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Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Deutscher Koordinierungsrat

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Koordinierungsrat





ONLINE-EXTRA Nr. 114

März 2010

Am kommenden Sonntag, 07. März 2010, wird in Augsburg feierlich die diesjährige "Woche der Brüderlichkeit" (WdB) eröffnet, die in diesem Jahr unter dem Motto "Verlorene Maßstäbe" steht.

Seit 2006, unmittelbar im Anschluß an die Eröffnung der WdB, treffen sich auf Initiative des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit (DKR), der auch die WdB ausrichtet, einmal jährlich Vertreter von katholischer Bischofskonferenz und evangelischer Kirche mit Repräsentanten der beiden Rabbinerkonferenzen. Diese Gespräche, die bei ihrem Start in 2006 zurecht als historische Zäsur im Verhältnis von Juden und Christen in Deutschland gewürdigt wurden, haben sich seitdem als nützlich erwiesen und dazu beigetragen, dass der christlich-jüdische Dialog trotz mancher Irritationen in den letzten Jahren bestehen blieb. Demnächst trifft man sich in Augsburg zu einer fünften Gesprächsrunde.

Eine der Persönlichkeiten, die innerhalb des Deutschen Koordinierungsrates federführend diese Initiative von Beginn an begleitet hat, ist der katholische Neutestamentler Hubert Frankemölle. Vor kurzem hat er für die "Herderkorrespondenz" (Heft 2, 2010) ein erstes Resümee dieser nach dem kommenden Wochenende zum fünften Mal stattfindenden Begegnungen gezogen, das COMPASS Ihnen mit dem heutigen ONLINE-EXTRA zugänglich macht: "Bischöfe treffen Rabbiner. Eine bemerkenswerte Initiative im christlich-jüdischen Gespräch".

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Textes an dieser Stelle!


© 2010 Copyright beim Autor 
online exklusiv für ONLINE-EXTRA




Online-Extra Nr. 114


Bischöfe treffen Rabbiner

Eine bemerkenswerte Initiative im christlich-jüdischen Gespräch


HUBERT FRANKEMÖLLE

Kann man es schon „Tradition“ nennen, wenn die Repräsentanten der katholischen und evangelischen Bischofskonferenzen in Deutschland (DBK und EKD) sich zum fünften Mal seit 2006 mit Vertretern der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) treffen? Auf jeden Fall ist in den vergangenen Jahren trotz mancher Irritationen ein gutes Fundament gelegt worden, auf dem solide weitergebaut werden kann, auch wenn der Dialog störanfällig bleibt.

Der Impuls zur Initiierung entsprang einer Irritation beim bewegenden Besuch des im April 2005 neugewählten Papstes Benedikt XVI. am 19. August 2005 in der Synagoge in Köln anlässlich des 20. Weltjugendtages. Sie wurden nicht ausgelöst, weil es der erste Besuch des aus Deutschland stammenden Papstes war, ebenso nicht durch die wohlgesetzten Reden, sondern durch die protokollarische Entscheidung, am Ende dem Papst nach verdienstvollen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Köln auch den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, des politischen Organs der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, und den Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Shimon Stein, vorzustellen. Die Vorsitzenden der beiden Rabbinerkonferenzen erhielten nicht diese ehrenvolle Beachtung. Und doch sind sie es, die als Theologen die eigentlichen Gesprächspartner des Papstes sind. Oder wurde der Papst nur als Oberhaupt des Vatikanstaates verstanden? Dass dies möglich sein kann, belegt die Kritik der Bundeskanzlerin am Verhalten des Papstes im Februar 2009, als die Exkommunikation u.a. von Bischof Williamson, einem Holocaust-Leugner, vom Papst aufgehoben wurde. Diese Anmahnung wurde von vielen Katholiken als anmaßende Kritik am Papst als dem Oberhaupt der Katholiken missverstanden. Aber in diesem Fall sprach, wie der Text belegt, ein Staatsoberhaupt zu einem anderen Staatsoberhaupt, was seine Rolle in Köln wohl kaum gewesen sein dürfte, zumal in den Reden nichts darauf hindeutete. Hier sprachen eindeutig Theologen. Das Protokoll entsprach dem nicht. Damit war die spontane Idee zu Treffen von Rabbinern und Bischöfen auf gleicher Augenhöhe geboren, die aber zur Realisierung bestimmter Voraussetzungen bedurfte.


