Der falsche Mythos vom wehrlosen Diaspora-Juden
80 Jahre Reichspogromnacht – Schweizweit werden die Synagogen beleuchtet
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz PLJS haben zu diesem Anlass zusammen mit verschiedenen jüdischen Gemeinden eine stille Form des Gedenkens gewählt. Am 8. November 2018 werden in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich die Synagogen von aussen speziell beleuchtet.
Rund um den 80. Jahrestag der Reichspogromnacht finden schweizweit Gedenkveranstaltungen statt. Ausserdem lassen Synagogen und jüdische Betlokale ihre Gebäude nachts beleuchtet. Die Synagogen in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich werden am 8. November 2018 mit einer besonderen Aussenbeleuchtung an die Ereignisse vor 80 Jahren erinnern. Der 9. November fällt dieses Jahr auf einen Freitagabend, also den Beginn des Schabbats. Daher finden die Gedenkanlässe bereits einen Tag zuvor am Donnerstag statt.
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Der falsche Mythos vom wehrlosen Diaspora-Juden
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Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht
(Quelle: Bundesregierung)
"Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für das letzte Jahr 1.504 antisemitische Straftaten aus", eröffnet die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer die Veranstaltung "Den Opfern verpflichtet - Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart". Die Bundesregierung akzeptiere diese Entwicklung nicht. Zusätzlich zu Forschungsprogrammen, Bildungsarbeit und Prävention gegen Antisemitismus und Extremismus habe sie im April 2018 das Amt des Antisemitismusbeauftragten eingerichtet. Er soll alle Maßnahmen der Bundesregierung koordinieren und jüdisches Leben fördern.
So war Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte, auch Hauptredner der Gedenkveranstaltung. Er sieht den Auftrag für die Gesellschaft, die Bedeutung der Ereignisse vom November 1938 neu zu justieren.
Wieder gebe es Demagogen, die in Deutschland ein Klima des Hasses schafften, das Gewalttaten Vorschub leiste. Dabei nannte er die Demonstration von Neonazis in Dortmund oder die Vorfälle in Chemnitz.
Klein sprach aber auch von der nicht immer bis in die Nachrichten vordringenden Diskriminierung auf Schulhöfen. "Grundlegende Errungenschaften der liberalen Demokratie werden angegriffen", so Klein. 1938 habe sich gezeigt, wie dünn die Firnis der Aufklärung in Deutschland gewesen sei. Viele Menschen hätte weggesehen, einige sogar mitgemacht. Doch jeder Einzelne habe Handlungsspielraum.
Mutige Handlungen wie von den Polizisten des 16. Berliner Reviers unter Hauptmann Krützfeld, die versuchten, die Brandstiftung an der Synagoge Oranienburger Straße zu verhindern, seien beispielhaft. "Anonyme Helfer können Vorbild sein. Das Wirken des Einzelnen kann den Unterschied machen", sagte Klein.
Er stelle fest, dass seit seiner Ernennung die Grenzen in der gesellschaftlichen Diskussion, ,,die Hemmschwellen", weiter gesunken seien. "Das bedroht unsere gesamte politische Erinnerungskultur. Hier müssen wir 'Stop' sagen". Klein appellierte, den Blick verstärkt auf die Menschen zu richten, die einen inneren Kompass hatten und dem Nationalsozialismus widerstanden. "Rote Kapelle, Weiße Rose oder die Polizisten des 16. Berliner Reviers können als Vorbild dienen."
Franz Müntefering als Vorstand der Deutschen Gesellschaft sprach vor allem die jungen Menschen an: "Wir müssen darüber sprechen." Er wies darauf hin, dass sich mit dem 9. November so viel in der deutschen Geschichte verbindet: 1848 sei der Paulskirchen-Abgeordnete Robert Blum hingerichtet worden. 1918 sei das Kaiserreich am Ende gewesen und eine "unfertige Demokratie" habe begonnen, die zumindest in Wahlen 1919 mündete. 1923 habe Hitler in einem Putsch zum ersten Mal versucht, die Macht an sich zu reißen. Dann die Pogromnacht 1938 und schließlich 1989, "als die Mauer zu Bruch ging".
