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Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Deutscher Koordinierungsrat

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Koordinierungsrat





ONLINE-EXTRA Nr. 73

Mai 2008

Am Mittwoch-Abend begann in Osnabrück der deutsche Katholikentag. Überschattet ist er durch die Absage prominenter Juden (u.a. Rabbiner Walter Homolka, Micha Brumlik), die damit ein Zeichen gegen die veränderte Karfrteitagsfürbitte des Vatikans setzen wollen. Weltweit sorgte die Neuformulierung in jüdischen Kreisen wie auch in christlich-jüdischen Dialogorganisationen für heftige Proteste, weckte sie doch ernsthafte Sorgen um eine Neubelebung katholischer Missionsbestrebungen gegenüber den Juden. Für den jüdischen Publizisten Günther B. Ginzel aus Köln ist die Fürbitte «ein Liebesdienst an antijüdische reaktionäre Kreise in der katholischen Kirche». Und der jüdische Historiker Michael Wolffsohn hält die Karfreitagsfürbitte gar für den «grössten theologischen Rückschritt in Bezug auf das Judentum seit 1945».

Mit dem vor wenigen Tagen im Herder-Verlag erschienen Buch „… damit sie Jesus Christus erkennen“ (ausführliche Infos weiter unten) unterziehen die Herausgeber Walter Homolka, Rabbiner und Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, und Erich Zenger, emeritierter Professor für Exegese des Alten Testaments an der Universität Münster, die umstrittene Fürbitte einer ausführlichen Analyse. So stellen sie beispielsweise die Endwicklung dieser Fürbitte vom Jahr 1570 bis in die Gegenwart dar. Der Band versammelt die vielgestaltigen Reaktionen aus jüdischer und katholischer Perspektive, zeigt theologische Hintergründe auf und liefert Perspektiven für das katholisch-jüdische Gespräch.

COMPASS präsentiert Ihnen im vorliegenden ONLINE-EXTRA Nr. 73 zwei Originalbeiträge aus dem Buch: Zum einen die Stellungnahme von Micha Brumlik, seit vielen Jahren im christlich-jüdischen Gespräch engagiert und einer jener jüdischen Persönlichkeiten, die aus Protest ihre Teilnahme am Katholikentag absagten. Und zum anderen die Analyse des katholischen Theologen Heinz-Günther Schöttler, Mitglied im Gesprächskreis Juden und Christen beim Zentralkommitee der deutschen Katholiken (ZdK).

COMPASS dankt den Herausgebern, den Autoren und dem Verlag für die Genehmigung zur Wiedergabe der Beiträge an dieser Stelle!



© 2008 Copyright bei Autoren und Verlag 
online exklusiv für ONLINE-EXTRA


Im Wortlaut: Der umstrittene Text

Neufassung der Fürbitte für den „älteren Usus“ durch Benedikt XVI. vom 6. Februar 2008

Für die Juden

Lasst uns beten auch für die Juden, dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Heiland aller Menschen erkennen.

Lasset uns beten. Beuget die Knie. Erhebet euch.

Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass, indem die Heidenvölker in Deine Kirche eintreten, ganz Israel gerettet werde. Durch Christus unseren Herrn.

Amen

(Wortlaut in: Radio Vatican Newsletter 5. 2. 2008;
Übersetzung: Josef Wohlmuth)


Online-Extra Nr. 73


Zur Rationalität der erneuerten, lateinischen Karfreitagsliturgie

MICHA BRUMLIK


Mit dem Beitrag von Kardinal Kasper in der FAZ vom 20. März 2008, er ist in ganzer Länge im Beitrag von E. Füllerbach dokumentiert, hat sich die katholische Kirche in der Frage der erneuerten lateinischen Karfreitagsliturgie ehrlich gemacht. Jetzt ist offi ziell bestätigt, was zuvor hinter einem Wust halbherziger Dementis, relativierender Kommentare und nebulöser Hinweise verborgen war: jetzt ist amtlich, dass die von Benedikt XVI. verfügte Liturgie tatsächlich die Juden zur Menschengruppe mit verfinstertem Herzen erklärt.

Der Kardinal hat es zudem gewagt, die nicht einmal besonders harschen Reaktionen von Rabbinern, hohen jüdischen Laien und Intellektuellen gönnerhaft als „weithin nicht rational, sondern emotional begründet“ zu bezeichnen und gleichwohl angefügt, dass dabei nicht Überempfindlichkeiten, sondern eine berechtigte Reaktion angesichts der Geschichte des christlichen Antijudaismus bis hin zum Holocaust am Werk sei.

Wer anderen einen Mangel an Rationalität vorhält, verpflichtet sich seinerseits, rational zu handeln und das heißt zunächst, für das eigene Handeln (in diesem Fall des Handeln der katholischen Kirche) nachvollziehbare und in der Sache überzeugende Gründe anzugeben.

Welches waren also – nach den gewiß bevollmächtigten Aussagen des Kardinals – die Gründe für Benedikt XVI., folgenden Text zu autorisieren: „Laßt uns auch beten für die Juden. Daß unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland der Menschen.“

Kasper nennt folgende Argumente:

1. Sei diese Bitte im Ganzen des Neuen Testaments begründet und spreche nur aus, „was schon bisher als selbstverständlich vorausgesetzt, aber offensichtlich nicht hinreichend thematisiert wurde.“

2. Sei Die Bitte selbst kein Aufruf zur (aktiven) Judenmission, was aber noch keine Klärung in der theologischen Sache darstelle. Theologisch aber gelte mit dem Apostel Paulus:

3. „Gott hat aber den Großteil seines Volkes mit Ausnahme eines heiligen Rests wegen dessen Unglauben verstockt. Die Verstockung der Juden gereicht den Heiden zum Heil … Wenn die Fülle der Heiden in das Heil eingeht, wird ganz Israel gerettet werden.“

4. Das Eintreten aller Völker in die Kirche werde schlussendlich den Juden zum Heil gereichen und „für die Welt den eschatologischen Frieden“ heraufführen.

5. Israel bleibe also deswegen – nach Paulus – Träger der Verheißung des Heils und des Segens, weil die Kirche durch Gottes Wille die Heiden zum christlichen Glauben bekehrt.

Diesen Argumenten lässt sich folgendes entgegnen: Ad 1. Tatsächlich wurde durch das Zweite Vaticanum sowie die von Paul VI. neu formulierte, Juden nicht mehr als defizitär bezeichnende Karfreitagsbitte im normalen Ritus sowie vor allem durch die Aktivitäten vor Johannes Paul II. der begründete Anschein erweckt, als sei die Kirche auch von sublimierten Formen des Antijudaismus abgerückt. Dieses so wahrgenommen und verstanden zu haben, lag durchaus nahe, weshalb eine deutliche Reaktion auf eine enttäuschte, durch das Handeln von Kirche und Päpsten über Jahrzehnte anders gehandhabte Praxis keineswegs „irrational“ ist. Irrational wäre es vielmehr gewesen, hätten Juden die Änderung umstandslos und achselzuckend akzeptiert: „So sind sie eben!“ Schließlich kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass ohne die wesentlichen Änderungen seit dem Zweiten Vaticanum der Dialog niemals so weit gediehen wäre, wie geschehen und z. B. in der Erklärung „Dabru Emet“ dokumentiert. Kaspers Bewertung jüdischer Reaktionen ist daher selbst irrational, weil sie den sachlichen Kern einer getäuschten Erwartung nicht wahr- und schon gar nicht ernst nimmt. Zudem dementiert die kürzlich erfolgte Erklärung des Vatikans, die erneuerte Fürbitte sei nicht gegen die Juden gerichtet und stelle keinen Rückfall hinter „Nostra aetate“ dar, eben diesen Vorwurf des Irrationalismus – um den Preis, dass die Haltung des Vatikans nunmehr regelrecht schizophren wirkt.