Voraussetzungen für die Treffen

Generelle Voraussetzung war das erneuerte Verhältnis der christlichen Kirchen zu den Juden. Das Jahr 2005 erinnerte an den theologischen „Umkehr“-Text des Zweiten Vatikanischen Konzils aus dem Jahre 1965 zum Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, vor allem zum Judentum, zugleich an den epochemachenden Text der Evangelischen Kirche im Rheinland von 1980 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“. Geplant waren für 2005 etliche Tagungen zum Thema „40 Jahre Nostra aetate – 25 Jahre Rheinischer Beschluss. Zum Stand des christlich-jüdischen Gespräches“. Auch der Deutsche Koordinierungsrat der 83 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit (DKR) plante mit hochrangigen Vertretern eine solche, erhielt aber vom damals neu gewählten Präsidenten der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Walter Kardinal Kasper, eine Absage. Er hielt ab 2004 für den schon schwer erkrankten Papst Johannes Paul II. sozusagen als sein Sprachrohr für die von ihm vertretene neue Israel-Theologie wegweisende Vorträge vor Rabbinern und Bischöfen u.a. in New York und London. Die international im christlich-jüdischen Dialog Engagierten waren sich nicht sicher, ob an der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgegebenen Linie im Vatikan festgehalten würde – wer immer als Papst nachrücken würde. Immerhin war sie seit 40 Jahren durch zahlreiche Veröffentlichungen und Gesten (zu erinnern ist an das Schuldbekenntnis am Ersten Fastensonntag 2000 in St. Peter in Rom und an die bewegende anschließende Reise des Papstes nach Israel) bekräftigt worden. Was lag für den DKR näher, Kardinal Kasper auch nach Deutschland zu einem Vortrag vor den Rabbinern einzuladen? Anfang 2005 wurde ein solches Treffen von Rom begrüßt.

Auch auf jüdischer Seite waren die Voraussetzungen günstig: Im Herbst 2004 konstituierten sich die Allgemeine (mehr liberale) Rabbinerkonferenz und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz als zwei autonome und vollkommen gleichberechtigte Flügel, die jeweils eigene Rabbinatsgerichte organisierten. Somit spiegelten sich in ihnen die Hauptströmungen des Judentums in Deutschland, die sich seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 gebildet hatten. Am 31. März 2005 schlossen beide Konferenzen sich zum gemeinsamen Rabbinatskomitee Deutschland zusammen – mit jeweils drei gewählten Vertretern aus den beiden Richtungen. Angeführt wird es von einem Vorsitzenden, damit man mit einer Stimme sprechen könnte – erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg. Jährlich abwechselnd sollte der Vorsitzende aus den Reihen des Vorstands der ARK oder der ORD kommen. (Die ultraorthodoxen, chassidisch geprägten Lubawitscher Juden mit ihren etwa 30 Rabbinern und Gemeinden in Deutschland beteiligten sich nicht; sie lehnen jeden Dialog mit Christen ab; sie verstehen sich sogar als innerjüdische Missionsbewegung.) Als erster Vorsitzender des Rabbinatskomitees Deutschland gewählt wurde der Vorsitzende der ARK, Dr. Henry G. Brandt, Rabbiner in Augsburg und zugleich langjähriger jüdischer Vorsitzender des DKR. Er ist ein in Deutschland auch bei den Bischöfen wohlbekannter Gesprächspartner im christlich-jüdischen Dialog. Ab 2005 stellte mit Rabbiner Teitelbaum aus Köln die ORD den Vorsitzenden. Seither fand keine neue Wahl statt, was vermutlich nicht nur in der Frage, wer Jude ist, und in der Existenz von Rabbinerinnen in der ARK begründet sein dürfte.

Die Voraussetzungen auf christlicher und jüdischer Seite waren 2004/05 demnach für ein Treffen günstig. Entgegen mancherlei Zweifel wurde es im März 2006 realisiert. Initiiert, vorbereitet und organisiert wurde es vom DKR als Nicht-Kirchen-Organisation (im Vorstand arbeiten seit jeher jüdische, evangelische und katholische Mitglieder gleichberechtigt zusammen). Nur in dieser Konstruktion waren diplomatische Sensibilitäten von Anfang an ausgeklammert (wie: wer lädt ein?, wer darf reden?).


HUBERT FRANKEMÖLLE

Das jüdische Neue Testament und der christliche Glaube.

