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ISSN 1612-7331
07.02.2019 - Nr. 1817
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Die Meshvinskis präsentieren "Musikalische Stolpersteine"
Jewish Chamber Orchestra Hamburg in concert


Eins ist sicher – musikalische Stolpersteine kann man nicht aus dem Boden reißen, oder einfach verschwinden lassen. Sie gehen über das Gehör ins Herz und erinnern an höchst begabte und aus dem Leben gerissene jüdische Komponisten, zum Beispiel an Gideon Klein. Schon mal gehört?



Er wurde 6. Dezember 1919 in Prerov geboren und starb am 27. Januar 1945 im KZ Fürstengrube im Steinbruch unter ungeklärten Umständen, ein tschechisch-jüdischer Komponist und Pianist. Das Ziel des wiederbegründeten Jewish Chamber Orchestra Hamburg der Familie Meshvinski, die aus St.Petersburg/Odessa stammt, ist laut Pjotr Meshvinski: „Wir wollen an die außerordentlichen, jungen, jüdischen Komponisten erinnern.“ Sie waren talentiert und voller Schaffenskraft und wurden in der Shoa ermordet. Kaum einer kennt sie noch – vor der Hamburger Staatsoper liegen ein paar Stolpersteine – wars das hier?

Nein, im wohltemperierten Viertel Eppendorf fand sich kurz vor dem Holocaustgedenktag am 24.01.19 in der Aula des Gymnasiums eine quirlige Gemeinde von Musikliebenden ein, die die verfemten Musiker und Komponisten zu neuem Leben erweckte. Erst sangen Fünftklässler engelshaft jüdische Weisen. Die Overtüre bildet Franz Schuberts Trio B-Dur für Violine, Viola und Violoncello D581 von 1817, beeinflusst durch Haydn und Mozart. Dann folgt ein Streichtrio der Meshvinskis von besagtem Gideon Klein. Er stammte aus Moravien (Tschechien) und spielte hinreißend Klavier. Schon mit zehn Jahren legte er bereits eigene Kompositionen vor. Gideon ging 1931 ans Konservatorium nach Prag, schloss das Gymnasium 1938 dort erfolgreich ab und wollte natürlich Musik studieren. Das ging nicht, weil die Wehrmacht Prag besetzte und die Karlsuniversität, älteste deutsche Universität, 1940 schloss. Das Kompositionsstudium bei Alois Hába bricht Gideon Klein ab, er bleibt Autodidakt. Was hätte aus dem jungen Mann noch werden können? Wir wissen es nicht!

Er schafft es nicht mehr an die Royal Academy nach London, tritt in Prag unter einem Pseudonym auf und wird 1941 nach Theresienstadt deportiert. Dort trifft er berühmtere Kollegen, u.a. die Komponisten Hans Krása, Viktor Ullmann und Pavel Haas, den Sänger Karel Berman, Pianisten und Dirigenten Rafael Schächter sowie den Nachkriegsdirigenten der Tschechischen Philharmonie Karel Ancerl. Klein unterrichtet und komponiert für Streicher und Klavier, oft ist die Musik eine Überlebensstrategie im KZ. Sein persönlicher Leidensweg geht weiter; 1944 Auschwitz, dann das KZ Fürstengrube und sein schreckliches Ende kurz vor der Befreiung. Lange haben Musiker vergessen Gideon Klein zu spielen. Die Zeit wartete auf die Meshvinskis, die betont flüssig und zugleich gradlinig intonieren und so gar keine Berührungsängste haben. Gideon Kleins Stück gibt die Angst seiner Zeit wieder. Es wirkt getrieben, stakkatoartig, dann wieder romantisch, sehr modern. Schönberg klingt an. Es könnte auch Musik für einen Film von Orson Welles oder einen Film Noir sein. Eine Spitzenleistung der Musiker, die seit 30 Jahren hier im Lande leben.  Sie erlernten bereits als Kinder ihre Instrumente und studierten an hervorragenden russischen Konservatorien sowie deutschen Musikhochschulen , u.a. in St.Petersburg, Moskau, Köln und Hamburg. Vater Pjotr spielt Violoncello, Sohn Emanuel Violine/Viola, die Mutter Natalia Alenitsyna Violine/Viola.

Als Zugabe spielten die Meshvinskis die letzte Sequenz aus Schindlers Liste von John Williams während auf einer Leinwand in der Aula die Überlebenden am Grab Oskar Schindlers in Jerusalem zu sehen waren. Die Melodien wurden so ergreifend gespielt, beim letzten Klang hatten die Meshvinskis und ihr Publikum Tränen in den Augen.

Man nahm lange Zeit an, dass Gideon Klein in Theresienstadt lediglich wenige Stücke komponierte. Bis 1990 in Prag ein sagenhafter Koffer von der Familie Dr. Eduard Herzogs mit Kompositionen von Klein aus der Zeit der deutschen Besatzung nach über 50 Jahren wiedergefunden wurde. Das Gepäckstück mit den Werken war den Freunden der Familie Klein anvertraut worden und offenbarte, dass Gideon bereits 1939 und 1940 höchst produktiv war und eigene, sehr reife Stücke verfasste. Viktor Ullmann schrieb noch in Therezin vom angesagtesten Kompositeur einer neuen Jugend: „Gideon Klein hat zweifelsohne ein bemerkenswertes Talent. … Man muss sich wundern über seine eigentümliche, frühe stilistische Reife.“ Die Schwester von Gideon, Eliška Kleinová, eine Klavierpädagogin, hat überlebt. In Prag wurden in der Rašínovo nábreží 1696/66 für Gideon Klein und seine Mutter Stolpersteine vor dem Haus verlegt. In Hamburg gibt es nun auch musikalische Stolpersteine.

Weitere Termine des Jewish Chamber Orchestra Hamburg:

* Ebenezer Hilfsfonds Deutschland e.V.,
Meßberg 1, 20095 HH,
So. 14.4.2019 um 17 h
Werke von Gideon Klein und Hans Krása sowie Mozart, Karten € 20 (€10 erm.)

* Laiszhalle, Kl. Saal,
Johannes-Brahms-Platz, 20355 HH,
Mo. 06.05.2019 um 20 h
Dimitri Schostakowitsch, Viktor Ullman, Antonio Vivaldi, Karten € 28 (€ 14 erm.)

Vorverkauf:
service@jco-hamburg.de

(COPYRIGHT Text und Foto:
Jakob Krajewsky)




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