Ad 2. Hier ist dem Kardinal zunächst zuzustimmen – jedenfalls dann, wenn man sich unter „Mission“ das Verteilen von Wohltaten, das unfaire und aggressive Zugehen auf religiös ungebildete jüdische Immigranten etwa aus den GUS Staaten sowie das Drucken und Verteilen von Traktätchen vorstellt. Tatsächlich missioniert die katholische Kirche nicht in dieser Weise, will jedoch mit der erneuerten lateinischen Karfreitagsliturgie missionieren lassen: nämlich Gott selbst. Entgegen dem Vertrauen auf Gottes Allmacht am Ende der Tage, an dem er sich den Menschen so zeigen wird, wie er es will, bittet ihn die katholische Kirche schon heute darum, zum wenn geistig-geistlichen Judenmissionar zu werden. Das ist jedoch – wenn auch mit etwas taktvolleren Mitteln – nichts anderes als ein Aufruf zur Mission.

Ad 3. Tatsächlich ist im neutestamentlichen Text – anders als Kasper das unterstellt – nichts davon zu lesen, dass Gott einen „Großteil seines Volkes“ verstockt habe. („Gott hat aber den Großteil seines Volkes mit Ausnahme eines heiligen Rests wegen dessen Unglauben verstockt“ so Kasper. Vielmehr schreibt Paulus in Rö 11,25 von einem „Teil Israels“ – eine Größe, die er keineswegs beziffert oder gar prozentuiert hat. Im griechischen Text des NT lesen wir „apo merous“. Und dabei ist noch nicht einmal klar, ob für Paulus die Verstockung in der Weigerung der meisten damaligen Juden bestand, den nach seinem Glauben auferweckten Kyrios als Moschiach – denn nur darum geht es – anzuerkennen, oder ob es um etwas geht etwa mangelnde Treue zur Tora.

Ad 4. Gewiss schreibt Paulus in Röm 11,31, dass ein Teil der Juden Gottes Erbarmung der paganen Jesusanhänger wegen ungehorsam geworden sei, indes: Paulus war bekanntlich ein okkasionaler Autor und es ist durchaus denkbar, dass sich dieses Sendschreiben lediglich auf eine jesusgläubige Gemeinde in Rom und deren interne Streitigkeiten zwischen Juden und Jesusanhängern aus den Völkern bezieht, nicht aber auf die grundsätzliche Beziehung zwischen Juden und paganen Jesusgläubigen.



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Walter Homolka / Erich Zenger (Hg.):
"... damit sie Jesus Christus erkennen"
Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden





WALTER HOMOLKA/ERICH ZENGER (Hg.):

"... damit sie Jesus Christus erkennen"
Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden


Herder Verlag
Freiburg 2008
224 S.
11,95 Euro



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Der Katholikentag hat noch nicht begonnen und doch meldeten in den letzten Wochen die Agenturen bereits, dass einige Juden ihre Teilnahme abgesagt hätten. Der Grund war die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden im außerordentlichen Ritus, die als Bitte zur Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus verstanden wurde.


Mit dem Buch „… damit sie Jesus Christus erkennen“ in der Reihe „Theologie kontrovers“ unterziehen die Herausgeber Walter Homolka, Rabbiner und Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, und Erich Zenger, emeritierter Professor für Exegese des Alten Testaments an der Universität Münster, die Fürbitte einer ausführlichen Analyse. So stellen sie beispielsweise die Endwicklung dieser Fürbitte vom Jahr 1570 bis in die Gegenwart dar. Der Band versammelt die vielgestaltigen Reaktionen aus jüdischer und katholischer Perspektive, zeigt theologische Hintergründe auf und liefert Perspektiven für das katholisch-jüdische Gespräch.

(vollständiges Inhaltsverzeichnis)



Mit Sicht auf die Juden insgesamt jedoch konstatiert Paulus (Röm 11,28) unmissverständlich: „Im Hinblick auf das Evangelium sind sie allerdings Feinde um euretwillen, im Hinblick auf die Erwählung aber sind sie Lieblinge um der Väter willen. Denn unbereubar sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes.“ Damit können nun allerdings nur alle Juden gemeint sein, da nur sie alle und ausnahmslos in der Folge der Väter stehen.

Dies ist theologisch entscheidend und die jetzt von katholischer Kirche, Papst und Kardinal vorgenommene Umdeutung, dass Gottes unbereubare Gnade von einer Kondition, nämlich von der Missionierung der Heiden abhängt, findet im Text schlicht keine Basis. Dort steht lediglich, dass zu dem Zeitpunkt, da die Vollzahl der Heiden über den Glauben an den Kyrios Jesus zum Gott Israels gekommen sein wird, Israel gerettet werden wird: einfach deshalb, weil dann, wenn alle zu Juden geworden sind, es auch keine Judenfeindschaft mehr geben wird.

Noch immer wird übrigens in diesem Zusammenhang fälschlich davon ausgegangen, dass Paulus zum Christentum oder gar zum Katholizismus missionieren wollte – tatsächlich wollte er lediglich ein universales Judentum mit einer eigenen, sehr speziellen Messiaslehre verbreiten. Was jedoch im Unterschied dazu das spezielle Verhältnis zwischen Gott und Israel betrifft, reicht es voll und ganz, so darf man den Apostel verstehen, Gott zu vertrauen – nichts anderes war der Sinn der Karfreitagsformulierung von Paul VI.

Aber sogar in dieser Frage bleibt Paulus, durch die hellenistische Popularphilosophie gewitzt, vorsichtig und skeptisch: In Röm 11, 33 folgende beschwört er nicht umsonst die Unerforschlichkeit von Gottes Wegen : „Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm zuerst gegeben, dass er es ihm vergelten müsste…? Mit diesen Aussagen relativiert Paulus sein eigenes eschatologisches Hoffen: als dogmatischen, fest gefügten Besitz jedenfalls können seiner Meinung nach derartige Spekulationen nicht gelten. Im Anspruch, über fest gefügtes Wissen zum Eschaton zu verfügen, geht die katholische Kirche weit über Paulus hinaus und kann sich also nicht mit guten Gründen – rational – auf ihn berufen.

Ad 5. Aus alledem folgt, dass es, wie schon Kasper selbst bestätigt hat, für die Kirche als Institution keinen göttlichen Missionsauftrag hinsichtlich der Juden gibt. Nicht rational und schlicht unlogisch ist daher Kaspers Einlassung, dass die Verwirklichung dieser Hoffnung nicht in der Vollmacht der Kirche, sondern ganz in Gottes Händen liege, die Christen aber die Hände gleichwohl nicht in den Schoß legen sollen: „Selbstverständlich müssen Christen ihren „älteren Brüdern und Schwestern im Glauben Abrahams (Johannes Paul II.) dort, wo es angebracht ist, Zeugnis geben von ihrem Glauben und von dem Reichtum und der Schönheit ihres Glaubens an Jesus Christus“.