Grundlagenwissen für den jüdisch-christlichen Dialog




Kohlhammer Verlag
Stuttgart 2009
256 S.
27,00 Euro


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Jesus war Jude, ebenso Paulus - diese für den jüdisch-christlichen Dialog elementare Voraussetzung steht am Ende eines Jahrzehnte langen mühsamen Lernprozesses nach der nationalsozialistischen Zeit und nach der Schoa. Nach wie vor gibt der Glaube an das Handeln des Gottes Israels in Jesus von Nazareth die bleibende Trennlinie zwischen jüdischem und christlichem Glauben an.

Aber nicht jede Glaubensaussage ist vom Ursprung her christlich, wie Christen vielfach meinen. Was meint "Jesus ist Sohn Gottes"? Können die Deutungen des Todes Jesu noch als jüdische Deutungen verstanden werden? Verdrängt der Glaube an Jesus Christus den Glauben an den einen-einzigen Gott? - Für die Besinnung auf das, was christlichen Glauben ausmacht, wie auch für die Reflexion über die Voraussetzungen des jüdisch-christlichen Dialogs bietet dieses Buch das notwendige Grundlagenwissen. 

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Das erste Treffen in Berlin am 9. März 2006

Es wurde von den Medien wie in den Begrüßungsansprachen vielfach als „historisch“ und als „erster, bedeutender Schritt“ im Dialog zwischen Juden und Christen in Deutschland auf höchster Ebene bezeichnet. Immerhin war es das erste Treffen dieser Art nach der NS-Zeit und der Schoa und vermutlich überhaupt in der jahrhundertelangen Geschichte der „Zergegnung“ von Juden und Christen in Deutschland. Die Liste der Teilnehmenden bestätigt den außergewöhnlichen Rang dieses Treffens. Nach dem internen Gespräch, gedacht zum ersten näheren Kennenlernen, waren bei den Vorträgen u.a. versammelt: der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Ender, der Ortsbischof Kardinal Sterzinsky, der Vorsitzende der ORD, Rabbiner Teitelbaum aus Köln, der Vorsitzende der ARK, Rabbiner Brandt aus Augsburg, weitere 22 Rabbinern(innen), die Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Frau Knobloch, der Präsident des Zentralrates der Katholiken (ZdK), Prof. Meyer. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Huber, wie auch der Vorsitzende der DBK, Kardinal Lehmann, sprachen wegweisende Grußworte, begleitet waren sie von Mitbischöfen sowie von hochrangigen Leitern und Mitgliedern der ökumenischen Gremien.

Auf den grundlegenden Vortrag von Kardinal Kasper zum Thema: „Nostra aetate und die Zukunft des jüdisch-katholischen Dialogs“ antwortete ebenso offen der Vorsitzende des Rabbinatskomitees Deutschland, Rabbiner Brandt, mit der „Replik: Brücken über dem Abgrund“. Er zeigte sich vor allem dankbar, dass die Bischöfe die Rabbiner „endlich als präsent und zuständig wahrgenommen“ haben. Aufrichtiger Dialog betont die großen Übereinstimmungen, verschweigt aber die Unterschiede im Glauben nicht. So betonte Kardinal Kasper in aller Klarheit die „bleibende Gültigkeit des Bundes (Gottes) mit dem jüdischen Volk“, verband damit aber sogleich die grundlegende christliche Überzeugung und folgerte daraus: „Hält man an der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi fest, dann stellt sich sofort das äußerst sensible Problem der Judenmission“. Nüchtern stellte er fest: „Wir sind noch weit von einer allgemein befriedigenden Antwort entfernt.“

Bekanntlich geht der Streit bis heute, wie die kritischen Reaktionen auf die Erklärung des Gesprächskreises “Juden und Christen“ beim ZdK „Nein zur Judenmission – Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen“ vom 9.3.2009 belegen. Sie kamen aus dem Vatikan, aber auch von deutschen Bischöfen und von konservativen Katholiken. Wohl selten wurde in deutschen Medien über ein theologisches Thema so kontrovers diskutiert. Worum geht es? In der Presseerklärung der deutschen Bischöfe wird als wichtiger Grund genannt: „Die Stellungnahme ist geeignet, der falschen Auffassung Vorschub zu leisten, als könne der Gesprächskreis autoritativ und mit kirchlicher Verbindlichkeit ein theologisches Thema behandeln, dessen Klärung dem kirchlichen Amt vorbehalten ist.“ Der Text selbst und die Unterschriften von 13 jüdischen Mitgliedern in diesem Gesprächskreis belegen, dass eine solche Lesart nicht angemessen ist. Juden möchten lediglich wissen, was die Rede vom ungekündigten Bund Gottes mit den Juden bei den Christen theologisch gilt. Auf diese Frage steht bis heute eine offizielle Antwort der katholischen Kirche aus. Die Erklärung des Gesprächskreises beim ZdK versteht sich als ein Versuch darauf. Auch für das Selbstverständnis der Kirchen und für ihr Verhältnis zum ersten Teil ihrer mit den Juden gemeinsamen Bibel, Altes Testament genannt, ist dies bis heute eine offene und umstrittene Frage. Die Antwort darauf ist für Juden der Lackmustest des Dialoges.

Dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit ist zu danken, dass Begrüßungen und Vorträge von 2006 wie von allen Folgetreffen mit Fotos und einem Pressespiegel versehen jeweils dokumentiert wurden; sie können auf der Homepage des DKR eingesehen und bestellt werden.

Im Rückblick auf das Berliner Treffen und aufgrund der vielen öffentlichen Zustimmungen konnte im Anschluss geklärt werden, dass ein solches Treffen in der jährlich vom DKR Anfang März veranstalteten „Woche der Brüderlichkeit“ seinen originären Platz hätte und dass interne Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Vorträge für ein größeres Publikum die Treffen strukturieren sollten. So blieb es grundsätzlich bis heute.


Das Treffen im März 2007 in Mannheim

Dass das Erreichte im Dialog nie gesichert, vielmehr immer neu gefährdet ist, belegen die weiteren Treffen, auch wenn die Irritationen unterschiedlicher Art waren. Vom 26.2. bis 4.3. unternahmen die deutschen katholischen Bischöfe eine Pilgerfahrt nach Israel. Unbedachte Äußerungen einiger Bischöfe in Yad Vashem mit einem Vergleich der Mauer und des Sicherheitszaunes zwischen Israel und Palästina mit den Nazi-Ghettos und der Berliner Mauer entfachten nicht nur einen Sturm der Empörung in Israel, sondern u.a. auch in jüdischen Kreisen in Deutschland. Alle sorgfältigen Vorbereitungen zum Treffen der Rabbiner mit den Bischöfen am 12. März schienen hinfällig zu werden. Rabbiner Soussan, Kontaktmann der ORD zu den christlichen Kirchen, sprach, bei der Begrüßung in Mannheim offen aus, „dass viele Vertreter der jüdischen Seite ernsthaft erwogen haben, dem heutigen Treffen fernzubleiben.“ Es ist Kardinal Lehmann als dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zu danken, dass er in den Tagen vor dem Treffen mit deutlichen und einfühlsamen Worten in Israel und nach Rückkehr in Deutschland die Rabbiner für die Fortführung des Gespräches gewinnen konnte. Über sein „Bedauern“ hinaus sagte er in Mannheim: „Ich möchte mich noch einmal entschuldigen für die Verletzungen, die entstanden sind.“ Man sieht: Der Dialog ist nicht selbstverständlich, er wird auf schwankender Brücke geführt.

Im Übrigen bewährte sich die verabredete Struktur (auch nach dem Wechsel im Vorsitz des Rabbinatskomitees im Juni 2006). Für das interne zweistündige Treffen schlugen die orthodoxen Rabbiner als Thema vor, dem von den übrigen Teilnehmern zugestimmt wurde: „Zeugnis und Rechenschaft“, wobei auch an „Judenmission“ gedacht war, wie sie etwa von evangelikalen Kreisen seit Jahren betrieben wurde. Drei Statements führten in die Thematik aus jüdischer, evangelischer und katholischer Sicht ein. Der lebhafte Gedankenaustausch war sachorientiert und vertrauensvoll. Für die jüdischen Teilnehmer war die klare Absage an die Judenmission unabdingbare Voraussetzung für den zukünftigen christlich-jüdischen Dialog; jede „Proselytenmacherei“ habe zu unterbleiben.

In den öffentlichen Vorträgen ging es um „Der Fremde in jüdischer Tradition“ und „Fremdheit und Nähe. Konzepte und Konflikte in neutestamentlicher Zeit“. Alternierend zu 2006 kamen diesmal die Referenten aus der ORD (Rabbiner Soussan aus Düsseldorf) und der EKD (Bischof Dr. Kähler aus Eisenach, stellvertretender Vorsitzender des Rates der EKD). Abgerundet wurde das Treffen mit einem anschließenden Empfang, wo man sich bei  gutem Essen in zahlreichen intensiven Gesprächen offensichtlich näher kam.


