ONLINE-EXTRA Nr. 124
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Oft werden im Rahmen des interreligiösen Dialogs die drei großen monotheistischen Religionen des Judentums, Christentums und Islams als "abrahamitische Religionen" bezeichnet. Diese Begrifflichkeit dient dabei im wesentlichen als theologische Klammer, die den drei Religionen durch den Rückbezug auf einen gemeinsamen Ahnvater und dessen Nachkommenschaft, Isaak und Ismael, einen gemeinsamen Ursprung und Bezugspunkt geben möchte. Im vorliegenden ONLINE-EXTRA Nr. 124 hinterfragt Edna Brocke die Berechtigung dieser theologischen Denkfigur und deren damit zusammenhängenden Identitätskonstruktionen, wobei sie insbesondere dem Christentum die Berechtigung abspricht, sich in der Nachfolge und Abstammungslinie von Abraham zu sehen.
Edna Brocke gehört zu den verdienstvollsten und einflußreichsten Persönlichkeiten des christlich-jüdischen Dialogs in Deutschland der vergangenen Jahrzehnte. Durch ihre engagierte Mitarbeit in zahlreichen christlich-jüdischen Gesprächskreisen und in ihrer Funktion als Leiterin der "Alten Synagoge Essen - Haus jüdischer Kultur" prägte sie maßgeblich das Gespräch zwischen Christen und Juden und die Begegnung mit jüdischer Kultur und Religion. Ihr vorliegender Beitrag "Aus Abrahams Schoß? Oder weshalb es keine 'abrahamitischen Religionen' gibt" erschien in gedruckter Fassung erstmals in der von ihr mitherausgegebenen Zeitschrift "Kirche und Israel" (Heft 2/2009) und erscheint an dieser Stelle online exklusiv als ONLINE-EXTRA Nr. 124 im COMPASS.
COMPASS dankt der Autorin und den Herausgebern von "Kirche und Israel" für die Genehmigung zur Online-Wiedergabe des Textes an dieser Stelle!
online exklusiv für ONLINE-EXTRA
Online-Extra Nr. 124
In unterschiedlichen Formulierungen sprechen Christen oft von Abraham als dem „Vater aller Glaubenden“. Damit soll impliziert werden, dass alle, die – vergleichbar intensiv – wie Abraham an Gott „glauben“, Anteil hätten an der besonderen Beziehung zwischen Adonaj (JHWH, Gott) und Abrahams Nachkommen. Anders gesagt: Damit möchten sich Christen in die Heilsgeschichte Abrahams hineinstellen, um auf diese Weise an der Kette der Verheißung beteiligt zu sein.
Oft wird in diesem Zusammenhang dieser insinuierte Wunsch noch dadurch erweitert, dass Christen von den drei „abrahamitischen“ Religionen sprechen. Damit soll ein zusätzlicher, für Christen wichtiger Aspekt unterstrichen werden. Vielfach wurde – und in der islamischen Welt wird bis heute – der christlichtheologischen Idee von der Trinität nachgesagt, sie würde beweisen, dass das Christentum keine monotheistische Religion sei. So dient der rein verbale Rückbezug auf Abraham in zweifacher Hinsicht als eine wichtige Absicherung für Christen. Hält er aber einer Prüfung stand?
Gibt es „abrahamitische Religionen“ ?
Diese Wortschöpfung ist in ihrer Aussage unklar, lässt sie doch – bewusst – offen, was hierbei überhaupt einen gemeinsamen Nenner bilden könnte.
Der Begriff „Religion“ verweist im heutigen Sprachgebrauch primär, ja sogar ausschließlich auf eine Ebene des Glaubens. Wer bestimmte grundlegende Glaubenssätze einer Glaubensgemeinschaft für sich selbst annimmt, kann ihr angehören, wenn die Gruppe ihn aufnimmt. Im Rahmen eines solchen Gebrauchs des Begriffs „Religion“ muss im Hinblick auf das Judentum verdeutlicht werden, dass die Zugehörigkeit zum Judentum über eine Glaubensdimension ausschließlich bei Konvertiten (also Menschen, die zum Judentum übertreten wollen) von Belang ist. Geborene Juden bilden nicht primär eine Glaubens-Gemeinschaft, sondern eine Seins-Gemeinschaft. Jeder Nachkomme einer jüdischen Mutter ist Jude – ungeachtet dessen, ob er an eine Gottheit glaubt oder nicht.1
Ein liturgisch augenfälliger Hinweis auf diesen existentiellen Unterschied kann die Konstituierung eines Gottesdienstes bei Juden und bei Christen belegen.