Eine rationale Argumentation erfordert wiederum eine begründete Antwort auf die Frage, warum Christen das nicht etwa nur tun sollen, sondern – so Kasper – „müssen“, das heißt einem wie auch immer begründeten Zwang folgen. Hier bricht ein weiterer Widerspruch auf: wenn es nach Paulus so ist, dass die Rettung der Juden ohnehin bei Gott und nur bei Gott liegt, ist es schlicht überflüssig, sinnlos und ein weiteres Mal nicht rational, den Juden von dem Zeugnis abzulegen, was sie entweder – weil verstockt – nicht fassen können oder – nach Maßgabe von Gottes Treue – auch gar nicht fassen müssen.

Für dies irrationale Verhalten der katholischen Kirche lässt sich immerhin eine psychologische Erklärung geben, derart, dass einem (hier der Kirche), des das Herz voll ist, der Mund übergeht, womit wir es bei dieser Karfreitagsliturgie – wüssten wir nichts von der grausamen Geschichte katholischer Judenfeindschaft und ihrer nachwirkend antisemitischen Kraft – mit einer Form harm- und belanglosen theologischen Geplappers zu tun hätten.

Am Ende stellt der Kardinal fest, dass er auch von jüdischen Freunden redlicherweise erwartet, dass sie von ihrem Glauben Zeugnis und damit von ihren Gründen, Jesus von Nazareth weder als Messias noch als Sohn Gottes (und damit als Gott) anzuerkennen, Zeugnis ablegen. Das kann der Kardinal gerne haben – ein Blick in die Tageszeitung reicht im Allgemeinen durchaus zu, um die Unerlöstheit der Welt zu dokumentieren. Über die inneren Widersprüchlichkeiten der Trinitätstheologie wissen die Kirchen selbst gut genug Bescheid.

Im Hinblick auf die katholische Kirche im Speziellen jedoch, die als Institution mit ihrem Glauben doch so identisch war und ist, dass die schlichte, apologetische Unterscheidung zwischen Bekenntnissen hier und Herrschaftsapparat dort noch überzeugen würde, reicht ein Blick in die mindestens strittige und auf keinen Fall glaubensfeste Haltung der Kirche in den Jahren zwischen dem Ende des Ersten und des Zweiten Weltkriegs durchaus zu. Man muss gar nicht erst eine aktive Beteiligung am Holocaust (die es in Kroatien und der Slowakei durchaus gab) unterstellen, um wahrzunehmen, dass sich die katholische Kirche einschließlich des Vatikans in der Zeit des Zeit des Zweiten Weltkriegs gegenüber den Juden genau so verhalten hat wie Petrus nach der Verhaftung Jesu: Dreimal krähte der Hahn!

Sogar in Kardinal Kaspers Beitrag zeichnet sich noch der kirchliche Triumphalismus mit samt seinen Enteignungstendenzen im Hinblick auf das Judentum ab, wenn er etwa behauptet, dass die neue Karfreitagsliturgie lediglich die im „Vater unser“ artikulierte Bitte „Dein Reich komme“ wiederhole. Das „Vater unser“ war das Gebet eines gläubigen jüdischen Mannes, Jesus aus Nazareth, der den Gott Israels mit Sicherheit nicht darum gebeten hat, seine jüdischen Mitschwestern und -brüder dazu zu bringen, ihn, Jesus von Nazareth, als Heiland anzuerkennen. Wohl aber wusste Jesus, warum er betete: „Und führe uns nicht in Versuchung“! Wozu? Mit Paulus könnte man sagen, mehr Wissen zu beanspruchen, als Menschen haben können: nämlich wie es im Eschaton sein wird. Spekulationen sind gleichwohl erlaubt, etwa so:

Es war Franz Rosenzweig, der auf den Spuren des Kirchenvaters Marcell von Ankyra die Spekulation gewagt hat, dass am Ende der Tage Jesus aufhören wird, der Christus und Israel, erwählt zu sein. Am 1. 11. 1913 schrieb er seinem Cousin Rudolf Ehernberg: „Das Volk Israel, erwählt von seinem Vater, blickt starr über Welt und Geschichte hinüber auf jenen letzten, fernsten Punkt, wo dieser sein Vater, dieser selbe, der Eine und Einzige – „Alles in Allem“!- sein wird. An diesem Punkt, wo Christus aufhört, der Herr zu sein, hört Israel auf, erwählt zu sein; an diesem Tage verliert Gott den Namen, mit dem ihn allein Israel anruft; Gott ist dann nicht mehr sein Gott.“

Und Marcell hat im vierten Jahrhundert spekuliert, dass im Eschaton der fleischgewordene Logos die Königsherrschaft dem Gott und Vater übergeben und damit seine Fleischlichkeit abstreifen wird. Kurz: Auch am Ende der Zeiten gibt es für Juden nichts zu erkennen, was sie nicht heute schon wüssten.



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Von Heilswegen und Holzwegen
Die Karfreitagsfürbitten für die Juden und ihre Theologien


HEINZ-GÜNTHER SCHÖTTLER


Die Karfreitagsfürbitte, die seit dem frühen Mittelalter (Ende 7. Jh.) bis 1962 für die treulosen/ungläubigen Juden [perfidis Iudaeis] betete, hat eine lange, bittere Wirkungsgeschichte. Das ‚fromme‘ Gebet war eine Herabsetzung des jüdischen Glaubens, insofern es die Juden als ungläubig/treulos (perfidus), als verblendet und verstockt bezeichnete. Die Folge waren seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert schlimme Demütigungen und gefährliche Ausschreitungen gegen die Juden nach dem Karfreitagsgottesdienst. In der Streichung des „perfidus“ durch Papst Johannes XXIII. kündigte sich bereits der – wenn auch späte und im Blick auf die Schoa zu späte! – grundstürzenden Wandel im Verhältnis des Christentums zum Judentum an, ein Wandel, der auf dem Konzil nicht zuletzt durch das beharrliche Bemühen von Johannes XXIII. mit dem Dekret „Nostra aetate“ (Kap. 4) endgültig vollzogen wurde.1 Dieser Wandel hat in der grundlegenden Neufassung der Karfreitagsfürbitte für die Juden im Missale Romanum durch Papst Paul VI. im Jahre 1970 seinen gültigen und nach dem theologischen Axiom „lex orandi – lex credendi“ für den Glauben der Kirche normativen Ausdruck gefunden, ist doch die Liturgie der Ort gelebten Glaubens und Quelle theologischer Erkenntnis (vgl. SC 10; LG 11). „Das Gesetz des Betens (lex orandi) der Kirche entspricht ihrem Gesetz des Glaubens (lex credendi)“, heißt es denn auch programmatisch im zweiten Abschnitt des Motu proprio „Summorum Pontificum“ vom 7. Juli 2007, mit dem Benedikt XVI. die so genannte Tridentinische Messe nach der letzten Ausgabe des Missale Romanum von 1962 als außerordentliche Form (forma extraordinaria) wieder zugelassen hat.