WOCHE DER BRÜDERLICHKEIT 2010

"Verlorene Maßstäbe"




Feierliche Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit
am 07. März 2010 in Augsburg

mit Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille an
Daniel Libeskind

Weitere Infos und ausführliches Programm:
Deutscher Koordinierungsrat - Woche der Brüderlichkeit





Höhepunkte der Eröffnungsveranstaltung
im ZDF am Sonntagabend, 7. März 2010, um 23.40 Uhr!




Das Treffen im März 2008 in Düsseldorf

Für die „Woche der Brüderlichkeit“ wie auch für das Treffen der Rabbiner mit Bischöfen kamen die Belastungen und Irritationen diesmal aus dem Vatikan. Konkreter Anlass war die neugefasste Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“ für den außerordentlichen Ritus, eigenhändig verfasst von Papst Benedikt XVI., veröffentlicht am 4. Februar. Bereits im Juli 2007 hatte er den lateinischen Messritus von 1570 als außerordentliche Form der Liturgie wieder zugelassen. Darauf erhob sich bei Juden und Christen, Katholiken nicht ausgenommen, internationale Kritik, die im Februar/März in Empörung umschlug. Man gewann den Eindruck, dass nach dieser Textform Juden nur durch Jesus Christus zum Heil gelangen könnten. Jedenfalls war es für Juden schwer, die Fürbitte anders zu interpretieren, selbst wenn sie eschatologisch, das heißt auf die Zeit am Ende der Welt hin gelesen werde.

Da die Teilnehmer aus der EKD von diesem Konflikt nicht direkt betroffen waren, stimmte man im Vorfeld dem Vorschlag zu, dass zur Klärung der Irritationen ein eigenes Treffen von Vertretern der Rabbinerkonferenzen und der DBK angemessen sei. Es sprach für das gewachsene gegenseitige Vertrauen, dass dieses Treffen, wenn auch erst im September, stattfand und dass im Hinblick darauf dieser ärgerliche Stolperstein das Treffen in Düsseldorf nicht nachweislich belastete. Das Gespräch fand in offener und freundlicher Atmosphäre statt.

Im internen Gespräch wurde – wiederum eingeführt mit drei Kurzreferaten durch den Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Huber, durch den stellvertretenden Vorsitzenden der DBK, Bischof Mussinghoff, und den Vorsitzenden der ARK, Rabbiner Brandt – das Thema „Weitergabe des Glaubens“ besprochen. Das generelle Ergebnis: die didaktischen und katechetischen Probleme ähneln einander sehr. Im öffentlichen Teil sprachen Landesrabbiner Dr. Wolff (ARK) und Bischof Dr. Mussinghoff (DBK) zum Thema „Sabbat und Sonntag“ aus jüdischer und christlicher Sicht.

Im Hinblick auf zukünftige Treffen gab es zwischenzeitlich eine strukturelle Veränderung auf der Basis eines Beschlusses des Kontaktgesprächskreises der DBK und EKD (zum Erstaunen der Rabbiner ohne Rücksprache mit ihnen). Beschlossen wurde die offizielle Anbindung dieses Dialoges auf höchster Ebene an die christlichen Kirchen (auch in der Vorbereitung und in der Einladung) mit dem Ziel und der Gewähr der Verstetigung dieser Treffen im Zweijahresrhythmus. Im Zwischenjahr soll es nur ein Gespräch mit den Rabbinern zu aktuellen und gemeinsam interessierenden Themen geben – mit anschließender Presseerklärung. In Hamburg wurde dieses Konzept erstmals verwirklicht.