Jeder jüdische (öffentliche) Gottesdienst kann dann stattfinden, wenn mindestens 10 Juden im Alter von dreizehn aufwärts anwesend sind.2 Damit ist eine jüdische Gemeinde – im theologischen Sinn – umschrieben. Ein christlicher Gottesdienst kann jedoch erst dann beginnen, wenn die Anwesenden Menschen vergewissert werden, dass sie „Gemeinde“ darstellen, indem die Invocatio gesprochen wird, die verdeutlicht, dass sie sich zum Gottesdienst versammelt haben.
Weil die Seinsebene und nicht eine Glaubensebene die entscheidende im Judentum ist, beansprucht es auch nicht im Besitz irgendeiner absoluten Wahrheit oder absoluten Erkenntnis zu sein. So ist es auch verständlich, weshalb der jüdische Way of Life lediglich auf die eigene Gruppe begrenzt bleibt. Folgerichtig liegt auch kein Wunsch vor, andere Menschen auf diesem Weg mitzunehmen oder gar dogmatisch zu postulieren, dass der jüdische Weg alle Menschen zum Heil führen würde. Eine solche (eschatologische!) Vorstellung/Hoffnung wird im Judentum der Gottheit überlassen – und ihr allein.
Eine entscheidende Folge davon ist, dass das Judentum nicht missioniert. Im Gegenteil: Es wird einem Übertrittswilligen schwer gemacht, Jude zu werden. Der biblische Leitgedanke ist, dass am Ende der Tage die Völker (von sich aus) erkennen könnten, dass Adonaj die lenkende Gottheit ist. Das ist aber schlicht ein Politikum mit eschatologischen Zügen, jedoch kein Theologikum.
Diese Haltung wurde dem Judentum von christlich/kirchlicher Seite oft und zuweilen aggressiv als „Partikularismus“ vorgeworfen, im Gegensatz zum eigenen Weg, der als rein universell dargestellt wurde (und auch heute noch wird).
Den Wunsch, Miterben dieser Verheißung zu sein, hat Paulus besonders intensiv gespürt und war wohl bestrebt, eine Öffnung – so wie er sie verstand – zu bewirken. So konnte Paulus als geborener Jude, der jedoch an Jesus (den er persönlich nicht kannte) als Messias glaubte, meinen, mit Jesus habe etwas Neues begonnen. Doch darin lag für Paulus ein Dilemma.
Wenn mit dem Auftreten Jesu die Völker Anteil an der besonderen Beziehung zwischen dem Volk Israel und seinem Gott hätten, sei ein Zeitpunkt gekommen, an dem zwischen Juden und Heiden, zwischen Sklaven und Freien, zwischen Männern und Frauen kein Unterschied mehr sein werde, denn sie werden eins „in Christus“ sein.
Auf diese Hoffnung folgte jene auf eine „Kirche aus Heiden und Juden“, also auf das Aufgehen von Am Jissra‘el in der Kirche.
Spätestens von dem Zeitpunkt an, als deutlich war, dass keine „Kirche aus Juden und Heiden“ entstehen würde, war die Christenheit genötigt, erstmalig klare Aussagen über sich selbst zu versuchen und aufzuhören, solche über die Anderen zu formulieren.
Stattdessen entstanden solche Formulierungen wie „Abraham ist der Vater aller Glaubenden“ – und dann sind die Christen in der Verheißungsfolge.
KIRCHE UND ISRAEL
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Herausgegeben von:
Edna Brocke, Hans Hermann Henrix, Rolf Rendtorff, Ekkehard W. Stegemann und Wolfgang Stegemann, Gabriele Oberhänsli-Widmer (für die Schweiz), Hans Joachim Sander (für Österreich), unter Mitarbeit namhafter Fachgelehrter
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Was erzählt der TaNaCh
Nach dem Bericht in der jüdischen Bibel TaNaCh (bei Christen „Altes“ Testament genannt) hatte Abraham zwei Söhne, Ismael und Isaak. Der biblische Bericht erzählt von der Verheißungsabfolge die von Abraham auf seinen Sohn Isaak und von diesem weiter auf dessen Sohn Jakob überging. In einer folgenden Szene berichtet die jüdische Bibel von der göttlich gesegneten Umbenennung Jakobs in Israel. Als Israel sind dann seine zwölf Söhne Träger der Verheißung, von denen die Bibel als den Söhnen Israels oder den Kindern Israels berichtet.