Es geht um die Identität der Kirche selbst

Die Karfreitagsfürbitte für die Juden ist von weittragender hermeneutischer Relevanz. Bei ihr handelt es sich nicht um eine ‚liturgische Kleinigkeit‘, sondern um eine zentrale theologische Äußerung der Kirche über sich selbst. Es geht hier um Wesentliches: nicht in erster Linie, weil die textliche Fassung der Fürbitte bis 1962 in ihrer jahrhundertelangen Wirkungsgeschichte nicht unbeträchtlich zur Judenverfolgung durch Christen und Kirche beigetragen hat; das macht die ganze Angelegenheit nur umso problematischer. Es geht um Wesentliches, insofern die Kirche sich nur dann angemessen selbst versteht, wenn sie ihre Verbindung mit den Juden sieht, „dem Gottesvolk des von Gott nie gekündigten Alten Bundes“ (Papst Johannes Paul II.2; vgl. Röm 11,29), und wenn die Kirche diese Beziehung in angemessener Weise artikuliert. „Bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Heilige Synode des Bandes, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist“, so beginnt das 4. Kapitel von „Nostra aetate“. 1986 sagte Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch der Großen Synagoge in Rom, diesen Einleitungssatz von „Nostra aetate 4 aufgreifend, zur christlichen Identität,


 „dass die Kirche Christi ihre ‚Bindung‘ zum Judentum entdeckt, indem sie sich auf ihr eigenes Geheimnis besinnt. Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ‚Äußerliches‘, sondern gehört in gewisser Weise zum ‚Inneren‘ unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder.“3


Derselbe Papst hat diese ekklesiologische Bedeutung am 12. März 1979 in einer Ansprache an leitende Persönlichkeiten jüdischer Organisationen programmatisch so formuliert:


 „Das Konzil begriff also, dass unsere beiden Religionsgemeinschaften auf der Ebene ihrer je eigenen religiösen Identität eng und beziehungsvoll miteinander verbunden sind.“4


Sich dieser inneren, mit der Beziehung zu keiner anderen Religion verwechselbaren Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum zu erinnern und aus ihr zu leben, gehört zur Identität des Christentums selbst!

Eine nachhaltige Störung des christlich-jüdischen Dialogs

Bereits im Vorfeld der Wiederzulassung des Missale von 1962 war vor einer nachhaltigen Störung des christlich-jüdischen Dialogs gewarnt worden, besonders vom Gesprächskreis „Christen und Juden“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken in seiner Erklärung vom 4. April 2007.5 Die deutsche Bischofskonferenz, insbesondere ihr damaliger Vorsitzender Karl Kardinal Lehmann, hatten sich beim Papst vehement dafür eingesetzt, die alte, mit der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils absolut nicht vereinbare tridentinische Fürbitte durch die der Neufassung im Missale Romanum von 1970 bzw. im Deutschen Messbuch von 1975 auszutauschen. Der Papst hat dieser eindringlichen Bitte nicht entsprochen, sondern am 4. Februar 2008 eine Neuformulierung für die außerordentliche Form der Liturgie veröffentlicht. Benedikt XVI. hat diese Fürbitte höchstselbst formuliert, ohne den Präsidenten der Kommission für die religiösen Beziehungen mit den Juden, Kurienkardinal Walter Kasper, geschweige denn Juden zu konsultieren.

Es ist und bleibt höchst erklärungsbedürftig, warum für den außerordentlichen Ritus nicht die vorliegende Karfreitagsfürbitte des Missale Romanum von 1970 genommen wurde, die im ordentlichen Ritus gebetet wird. Der Grund liegt auf der Hand. Die Theologie der „nachkonziliaren“ Fürbitte und wesentliche Aspekte der biblischen Rekonstruktion des Verhältnisses zum Judentum in den vergangenen vier Jahrzehnten nach dem Konzil sollen revidiert werden. In einem Brief vom 13. Februar 2008 an Rabbiner David Rosen, den Präsidenten des Internationalen Jüdischen Komitees für den interreligiösen Dialog (IJCIC), nennt Kardinal Kasper in entlarvender Offenheit die päpstliche Intention der Neuformulierung:


 „Bei der Neuformulierung des Gebets der jetzt außerordentlichen Liturgie wollte der Papst Formulierungen vermeiden, die von vielen Juden als beleidigend wahrgenommen würden, er wollte aber gleichzeitig auf der Linie der inneren sprachlichen und stilistischen Struktur dieser Liturgie bleiben.“ (Übers.: HGS)6


Die Fürbitte sollte also rhetorisch judenfreundlicher ausfallen, ansonsten aber sprachlich und formal dem Missale Romanum von 1962 entsprechen. Insofern aber auch die Neuformulierung von 1970/75 sich formal voll in der liturgischen Struktur der „klassischen“ Karfeitagsfürbitten bewegt, kann die Aussage von Kardinal Kasper nur eines bedeuten: Die Neuformulierung von 2008 soll sich in den Grenzen der Theologie des vorkonziliaren Missale bewegen, also die substantielle Weiterentwicklung der Israeltheologie durch das Konzil und seither zurücknehmen, wie denn unter dem Axiom „lex orandi – lex credendi“ die Wiederzulassung der Tridentinischen Messe überhaupt eine Rückkehr zu vorkonziliaren theologischen Paradigmen (Kirchenbild, Gottesbild, Messopfertheologie etc.) bedeutet.

Ein Vergleich der drei Fürbitten (1962, 1970/75, 2008)

Aufs erste Lesen täuscht vor dem Hintergrund der vorkonziliaren Fassung der judenfreundliche Eindruck, den die neue Fürbitte macht. Man darf sich von dieser rhetorischen ‚Meisterleistung‘, die die ‚alte‘ Theologie jetzt nur in judenfreundlicher Sprache ausdrückt und an entscheidender Stelle vorgibt, in biblischer Sprache zu sprechen, nicht täuschen lassen!

Für die theologische Beurteilung der neuen Fürbitte ist die vorkonziliare Karfreitagsfürbitte in der Fassung von 1962 als Bezugspunkt zu nehmen; ihr theologischer Maßstab aber muss die Neuformulierung von 1970/75 und die seit „Nostra aetate“ besonders von Papst Johannes Paul II. substantiell weiterentwickelte Israeltheologie der Katholischen Kirche7 sein. Schauen wir uns also die Neuformulierung nun genauer an und vergleichen wir sie mit den Fassungen von 1962 und 1970/75.

