ONLINE-EXTRA Nr. 187
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Vor dem Hintergrund einer neuen Generation deutsch-jüdischer Schriftsteller nach der Shoa zeichnet der Augsburger Religionspädagoge Georg Langenhorst in nachfolgendem Beitrag den Weg der österreichischen Schriftstellerin Anna Mitgutsch (geb. 1948) ins Judentum nach. In ihrem Werk, so Langenhorst, spiegele sich die differenzierte und komplexe jüdische Wirklichkeit in Österreich, Israel und den USA wieder, wie sie die Autorin selbst erlebt und erfahren hat. Am Ende seines Betirags benennt er schließlich einige zentrale Aspekte im Werk der Autorin, die sich einer "interreligiös sensiblen Lesart" ihrer Romane verdanken.
Der Autor Georg Langenhorst, Professor für Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts/ Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg, beschäftigt sich seit langem schwerpunktmäßig damit, die theologischen Inhalte literarischer Texte für das interreligiöse Lernen (speziell auch im Religionsunterricht) fruchtbar zu machen.
Sein nachfolgend wiedergegebener Beitrag erschien in gedruckter Form in der Neukirchener theologischen Zeitschrift "Kirche und Israel", Heft 1, 2013. COMPASS dankt Redaktion, Autor und Verlag zur Genehmigung der Wiedergabe des Textes an dieser Stelle!
u. Verlag von "Kirche und Israel"
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Online-Extra Nr. 187
In den Jahren seit Beginn des 21. Jahrhunderts tritt eine neue Generation deutsch-jüdischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller in die Öffentlichkeit, die einem eigenen Stil und neuen Themen Gehör verschaffen. Der Österreicherin Anna Mitgutsch kommt in dieser Generation ein besonderer Platz zu, der im folgenden Beitrag1 entfaltet werden soll.
1. Die 'erste' und 'zweite' Generation’ deutsch-jüdischer Literaten nach der Shoah
Nach der Katastrophe der Shoah schien die Stimme der deutsch-jüdischen Literatur verstummt,2 dem Massenmord der Nazis zum Opfer gefallen. „Nach menschlichem Ermessen“, schrieb Siegmund Kaznelson in der Einführung zu seiner „abschließenden Anthologie“ über das „Jüdische Schicksal in deutschen Gedichten“ im Jahr 1959, gehe „die deutschsprachige Dichtung jüdischen Inhalts mit unserer und vielleicht der nächsten Generation zu Ende“.3
Erst seit Beginn der 1960er Jahre wuchs allmählich das Bewusstsein, dass es eben doch noch eine Generation jüdischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach der Shoah gab, die weiterhin auf Deutsch schrieb: Im Nachhinein wird man sie als die ‚erste Generation’ deutsch-jüdischer Literaten nach der Shoah bezeichnen: Nelly Sachs, Paul Celan, Erich Fried, Rose Ausländer, Hilde Domin, Elias Canetti, Stefan Heym, Wolfgang Hildesheimer oder Jurek Becker. Die meisten Werke dieser Schriftstellerinnen und Schriftsteller waren ganz darauf konzentriert, die Shoah zu versprachlichen, „dem Erlebten einen Ausdruck zu geben“4. Ihnen ging es vor allem darum, den unfassbaren Genozid einerseits zu bezeugen, um ein Vergessen zu verhindern, andererseits mit der Erinnerung so umzugehen, dass ein Weiterleben möglich wurde.
Mit Beginn der 1990er Jahre etablierte sich dann eine neue – die ‚zweite’ – Generation deutschjüdischer Literatur,5 die sich von der ersten Generation deutlich abhebt. Viele dieser Schriftstellerinnen und Schriftsteller waren Remigranten, aufgrund eigener Entscheidung oder mit ihren Eltern in deutschsprachige Länder zurückgekehrt. Andere wuchsen hier auf, meist in nur schwach jüdischer Prägung, um sich dann später ihrer Herkunft bewusst zu werden und diesen Prozess literarisch zu schildern. Nicht so sehr der Blick zurück charakterisiert ihr Schreiben, sondern der Blick auf die Möglichkeiten und Schwierigkeiten eines Lebens als Jüdin oder Jude in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Das aber ändert Selbstverständnis, Ton und Stil: Mit „großer Geste“ treten sie als Juden in die Öffentlichkeit, und wenn ihre Elterngeneration „die Opferrolle“ vehement „ablehnte“, so lehnen sie nun „auch die Versöhnerrolle“6 dezidiert ab.
In Form und Inhalt knüpfen diese Schriftstellerinnen und Schriftsteller literarisch weniger an den Werken ihrer deutschsprachigen Vorgängergeneration an, als vielmehr immer wieder an den erzählerischen Entwürfen amerikanisch-jüdischer Autoren wie Saul Bellow, Henry Roth, Bernard Malamud oder Philip Roth, in welchen der (mit-)erzählte Alltag jüdischen Lebens eine selbstverständliche Rolle spielt. Nur die wichtigsten Autorinnen und Autorin dieser nach wie vor literarisch produktiven 'zweiten' Generation können hier genannt werden: Mirjam Pressler (*1940), Katja Behrens (*1942), Robert Schindel (*1944), Rafael Seligmann (*1947), Barbara Honigmann (*1949), Esther Dischereit (*1952) oder Robert Menasse (*1954).
Die Werke dieser Autorinnen und Autoren zeichnen sich durch eine inhaltliche wie formale Vielgestaltigkeit aus. Keineswegs bilden sie so etwas wie eine eigene literarische ‚Schule’. Weder wird hier von einer „in sich geschlossenen oder homogenen Gruppe“ ausgegangen noch „die Vorherrschaft eines gewissen stilistischen Verfahrens behauptet“,7 wie Thomas Nolden schon 1995 klarstellt. Gleichwohl „wird ihre literarische Arbeit von Vektoren beeinflusst, die von verschiedenen Positionen ausgehen, aber auf gemeinsame Bezugspunkte ausgerichtet sind“.8 Diese Bezugspunkte liegen vor allem in einer inhaltlichen Gemeinsamkeit: Im Werk dieser Autorinnen und Autoren mit „sehr unterschiedlichen Lebensläufen und Sozialisationen“9 wird die literarische Auseinandersetzung mit dem in der Gegenwart gelebten Judentum zu einem zentralen Themenstrang ihres Schreibens.
2. Die ‚dritte Generation’ deutsch-jüdischer Literaten nach der Shoah
Ging es dieser 'zweiten Generation' zunächst – mit den Worten Barbara Honigmanns – um so etwas wie die „Wiedereroberung“ des „Judentums aus dem Nichts“,10 so geht es seit der Jahrhundertwende um die Behauptung eines eigenen, auf Gegenwart und Zukunft bezogenen Profils. Ergänzend zur Erinnerungskultur braucht es heute eine neue Wahrnehmungskultur im Blick auf gegenwärtig gelebtes Judentum. Wo die ‚zweite Generation’ erst einmal die weithin verdrängte Shoah thematisieren, überhaupt auf die Weiterexistenz von Juden im deutschsprachige Raum aufmerksam machen, ein Leben hier angesichts der Option einer Existenz in Israel rechtfertigen musste, verschieben sich für eine 'dritte Generation' zwangsläufig die Schwerpunkte.
