Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 162

Juni 2012

Im Anschluß an die Eröffnung der diesjährigen "Woche der Brüderlichkeit" Anfang März 2012 in Leipzig trafen sich vor Ort zum siebten Mal katholische und evangelische Bischöfe sowie Rabbiner der beiden Rabbinerkonferenzen in Deutschland zum gegenseitigen Meinungsaustausch. Im Jahre 2006 fand einst die erste, vom Deutschen Koordinierungsrat initiierte Begegnung statt, die zurecht als historisch gewertet werden kann.

Im März 2010 legte der katholische Theologe Hubert Frankemölle, einer der geistigen Väter dieser Begegnungstreffen, eine erste kurze Beschreibung und Analyse der Initiative vor (siehe
ONLINE-EXTRA Nr. 114). Nun hat er in einem umfangreichen Aufsatz, der in einem noch dieses Jahr erscheinenden Band zum 60. Jubliäum der "Woche der Brüderlichkeit" in gedruckter Fassung erscheinen wird, eine ausführliche Darstellung der Entstehung, Entwicklung und des gegenwärtigen Stands dieser Begegnungstreffen verfasst, den COMPASS exklusiv mit vorliegendem ONLINE-EXTRA Nr. 162 vorab veröffentlicht.

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Textes an dieser Stelle!


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Online-Extra Nr. 162


Bischöfe treffen Rabbiner - auch in Deutschland

Entstehung, Entwicklung und Stand einer bemerkenswerten Initiative des Deutschen Koordinierungsrates im christlich-jüdischen Gespräch

HUBERT FRANKEMÖLLE

Die bei Juden und Christen bekannte Lebensweisheit des Buches Kohelet „Alles hat seine Stunde“ (3,1) – basierend auf Erfahrungen (vgl. 1,12-2,26) – gilt auch für die vorliegende Thematik.1 Dabei geht es wie im Buch Kohelet nicht um spekulatives Wissen, sondern um Handlungswissen, zur rechten Zeit die angemessene Schlussfolgerung zu ziehen und sie in Praxis umzusetzen. Der Beginn der Treffen im Jahre 2006 zwischen Repräsentanten der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der  Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Begleitung von Beratern bischöflicher Gremien und von hauptamtlichen Mitarbeitern der christlich-jüdischen Thematik mit Vertretern der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) verdankt sich glücklichen Konstellationen, die sich vorher und hinterher so nicht mehr stellten. Dies sei zunächst kurz erläutert. Vermehrt soll auch auf die „Störfeuer“ eingegangen werden, die die Treffen jedoch nicht verhinderten. Die Initiative zu diesen Treffen ging aus vom Deutschen Koordinierungsrat, d.h. dem Bundesvorstand der 83 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR). Wie kam es dazu?


Voraussetzungen für die Initiative des DKR … auf christlicher Seite

Im christlich-jüdischen Dialog war der Beginn des neuen Jahrtausends, konkret das Jahr 2005, in den Planungen von Veranstaltungen orientiert an runden Daten: 60 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, 40 Jahre Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils der römisch-katholischen Kirche (1962-1965), konkret: das Gedenken an die epochale Erklärung von Nostra aetate, Art. 4, von 1965 zum erneuerten Verhältnis der Kirche zum Judentum, 25 Jahre der ebenso epochale Synodalbeschluss „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ der Evangelischen Kirche im Rheinland von 1980 (als Vorbild für andere evangelischen Landeskirchen). Die örtlichen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit nahmen diese Daten auf,2 ebenso Bildungshäuser,3  Zeitschriften und der Internationale Rat der Christen und Juden (ICCJ).4 