Sprach die vorkonziliare Fassung von den verschleierten, das heißt verblendeten, verstockten Herzen der Juden, so sagt die neue Fassung, indem sie von der Erleuchtung ihrer Herzen spricht, inhaltlich dasselbe, mit teilweise gleichen Worten, nur eben rhetorisch freundlicher formuliert. Diejenigen, um deren Erleuchtung gebetet wird, werden damit indirekt als verblendet angesehen. Hier ist an ein Papst Johannes XXIII. zugeschriebenes Gebet zu erinnern, indem es unter anderem heißt:


 „Wir erkennen nun, dass viele, viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen bedeckt haben, so dass wir die Schönheit deines erwählten Volkes nicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unseres erstgeborenen Bruders wiedererkennen. Wir erkennen, dass das Kainszeichen auf unserer Stirn steht…“


Ist die Fassung der Fürbitte von 1962 von einer tiefen Verachtung des jüdischen Glaubens geprägt, so sticht die Fassung von 1970/1975 gerade dadurch heraus, dass sie eine einzige Wertschätzung der Würde Israels bezeugt, wovon Benedikts Fürbitte nichts ‚weiß‘, im Gegenteil: Gleich zu Beginn, genau an der Stelle, wo die Fürbitte von 1970 die „Israelitica dignitas“ (Liturgie der Osternacht)8 beschreibt, insinuiert Benedikt eine Konversion der Juden zu Jesus Christus als Bedingung zu ihrem Heil und legt damit auf subtile Weise indirekt wieder den Gedanken an Judenmission nahe. Dass es der Neufassung der Fürbitte dezidiert um die Erlösung der Juden durch Christus geht, zeigt auch die Tatsache, dass in der Fürbitte dreimal die Wurzel salv* (salvatorem, salvi, salvus) vorkommt. Dieser Heilsabsolutismus und die christologische Zuspitzung ruft die zu Beginn beschriebenen alten Ängste der Juden vor „Missionierung“ und christlicher Judenfeindschaft wach. Auf eine kleine syntaktische Besonderheit sei zur Unterstreichung unserer Exegese noch hingewiesen: In der Gebetseinladung der vorkonziliaren Fassung ist „unsern Herrn“ relativ lose als Apposition an „Jesus Christus“ angefügt. Die Neufassung von 2008 formuliert, insofern „Heiland aller Menschen“ als Prädikativum zu „Jesus Christus“ zu lesen ist, christologisch zugespitzter als die vorkonziliare Fürbitte.

Die alte Bitte, dass die Juden zur Erkenntnis des Lichtes der Wahrheit Gottes, das heißt zur Erkenntnis Christi kommen sollen, ist inhaltlich bis auf unwesentliche Retuschen gleich geblieben. Betet die alte Fassung in einer in ihrer Judenfeindlichkeit nicht mehr zu überbietenden Sprache zu Gott, „der du sogar die Juden von deiner Erbar mung nicht ausschließt“, so ist in der neuen Fassung wieder „positiv“ formuliert: „der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden“. Es ist zu beachten, dass diese Aussage über den universalen Heilswillen Gottes im Kontext einer Fürbitte für die Juden steht! Mit dieser an 1 Tim 2,4f angelehnten Formulierung insinuiert die neue Fassung, dass die Juden gerettet werden müssten, weil sie als Glaubensgemeinschaft auf dem falschen Weg seien! Selbst Paulus wehrt sich in Röm 9–11 gegen ein solches Missverständnis, das entstehen könnte, wenn er über das Heil Israels nachdenkt (vgl. etwa Röm 11,1-2a).

Mit der Fürbitte von 1970/75 bekennt die Kirche, dass die Juden in der Treue zu Gottes Bund und in der Liebe zu seinem Namen leben, also bereits auf dem Weg des Heils sind. Deshalb bittet die Kirche darum, dass die Juden „zur Fülle der Erlösung [gelangen]“, was theologisch etwas grundsätzlich anderes ist als zu bitten, dass sie „Jesus Christus als den Heiland aller Menschen anerkennen“9. Vom Glauben der Juden an Jesus Christus als Bedingung für ihr Heil spricht die Kirche in dieser Fürbitte nicht, weil sie darauf vertrauen darf, dass die Treue zu ihrem Gottesbund die Juden zum Heil führen wird. Die von Rom approbierte deutsche Übersetzung der Karfreitagsfürbitte von 1975 drückt diesen eigenständigen Heilsweg der Juden – neben der Kirche und nicht „per Christum“10 – noch deutlicher aus, indem sie einen Satzteil, der über das lateinische Original von 1970 hinausgeht, am Schluss der Gebetseinladung anfügt: „… damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.“ Das „Nein“ der Juden zu Christus bzw. zum Christusdogma bedeutet weder Verstockung noch Unglaube, sondern im Gegenteil: Das „Nein“ der Juden bedeutet Treue zum Wort Gottes, zu Seiner Verheißung (vgl. Röm 9,4), wie Israel dieses Wort „hört“ und wie es seines Weges, der in Gottes Ratschluss und Heilsplan eingeborgen ist (vgl. Röm 11,33–36), geführt wird. Im Verhältnis der Ecclesia zur Synagoga stehen also Wahrheit neben Wahrheit und Glaube neben Glaube – auf Augenhöhe: Der jüdische Weg ist aus christlicher Sicht im Unterschied zu allen anderen Religionen ein vollgültiger, in keiner Hinsicht defi zitärer Weg zum Heil!

Eine verkirchlichende und dadurch verquere Paulusrezeption

Die neue Fürbitte nimmt Bezug auf Röm 11,25f. Ihr Schriftgebrauch ist aber theologisch problematisch, auch wenn Kardinal Kasper drei Tage nach Veröffentlichung der Fürbitte in einem Statement für Radio Vatikan am 7. Februar 2008 folgendes erklärte:


 „Wenn der Papst nun von der Bekehrung der Juden spricht, dann muss man das richtig verstehen. Er zitiert wörtlich das elfte Kapitel des Apostels Paulus aus dem Römerbrief. Dort sagt der Apostel, dass wir als Christen hoffen, wenn die Fülle der Heiden eingetreten ist in die Kirche, dass dann ganz Israel sich bekehren wird. Das ist eine eschatologische endzeitliche Hoffnung, bedeutet also nicht, dass wir die Intention haben, nun Judenmission zu betreiben, so wie man Heidenmission betreibt.“11


Doch anders, als Kardinal Kasper meint, ist die eschatologische Perspektive im Kontext der Fürbitte durch eine ‚päpstliche Bearbeitung‘ des Pauluszitats in die Geschichte zurückgenommen, also: aufgehoben. Röm 11,25f lautet in der Vulgata, nach der die Fürbitte zitiert, so:


 Röm 11,25 Nolo enim vos ignorare fratres mysterium hoc ut non sitis vobis ipsis sapientes quia caecitas ex parte contigit in Israhel donec plenitudo gentium intraret 26 et sic omnis Israel salvus fi eret sicut scriptum est: … – [25 Denn ich will euch, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über dieses Geheimnis, dass ihr nicht in euch selbst klug seid: Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vollzahl der Heiden hineingekommen sein wird, 26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: …]


(Die in der Fürbitte zitierten Teile sind kursiv gesetzt.) Vergleicht man nun Röm 11,25f mit dem Zitat in der neuen Karfreitagsfürbitte, so fällt auf, dass im Zitat der Fürbitte „in Ecclesiam Tuam“ textwidrig eingefügt ist. Das „intrare“ / „Hineinkommen“ hat bei Paulus keinen Ort. Diese „Ortlosigkeit“ unterstreicht die unbedingte eschatologische Qualität der Aussage, die etwas betrifft, das sich „am Ende“ der Zeit ereignet, wenn der Fluss von Zeit und Geschichte an sein Ziel gekommen ist. Gott (!) ist das Ende der Zeit und der Geschichte, und das bedeutet den Übergang in Gottes Ewigkeit, ins ‚bleibende Jetzt‘. Wohin gelangt die „Vollzahl der Heiden“? „Paulus nimmt hier die geläufige urchristliche Wendung auf, die die Eröffnung des endzeitlichen Heils als Eingehen in das Reich Gottes bestimmt“12 (vgl. etwa Mt 5,20; 7,21; 18,3 u. ö.; Mk 10,25; Joh 3,5; Apg 14,22). Es ist jener eschatologische „Augenblick“ gemeint, „da Gottes Rettungswerk an den Völkern beendet ist, weil die von ihm bestimmte Fülle der Heiden das Heil empfangen hat“.13

