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25 Jahre nach ‚Ordinary Men‘ – Holocaustforscher Christopher R. Browning in Münster für wissenschaftliche Leistungen geehrt
(COPYRIGHT: Andreas Rehnolt,
Münster - Mit der Studie „Ordinary Men“ hat der US-amerikanische Historiker Christopher R. Browning vor 25 Jahren den Anstoß zu einem Wandel in der Holocaustforschung – und zur Gründung des Geschichtsorts Villa ten Hompel in Münster gegeben. Im Rahmen einer Tagung über Perspektiven der neuen Polizeitäterforschung und der Holocaust-Vermittlung ist Browning am Mittwochabend im Rathaus Münster für seine wissenschaftliche Leistung geehrt worden.
Sein Buch zum Reservepolizeibataillon 101 beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie „normale Männer“ im Nationalsozialismus zu Massenmördern werden konnten. Das von Browning untersuchte Reservepolizeibataillon 101 war keine NS-typische Formation wie NSDAP, Gestapo oder SS. Es bestand vielmehr mehrheitlich aus Familienvätern, die zur Ordnungspolizei eingezogen worden waren, weil sie für die Wehrmacht als zu alt galten. Sie erschossen in Ostpolen mindestens 38.000 Menschen, überwiegend Juden.
"Browning habe mit seiner Studie gezeigt, dass die Täter auch unter totalitären Bedingungen nicht alle gleich gehandelt haben. Einige haben sich verweigert, andere haben in vorauseilendem Gehorsam gehandelt und so zur Eskalation von Gewalt und Mord beigetragen. Browning hat damit auch der Erinnerungskultur in Nordrhein-Westfalen wichtige Impulse gegeben und deutlich zur Weiterentwicklung und Erneuerung der Gedenkstättenarbeit beigetragen," so der Parlamentarische Staatssekretär im NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft, Klaus Kaiser am Mittwochabend.
Die Fragen danach, wer die Täter im Nationalsozialismus waren, welche Umstände sie zu Tätern gemacht haben und welche Handlungsspielräume sie hatten, sind von großer Relevanz – auch heute und morgen. Denn sie stellen die Frage nach der persönlichen Verantwortung. Individuelle Verantwortung ist ein Kernthema jeder demokratischen politischen Bildung, betonte Kaiser.
Der 1999 gegründete Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster war 2001 die erste Gedenkstätte in Deutschland, die sich in ihrer Dauerausstellung mit der Ordnungspolizei als verbrecherischer Organisation befasste und parallel zu intensiver Forschung auch die Vermittlung für verschiedene Besuchergruppen didaktisch weiterentwickelt. Heute hat jede der 29 Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen eine empirische Basis. Die Gedenkstätten erforschen die Geschehnisse an den authentischen Orten, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Beteiligten – und ermöglichen damit eine multiperspektivische Auseinandersetzung mit Tätern, Opfern und „Zuschauern“.
Bei der internationalen Tagung in Münster sind weltweit bekannte Wissenschaftler aus den USA, Israel, Norwegen, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Deutschland vom 29. bis 31. Oktober 2019 zusammengekommen, um sich über Bilanz und Perspektiven der Täterforschung sowie Konsequenzen für die Gegenwart auszutauschen. Die Tagung wurde gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Landeszentrale für politische Bildung NRW durchgeführt.
Browning ist Professor für Geschichte an der University of North Carolina, Chapel Hill, und einer der weltweit führenden Holocaust-Forscher. Er ist Autor vieler einflussreicher Bücher über Nazi-Deutschland und den Holocaust. Die Bücher „Ganz normale Männer”, „Die Entfesselung der ‚Endlösung‘“ und „Remembering Survival“ erhielten jeweils einen National Jewish Book Award.
Microtext-Journalistenbüro)
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