So plante auch der DKR für 2005 eine große nationale Tagung zum erneuerten Verhältnis der Kirchen zum Judentum mit hochrangigen Vertretern aus Judentum und Christentum. Angefragt dazu wurde auch Walter Kardinal Kasper, der seit März 2001 im Vatikan Vorsitzender der Ökumene-Kommission und zugleich Vorsitzender der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum geworden war. Als Professor an den Universitäten in Münster und Tübingen (1964-1989)  – seine Bücher etwa zu „Jesus der Christus“ und „Der Gott Jesu Christi“ bestätigen dies – war er primär Vertreter der systematischen, aber für innerchristliche Ökumene offenen Theologie; dies gilt ebenso ab 1989 als Bischof in Rottenburg-Stuttgart. Diese Perspektive prägte auch noch primär ab 1999 seine Tätigkeit als Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Um die Thematik „Judentum“ ausgeweitet wurde sie, als er 2001 Kardinal und Präsident der genannten vatikanischen Kommissionen wurde. Nach kurzer Zeit der intensiven Einarbeitung in die christlich-jüdische Thematik wurde er mehr und mehr Sprachrohr von Papst Johannes Paul II. und seiner biblisch orientierten Israel-Theologie.5 

Dies in strengem Sinn  des Wortes, da der Papst in den letzten Lebensjahren aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung zwar nicht völlig zum schweigenden Papst wurde (seine unverständlichen Worte noch in den letzten Lebenswochen bewegten die Welt, Atheisten und Agnostiker nicht ausgenommen), jedoch zu Vorträgen und zur Dialogarbeit nicht mehr fähig war. Die letzten großen Reden und symbolischen Gesten des Papstes stammen aus dem Kontext des Schuldbekenntnisses und der Vergebungsbitte am Ersten Fastensonntag in St. Peter in Rom und während der anschließenden Israel-Reise vom 21. bis 26. März 2000, als er  mit zitternder Hand und von Krankheit gequält in einer bewegenden Geste einen Gebetszettel in einen Spalt der Westmauer des Tempels, der sogenannten Klagemauer, legte.

Mit Papst Johannes XXIII. teilte Johannes Paul II. das Mitleiden, die „Sympathie“ mit den jüdischen Mitbürgern, dies aber nicht erst seit seiner diplomatischen Tätigkeit, sondern seit seiner Jugend in seiner Heimatstadt Wadowice in der Nähe von Krakau.6  Im Unterschied zu diesem kann man bei Papst Johannes Paul II. von einer wohldurchdachten und differenzierten Israel-Theologie sprechen, die es (analog zu den theologischen Konzepten von Papst Benedikt XVI. und Kardinal Kasper) verdient hätte, durch Stiftungen finanziell abgesichert, umfassend aufgearbeitet zu werden.7  Dies betrifft vor allem seine bibeltheologischen Begründungen und seine Lesart der heiligen Schriften Israels.

Vor allem sein Satz aus der Ansprache an den Zentralrat der Juden in Deutschland und die Rabbinerkonferenz am 17. November 1980 in Mainz zum christlich-jüdischen Verhältnis, demzufolge unter Berufung auf Röm 11,29 „die erste Dimension“  des christlich-jüdischen Dialoges „die Begegnung zwischen dem Gottesvolk des von Gott nie gekündigten Alten Bundes und dem des Neuen Bundes“ ist,8 sowie sein Bekenntnis bei der Ansprache beim Besuch der Großen Synagoge in Rom am 13. April 1986 vor den Juden: „Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man sagen, unsere älteren Brüder“9, lösten bei traditionellen Theologen im Vatikan und bei Bischöfen Irritationen, aber auch offenen Widerspruch aus. Johannes Paul II. jedoch bekräftigte seine Überzeugung, indem er die Formel vom „Gottesvolk des von Gott nie gekündigten Bundes“ noch des Öfteren wiederholte10 und sie so in den theologischen Sprachschatz einführte.