Mit dem endgültigen Anbruch des ‚Reiches Gottes‘, ohne menschliches Zutun, auch ohne Zutun der Kirche, das heißt mit dem von sich aus hereinbrechenden ‚Reich Gottes‘, ist auch die Zeit der Kirche an ihr Ziel gelangt; sie hat ihre Aufgabe erfüllt und ist an ihr Ende gekommen, oder wie es gerne mit einem Wortspiel ausgedrückt wird: Die Kirche muss sich in das ‚Reich Gottes‘ hinein selbst auf-heben!14 Mit der Einfügung von „in Ecclesiam Tuam“ identifiziert die Fürbitte ‚Kirche‘ mit ‚Reich Gottes‘ und nimmt damit die eschatologische Differenz der Kirche in ihrem Verhältnis zum ‚Reich Gottes‘ nicht ernst.

Die Differenz zwischen Kirche und ‚Reich Gottes‘ ist in der Kirchengeschichte nicht immer mit der notwendigen Klarheit gesehen worden. So verwischt auch die unter anderem von Augustinus getroffene platonisierende Unterscheidung zwischen himmlischer und irdischer (empirischer) Kirche diese notwendige Unterscheidung.15 Der ekklesialen Versuchung, die Differenz zwischen Kirche und ‚Reich Gottes‘ theologisch zu überspielen, erliegt auch Joseph Ratzinger in seiner platonistisch-augustinisch konzeptionierten Theologie. Nicht in der Kirche aber münden die Wege Gottes, wie Benedikts neue Karfreitagsfürbitte mit der Einfügung von „in Ecclesiam Tuam“ in das Pauluszitat suggerieren will, sondern im ‚Reich Gottes‘.16

Kann man also noch von einem Zitat sprechen, wenn die neue Karfreitagsfürbitte die unbedingt eschatologische Aussage von Röm 11,25f durch die Einfügung von „in Ecclesiam Tuam“ in die Zeit der Kirche, also in die Geschichte zurücknimmt und die eschatologische Weite des Paulus kirchlich verengt?! Das vorgebliche Zitat kann wegen dieser sinnwidrigen Umdeutung nicht mehr als Pauluszitat gelten. Die neue Karfreitagsfürbitte bedient sich nur eines Versatzstückes aus Röm 11,25f und gibt damit vor, die Sprache der Bibel zu sprechen. Von einer eschatologischen Perspektive, die Kardinal Kasper als ‚Rettungsversuch‘ der Fürbitte mehrmals behauptet hat, spricht das offizielle Kommuniqué des vatikanischen Staatssekretariats zur neuen Karfreitagsfürbitte vom 4. April 2008 denn auch erst gar nicht mehr.



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Walter Homolka / Erich Zenger (Hg.):
"... damit sie Jesus Christus erkennen"
Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden





WALTER HOMOLKA/ERICH ZENGER (Hg.):

"... damit sie Jesus Christus erkennen"
Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden


Herder Verlag
Freiburg 2008
224 S.
11,95 Euro



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Der Katholikentag hat noch nicht begonnen und doch meldeten in den letzten Wochen die Agenturen bereits, dass einige Juden ihre Teilnahme abgesagt hätten. Der Grund war die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden im außerordentlichen Ritus, die als Bitte zur Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus verstanden wurde.


Mit dem Buch „… damit sie Jesus Christus erkennen“ in der Reihe „Theologie kontrovers“ unterziehen die Herausgeber Walter Homolka, Rabbiner und Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, und Erich Zenger, emeritierter Professor für Exegese des Alten Testaments an der Universität Münster, die Fürbitte einer ausführlichen Analyse. So stellen sie beispielsweise die Endwicklung dieser Fürbitte vom Jahr 1570 bis in die Gegenwart dar. Der Band versammelt die vielgestaltigen Reaktionen aus jüdischer und katholischer Perspektive, zeigt theologische Hintergründe auf und liefert Perspektiven für das katholisch-jüdische Gespräch.

(vollständiges Inhaltsverzeichnis)



Demut statt exklusiver Ansprüche!

Auch wenn die Kirche antizipatorisches Zeichen auf das ‚Reich Gottes‘ hin ist (vgl. Vatikanum II, Lumen gentium 1; 2 und 5), so muss doch zwischen Zeichen und Sache streng unterschieden werden. „Unterlässt die Kirche, diesen Unterschied deutlich zu machen, dann maßt sie sich selber die Endgültigkeit und Herrlichkeit des Gottesreiches an und macht umgekehrt durch die Erbärmlichkeit und das allzu Menschliche in ihrem eigenen Daseinsvollzug die christliche Hoffnung unglaubwürdig. […] Nur in der geistlichen Armut und Demut solcher Selbstunterscheidung ist sie [= die Kirche] der Ort, an dem durch die Kraft des heiligen Geistes die eschatologische Zukunft der Gottesherrschaft schon gegenwärtig zum Heil der Menschen wirksam ist. Nur unter Verzicht auf exklusive Ansprüche für ihre jeweilige eigene, partikulare Gestalt kann sie deutlich Zeichen der Universalität des Reiches Gottes und Instrument zur Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott über alle die Menschen voneinander und von dem Gott Israels trennenden Gegensätze hinweg sein.“17

Aber genau solche exklusiven ekklesialen Ansprüche werden durch die Paulus manipulie rende und ekklesial verengende Rezeption von Röm 11,25 reklamiert. Sie liegt ganz auf einer Linie mit der Erklärung „Dominus Iesus“ der Kongregation für die Glaubenslehre aus dem Jahr 2000, deren Präfekt Joseph Kardinal Ratzinger seinerzeit war. Es wurde damals schon mit Verwunderung registriert, dass eine so hochoffizielle Erklärung „über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche“ – so der Untertitel der Erklärung – den eigenständigen Heilsweg der Juden mit keinem Wort artikuliert, und mit Recht wurde der christologische und ekklesiologische Absolutheitsanspruch, der in „Dominus Iesus“ in keiner Weise relationalisiert ist, kritisiert, der einen ehrlichen Dialog mit den Kirchen der Reformation, aber auch mit dem Judentum erschwert. Die neue Karfreitagsfürbitte vom 4. Februar 2008 und die Erinnerung an „Dominus Iesus“ durch eine neuerliche Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre „zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ vom 29. Juni 2007 zeigen, dass Absicht hinter all dem steckt.

Der jüdische Glaube ist nicht defizitär!