Von der Shoah weiß man selbst auch nur aus Dokumenten, Archiven und Museen sowie aus Filmen und dem Fernsehen. Viele wollen nicht auf dieses Thema, diese Erinnerungspflicht festgelegt werden. In großer Selbstverständ-lichkeit integrieren sie gegenwartsbezogene jüdische Lebens- und Glaubenswelten in ihr literarisches Schreiben. Deutlich wird so ein „Prozess der Sichtbarwerdung der in Deutschland lebenden, sich schriftstellerisch betätigenden Juden“,11 eine neue Präsenz von „Jüdischkeit“12 in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Von der sich neu herausbildenden Tradition der damit in knappen Strichen charakterisierten ‚dritten Generation’ können erneut nur wenige herausragende Repräsentanten benannt werden: Maxim Biller (*1960), Doron Rabinovici (*1961), Vladimir Vertlib (*1966), Benjamin Stein (*1970) oder Lena Gorelik (*1981).
KIRCHE UND ISRAEL
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Herausgegeben von:
Edna Brocke, Hans Hermann Henrix, Rolf Rendtorff, Barbara Schmitz, Ekkehard W. Stegemann, Wolfgang Stegemann, Gabriele Oberhänsli-Widmer, Christina Tuor-Kurth (für die Schweiz), Hans Joachim Sander (für Österreich), unter Mitarbeit namhafter Fachgelehrter
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Internet:
http://www.kirche-und-israel.de
3. Zwischen den Generationen: Anna Mitgutsch
Anna Mitgutsch (*1948) lässt sich weder der zweiten noch der dritten Generation zuordnen. Ihr biographischer Weg zum Judentum ist genauso einzigartig wie die literarischen Spiegelungen von Jüdischkeit in ihrem Werk. Ihre biographischen Daten weisen zunächst vor allem auf einen durchaus typischen Lebenslauf eines akademischen Berufswegs hin, der dann mehr und mehr von einem literarischen Erfolgsweg überlagert wird: Geboren in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz, dort aufgewachsen in katholischem Kontext, Matura 1967, dann Aufnahme des Studiums der Anglistik und Germanistik in Salzburg, das sie 1974 mit einer Dissertation über den englischen Lyriker Ted Hughes abschließt. Ihr Leben wird von Reisen, von der Neugier auf andere Kulturen bestimmt sein: 1971–1973 lehrt sie an den englischen Universitäten in Hull und Norwich, 1979–80 in Seoul, Korea, dann ab 1980 als Assistant Professor an mehreren amerikanischen Colleges, zum Teil als „Writer in Residence“. Seit vielen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in zwei Welten: in Boston (USA), 20 Jahre lang ihr Hauptwohnsitz, aber auch im heimatlichen Linz.
Als literarische Autorin tritt sie erstmals 1985 hervor. Ihr Erstlingswerk „Die Züchtigung“ trägt ihr jenen Ruf ein, der bis heute einen Teil ihrer Bekanntheit und auch der wissenschaftlichen Rezeption bestimmt: Als Vertreterin der so genannten 'Neuen Innerlichkeit' erzählt sie fortan in mehreren thematisch unterschiedlich zugespitzten Romanen („Das andere Gesicht“ 1986; „Ausgrenzung“ 1989; „In fremden Städten“ 1992) von marginalisierten und leidenden Frauen auf der Suche nach Identität. Die untrennbaren Mischungen von privaten und sozialpolitischen Dimensionen machen diese Werke zu einem bevorzugten Studienobjekt von genderspezifischen Untersuchungen.13
Nichts von dem bislang Ausgeführten lässt erahnen, warum Anna Mitgutsch in einem Beitrag über deutsch-jüdische Literatur Erwähnung finden könnte. Und tatsächlich blenden bis heute selbst zentrale Anthologien und Monographien zum Thema die Österreicherin komplett aus. Ihr biographischer wie literarischer Weg ist ein umstrittener: ein Weg hinein in das Judentum. Immer wieder betont Anna Mitgutsch, dass sich in ihren Augen und im Blick auf ihr Werk eine biographistische Engführung verbietet. In ihren Grazer Poetikvorlesungen, gehalten im Winter 1998/99, reflektiert Mitgutsch über die komplizierte Verwobenheit von „Erinnern und Erfinden“. Gewiss stehe am „Anfang allen Schreibens (…) die Erinnerung“,14 insofern trage jede Literatur auch autobiographische Färbungen.
Wichtig wird jedoch ein zweifacher Filter: Erinnerung steht zum einen nie einfach objektiv zur Verfügung, ist immer schon auswählend, wertend, verklärend, vergessend. Für Literatur wird der zweite Punkt zentral: Im Prozess des Schreibens geht es um eine ästhetische Gestaltung, um die „Fiktionalisierung der Erfahrung“,15 in der die Dimensionen von Erinnern und Erfinden nicht mehr scharf getrennt werden können und müssen. Als Literatur „erhält das subjektiv Erinnerte den Stellenwert einer Wahrheit, die nicht mehr im Faktischen zu finden ist“.16 Anna Mitgutschs Werken geht es um eine erfundene Welt und erfundene Charaktere, um eine literarische Wirklichkeit und Wahrheit, die allein ästhetischen Kriterien verpflichtet ist. Gleichwohl kann ein Blick auf die Biographie der Autorin den Kontext klären, in dem diese Werke entstehen.
4. Biographische Wege ins Judentum
Wie also kommt Anna Mitgutsch zum Judentum? Auffällig ist zunächst, dass die Autorin ihre Zugehörigkeit zum Judentum in der Öffentlichkeit zwar nicht verschweigt, wohl aber sehr behutsam benennt. Dass sie persönlich Jüdin ist, soll nicht im Vordergrund stehen. Sie hat „in der Öffentlichkeit nie einen besonderen Status aufgrund ihrer jüdischen Identität in Anspruch genommen oder als Schriftstellerin Vorteile daraus zu ziehen versucht“.17 Ungewöhnlich deutlich wird eine Erklärung, die Anna Mitgutsch im April 2011 im Internet veröffentlicht angesichts von nebulösen Unterstellungen im Blick auf ihre Beziehung zum Judentum.18 Sie stellt klar: „Ich bin Jüdin durch einen halachischen Übertritt aus Überzeugung, weder aus Schuldgefühlen noch aus Philosemitismus. Seit 20 Jahren bin ich Vorstandsmitglied der jüdischen Kultusgemeinde in Linz.“19 Schon 2009 konnte man in einem Beitrag der Autorin zu einem Prosaband anlässlich der Ernennung von Linz zur ‚Kulturhauptstadt Europas’ lesen: „Seit zwanzig Jahren feiere ich (…) in der Synagoge (…) Schabbat und die Hohen Feiertage, Chanukkah und alle anderen Festtage des Jahreskreises.“20
Nur wenige Stationen des biographischen Weges hinein in das Judentum lassen sich nachzeichnen: Wie für viele ihrer Generation wird für Anna Mitgutsch in den 1960er Jahren eine Aufarbeitung der Schuldverstrickungen in den Jahren von 1933–1945 und darüber hinaus zu einem persönlichen Thema. In Linz, einem Zentrum der Nationalsozialisten, stößt sie überall auf verdrängte Erinnerungen. Sie macht sich auf die Suche nach den „Spuren der seit dem zwölften Jahrhundert immer von neuem aufgebauten jüdischen Gemeinden“, wird die Funde sammeln, archivieren, eine Art Chronik erstellen, die freilich nach eigener Einschätzung „lückenhaft und als historische Wahrheiten nicht verlässlich“ bleibt.21Teile dieser Recherchen und Dokumente werden später in den Roman „Haus der Kindheit“ aufgenommen und dort als Chronik des Protagonisten Max Berman vorgestellt, andere werden in „Abschied von Jerusalem“ als Ergebnisse der Spurensuche der Protagonistin nach dem Schicksal ihrer verschollenen jüdischen Tante Martha eingeschrieben.