So geht die Verheißungsabfolge von Abraham über Isaak und Jakob/Israel auf die „Kinder Israels“ über, also deutlich nur auf einen Teil der leiblichen Nachkommen der Erzväter.
Dieser Bericht in der jüdischen Bibel ist und bleibt für die jüdische Tradition konstitutiv. Daran hat auch die Aufklärung, die das Judentum durchlaufen hat, nichts Grundsätzliches verändert, sondern sie hat die Möglichkeit für verschiedene zusätzliche Existenzwege von Juden in der Moderne geebnet.
Vor dem Hintergrund dieser sehr knappen Befragung der beiden Komponenten der an uns gestellten Frage, ist klar, dass für mich der Begriff „abrahamitische Religionen“ lediglich eine Ersatzfunktion hat. Um diese zu beleuchten, würde ein eigener Diskurs nötig sein.
Wie wurde aus der jüdischen Seins-Gemeinschaft eine parallele, neue Glaubens-Gemeinschaft?
Den Wunsch, anderen Völkern anzubieten ‚Miterben dieser Verheißung’ zu werden, hat Paulus, als sehr assimilierter Diaspora-Jude, besonders intensiv gespürt. Er suchte einen Weg, die Seins-Gemeinschaft anders zu bestimmen und schloss sich der kleinen, innerjüdischen Gruppierung an, die der Überzeugung war, dass mit Jesus etwas anderes, neues begonnen habe. Obwohl Paulus persönlich Jesus nicht gekannt hat, wurde er zu einem glühenden Vertreter dieser innerjüdischen Position.
Gleichwohl blieb die Gruppe der Jesus-nachfolgenden-Juden eine sehr kleine, die darüber hinaus im römischen Reich zunächst auch intensiv verfolgt wurde. Erst nachdem aus der theologischen Grundlage auch eine politische wurde, erstarkte diese Gruppe zahlenmäßig stetig. Viele ihrer Anhänger sahen in den wachsenden Zahlen der Anhänger auch einen Beweis für die Richtigkeit der Glaubenssätze – was aber in Wahrheit nur die Abkehr von der jüdischen Seins-Gemeinschaft hin zu einer Glaubens-Gemeinschaft darstellt.
Diese Abkehr konnte jedoch nicht als eigentlicher „Abbruch“ gedacht werden. Die neu entstehende Gruppe war auf wesentliche, identitätsstiftende Elemente des Judentums angewiesen, um überhaupt in der Vorstellungswelt der Antike verstanden zu werden. Wie lässt sich aber eine so radikale Abkehr von einer Grundstruktur in Einklang bringen mit dem Wunsch, keinen totalen Bruch zu verursachen? Dieses Dilemma der Identität des Christentums konnte meines Erachtens weder zur Zeit seiner Entstehung noch später gelöst werden. Es blieb bis heute entscheidend für die Beziehung christlicher Kirchen zum jüdischen Volk.
Die Hoffnung, dass mit dem Auftreten Jesu auch andere Völker Anteil an der besonderen Beziehung zwischen dem Volk Israel (Am Jissra’el) und seinem Gott (Elohej Jissra’el) bekämen und somit – gedanklich – ‚Miterben dieser Verheißung’ würden, ist ein theologischer Versuch, das eben beschriebene Dilemma der Identität des Christentums zu umgehen. Nur so ist zu verstehen, dass Paulus auf eine „Kirche aus Heiden und Juden“ hoffen konnte, also auf das Aufgehen von Am Jissra‘el in der entstehenden neuen Gruppe.
Unter der Voraussetzung solchen Glaubens kehrte Paulus (und die späteren Interpreten seiner im Neuen Testament kanonisierten Briefe) das im TaNaCh skizzierte Verhältnis von Am Jissra’el zu den anderen Völkern schlicht um. Diese Grundprämissen decken sich (bis heute) nicht mit den Eigenaussagen des realen Volkes Israel (sowohl in Paulus‘ Zeit als auch danach). So entstand nach meiner Meinung für die Christenheit ein zentrales Problem der Suche nach der eigenen Identität.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich, weshalb im christlichen Kontext eine Formulierung wie „Abraham als Vater aller Glaubenden“ entstehen konnte. Mit dieser Formel sollte eine Brücke für die aus den Heiden stammenden Christen entstehen, um auf diese Weise Anteil an der biblischen Verheißung zu erlangen. Der Glaube der Heiden-aus-den-Völkern an Jesus kann aber aus ihnen eben keine Kinder Abrahams machen, jedenfalls nach den biblischen Texten des TaNaCh, die dies nicht hergeben. Nur von den leiblichen und auch nur von einem Teil der Nachkommen Abrahams, nämlich von Isaak und Jakob und allein dessen Kindern, spricht der TaNaCh.