Aus der eschatologischen Aussage des Paulus ist in der Fürbitte eine Geschichtsaussage geworden, das heißt: Auch die Rettung ganz Israels, die in der Fürbitte jetzt parallel zur Aussage vom „Eingehen“ der Heiden in die Kirche steht, ist damit kein eschatologisches Ereignis mehr, sondern ein Vorgang in der Geschichte. In Verbindung mit der Gebetsein ladung, die darum bittet, dass Gott „die Herzen der Juden erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Heiland aller Menschen erkennen“, ist somit eindeutig ausgedrückt, dass der jüdische Glaube insuffizient ist und die Juden zum Heil des Glaubens an Jesus als den Christus bedürfen. Wer das aber behauptet, setzt Gott selbst in der Theologie und im Glauben aufs Spiel, als sei den von Gott einmal gegebenen Verheißungen nicht zu trauen. Aber es gilt: Den Juden „sind [Präsenz!] die Verheißungen gegeben“ (Röm 9,4), und: „Ohne Reue / unwiderrufl ich sind die Gaben und die Berufung Gottes“ (Röm 11,29). Dies hat Papst Johannes Paul II. vom „nie gekündigten Alten Bund“ sprechen lassen.

Die Deutung von Röm 11,25f, wie sie in der neuen Karfreitagsfürbitte vorliegt, ist nicht neu: In seiner erstmals 1977 erschienenen „Eschatologie“ spricht Joseph Ratzinger im Blick auf Röm 11,25–32 zweimal von der „Bekehrung Israels als Folge des Eintretens der Fülle der Völker“, um dann christologisch zuzuspitzen: „Paulus selbst hat ja die Bekehrung Israels […] als eine zur Mitte des christologischen Geheimnisses selbst gehörende Wirklichkeit prophetisch aus dem Kern seines Heilsglaubens heraus beschrieben.“18 Paulus aber vermeidet in Röm 11, in dem es um die eschatologische Rettung Israels geht, – wohl sehr bewusst, weil im Unterschied zu den beiden vorausgehenden Kapiteln – jede christologische Fixierung: Der Christustitel kommt in Röm 11 überhaupt nicht vor! Demnach ist in Röm 11,25f auch nicht von der Bekehrung Israels zu Jesus Christus die Rede, wie Kardinal Kasper im oben zitierten Statement behauptet, sondern von der Rettung Israels, und diese geschieht, wie die Parallelität der Aussage in Röm 11,25b.26a zeigt, neben der Kirche und nicht „per Christum“. Und weil Gott zu seinen Verheißungen an Israel steht, braucht die Kirche sich keine ‚Sorgen‘ um das Heil der Juden zu machen! Aus dieser Haltung, besser: aus diesem Glauben heraus ist die Fürbitte von 1970/75 formuliert.

Die Fürbitte von 1970 ist die maßgebliche „lex credendi“

Die neue Fürbitte bietet nicht nur eine unzureichende Israeltheologie; sie bewegt sich – jetzt nur in einem rhetorisch freundliche(re)n Sprachgewand – in dem alten Denkmuster, das meint, die Juden um ihres Heiles willen zu Jesus Christus bekehren zu müssen! Sie ‚weiß‘ nichts von der „Israelitica dignitas“ und leugnet den eigenständigen Heilsweg der Juden, auf dem der eine, Juden und Christen einende Gott die Juden führt. Und dieser eigenständige Heilsweg ist in Gottes Ratschluss und Heilsplan eingeborgen. Damit ist Kardinal Kasper entgegenzuhalten, dass das Problem der Judenmission nicht nur faktisch, sondern auch theologisch geklärt ist.19 In Bezug auf das Judentum kann es nicht um Bekehrung gehen! Doch gerade die sieht Kardinal Kasper „in der Bitte um Erleuchtung der Juden, damit sie Jesus Christus erkennen, indirekt eingeschlossen“.20 Die neue Fürbitte wird von Juden deshalb mit Recht als eine Bedrohung ihrer Religion empfunden; „manchmal sprechen sie sogar von der Schoa mit anderen Mitteln“ (Kardinal Kasper)21. Erinnerungen an jene unseligen Zeiten, in denen die Kirche Juden Unglaube und Untreue (perfi dia) vorwarf und sie deshalb verfolgte und „zwangstaufte“, kommen auf. Diese Fürbitte stößt alle, die sich in den vergangenen vierzig Jahren um ein neues, auch theologisches Verhältnis zum Judentum bemüht haben, die sich persönlich für Versöhnung engagiert haben, vor den Kopf und belastet den christlich-jüdischen Dialog nachhaltig. All das nimmt der Papst wissentlich in Kauf.

Die neue Fürbitte wird aber nicht nur dem Judentum aus christlicher Sicht theologisch nicht gerecht, sondern beschädigt darüber hinaus auch den Glauben der Kirche, weil sie damit jenem Gott, auf den sie zugeht, seine Verheißungen nicht glaubt. Insofern gilt das, was Johannes Paul II. am 6. März 1982 in einer Ansprache an Delegierte nationaler Bischofskonferenzen für die Beziehungen mit dem Judentum sagte, auch in Bezug auf die Neufassung der Karfreitagsfürbitte, „dass Ungenauigkeit und Mittelmäßigkeit dem jüdisch-christlichen Dialog außerordentlich schaden“22, und ich füge hinzu: besonders der Kirche selbst, weil es um ihre Identität geht.

Kardinal Kasper erklärte in der Sendung „Report Mainz“ (Südwestrundfunk) am 10. März 2008, die Fürbitte sei „aus unserer Sicht theologisch vollkommen in Ordnung. Es ist nur schwierig für die Juden, das zu akzeptieren.“ Hier irrt der Kardinal: Die neue Fürbitte ist theologisch nicht in Ordnung! Deshalb können die heftigen Proteste von jüdischer und christlicher Seite nicht einfach als „weithin nicht rational, sondern emotional begründete Irritationen“ abgetan werden, wie Kardinal Kasper es in seinem oben genannten Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tut.

Die neue Fürbitte offenbart eine Theologie ohne Erinnerung, ohne Erinnerung an die Schuld der Christen und der Kirche, von der im Schuldbekenntnis und in der Vergebungsbitte, die der Papst am 1. Fastensonntag 2000 im Petersdom sprechen ließ, die Rede ist: 


 „Lass die Christen der Leiden gedenken, die dem Volk Israel in der Geschichte auferlegt wurden. Lass sie ihre Sünden anerkennen, die nicht wenige von ihnen gegen das Volk des Bundes und der Lobpreisungen [hebr.: berachot] begangen haben, und so ihr Herz reinigen. – Gott unserer Väter, du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt, deinen Namen zu den Völkern zu tragen. Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, dass echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.“23


Dieses Gebet ist übrigens formal ganz im Stil der Karfreitagsfürbitten verfasst! Wenn also der Papst eine Neuformulierung vornehmen wollte, dann wäre der einzig angemessene Grund dafür, in die ‚neue‘ Karfreitagsfürbitte für die Juden diesen Aspekt der Schuld und eine Bitte um Vergebung aufzunehmen!