Anna Mitgutschs Interesse am Judentum reicht freilich weit über die histori-schen Fragen hinaus. Sie erlernt die hebräische Sprache und studiert intensiv sowohl die Thora als auch weitere jüdische Schriften. „Verschämt und befangen“ habe sie, so berichtet sie viel später, 1968 in der kurz zuvor neu eingeweihten Synagoge von Linz erstmals „den Erev-Schabbat-Gottesdienst“22 besucht. 1970/71 verbringt sie mehrere Monate in einem israelischen Kibbuz. Immer wieder wird sie fortan Israel bereisen. Die Begegnung mit dem gelebten Judentum, mit jüdischen Männern und Familien, wird sich für sie aber vor allem in den USA ereignen. Hier wird sie mehrere Jahre leben, hier war sie mit einem Juden verheiratet, hier wird sie nach halachischem Recht in das Judentum aufgenommen. Jahrzehntelang bewegt sie sich in (und zwischen) den zwei Kulturen: im heimatlichen Linz, aber auch in Boston. Sie bestimmt den Ort ihres Lebens und Schreibens „auf der Schwelle“23 zwischen unterschiedlichen Lebenswelten, Kulturen, Erfahrungs- und Sprachräumen.
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5. Literarische Spiegelungen des Judentums
All diese Erfahrungen fließen in Anna Mitgutschs Romane ein, werden dort freilich ästhetisch produktiv, bilden den Hallraum für Erzählstränge, die frei fiktional geknüpft und gewoben werden. In bislang vier Romanen wird das Judentum zum zentralen Thema, Hintergrund oder Kontext. Eröffnet wird diese Romanfolge mit „Abschied von Jerusalem“, erzählt in Rückblenden, mehrfachen Brechungen und vielfältigen Spiegelungen.
„Abschied von Jerusalem“ (1995)
Hildegard, die österreichische Protagonistin, erzählt ihre Geschichte. Nachdem sie in ihrem Familienstammbaum auf ein peinlich gehütetes, bislang immer eher erahntes Geheimnis gestoßen ist – die mütterliche Großmutter war Jüdin –, macht sie sich auf die Suche nach den verschütteten jüdischen Wurzeln. Sie sei zwar getauft worden, aber „niemand behelligte mich zu Hause mit irgendeiner Religion“,24 erinnert sie sich. So stamme sie aus „einer Familie, die sich ihrer jüdischen Wurzeln schämte und sich zugleich schuldig fühlte, sie verleugnet zu haben“ (S. 147). Nun gibt sie ihren Taufnamen auf und nennt sich fortan hebraisierend Dvorah. Sie verbringt längere Zeit in einem Kibbuz, reist später immer wieder nach Israel.
Im Zentrum steht die Aufarbeitung einer Liebesgeschichte in Jerusalem mit einem sehr viel jüngeren Mann namens Sivan, der sich ihr gegenüber als katholischer Armenier ausgab. Er entpuppt sich aber letztlich als Palästinenser, der ihre Beziehung für seine terroristischen Aktivitäten während der Intifada missbraucht. Ungewollt beteiligte sie sich – ohne jegliche eigene Gewaltanwendung – an einer palästinensischen Terroraktion und lebt seitdem mit dem Gefühl einer unklar bleibenden Schuldverstrickung und der Überwachung durch den israelischen Geheimdienst. Aus der Zeitung erfährt sie später, dass Sivan (dessen eigentlicher palästinensischer Name Sawad Radadeh lautet) bei einer Schießerei ums Leben kam.
Ein Nebenmotiv des Romans schildert den Weg Hildegards/Dvorahs hin zur Entdeckung des jüdischen Anteils ihrer Biographie. „Ich habe drei arische Großelternteile“ erzählt sie einem Freund im Kibbuz, „aber ich bin Jüdin“ (S. 67). Und sie erinnert sich: „Von Juden, Halbjuden, Vierteljuden und jüdisch Versippten erfuhr ich bei den Verwandten meines Vaters und begriff erst im Laufe der Zeit, dass auch von mir die Rede war“ (S. 72). In Israel steht sie erstmals unbefangen zu ihrer jüdischen Identität. Der Namenswechsel steht als äußeres Kennzeichen ihres Entschlusses. Aber warum „Dvorah?“. Die Spur führt zurück zur jüdischen Großmutter, die sie „immer Bienchen genannt“ habe. Sie reflektiert: „Dvorah heißt Biene, ich habe mir meinen Kindernamen zurückgeholt“. Hinzu tritt freilich eine biblische Assoziation (vgl. Ri 4–5): Dvorah ist „auch Deborah, die Richterin und Prophetin“ (S. 81).
Die fast verschüttete Linie zu dieser Großmutter wird zu einem Grundmotiv. Aus „einer assimilierten jüdischen Familie“ habe diese gestammt, so macht sich die Erzählerin klar, „von ihrem jüdischen Erbe“ habe sie sich lediglich „ein paar Melodien behalten, ein bisschen Aberglauben und einige Tabus, über die sie niemals sprach und deren Ursprung sie nicht mehr kannte“ (S. 149). Aber warum sie, Hildegard/Dvorah, denn nun zwei Generationen später „zum Judentum zurückgekehrt“ sei, möchte ein jüdischer Gesprächspartner wissen: „Es war die Umkehr, die meine Großmutter nicht mehr geschafft hat“, erklärt die Enkelin, „es war die Rückkehr zu etwas aus unerklärlichen Gründen Vertrautem“ (S. 151).