Müntefering wirft die Frage auf: "Wäre nicht der 9. November der richtige Gedenk-Feiertag?" Im Gedenken "müssen wir den Alltag für uns gewinnen", so seine Schlussfolgerung.
Die Historikerin Cornelia Wilhelm von der Ludwig-Maximilian-Universität München machte darauf aufmerksam, dass der 9. November 1938 die "erste physische Attacke" auf Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland war. Dabei seien schon zu dem Zeitpunkt mehr als 100 Menschen zu Tode gekommen.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, unterstrich: "Was am 9. November von den Nazis angeordnet wurde, war ein finaler Test: Wie weit können sie mit den Juden gehen! Deshalb müssen wir gerade junge Menschen 'imprägnieren', dass sie zu schätzen wissen, was wir hier in unserer Demokratie haben". Er hält bestimmte Tendenzen im Land, die unter dem Siegel "Das muss man ja nochmal sagen dürfen..." auftreten, für problematisch. Die jüdische Gemeinschaft sei darüber beunruhigt. Einige denken inzwischen darüber nach, ob sie ihre Zukunft in Deuschland oder auch Europa sähen.
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Konzerthaus Dortmund zeigt "Violinen der Hoffnung" als klingende Zeitzeugen
(COPYRIGHT: Andreas Rehnolt
Neben den Instrumenten werden auch deren Geschichten und die ihrer Besitzer erzählt, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Konzerthauses.
Der israelische Geigenbauer Amnon Weinstein hat insgesamt 70 solcher Geigen zusammen mit seinem Sohn Avshalom restauriert und wieder zum Klingen gebracht. Geigenbauer Weinstein begann in den 1980er Jahren mit seiner Sammlung. Damals öffnete er in seiner Werkstatt in Tel Aviv den Deckel einer Violine, die er restaurieren wollte. Dabei rieselte dunkle Asche heraus.
Er forschte nach und fand heraus, dass der einstige Besitzer die Geige im Männerorchester des Vernichtungslagers Auschwitz gespielt hatte und von dort stammte auch die Asche. Weinstein sammelt seitdem Violinen aus Lagern, Ghettos und von Partisanen und restauriert sie. Als "Violinen der Hoffnung" schicken sie die Instrumente als klingende Zeitzeugen für Ausstellungen und Konzerte um die ganze Welt.
In Kooperation mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund kommt das Projekt jetzt, 80 Jahre nach der Reichsprogromnacht, nach Dortmund. Am 13. und 14. November werden einige der Violinen zudem im 3. Philharmonischen Konzert der Dortmunder Philharmoniker zu hören sein.
Internet:
www.konzerthaus-dortmund.de
Microtext-Journalistenbüro)
Doppelausstellung in Münster zum Überleben nach dem Holocaust
(COPYRIGHT: Andreas Rehnolt,
Die Schau ist bis zum 15. November terminiert und präsentiert Bilder und Zitate von Überlebenden des Holocaust und ihrer Famiien in Israel. Die Fotografin Helena Schätzle hat im Auftrag einer israelischen Hilfsorganisation insgesamt vier Monate lang die Angehörigen dreier Generationen beobachtend begleitet.
Ihre Bilder sowie die Textpassagen aus Gesprächen zeigen nach Angaben der Veranstalter "die emotionalen Spuren einer immer noch präsenten Vergangenheit." Zeitgleich sind zudem unter dem Titel "Über-Leben" Zeitzeugenporträts des Münsterschen Fotografen Ralf Emmerich zu sehen. Der hatte ehemalige Mitglieder der jüdischen Gemeinde Münster ausfindig gemacht und sie in Deutschland, England und den Niederlanden besucht.
Zehn Gesichter blicken in der Schau überlebensgroß von weißen Wänden und scheinen den direkten Blickkontakt mit den Betrachtern zu suchen. Alle zehn wurden von den Nationalsozialisten verfolgt und verließen in den 1930er Jahren Deutschland.
Die Doppelausstellung ist montags bis freitags von 8 bis 18.30 Uhr geöffnet.
Internet:
www.lwl.org/de
Microtext-Journalistenbüro)
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