Das Treffen am 2. März 2009 in Hamburg

Überschattet war dieses Treffen am Montag der „Woche der Brüderlichkeit“ durch die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft, unter ihnen ein offener Holocaust-Leugner. Diese Entscheidung von Papst Benedikt am 21. Januar 2009 irritierte und löste selbst bei vielen Katholiken blankes Entsetzen aus, da nicht einmal die Begrenztheit bzw. die Reichweite einer „Aufhebung einer Exkommunikation“ medial erklärt wurde. Dass es nur um das Recht zum gültigen Empfang der Sakramente ging, aber nicht um das Recht, diese zu spenden, war nicht klar, ebenso nicht, dass mit dem Erlass nicht die Anerkennung der Bischofsämter in der Piusbruderschaft ausgesprochen wurde. Waren Christen schon irritiert und verärgert, so erst Recht Juden in aller Welt, die in ersten Reaktionen vielfach den Dialog für beendet erklärten. Den klaren kritischen Stellungnahmen katholischerseits, vor allem einiger Bischöfe, u.a. des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, sowie seines Vorgängers, Kardinal Lehmann, und des Vorsitzenden der Unter-kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Mussing-hoff, war es wohl zu verdanken, dass die Konferenz überhaupt stattfand. Es bestätigt sich, dass die vielfachen Treffen auf Kirchen- und Katholikentagen sowie bei der christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier in jedem Jahr in der „Woche der Brüderlichkeit“ einen Grad der persönlichen Vertrautheit erreicht hat, der Konflikte aushalten lässt. So auch Anfang 2009. In aller Klarheit heißt es in der Presserklärung zum Treffen: „Anlässlich der in den letzten Wochen geführten Diskussion um den Umgang der römisch-katholischen Kirche mit der Piusbruderschaft wird gemeinsam festgehalten, dass die Ereignisse und Irritationen das gewachsene Vertrauensverhältnis der Christen und Juden in Deutschland zwar belastet, aber nicht nachhaltig stören konnten. Die kritischen Punkte sind in großer Offenheit und mit hoher Authentizität angesprochen worden, so dass neues Zutrauen zueinander für den gemeinsam zu gestaltenden Weg in die Zukunft gewonnen wurde.“

Diese Fähigkeit, offen miteinander umzugehen, war auch die Basis, das anstehende Thema „Weitergabe des Glaubens“ in Schule und Gesellschaft sowohl politisch wie gesellschaftlich zu konkretisieren in dem gemeinsamen Einsatz für eine religiöse Erziehung in der Schule und in der Bekämpfung von Antijudaismus, Antisemitismus und Antizionismus. Unter den hochrangigen Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Rates der der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie den zahlreichen Vertretern der Allgemeinen und Orthodoxen Rabbinerkonferenzen stimmte man einmütig dem Grundsatz „Glauben tradieren durch glaubhaftes Auftreten“ zu.


Vor dem fünften Treffen am 8. März in Augsburg

Gemäß der neuen Struktur laden die Deutsche Bischofskonferenz (DBK), der Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), die Allgemeine Rabbi-nerkonferenz (ARK) und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Koordinierungsrat (DKR) der 83 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit zum fünften Begegnungstreffen ein. Es findet am Montag der „Woche der Brüderlichkeit“ in Augsburg statt. Im internen Treffen will man über das Thema „Anfang und Unversehrtheit des Lebens. Aktuelle medizinethische Fragen aus dem Bereich der Stammzellforschung und der Organspenden“ diskutieren. Öffentliche Vorträge zum Thema „Verlorene Maßstäbe. Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise“ werden gehalten vom stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider, und Rabbiner Jaron Engelmayer, Vorstandsmitglied der ORD.

Es bleibt zu hoffen, dass die fast schon üblich zu nennenden „Nachtfröste“ nicht die in Deutschland immer noch zarte Pflanze des christlich-jüdischen Dialoges zu Beginn des Jahres 2010 erneut zusetzen oder beschädigen. Sollte der Anerkennung des „heroischen Tugendgrades“ von Pius XII., der am 19. Dezember per Dekret von Papst Benedikt XVI. festgestellt wurde, die feierlich verkündete Heiligsprechung folgen (es fehlt nur noch ein auf seine unmittelbare Fürsprache gewirktes Wunder), würden kaum vernarbte Wunden erneut aufgerissen und das sensible Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu den Juden, ihren „älteren Brüdern“ erneut schwer belastet. Was mutet der „Vatikan“ Überlebenden der Schoa noch zu? Warum hat die Kirche nicht den langen Atem, die Vatikanischen Archive über die Zeit des Zweiten Weltkrieges und über das Verhalten Pius XII. aufarbeiten zu lassen? Für die Zukunft des christlich-jüdischen Dialoges ist dies eine unabdingbare Voraussetzung.


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Der Autor

HUBERT FRANKEMÖLLE

Prof. em. Dr. theol.; katholischer Neutestamentler (1969-1979 in Münster, 1979-2004 in Paderborn). Seit 2000 im Bundesvorstand des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit; seit 1997 Mitglied im Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), seit 2007 Mitglied der „Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ der Deutschen Bischofskonferenz. Zahlreiche Veröffentlichungen auch zu jüdisch-christlichen Themen.  


Kontakt zum Autor über:
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