„Abschied von Jerusalem“ verbindet so mehrere Ebenen: Es ist ein Jerusalem-Roman, der Lesende in die faszinierende und bedrohliche Vielfalt dieser Weltstadt hineinnimmt; ein Roman über die Zeit der Intifada; ein Roman über Schuldverstrickungen; ein Roman über den Umgang mit jüdischen Wurzeln in österreichischen Familien während der Nazi-Zeit und in den Jahren danach; eine Roman über die Wiederentdeckung eines verborgenen jüdischen Erbes, einer verschütteten „Erinnerung, auch wenn die klaren Bilder und Worte“ fehlen, einer „Pacht“, „einseitig kündbar bei schlechtem Betragen“ (S. 151). Zugleich ist „Abschied von Jerusalem“ ein Roman, der die bleibende Unbehaustheit der Protagonisten zwischen allen Welten ins Zentrum rückt. Unbehaustheit – dieses Thema wird auch im Folgeroman buchstäblich zum Thema, erhält dort aber noch einmal eine ganz eigene Zuspitzung.
„Haus der Kindheit“ (2000)
Während Österreich als Kontext in „Abschied von Jerusalem“ vor allem in Rückblenden eine wichtige Rolle spielt, wird es in „Haus der Kindheit“ zum Ort und Bezugsraum der Handlung. Erstmals und bislang einzigartig steht in diesem Roman Anna Mitgutschs ein Mann im Zentrum, aus seiner Sicht wird erzählt. Max Berman, ein erfolgreicher jüdischer New Yorker Innenausstatter, kehrt 1974 nach H. zurück, einer österreichischen Kleinstadt, die er mit seiner Familie als Fünfjähriger in den 1920er Jahren verlassen musste. Im Herbst 1945 hatte er das Haus in der „Uniform eines Corporal der US-Armee“25 kurz besucht, danach hatte allein ein Foto die Familie an den Besitz des Hauses in Österreich und damit an ihre Existenz als ein Dasein im Exil erinnert.
Nun, im Alter von 51 Jahren, fordert Max Berman das Familieneigentum zurück. Er muss jedoch feststellen, dass es aufgrund von Mietschutzregelungen gar nicht so einfach ist, das Haus zurückzuerhalten. Er übergibt die Angelegenheit einem Anwalt und kehrt nach New York zurück. Erst weitere 20 Jahre später, nach dem Auszug der letzten Bewohner, kehrt Max Berman nach H. zurück mit dem festen Vorsatz, das Haus zu renovieren und sich dort, in – wie er glaubt und hofft – seiner Heimat, niederzulassen. Letztlich wird er dort jedoch nie völlig heimisch. Als sein bester Freund unerwartet stirbt, gesteht sich Max das Scheitern seines Vorhabens ein. Heimatlos geblieben kehrt er in die USA zurück, angezogen von einer „Wärme“, die „stärker wurde, je näher er New York kam“ (S. 318).
Um die vergebliche Suche nach Heimat geht es in diesem komplexen österreichischen Gesellschaftsroman; um den Zerfall einer jüdischen Familie, deren verzweigte Geschichte in immer neuen Episoden erzählt wird; um den Umgang Österreichs mit seiner jüdischen Geschichte; um jüdische Einzelschicksale im Spektrum einer Ablehnung ihrer Religion, einer Wiederannäherung an die Religion oder einer getreuen Befolgung der religiösen Praxis; um das Fremd-Bleiben und die Marginalisierung von Juden im Österreich der Gegenwart. Max Berman wird dabei geschildert als ein Jude, der eher ein distanziertes Verhältnis zur praktizierten jüdischen Religion hatte. „Ich hab’s nicht mit Gott“, wehrt er eine erste Einladung zur Teilnahme am Schabbatgebet ab, kurz nachdem er sich erstmals in H. niedergelassen hatte. „Ich hab mit Gott nie viel anfangen können. Mit meiner Mutter bin ich in die Synagoge gegangen, weil sie das glücklich gemacht hat. (…) Seither war ich nie mehr in einer Synagoge“ (S. 85).
In H. erfährt sich Max Berman erstmals bewusst als Fremder, wird er erstmals primär und vor allem als Jude wahrgenommen, und beginnt so, sich mit dem Schicksal der Juden in H. zu befassen. Er will eine Chronik der Juden von H. schreiben, spürt verborgene historische Quellen auf, sucht nach Spuren der Vergangenheit in der Annahme, die Geschichte in Grundzügen rekonstruieren zu können. Vergeblich! Die verdrängte Geschichte gibt nur Bruchstücke preis. An ‚Wiedergutmachung’ ist gar nicht zu denken. Auch dieses Projekt bleibt letztlich abgebrochenes Fragment.
Die Auseinandersetzung Max Bermans mit dem Judentum beschränkt sich aber nicht auf die geschichtliche Dimension. Trotz anfänglicher Distanz und Abwehr: Auch religiös integriert er sich mehr und mehr in die jüdische Kultusgemeinde in H., feiert die Feste mit, erinnert sich an aus der Kindheit vertraute, zwischenzeitlich aber kaum noch praktizierte, wenn auch jetzt wieder aufgenommene Rituale. Mitgutsch schildert das Leben in einer ständig kleiner werdenden Gemeinde, deren Sekretär, Arthur Spitzer, „gewissermaßen ihr Vorsteher (…), auch Vorbeter“ (S. 64), zu einem wichtigen Gesprächspartner und Freund Bermans wird. Spitzers jahrzehntelanges Bemühen um eine Renovierung der in der NS-Zeit zerstörten Synagoge führt letztlich erst nach dessen Tod zu einer neuen Heimstätte der religiösen Vollzüge. Über Jahrzehnte musste ein improvisierter Betsaal genügen, „nüchtern, hell erleuchtet, mit ein paar alten Bänken, die man vermutlich aus der ausgebrannten Synagoge gerettet hatte“ (S. 91). Max Berman, gerührt von dieser „improvisierten Schlichtheit“, „nicht gefasst“ auf den „stillen, gedämpften Eindruck“, den die kleine Betgemeinschaft – „viele allein, mehr alte Leute als Jugendliche“ (S. 92) – auf ihn macht, wird Teil dieser Gemeinschaft.
Als er Jahrzehnte später zurückkehrt, um – vermeintlich endgültig – sein Haus zu beziehen, ist die Gemeinschaft weiter gealtert und geschrumpft. Die wenigen Jüngeren, die er bei seinem ersten Schabbatgebet erstaunt zur Kenntnis nimmt, entpuppen sich als „Christen, die sich für das Judentum interessieren“, wie Spitzer ihn aufklärt, der hinzufügt: „Es ist offenbar in Mode, den Juden beim Beten zuzuschauen“ (S. 174f.). Später wird der Besuch von Mitgliedern einer amerikanischen Sekte beschrieben, die „beteuerten, wie sehr die Juden ihnen am Herzen lägen“. Die interreligiösen Bemühungen haben offensichtlich Früchte getragen, christlich-jüdische Verständigungen gehören zur Normalität, aber dieser Prozess wird hier eher bitter-lakonisch kommentiert: „Hier saßen am höchsten Feiertag des Jahres Mitglieder einer christlichen Sekte, die gekommen waren, um den Juden einer sterbenden Gemeinde beim Beten zuzusehen. Es lag eine makabre Lüsternheit in dieser Neugier“ (S. 282). „Wir werden alt und sterben aus“, meint Spitzer, „die ganze Gemeinde“. Daran könnten auch die neu hinzukommenden Russen nur wenig ändern, bei denen man zum Teil gar nicht wisse, „ob sie wirklich Juden sind“. Bittere Ironie der Geschichte: „Nur die Synagoge, die wird bald fertig, ausgerechnet jetzt, wo zu den Hohen Feiertagen nicht einmal mehr zehn Männer kommen, damit man die Tora ausheben kann“ (S. 176f.).
