittelpunkt seiner Botschaft begriffen und gelebt hat, eine Thora, der er nichts hinzufügen wollte, was über den jüdischen Diskurs hinausginge, der zu seiner Zeit bis heute unter Juden gepflegt wird. Dammit gelänge es Reck, das kirchliche Bild eines gottgleichen Christus zu überwinden, der nur allzu oft gegen das Judentum ausgespielt wurde, indem man ihn zu einem Gegner des Judentums stilisiert hätte. Reck buchstabiere das an mehreren Beispielen überzeugend durch, immer geleitet von der zu Beginn des Büchlein gestellten, zentralen Leitfrage:
“Wenn er [Jesus] Jude war, stimmt dann alles noch, was über ihn gelehrt wurde? Oder muss die Geschichte jetzt anders erzählt werden? Ist der christliche Glaube dann überhaupt noch möglich?”

„Wie geht es dir?“ – eine einfache Frage, doch unter dem Eindruck des Leids der Menschen infolge des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der Angriffe des israelischen Militärs im Gazastreifen herrscht auch bei uns Sprachlosigkeit und eine tiefe gesellschaftliche Spaltung. Eine Gruppe von Comic-Künstler*innen schloss sich daher zusammen, um das Projekt „Wie geht es dir?“ ins Leben zu rufen. Seitdem sprachen 48 Zeichner*innen mit 60 Menschen - Juden und Muslimen -, die von Antisemitismus, Hass und Rassismus betroffen sind oder sich mit menschenfeindlichen Ideologien auseinandersetzen. Darunter sind Prominente, wie etwa das soeben mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnete Paar Saba-Nur Cheema und Meron Mendel, aber auch private Bekanntschaften der Autor*innen. Diese unterschiedlichen, berührenden aber auch ermutigenden Perspektiven wurden von einer eindrucksvollen Auswahl der wichtigsten deutschsprachigen Comic-Erzähler*innen zu Papier gebracht. Das gesamte Projekt ist online abrufbar und inzwischen auch als Buch erschienen, wie Christiane Schwalm für den HESSISCHEN RUNDFUNK berichtet: "Wenn schon die Frage "Wie geht es dir?" zu brisant ist".

Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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Alkoholische Getränke sind im Judentum nicht verboten, freilich gelten auch für sie die Speisegebote. Wie gut, dass es da auch in Deutschland tatsächlich eine Destillerie gibt, die immer hin 14 Spirituosen brennt, die den Vorschriften entsprechen. Es handelt sich um das "Simons of Hannover", ein jüdisches Unternehmen, das in Hannover koschere Lebensmittel produziert und 2017 damit begonnen hat, auch eine koscheren Spirituosenproduktion zu entwickeln, wie Sonja Scheller für EVANGELISCH.de schildert: "'L'Chaim' oder 'Auf das Leben'".

Jüdisches Leben sichtbar machen - das ist das Ziel einer neuen Online-Lernplattform für Lehrkräfte und ihre Schüler. Das Angebot richtet sich an Schulklassen der 7. Jahrgangsstufe und ist kostenfrei, wie das Jüdische Museum Berlin am Mittwoch ankündigte. »In einer Zeit, in der die Auseinandersetzung mit Geschichte und Vielfalt wichtiger ist denn je, möchten wir jungen Menschen nicht nur Wissen vermitteln, sondern sie dazu ermutigen, selbstständig zu denken«, sagte Museumsdirektorin Hetty Berg zum Start der Plattform »di.kla«, über die Nina Schmedding in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG berichtet: "Judentum in die Schule - Neue Online-Plattform für Lehrkräfte".

Eigentlich war ihm beschieden, Rabbiner zu werden. Kein Wunder, wurde er doch am 23. März 1900, am kommenden Sonntag vor 125 Jahren, in Frankfurt am Main in eine strengreligiöse jüdische Familie geboren. Doch es sollte anders kommen. Er wandte sich von der Orthodoxie ab - und der Psychologie zu: Erich Fromm, dessen 1956 erschienenes Buch "Die Kunst des Liebens" bis heute zu den meistgelesenen Büchern aus seiner Feder gehört. Paula Konersmann erinnert in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITung anlässlich seines 125. Geburtstags an ihn: "Humanist und Konsumkritiker".

Und noch ein Geburtstag. Am 2. April 2025 wäre einer der größten und populärsten Entertainer der Nachkriegszeit, von dem nur wenige wußten, dass er Jude ist, 100 Jahre alt geworten: Hans Rosenthal, der in eiem Versteck in Berlin den Holocaust überlebte. Das ZDF würdigt seinen Superstar von einst nun mit dem Fernsehfilm »Rosenthal«, der ab 22. März zu streamen ist und am 7. April im Zweiten läuft, wie Christof Bock in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN berichtet und an Rosenthals Werdegang erinnern. Dazu gibt es an gleicher Stelle noch ein Interview mit seinem Sohn Gert über die öffentlichen und die privaten Seiten des Quizmasters: »Das war spitze!«

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik
JÜDISCHE WELT.

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Dass immer weniger Frauen und Männer sich dafür entscheiden, ein Leben im Kloster zu verbringen, ist bereits seit längerem eine die Tendenz, die das Überleben der Orden zunehmend bedroht. Gleichwohl gibt es immer noch und immer wieder Menschen, die auch heute in einen Orden eintreten. Aber warum? Die schweizer Soziologin Isabelle Jonveaux wollte das genauer wissen und hat 148 Ordensleute aus Österreich, Frankreich und der Schweiz nach deren Gründen für den Eintritt in einen Orden befragt. DOMRADIO hat mit ihr über die Ergebnisse der Untersuchtung gesprochen: "148 Ordensleute für Studie befragt".

