Greifenstein · 24. Oktober · epd · Morgens gegen 7.30 Uhr beginnt Christoph Münz am PC mit den Recherchen für seinen vor einem Jahr gestarteten Infodienst "Compass". Zunächst durchforstet er im Internet die Online-Ausgaben der großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen nach relevanten Beiträgen zu christlich-jüdischen und deutsch-israelischen Tagesthemen. Es folgen Hagalil, das größte jüdische Online-Magazin in deutscher Sprache, der Nahostfocus mit Nachrichten, Berichten und Analysen zum Nahost-Konflikt und die österreichische "Internet-Zeitung" (www.juedische.at). Schließlich greift Münz auf christliche Seiten zu, darunter die des Evangelischen Pressedienstes und der Katholischen Nachrichtenagentur.
Alle in den etwa 50 bis 60 Quellen gefundenen Beitrage werden gelistet und verlinkt. Die Rubriken des "Compass", in denen sie sich bald wiederfinden, reichen von Israel und Nahost, Israel intern, "Israel, Deutschland, Europa und die Welt" über "Vergangenheit, die nicht vergehen will" und "Antisemitismus, Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Multikulturelle Gesellschaft" bis zu "Christlich-jüdischer Dialog, Kirche und Israel, interreligiöse Welt".
Dazu kommen Buchrezensionen, "Links des Tages" und Fernseh-Tipps. Nun verfasst Münz das Editorial, das zu den Links von bis zu 100 Beiträgen führt. Obwohl er sich mit Kommentaren zurückhält, wird deutlich, dass er der Thematik seiner "neutralen" und professionellen Dienstleistung mit Leib und Seele verbunden ist. Zuletzt arbeitet er noch Werbeanzeigen, Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise ein, und wenn er endlich den "Compass" per E-Mail abschickt, ist es in der Regel 12.30 oder 13 Uhr.
"Ein wundervoller Service, der für mich unentbehrlich geworden ist", urteilt der israelische Soziologe Natan Sznaider aus Tel Aviv über die bisher mehr als 200-mal erschienenen Ausgaben. "Mittlerweile beziehe ich den größten Teil meines Wissens über Debatten bezüglich christlich-jüdisch, deutsch-israelisch aus dem Compass und bereichere sowie erweitere damit meine Diskussionsbeiträge, Einführungen, ja sogar meine Vorträge", gesteht ein anderer Bezieher des einzigartigen Internetangebots.
"Compass" steht für den "Infodienst für christlich-jüdische und deutsch-israelische Tagesthemen im Web". Er ist mit dem "Perlentaucher" vergleichbar, der täglich alle online in den großen Tageszeitungen veröffentlichten Feuilleton-Artikel zusammenfasst und zugänglich macht. Münz (Jahrgang 1961), in Greifenstein-Beilstein im Lahn-Dill-Kreis lebender katholischer Theologe und Historiker, Autor und Übersetzer ist alleiniger Macher von Compass.
Hervorgegangen ist der Infodienst aus einem E-Mail-Brief des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, dessen Vorstandsmitglied Münz ist. Seine beim Start von "Compass" geäußerte Überzeugung, damit einen in dieser Form zurzeit konkurrenzlosen Dienst anzubieten, für den es auch eine Nachfrage gibt, hat sich mehr als bestätigt. Binnen zwölf Monaten wuchs die Zahl der Abonnenten-Einzelpersonen und Institutionen - von anfänglich 30 auf aktuell etwa 500. Rund 25 Prozent beziehen aus dem Ausland, überwiegend Israel, Österreich und der Schweiz.
Doch der Erfolg wirft seine Schatten. Lange könne er sich den Luxus, "Compass" zu machen, nicht mehr leisten. sagt der Limburger, dessen Dissertation mit dem Titel "Der Welt ein Gedächtnis geben. Geschichtstheologisches Denken im Judentum nach Auschwitz" in zweiter Auflage vorliegt. Seine Übersetzertätigkeit habe er nahezu auf null gefahren. Er lebe zurzeit schlicht von "Reserven".
Der Bezug des Infodienstes (Anmeldung über www.compass-infodienst.de) ist kostenlos. "Wenn es nicht gelingt, mittelfristig eine Finanzierung zu bewerkstelligen, etwa mit Sponsoren oder Kooperationspartnern", dann, fürchtet Münz, habe "Compass" die längste Zeit gelebt.
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Dokument erstellt am 25.10.2003 um 00:02:23 Uhr
Erscheinungsdatum 25.10.2003 | Ausgabe: S | Seite: 33