Teile der von Max Berman geplanten Chronik der Juden von H. werden in den Text mit aufgenommen, abgesetzt durch Kursivdruck. Quer durch die Jahrhunderte schimmert so ein kollektives Schicksal auf, das immer wieder aus Verfolgung, Pogromen und Vertreibung bestand. Auch wenn diese Chronik im Romangeschehen selbst letztlich nicht abgeschlossen wird, so gibt sie der erzählten Handlung doch eine historische Transparenz und Tiefenschärfe. Deutlich wird eine tiefe „Verbundenheit zwischen individuellem Schicksal und kollektiver Geschichte“.26
„Familienfest“ (2003)
Während „Haus der Kindheit“ in Österreich spielt, wendet sich der Blick in dem 2003 veröffentlichten Roman „Familienfest“ ganz dem Schauplatz der USA zu. Erzählt wird hier die verzweigte Geschichte einer in Boston lebenden jüdisch-amerikanischen Familie27 – angefangen von der Einwanderung zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Da der Roman so ausschließlich in einer jüdischen Lebenswelt spielt, aber auf ein allgemeines Lesepublikum abzielt, ist ihm ein Glossar angefügt, das jüdische Begriffe erklärt. Sie werden im Text in der Regel nicht erläutert, sondern als bekannt (oder eben: als nachzulesen) vorausgesetzt. Erklärungen finden sich innerhalb der Erzählung nur dort, wo sie den handelnden Romanfiguren selbst nicht bekannt sind.
Drei große Familienfeiern strukturieren den Roman, in dessen Zentrum Edna Schatz steht. Im ersten Kapitel leitet sie als Familienälteste ein Seder-Mahl. Traditionell nutzt sie es dazu, nicht so sehr die aus dem biblischen Buch Exodus hergeleitete Heilsgeschichte des Volkes Israel zu vergegenwärtigen als vielmehr die eigene Familiensaga zu rekapitulieren, die Geschichte einer Familie mit sephardisch-griechischen Wurzeln, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Amerika kommt und dort erfolgreich Fuß fasst. Edna ist Repräsentantin der zweiten Immigrationsgeneration.
Im zweiten Kapitel wird nicht mehr ein jüdisches Fest gefeiert, sondern – auch als Zeichen der weiter vorangeschrittenen Inkulturation und Assimilation – das allgemein amerikanische Hochfest „Thanksgiving“, bei dem es „im Unterschied zum Pessach-Seder“ „keine Speiseordnung und kein festgesetztes Ritual“ gibt.28 Ausrichter ist dieses Mal der Sohn einer Nichte Ednas, abermals geht es in vielen erzählerischen Verzweigungen um die Ereignisse der Familiengeschichte, nun jedoch gespiegelt primär an den Perspektiven der dritten Generation. Das dritte und letzte Großkapitel des Romans schildert erneut ein Zusammenkommen der Großfamilie, nun zum Begräbnis von Edna. Der Zusammenhalt verfällt, die zuvor klar abgesteckte jüdische Identität löst sich durch viele angeheiratete nichtjüdische Familienmitglieder auf in eine postmoderne Heterogenität. „Ihr habt weder Respekt noch Interesse für meine Religion“ (S. 329), beklagt sich der mit einer Katholikin verheiratete Neffe Ednas, Daniel, bei seinen Kindern, obwohl er selbst längst nicht mehr Hebräisch lesen oder die religiösen Gebräuche und Rituale richtig vollziehen kann. Im jüdischen Begräbnisritual und dem anschließenden traditionellen Totengebet findet die Familie (ein letztes Mal?) zusammen zu einer Erinnerung der Familiengeschichte.
Hier wird keine Erfolgsgeschichte erzählt, keine Verklärung des Lebens in Amerika, vielmehr ein differenziert und unpathetisch-realistisch gezeichnetes Panorama amerikanisch-jüdischen Lebens über drei Generationen bis in die Gegenwart hinein. Deutlich wird, dass sich gerade Ednas Generation um Integration in die neue Gesellschaft und um Inkulturation bemüht hat – so sehr, dass ihre Tochter Lea ihr „Vorwürfe gemacht und gegen das assimilierte Establishment der wohlhabenden jüdischen Vorstädte aufgebrachte Reden gehalten“ (S. 83) habe. Edna, Kind der Einwanderer, selbst noch religiös aufgewachsen im Rahmen der selbstverständlich praktizierten jüdischen Rituale, wird zur letzten Zeugin einer Religiosität, die das ganze Leben umfasste. Schon ihre eigenen Kinder wurden zwar noch religiös erzogen, aber eher in den Schablonen und Hüllen religiöser Konvention als durch von innerer Überzeugung getragener Praxis. Ednas Söhne entfremden sich innerlich gänzlich von Religion. Lea aber, die Tochter, wendet sich einer „Cha-vurah“ zu, einer Gemeinschaft, die sich als „Erneuerungsversuch jüdischer Spiritualität“ (S. 85) versteht. irritiert fragt sich Edna: Ist „das noch Gottesdienst oder schon Gotteslästerung?“. Auf Englisch beten, „neue Gebete hinzuerfinden“, „Melodien zur Gitarrenbegleitung“ singen? „Nichts war ihr bekannt erschienen und sie hatte sich in dieser Gruppe (…) fehl am Platz gefühlt.“ Das hindert sie freilich nicht daran, diese Gruppe gegenüber innerjüdischen Anfeindungen zu verteidigen: „Sie sind bessere Juden als wir es waren“ (S. 85f.).
Als Edna stirbt, wird sie nach jüdischem Brauch begraben. Die Zeremonien werden freilich von der „Rabbinerin von Leas Chavurah“ vollzogen, einer jungen Frau „mit frisch geföhnter blonder Kurzhaarfrisur“, „nicht im geringsten klerikal und von einer beruhigenden Kompetenz“ (S. 329). Am Ende wird deutlich, dass sich die Familie nie wieder sehen wird, außer eventuell „beim nächsten Begräbnis“. Ohne Edna aber, ohne die „verflossenen Jahre, die sie ihnen überliefert, die sie ihnen Seder für Seder nahegebracht hatte“ (S. 408), wird es nicht dasselbe sein. Eine Großfamilie kommt an ihr Ende, eine Epoche klingt aus, eine darin eingeschlossene Erinnerung an durch Religion mitbestimmte, narrativ entfaltete und im Ritual gemeinschaftlich vollzogene Identität zerfällt.