Die Fürbitte von Papst Benedikt XVI. ist ein qualitativer theologischer Rückschritt hinter die Fürbitte von Papst Paul VI. (1970/75) und hinter die wegweisende Israeltheologie und die beeindruckenden Gesten von Papst Johannes Paul II. Das bereits erwähnte Kommunique des vatikanischen Staatssekretariats vom 4. April 2008 stellt weder klar, dass die Fürbitte keine Judenmission insinuiert, noch gibt es in seinem trotzig-assertorischen Stil eine Erklärung dafür, warum die neue Fürbitte nicht von der Würde Israels spricht. Der Papst muss seine Entscheidung revidieren und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Fürbitte von 1970 die maßgebliche Theologie – die „lex credendi“ – ist und nicht etwa, wie die Ausführungen von Kardinal Kasper nahelegen, ein ‚Betriebsunfall‘, der dem „Ganzen des Neuen Testaments“ und dem „Zusammenhang aller Konzilsdokumente“ nicht gerecht werde24. Die Karfreitagsfürbitte von 1970/75 muss für den gesamten Römischen Ritus gelten!




ANMERKUNGEN



1  Dass dieser Wandel grundstürzend ist, zeigt sich schon formal daran, dass das Kap. 4 von „Nostra aeatete“ in den Anmerkungen nicht, wie die anderen Konzilstexte selbstreferentiell und dadurch die Kontinuität in der Lehre der Kirche aufweisend, auf Texte der Tradition oder von Päpsten rekurriert, sondern fast ausschließlich auf die Bibel, bes. auf Röm 9–11, verweist. Für diesen Wandel konnte sich das Konzil also nicht auf die Tradition berufen, sondern musste den ‚Anfang‘, wie er in der Heiligen Schrift ‚bewahrt‘ ist, neu re-konstruieren!

2 Papst Johannes Paul II. in seiner Ansprache an den Zentralrat der Juden in Deutschland und die Rabbinerkonferenz am 17. November 1980 in Mainz, in: Rendtorff, R./Henrix, H. H. (Hgg.), Die Kirchen und das Judentum, Bd. I: Do ku mente 1945–1985, Paderborn – München 1988, 75.

3 Rendtorff/Henrix (Hgg.), Die Kirchen und das Judentum, Bd. I, 106– 111, Zitat: 109.

4 Rendtorff/Henrix (Hgg.), Die Kirchen und das Judentum, Bd. I, 64. Diesen Satz hat Johannes Paul II. vielfach wiederholt.

5 Siehe: http://www.zdk.de

6 Veröffentlicht unter: http://www.cfnews.org/Kasper-Feb13.htm

7 Vgl. dazu bes. Heinz-Günther Schöttler, „Auf der Ebene ihrer je eigenen Identität verbunden“ (Johannes Paul II.) – Theologische Überlegungen zu einem neuen Verhältnis von Kirche und Israel und zum christlich-jüdischen Dialog, in: Baumann, M. P./Becker, T./Woebs, R. (Hgg.), Musik und Kultur im jüdischen Leben der Gegenwart, Berlin 2006, 3387.

8 Vgl. dazu Heinz-Günther Schöttler, Preaching the Hebrew Bible – a Christian Perspective, in: Deeg, A./Homolka, W./Ders. (Hgg.), Preaching in Judaism and Christianity. Encounters and Developments, Berlin–New York 2008 (SJ 41), 155–174, hier: 170–174.

9 In dieser Formulierung bereits in: Joseph Ratzinger, Die Vielfalt der Religionen und der Eine Bund, Bad Tölz 11998; 42005, 110f.

10 Vgl. dazu: Heinz-Günther Schöttler, Israels eigenständiger Weg zum Heil: neben der Kirche, nicht „per Christum“ (Röm 11,25–32), in: Göttinger Predigtmeditationen 62 (2007/2008) 338–347.

11 Quelle: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=184997

12 Eduard Lohse, Der Brief an die Römer, Göttingen 2003 (KEK. NT 4), 319.

13 Heinrich Schlier, Der Römerbrief, Freiburg–Basel–Wien 1977 (HThK. NT 6), 339.

14 Das Wortspiel mit dem Verb „auf-heben“, das als negativen Aspekt den des Beendigens und als positiven Aspekt den des Aufbewahrens ausdrückt, geht auf Karl Rahner zurück, der vom „Aufheben [der Kirche] in dem kommenden Reich Gottes“ spricht (Kirche und Parusie Christi, in: Ders., Schriften zur Theologie 6, Einsiedeln 1965, 348–367, Zitat: 351).

15 Vgl. Augustinus, De civitate Dei XIII, 16; XVIII, 29; XX, 9,1 („Ergo et nunc ecclesia regnum Christi est, regnumque caelorum.“); XX,9,2: („Ecclesia, quae nunc etiam est regum Christi.“); vgl. auch Ders., Enchiridion ad Laurentium 56,15.

16 Theologisch höchst problematisch sind Aussagen im Katechismus der Katholischen Kirche (1997/2003), die die Differenz zwischen Kirche und Reich Gottes bis zur Unkenntlichkeit verwischen (vgl. etwa Nr. 769 und Nr. 1042), ja: ihre Beziehung zueinander umkehren, so Nr. 865: „In ihr [= Kirche] existiert schon ‚das Himmelreich‘, ‚das Reich Gottes‘ (vgl. Offb 19,6); in ihr wird es am Ende der Zeiten vollendet sein.“

17 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 3, Göttingen 1993 (Neuaufl age: 2000), 45.

18 Joseph Ratzinger, Eschatologie. Tod und ewiges Leben, Regensburg 1977, 165; Neuausgabe: Regensburg 2007, 161; vgl. auch: Ders., Die Vielfalt der Religionen und der Eine Bund, 110f.

19 Vgl. Walter Kasper, Karfreitagsfürbitte. Das Wann und Wie entscheidet Gott, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. März 2008, 39.

20 Ebd.

21 Ebd.

22 Rendtorff/Henrix (Hg.), Die Kirchen und das Judentum, Bd. 1, 78.

23 Henrix, H. H./Kraus, W. (Hg.), Die Kirchen und das Judentum, Bd. 2: Dokumente von 1986–2000, Paderborn – Gütersloh 2001, 154. Diese Vergebungsbitte hat der Papst am 26. März 2000 bei seinem Besuch in Israel, auf einen Zettel geschrieben, als persönliche Vergebungsbitte in einen Spalt der Klagemauer in Jerusalem gelegt. Es ist anzumerken, dass die Katholische Kirche, wenn sie von ihrer Schuld – auch und gerade den Juden gegenüber – spricht, immer nur die individuelle Dimension thematisiert, also immer nur von der Schuld einzelner Christinnen und Christen spricht, und ausdrücklich nicht die institutionelle Dimension. Insofern solche Dokumente die Schuld der Kirche zugunsten ihrer Heiligkeit, die augenscheinlich nicht kompromittiert werden soll, individualisieren, bleiben sie ekklesiologisch äußerst unzureichend, weil die individuelle Seite der Kirche von der institutionellen nicht zu trennen ist. Eine ausschließlich individualisierte Sicht der Schuld hat eine gewollt-ungewollt verharmlosende Wirkung. Vgl. Heinz-Günther Schöttler, Christliche Predigt und Altes Testament. Versuch einer homiletischen Kriteriologie, Ostfi ldern 2001, 366–368.

24 Kasper, Karfreitagsfürbitte.


Die Autoren

HEINZ-GÜNTHER SCHÖTTLER und MICHA BRUMLIK

             


Heinz-Günther Schöttler, Professor für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. Mitglied im Gesprächskreis Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Micha Brumlik, Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe Universität. Langjähriger jüdischer Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden“ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

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