„Gästebuch des jüdischen Bankiers Oscar Wassermann“
Rezension von Gabriel Berger
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„Gästebuch des jüdischen Bankiers Oscar Wassermann“
© Gabriel Berger
Denn als sie darin blätterte, erkannte sie mit einiger Mühe neben Kalenderdaten im Bereich zwischen 1926 und 1931 Unterschriften berühmter Wissenschaftler, darunter von Albert Einstein und Fritz Haber, von zionistischen und religiösen Persönlichkeiten, Größen der Wirtschaft, Politik und des gesellschaftlichen Lebens. Sie ahnte, dass auf den 144 Seiten des Gästebuchs zahlreiche Unterschriften von Persönlichkeiten zu finden sein würden, die in ihrer Zeit bekannt und einflussreich gewesen sind. Das Gästebuch wurde anonym von einem Sammler aus Venezuela zum Kauf ange-boten. Nea Weissberg beauftragte den Historiker Sebastian Panwitz, den Hintergrund des Gästebuchs zu ergründen, sowie die Identitäten der Personen zu rekonstruieren, die sich in das Buch eingetragen hatten.
Sebastian Panwitz gelang es herauszufinden, dass es sich um das Gästebuch des jüdischen Bankiers Oscar Wassermann handelt, der von 1923 bis 1933 in Berlin Vorstandssprecher der Deutschen Bank gewesen ist. 1926 bis 1931 betrieb er mit seiner in der Musik- und Kunstwelt sehr bewanderten Frau Käthe in seiner Villa in Berlin Tiergarten einen Salon, dessen Kulturveranstaltungen von gewichtigen Persönlichkeiten Berlins und darüber hinaus Deutschlands, sowie von herausragenden Adligen und ausländischen Diplomaten rege besucht wurden.
In akribischer Feinarbeit entzifferte Sebastian Panwitz die meisten Unterschriften der Gäste des Salons, fand Fotografien und Lebensläufe vieler identifizierter Personen. Und er rekonstruierte das Leben Oscar Wassermanns, der neben seiner erfolgreichen beruflichen Tätigkeit als Bankier eine herausragende Persönlichkeit im jüdischen Leben Berlins gewesen ist und sich sehr engagiert für das Projekt der Ansiedlung von Juden in Palästina einsetzte.
Das Buch „Gästebuch des jüdischen Bankiers Oscar Wassermann“ ist das Ergebnis der Recherchen von Sebastian Panwitz. Einen besonderen Stellenwert hat in dem Buch, neben der Beschreibung des Lebens sowie der familiären und beruflichen Situation von Oscar Wassermann, sein sowie seiner Verwandten und Nachkommen Schicksal im von Nationalsozialisten beherrschten Deutschland, wo alle Spuren jüdischen Lebens weitgehend getilgt wurden und so auch die Verdienste der Juden für ihre deutsche Heimat für alle Ewigkeit in Vergessenheit geraten sollten. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Oscar Wasserman aus der Deutschen Bank herausgedrängt. Gedemütigt und um seine Lebensleistung gebracht starb er 1934 in Berlin. Seinen beiden Töchtern, sowie den meisten seiner näheren und ferneren Verwandten gelang es, beizeiten Deutschland zu verlassen. Sie emigrierten in die USA, nach Großbritannien, in die Schweiz und nach Südafrika. Der größte Teil des Dokumenten- und Briefnachlasses von Oscar Wassermann ging verloren. Nur wenige Stücke, darunter das Gästebuch, überdauerten, möglicherweise in Obhut der zweiten Ehefrau von Oscar Wassermann Käthe, die ihre für den Ehemann erfolgte Konversion zum Judentum zurücknahm und als evangelische Christin ohne Verfolgung das 3. Reich überleben konnte. Auf ungeklärtem Weg gelangte das Gästebuch nach Venezuela.
Es ist ein Verdienst des von Nea Weissberg herausgegebenen und unter maßgeblicher Mitarbeit von Sebastian Panwitz erstellten Buches, mit der Vorstellung der Lebensleistung und gesellschaftlichen Stellung Oscar Wassermanns an die große Zeit der Juden in Deutschland vor deren Vertreibung und Ermordung durch die Nationalsozialisten zu erinnern. Die bibliophile Aufmachung des Buches verschafft den Lesern darüber hinaus einen ästhetischen Genuss.
Gästebuch des jüdischen Bankiers Oscar Wassermann,
Vorstandssprecher der Deutschen Bank 1923-1933
Herausgeberin: Nea Weissberg
Lichtig Verlag
Berlin 2023
144 S.
Euro 30,-
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