„Wenn du wiederkommst“ (2010)
In Anna Mitgutschs bis dato letztem, im Jahr 2010 veröffentlichten Roman „Wenn du wiederkommst“ steht wie in „Familienfest“ erneut ein Glossar29 jüdischer Fachbegriffe am Ende des Buches. Wiederum geht es um eine – zunächst namenlos bleibende – Österreicherin, die mit einem in Boston lebenden, sechs Jahre älteren amerikanischen Juden – „Jerome“ – 20 Jahre lang verheiratet war. Seit mehr als 15 Jahren ist sie von ihm geschieden, pflegte aber sehr wohl mit ihm einen intensiven geistigen Kontakt in einer Beziehung von Höhen und Tiefen, Trennungen und Wiederannäherungen. Nach mehr als 35jähriger Bekanntschaft schien zuletzt alles auf eine neue Aufnahme der Liebesbeziehung hinzudeuten. „Jerome“ war auch der Name einer der Söhne Ednas in „Familienfest“, die beiden Romane werden so eng verschränkt. Auch hier geht es um eine Art Familienfest, allerdings um ein trauriges: Jerome ist unerwartet gestorben. Seine ehemalige Frau, die Erzählerin, nimmt für sich das Recht in Anspruch, an den Trauerritualen der Familie teilnehmen zu dürfen. Das ganze Buch liest sich so wie die literarische Schilderung einer akribisch nacherzählten Trauerarbeit, eines Abschieds, in den Erinnerungen an die gemeinsame Lebensgeschichte genauso hineingehören wie minutiöse Beschreibungen des Verlaufs des nach jüdischer Tradition erfolgenden Trauerprozesses.
Dabei geht es um Fragen, die auch die bleibenden Beziehungen zur Familie von Jerome bestimmen: Hat sie, die Geschiedene, überhaupt einen Anspruch auf Trauer? Ist sie berechtigter Teil jener religiösen Zeremonien, die im Judentum den Abschied von einem vertrauten Menschen strukturieren? Von der Beerdigung bis zur Schiwa, der traditionellen siebentägigen Trauerzeit, spannt sich der Erzählfaden; gefolgt von den Scheloschim, den 30 Tagen nach dem Todesfall, in denen Angehörige nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen und täglich das Kaddisch, das Trauergebet, sprechen. Erzählt wird schließlich bis zum Abschluss des Trauerjahrs, hier markiert durch das Ausräumen und Verlassen des ehemals gemeinsamen Hauses in Boston. „Das Trauerjahr ist mit dem heutigen Tag zu Ende“ (S. 266), heißt es gegen Ende des Buchs. Eine literarische Anatomie der Trauer wird hier vorgelegt, ein jüdisch geprägtes Trauertagebuch, geprägt von Rückblenden, inneren Gedankenflüssen, Gesprächen mit der ihrem Vater engstens verbundenen Tochter Ilana, von unterschiedlichen Begegnungen mit Menschen aus Familie und Freundeskreis im Austausch um Erinnerungen an den Verstorbenen.
Das Judentum prägt aber nicht nur die Lebenswelt und die Trauerrituale, sondern vor allem die ganz persönlichen Erinnerungen der Erzählerin. Kennengelernt hatte sie Jerome auf ihrer ersten Reise nach Israel. Beim Check-In sei sie mit einem ihr Unbekannten ins Gespräch gekommen, vertraut geworden, schließlich habe er sie gefragt: „Sind sie überhaupt Jüdin?“ (S. 16), und sie habe verneint. Erst allmählich habe sich daraus eine Liebesbeziehung entwickelt, der zuliebe sie schließlich ihr bisheriges Leben aufgegeben habe, um mit ihm nach Boston zu ziehen.
Wie war das, als sie damals gemeinsam nach Boston zogen, fragt sie sich. Sie gingen „jeden Freitag in eine andere Synagoge, aber wir konnten uns nicht einigen, wo wir uns als Mitglieder eintragen lassen wollten.“ Zwar kannte Jerome „außer dem Kaddisch, das er zur Jahrzeit seiner Eltern sprach, kein anderes Gebet mehr, und sein Hebräisch bestand aus den Resten seines Bar Mitzwa Unterrichts vor fünfzig Jahren“, aber dennoch wandte er sich der Tradition seines Elternhauses entsprechend einer orthodoxen Gemeinde zu. Sie „gab ihm das Gefühl, in seine Kindheit zurückzukehren, inmitten alter Männer, Emigranten aus Osteuropa, die Jiddisch in ihr singendes Englisch mischten.“ Er empfand diese Gemeinde als „zumindest authentisch“. Anders seine Frau. Sie „wollte nicht in der Frauenabteilung hinter einem Vorhang sitzen.“ Die liberale Gemeinde, in der sie schließlich eine religiöse Heimat findet, lehnt Jerome spöttisch ab. „Hier beteten und sangen Männer und Frauen gemeinsam in einer modernen Synagoge, die Hunderte von Besuchern fasste, nur Jerome störte die Andacht, indem er mit boshaftem Vergnügen sarkastische Bemerkungen vor sich hinmurmelte. Unter Seinesgleichen fühlte er sich als Außenseiter“ und „misstraute ihrer Aufrichtigkeit“ (alle S. 13). Ungläubig, spöttisch, ironisch-distanziert – und dennoch praktizierend …
Und sie selbst, die Konvertitin? Wenn es Glück gab in ihrem Leben, so die Erzählerin, dann nie so dicht und „klar und eindeutig“ wie am Tag ihrer offiziellen Aufnahme in das Judentum, am Tag, als sie „aus dem weitläufigen Gemeindehaus der Kongregation Beth Israel heraustrat mit von der Mikwe noch feuchten Haaren und einem neuen Namen“ (S. 150), „Michal“ (S. 152). Eindrücklich wird geschildert, wie mühsam der Weg war zu diesem offiziellen Akt: die intensive Prüfung durch drei Rabbiner, die Auseinandersetzung mit den möglichen und auch artikulierten Gegenargumenten. Alle möglichen Bedenken gegen einen Eintritt in das Judentum werden genannt – und aus ihrer Sicht verworfen. Man muss sich prüfen im Blick auf die Vorwürfe: man wolle sich „als Opfer ausgeben“; man wolle „etwas Besonderes sein“ und „sich den Status der Unangreifbarkeit erschleichen“; man wolle „einer schuldbeladenen Herkunft entfliehen“; man wolle „in einer Tradition Zuflucht suchen, um Eigenverantwortlichkeit abzugeben“; man wolle sich „Zugehörigkeit erzwingen“ (S. 151).