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist ein lesenswertes Porträt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über eine junge Frau interessant, die sich im Alter von 32 Jahren entschieden hat, einen Bund mit Gott einzugehen und in lebenslanger Keuschheit zu verweilen. Bernadette Lang, so ihr Name, ist eine von weltweit 5000 geweihten Jungfrauen. Und das Phänomen ist nicht neu. Den Status der "geweihten Jungfrau" gibt es seit der Zeit der Apostel. Etwa ab dem vierten Jahrhundert lebten sie hauptsächlich in klösterlichen Gemeinschaften, während in unseren Tagen ihr Stand etwas in Vergessenheit geriet. Bernadett Langs Fall machte vor zwei Jahren in der Schweiz Schlagzeilen, da sie ihren privaten Entscheid seinerzeit öffentlich inszenierte. Warum tat sie das - und warum hat sie sich überhaupt für ein Leben mit Gott und in Keuschheit entschieden? Franziska Herrmann hat sie kennengelernt und und mit ihr gesprochen: "Eine Frau entscheidet sich Anfang 30, allein mit Gott eine Beziehung einzugehen und auf Sex zu verzichten. Warum tut sie das?"

Der schweizer Schriftsteller Peter Bichsel, dessen erstmals 1969 erschienenen "Kindergeschichten" bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft und Popularität verloren haben, ist am 15. März im Alter von 89 Jahren gestorben. Bichsel, der vor allem für seine Kurzprosa und als Essayist bekannt ist, hat sich zeitlebens auch immer wieder intensiv mit dem Thema Religion befasst. Eines seiner bekanntesten Bonmots in diesem Zusammenhang: «Ich weiss, dass es keinen Gott gibt, aber ich glaube an ihn». In einem lesenswerten Nachruf für das Portal REF.ch (Schweiz) schildert Andres Eberhard sehr anschaulich die wichtigsten Aussagen des Schriftstellers zum Christentum und zur Kirche: "Was Peter Bichsel über Gott und die Welt schrieb".

Die Links dazu in der Rubrik
CHRISTLICHE WELT.

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Der Kölner Rechtsanwalt Robert Servatius erlangte 1961 weltweite Bekanntheit: Er verteidigte im Prozess in Jerusalem Adolf Eichmann, der während des Zweiten Weltkriegs aus dem Berliner Reichssicherheitshauptamt die Deportation der europäischen Juden in die deutschen Vernichtungslager im östlichen Europa organisiert hatte. In einer nun vorliegenden Studie hat Dirk Stolper nicht nur die Biografie und die öffentliche Wahrnehmung von Servatius untersucht, sondern beleuchtet insbesondere die von ihm entwickelten und angewandten Verteidigungsstrategien in NS-Prozessen zwischen 1945 und 1975 sowie deren Rezeption in der Öffentlichkeit. Daniel Siemens hat die Studie für die FAZ gelesen: "Der Anwalt, der die Nazis verteidigte".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

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Heute Abend sind die ersten von insgesamt 10 Folgen der israelischen Serie "East Side" zu sehen. Im Mittelpunkt steht der ehemals im Geheimdienst aktive hat Momi (Yehuda Levi), der sich nun einem umstrittenen Geschäftsfeld zugewandt hat: Er vermittelt Immobilienverkäufe zwischen arabischen Bewohnern von Ost-Jerusalem und jüdischen Siedlervertretern. Die noch vor dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 gedrehte Serie sollte sie bereits Herbst/Winter 2023 auf Arte ausgestrahlt werden, wurde aber kurfristig abgesetzt, wohl aus  Pietätsgründen und um auch zu verhindern, dass politisch brisante Szenen in der Serie mit der neuen Realität nach dem 7. Oktober kollidieren. Die Folgen 6 bis 10 sind dann an gleicher Stelle in acht Tagen, Freitag, 28. März, zu sehen.

Mehr dazu in den FERNSEH-TIPPS.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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EDITORIAL HIGHLIGHTS

21. März 2025

* Netanjahus neuer, alter Krieg ... mehr

 * Spielt Israel mit dem Schicksal der Geiseln? ...
mehr

 * Zu viele Fronten für Israel? ...
mehr
 
 * Die KI gibt ihm 20 Sekunden. Dann muss der Soldat entscheiden, ob ein Mensch stirbt  ... mehr

 * Geheimdienstchef Ronen Bar entlassen ... mehr
 
 * Die MemoMap zeigt jüdische Schicksale Prags ...
mehr
 
 * Papst Pius XII. wusste Bescheid über die Shoah – und schwieg ...
mehr
 
 * „Ich dachte, wir hätten aus der Geschichte gelernt“ ... mehr
 
 * Antisemitismusbericht für die Schweiz ...
mehr
 
 * Koscherstempel bei Antisemitismus-Konferenz? ...
mehr
 
 * Intifada gegen die Presse ... mehr
 
 * Eine Sprache finden, die uns eint mit Gott ...
mehr
 
 * Dem Juden Jesus auf der Spur ...
mehr
 
 * „Wie geht es dir?“  ... mehr
 
 * "'L'Chaim' oder 'Auf das Leben'" ...
mehr
 
 * Judentum in die Schule - Neue Online-Plattform für Lehrkräfte ...
mehr
 
 * Erich Fromm zum 125.: Humanist und Konsumkritiker ...
mehr
 
 * "Das war spitze!" Hans Rosenthal zum 100. Geburtstag ... mehr
 
 * Was Peter Bichsel über Gott und die Welt schrieb ... mehr
 
 * Buch-Tipp: Dirk Stolper - Eichmanns Anwalt ... mehr
 
 * TV-Tipp: East Side ... mehr

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