Von den Nachkommen Ismaels
Die im 7. Jahrhundert nach christlicher Zeitrechnung entstehende zweite Gruppe, die sich auf die Nachkommenschaft Abrahams bezieht, folgte zunächst dem im TaNaCh berichteten Muster. So stammten die Nachfolger Mohammeds aus dem arabischen Raum und prägten den Begriff der Umma (Volk, Nation), der bis heute eine wesentliche Säule muslimischer Theologie ausmacht. Um eine direktere Brücke zu den Berichten aus dem TaNaCh zu haben, wurde den Ursprungstexten eine kleine, aber entscheidende Änderung zugefügt: Im Koran wird die Geschichte der Anbindung Isaaks durch Abraham – eine Kernerzählung im Hinblick auf Abrahams ‚Glaube‘ – schlicht umgeschrieben: Nicht Isaak, sondern Ismael wurde im Koran an den Holzaltar angebunden und kurz vor der Opferung wundersam gerettet. Auch hier ist der gleiche Beweggrund erkennbar: Der Wunsch, Miterben dieser Verheißung zu sein. Im Koran geht also die Verheißungslinie nicht mehr über Isaak und Jakob, sondern geht nun über Ismael auf die Araber über.
Erst mit der Verbreitung des Islams und seiner intensiven Missionierung in der Entstehungszeit kamen viele nicht-arabische Völker hinzu, die allerdings in unseren Tagen die Mehrheit der Muslime in der Welt ausmachen.
Diese Tatsache gehört nach Ansicht vieler Beobachter zu den tiefen Identitätskrisen des heutigen Islams. Wenn die Verheißungslinie nicht mehr über die realen Nachkommen des Abraham gehen kann, wird eine – praktisch, nicht theologisch bedingte – Grundsatzfrage sichtbar. Unterscheiden sich arabische Muslime von Muslimen ‚aus den Völkern’? So gibt es eine „Arabische Liga“ in der nur arabische Staaten (27) Mitglied sind, nicht alle muslimischen (59).
ALTE SYNAGOGE ESSEN
Haus jüdischer Kultur
Haus jüdischer Kultur
Die "Alten Synagoge", Kulturinstitut der Stadt Essen, befindet sich im früheren Synagogenbau der jüdischen Gemeinde in Essen. Das Baukunstwerk gehört zu den größten und architektonisch bedeutendsten, freistehenden Synagogenbauten Europas aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts. Es ist ein einzigartiges Kulturdenkmal.
Ausstellungsbereiche zur jüdischen, deutsch-jüdischen Geschichte und zur jüdischen Kultur der Gegenwart erwarten Sie. Aktuelle Veranstaltungen ergänzen die Angebote eines lebendigen Kulturortes.
Ein Besuch lohnt sich!
Aus dem bisher Gesagten folgt, dass Juden und Muslime einerseits und Juden und Christen andererseits jeweils einiges gemeinsam haben, sich jedoch in entscheidenden Fragen grundlegend unterscheiden.
Juden und Christen haben einige Grundtexte, die sie teilen, auch wenn eben diese Texte eine völlig andere Funktion im Lebensvollzug der beiden Gemeinschaften haben. Ist der TaNaCh für Juden primär sein Geschichtsbuch, und zugleich auch seine Verfassung, für Christen ist der TaNaCh lediglich eine „Vorstufe“ für das, was für Christen das Entscheidende ist. Hinzu kommt, dass der Ta- NaCh als Geschichtsbuch eben nicht die Geschichte der Völker berichtet, sondern die Geschichte des jüdischen Volkes. Aber ungeachtet dieses tiefgreifenden Unterschieds können diese Texte eine Grundlage für einen gemeinsamen theologischen und ethischen bzw. politischen Diskurs bilden.
Juden und Muslime sind – ungeachtet der textlichen Umschreibung der Geschichte von der Anbindung Isaaks (die interessanterweise im christlichen Sprachgebrauch als „Opferung Isaaks“ umbenannt worden ist) – jeweils Nachkommen Abrahams. Beide kennen die biblische Verbindung von Theologischem mit Politischem. Judentum ist eben viel mehr als nur eine „Religion“, sondern eine Verbindung von Nation + Religion. Ähnliches gilt für den arabischen Islam, der im Begriff der Umma diesen Grundpfeiler in seine Theologie aufgenommen hat.