Alle diese Motive für den Eintritt in das Judentum sind ja denkbar, werden Konvertiten auch nicht selten vorgehalten, hier aber zurückgewiesen. „Es war-en“, erkennt „Michal“ im Nachhinein, „Erfahrungen der Zugehörigkeit und der Gemeinsamkeit“. Sie waren eben Teile ihres Lebens, all diese wie selbstverständlich existierenden „reformierten Synagogen in den Vorstädten mit ihren kulturellen Angeboten, den Abenden mit israelischer Folklore“, oder das „religiöse Ferienlager, in das wir unsere Tochter jeden Sommer schickten und dessen Gebetsmelodien wir übernahmen“ (S. 200). Im Rückblick werden ihr freilich die zeitgeschichtlichen Zufälligkeiten und die Brüchigkeiten gerade dieser Erfahrungen bewusst. „Ein Jahrzehnt früher oder später wäre alles anders und die Aufbruchsstimmung der Nachkriegsgeneration verbraucht gewesen.“ (S. 200)
Und die Shoah? Vor allem in „Haus der Kindheit“ steht das Ringen um die Geschichte der Judenvernichtung, der unerträglichen Schuld, des Umgangs mit dieser Vergangenheit im Zentrum. Nicht so in „Wenn du wiederkommst“. Gleichwohl bleibt diese Erinnerung präsent: Im Rückblick erkennt Michal, dass für Jerome – „mitten im Zweiten Weltkrieg geboren“ – die „Vernichtung der europäischen Juden, die Ermordung seiner Verwandten“ immer gegenwärtig war, „in unseren Gesprächen, in seiner Lektüre und seinen Gedanken“, so Michal: „fünfzig Jahre lang war sie der Bezugspunkt zu allem, was in der Welt geschah“ (S. 244). Im Buch selbst tritt diese Dimension jedoch in den Hintergrund, da es eine sehr persönliche, eine individuelle Trauergeschichte erzählt. Deutlich wird auch, dass für die in Amerika geborene Tochter Ilana diese Erinnerung eben nur eine erzählte, berichtete, vermittelte Erinnerung ist, deren Bedeutung zwar präsent bleibt, der aber nicht mehr grundlegend orientierende Bedeutung zukommt.
BÜCHER von Anna Mitgutsch
6. Interreligiös sensible Lesespuren • Zum einen findet sich immer wieder die Auseinandersetzung mit der Shoah, mit dem Verdrängen, dem Verwischen und doch wieder Auffinden von Spuren der Nazi-Diktatur. Vor allem mit „Haus der Kindheit“ legt Anna Mitgutsch einen wesentlichen literarischen Beitrag zur ‚Vergangenheitsaufarbeitung’ vor, der die Shoah in den Bogen der jahrhundertelangen Geschichte von Antisemitismus bis hin zum gelebten Judentum heute stellt. Dieser auch von vielen weiteren Schriftstellerinnen und Schriftstellern bearbeitete Themenbereich erhält bei Anna Mitgutsch gerade durch den immer wieder hergestellten Bezug zum Gegenwartsjudentum eine besondere Färbung. • Ein weiteres Themenfeld berührt den Blick auf Israel und die heutigen politischen Auseinandersetzungen dort. Vor allem in „Abschied von Jerusalem“ finden sich sensible Nachzeichnungen nicht nur einer zunächst naiv-unkritischen Israelverklärung, die sich seit den 70er Jahren vor allem in Westeuropa findet, sondern auch ein realistischer Blick auf die komplexen, aus mehreren Perspektiven gespiegelten Beziehungen zwischen Juden und Palästinensern. • Daneben tritt ein Aspekt, der sonst kaum in deutscher Sprache beschrieben wird – ein Blick in die Vielfalt des gelebten nordamerikanischen Judentums. Vor allem mit „Familienfest“ und „Wenn du wiederkommst“ steuert Anna Mitgutsch ein maßgebliches Werk zur breiten Tradition der amerikanisch-jüdischen Literatur bei. Ihr ‚Zugang von außen’ – zugleich ein ‚Zugang von innen’ – ermöglicht einen ganz eigen-artigen Blick auf Geschichte und Ge-genwart des gelebten Judentums. Dass eine solche Familiengeschichte nicht mehr im deutschsprachigen, sondern in der geschilderten Form nur im nordamerikanischen Raum spielen kann, entspricht dabei den historischen Entwicklungen. • Wohl einzigartig ist schließlich jener Aspekt, der in interreligiöser Hinsicht besonders interessant ist: die literarische Hineinnahme in eine mehrperspektivische Annäherung an das Judentum von außen, die in einen Eintritt mündet und so aus der zunächst zögerlich-vorsichtigen Außenperspektive eine erfahrungsgespeiste Binnenperspektive macht. In dieser Hinsicht wird vor allem „Wenn du wiederkommst“ zu einem Schlüsselroman. • Ein letzter Punkt von spezifisch interreligiösem Interesse: Vorsichtig baut Anna Mitgutsch Beobachtungen im Blick auf den christlich-jüdischen Verständigungsprozess ein. Gewiss, seit den 1980er Jahren bestimmt nicht mehr das Verschweigen und Verdrängen den christlichen Umgang mit Juden und Judentum. Sowohl eine Aufarbeitung der leidvollen Vergangenheit wird (zumindest für Teile der Kultur und Gesellschaft) selbstverständlich als auch eine Neugier auf jüdisches Leben in der Gegenwart und die Betonung der Verbundenheit von Christen und Juden. Aus jüdischer Sicht bleibt das Interesse etwa an der Teilnahme an jüdischen Gebeten und Ritualen jedoch suspekt. Dass es „offenbar in Mode“ gekommen sei, „den Juden beim Beten zuzuschauen“,33 dass Christen ein Interesse daran haben, „den Juden einer sterbenden Gemeinde beim Beten zuzusehen“, entbehrt nicht einer „makabre(n) Lüsternheit“,34 kommentiert die Erzählstimme von „Haus der Kindheit“. Und jegliche Versuche einer gemeinsamen liturgischen Feier von Juden und Christen, etwa in Form eines „ökumenischen Seder“,35 werden von jüdischen Teilnehmern nur „grinsend und kopfschüttelnd“36 abgelehnt. Das Judentum wird in den Werken von Anna Mitgutsch als eine – in sich äußerst pluriforme – eigene Welt geschildert, fern aller Verklärung, allem Kitsch, allem Pathos, als eine Lebens- und Glaubenswelt, die nicht zuletzt in ihrer bleibenden Fremdheit Respekt verdient. Ihr eigener biographischer wie literarischer Gang hinein in die Welt des Judentums öffnet Lesenden selbst einen Weg hin zu einem faszinierenden literarisch vermittelten, ästhetisch gebrochenen, gerade darin authentisch Begegnungslernen.
Anna Mitgutschs Werk ist vielfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet worden.30 Gerade auch in den USA findet es große Aufmerksamkeit. Kaum zufällig wurde dort etwa „Abschied von Jerusalem“ mit einer Nominierung für den angesehenen „National Jewish Book Award“ (1996) bedacht und überhaupt ihr Beitrag zur „Holocaust-Literatur“31 gewürdigt. Im deutschen Sprachraum werden ihre literarischen Spiegelungen des Judentums hingegen bislang bestenfalls am Rande bemerkt. Überraschend, denn in kaum einem anderen Werk der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur wird die Auseinandersetzung mit dem Judentum – im Blick auf Vergangenheit und Gegenwart – so intensiv thematisiert wie im Werk von Anna Mitgutsch.
Im Zentrum einer interreligiös sensiblen Lesart32 der Werke von Anna Mitgutsch stehen mehrere Aspekte:
ANMERKUNGEN
1 Vgl. ausführlich: Christoph Gellner/Georg Langenhorst, Blickwinkel öffnen. Interreligiöses Lernen mit literarischen Texten, Ostfildern 2013.
2 Vgl. Norbert Otto Eke /Hartmut Steinecke (Hrsg.), Shoah in der deutschsprachigen Literatur, Berlin 2006; Gerd Bayer/Rudolf Freiburg (Hrsg.), Literatur und Holocaust, Würzburg 2009.
3 Siegmund Kaznelson, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Jüdisches Schicksal in deutschen Gedich-ten. Eine abschließende Anthologie, Berlin 1959, S. 14.
4 Diana Teschler, Schreiben im Land der Täter. Jüngste deutsch-jüdische Literatur bei Maxim Biller und Rafael Seligmann, Saarbrücken 2007, S. 28.
5 Vgl. dazu: Thomas Nolden, Junge jüdische Literatur. Konzentrisches Schreiben in der Gegen-wart, Würzburg 1995; Sander L. Gilman/Hartmut Steinecke (Hrsg.), Deutsch-jüdische Literatur der neunziger Jahre. Die Generation nach der Shoah, Berlin 2002.
6 So Hanni Mittelmann, Deutsch-jüdische Literatur im Nachkriegsdeutschland. Das Ende der Fremdbestimmung?, in: Mark H. Gelber/Jakob Hessing/Robert Jütte (Hrsg.), Integration und Ausgrenzung. Studien zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Tübingen 2009, S. 429–442, hier: S. 431/433.
7 Thomas Nolden, Junge jüdische Literatur, S. 12.
8 Ebd.
9 Hartmut Steinecke, Literatur als Gedächtnis der Shoah. Deutschsprachige jüdische Schriftstel-lerinnen und Schriftsteller der „zweiten Generation“, Paderborn u.a. 2005, S. 11.
10 Barbara Honigmann, Damals, dann und danach, München/Wien 1999, S. 29.
11 Hanni Mittelmann, Deutsch-jüdische Literatur im Nachkriegsdeutschland, S. 429.
12 Vgl.: Andrea Heuser, Vom Anderen zum Gegenüber. 'Jüdischkeit' in der deutschen Gegen-wartsliteratur, Köln 2011.
13 Vgl. etwa: Kristin Teuchtmann, Über die Faszination des Unsagbaren. Anna Mitgutsch – eine Monografie, Frankfurt u.a. 2003; Renata Cornejo, Das Dilemma des weiblichen Ich. Untersu-chungen zur Prosa der 1980er Jahre von Elfriede Jelinek, Anna Mitgutsch und Elisabeth Rei-chart, Wien 2006.
14 Anna Mitgutsch, Erinnern und Erfinden. Grazer Poetik-Vorlesungen, Graz/Wien 1999, S. 6.
15 Ebd., S. 10.
16 Ebd.
17 Ebd.
18 Gerichtet gegen Margit Reiter. Vgl. deren tendenziöse Darstellung: Nachträgliche Wiedergut-machung. Philosemitismus bei den „Kindern der Täter“, in: Irene A. Dienkmann/Elke-Vera Kotowski (Hrsg.), Geliebter Feind – gehasster Freund. Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart, Berlin 2009, S. 509–537.
19 www.hagali.com, 06.04.2011: Eine Erwiderung von Anna Mitgutsch.
20 Anna Mitgutsch, Am Rand der Stadt, in: Alfred Pittertschatscher (Hrsg.), Linz. Randgeschich-ten, Wien 2009, S. 19–65, hier: S. 64.
21 Ebd., S. 42f.
22 Ebd., S. 64.
23 Vgl. Gunnhild Schneider, Die Schwelle ist mein Ort. Fremde als Schwellenpersonen in den Romanen von Anna Mitgutsch, in: Die Rampe. Porträt Anna Mitgutsch, Linz 2004, S. 45–52.
24 Anna Mitgutsch, Abschied von Jerusalem. Roman 11995, München 2005, S. 115. Nichtmar-kierte Zitate im folgenden Textabschnitt aus dieser Ausgabe.
25 Anna Mitgutsch, Haus der Kindheit. Roman 12000, München 2002, S. 33. Nichtmarkierte Zitate im folgenden Textabschnitt aus dieser Ausgabe.
26 Katrien Vloeberghs, Architektur der Unbehaustheit in Anna Mitgutschs Roman „Haus der Kindheit“, in: Kurt Bartsch/Günther A. Höfler (Hrsg.), Anna Mitgutsch. Dossier Bd. 28, Graz/Wien 2009, S. 105–123, hier: S. 106.
27 Zum jüdischen Familienroman vgl.: Manuel Gogos, Philip Roth & Söhne. Zum jüdischen Fa-milienroman, Hamburg 2005.
28 Anna Mitgutsch, Familienfest. Roman 12003, München 2005, S. 311. Nichtmarkierte Zitate im folgenden Textabschnitt aus dieser Ausgabe.
29 Anna Mitgutsch, Wenn du wiederkommst. Roman, München 2010, S. 269–272. Nichtmarkierte Zitate im folgenden Textabschnitt aus dieser Ausgabe.
30 U. a. Anton-Wildgans-Preis (1992); Österreichischer Staatspreis für Literatur (2002); Heinrich-Gleißner-Preis (2007).
31 Vgl. den Beitrag über „Anna Mitgutsch“ von Michael Ossar in: S. Lillian Kremer (Hrsg.), Ho-locaust Literature. An Encyclopedia of Writers and their Work, New York/London 2003, S. 859–863.
32 Vgl. Christoph Gellner/Georg Langenhorst, Blickwinkel öffnen, S. 324ff.
33 Anna Mitgutsch, Haus der Kindheit, S. 174f.
34 Ebd., S. 282.
35 Anna Mitgutsch, Familienfest, S. 351.
36 Ebd., S. 353.
Der Autor
Kontakt zum Autor und/oder Compass:
Geb. 1962 in Hamm (Westfalen); Studium der Katholischen Theologie, Anglistik und Germanistik in Trier, Würzburg, Lancaster (GB), Stirling (GB). 1994 Promotion zum Dr. theol., 2000 Habilitation, beides an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
Seit 1992: freie publizistische Tätigkeit; Vorträge, Seminare in der Erwachsenenbildung. 2002 bis 2006 Ordinarius am Lehrstuhl für Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts an der Universität Erlangen-Nürnberg, seit 2006 Ordinarius am Lehrstuhl für Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts und Religionspädagogik an der Universität Augsburg.
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