Wenn es also von Relevanz wäre, könnte man Juden und Muslime „abrahamitisch“ nennen und wenn gewünscht auch als „abrahamitische Religionen“ bezeichnen. Allerdings kann das Christentum – aus meiner Sicht – in diese Reihe nicht aufgenommen werden.
Kann es einen Gott der „abrahamitischen Religionen“ geben?
Da es keine „abrahamitischen Religionen“ gibt, ist die Frage nach einem Gott der „abrahamitischen Religionen“ eher obsolet. Da die Identitäten von Judentum, Christen und Islam nach meiner Wahrnehmung stark auseinander gehen, sind auch die Gottesbilder der drei Gruppierungen grundlegend unterschiedlich, obwohl einzelne gemeinsame oder mindestens vergleichbare Aspekte in diesen Bilder zu finden sind.
Die Partnerschaft zwischen „Adonaj Elohej Jissra‘el“ und seinem Volk „Am Jissra’el“ ist eine, die sich mit den christlichen und muslimischen Gottesbildern nicht wirklich vergleichen lässt. Mit Adonaj Elohej Jissra‘el darf nicht nur Tewje der Milchmann rechten, sondern es handelt sich um eine partikulare Beziehung, die keinen Raum für Dritte frei lässt. Damit jedoch darin kein Gefälle zu anderen Gottesbildern entsteht, hat der TaNaCh deutlich zwischen dem Schöpfer-Gott, der die Gottheit aller Kreatur ist, und Adonaj Elohej Jissra‘el unterschieden und mit ihm die Rabbinen der ersten Jahrhunderte nach christlicher Zeitrechnung.
Abschließend kann ich die uns gestellte Frage eindeutig beantworten: Da es weder „abrahamitische Religionen“, noch einen Gott der „abrahamitischen Religionen“ gibt, kann ein jeweiliges Beten von Juden, Christen und Muslimen nur ein getrenntes Beten sein. Natürlich sind christliche oder muslimische Gäste gern eingeladen, einem jüdischen Gottesdienst beizuwohnen. Ich gehe davon aus, dass dies sowohl bei Christen als auch bei Muslimen umgekehrt gilt.
Als Gast kann man erheblich mehr Nähe erreichen, als wenn man den Anspruch erhebt, die liturgische Struktur gemeinsam zu gestalten.
ANMERKUNGEN
1 In den USA haben einige Kreise der Reformbewegung beschlossen, dass in ihren Kreisen auch jeder Neugeborene als Jude anerkannt wird, wenn nur sein Vater jüdisch ist und die Mutter dem zustimmt.
2 In der Reformbewegung zählen Juden und Jüdinnen gleich. In den meisten traditionellen Gemeinden zählen nur Männer zum Quorum von 10, genannt Minjan.
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Die Autorin
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wurde 1943 in Jerusalem geboren, wuchs dort auf und absolvierte in Israel ihren Militärdienst. Sie studierte Politikwissenschaft, Anglistik und Judaistik an der Hebräischen Universität Jerusalem. Seit Dezember 1968 lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Lehrbeauftragte für Judentumskunde an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1988 leitet sie die "Alte Synagoge Essen - Haus jüdischer Kultur". Über lange Jahre war sie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Seit 1971 (bis heute) ist sie Mitglied im Gesprächskreis "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. 1986 war sie Mitbegründerin der theologischen Zeitschrift „Kirche und Israel“, zu deren Herausgeberkreis sie bis heute gehört.
Neben anderen Ehrungen erhielt sie 2002 die Buber-Rosenzweig-Medaille und 2006 den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Für ihr Engagement im theologischen Gespräch zwischen Christen und Juden verlieh ihr die Theologische Hochschule zu Neuendettelsau ("Augustana") am 28. Mai 1997 den Ehrendoktor und für ihre „deutsch-jüdische Erinnerungsarbeit“ erhielt sie von der Ruhr-Universität Bochum 1998 ebenfalls die Ehrendoktorwürde. 2009 wurde sie mit dem Hans-Ehrenberg-Preis der Evangelischen Kirchengemeinden Bochum ausgezeichnet in Anerkennung für ihre Analysen des Verhältnisses von Juden, Israelis und Deutschen und für ihre Kritik moderner Antisemitismus-Formen in Deutschland.
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