Zum letzten Mal noch fasste Johannes Paul II. vom Krankenbett am 22. Mai 2004 beide theologischen Aussagen zusammen in seiner Botschaft an Oberrabbiner Dr. Riccardo Di Segni anlässlich des 100. Jahrestages der Errichtung der römischen  Synagoge, die er durch den Generalvikar für die Diözese Rom, Camillo Kardinal Ruini, in Begleitung des Präsidenten der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Kardinal Kasper, vortragen ließ: „Wie ich bei dem bereits erwähnten Besuch [am 13. April 1986] sagte, grüßen wir Euch als unsere ‚bevorzugten Brüder‘ im Glauben Abrahams, unseres Patriarchen […]. In seinem Brief an die Römer (vgl. Röm 11,16-18) sprach schon Paulus von der heiligen Wurzel Israels, in welche die Heiden in Christus eingepfropft sind; ‚denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt hat‘ (Röm 11,29), und: Ihr seid weiterhin das erste Volk seines Bundes“.11  

Wie dramatisch im Vatikan um diese klare theologische Position in jenen Jahren wohl gerungen und gestritten wurde, zeigt die späte, ungewöhnliche Klarstellung durch Papst Benedikt XVI. (von 1982 bis 2005 Präfekt der Glaubenskongregation). In dem am 30. September 2010 veröffentlichten, stark von seiner Theologie geprägten „Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini von Papst Benedikt XVI. über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“12 heißt es in Nr. 43: „Papst Johannes Paul II. hat zu den Juden gesagt: Ihr seid ‚unsere ´bevorzugten Brüder` im Glauben Abrahams, unseres Patriarchen.‘ Natürlich bedeuten diese Worte keine Absage an den Bruch, von dem das Neue Testament in Bezug auf die Institutionen des Alten Testaments spricht, und erst recht nicht an die Erfüllung der Schriften im Geheimnis Jesu Christi, der als Messias und Sohn Gottes erkannt wird. Dieser tiefe und radikale Unterschied beinhaltet jedoch keineswegs eine gegenseitige Feindschaft.“

Dieser päpstliche Widerspruch kennzeichnet das grundlegende Dilemma, von dem das christlich-jüdische Gespräch seit 2005 belastet ist und das jedes Treffen zwischen Juden und Christen von 2006 bis heute kontextuell belastet. Nur von diesem Kontext her kann jedes Treffen in seiner hohen theologischen Bedeutung angemessen gewürdigt werden. Wie sich zeigen wird, zeigt sich die päpstliche Aporie in unterschiedlicher Gestalt.

Dass Papst Benedikt XVI. fast zeitgleich mit dem Schreiben „Verbum domini“ von September 2010 auch gegenteilige theologische Akzente zu setzen bereit ist, belegt seine Rede  am 17. Januar 2010 beim Besuch der römischen Synagoge. Ohne die im Februar 2008 erlassene alt/neue Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“  (dazu unten) anzusprechen, betonte er, sein Besuch füge sich in den von seinem Vorgänger „vorgezeichneten Weg  ein, um ihn zu bestätigen und zu festigen.“ „Auch“  er wolle in den Jahren seines Pontifikats seine „Nähe und Liebe zum Volk des Bundes“ zeigen, was Benedikt – wie die Wendung von der „Vernichtung des Volkes des Bundes Mose“ andeutet, nur ethnisch versteht. Damit bestätigt sich seine spezifische Theologie des Bundes; dass der „Bund des Mose“ ungekündigt sei, sagte er nicht. Seine Zitate aus Röm 9,4-5 und 11,29 brachten ihm den spontanen Applaus der Anwesenden ein, wobei allerdings anzumerken ist, dass der Papst zu Recht den „tiefen Zusammenhang“ zwischen der Kirche, dem „Gottesvolk des Neuen Bundes […] mit den Juden, die vor allen anderen vom Herrn auserwählt sind, sein Wort anzunehmen“, christologisch deutet, wie der Hinweis auf den Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 839 belegt.13 So deuteten durchgehend auch die Kirchenväter. Enthalten die heiligen Schriften Israels doch nicht das wahre, ewig gültige „Wort des lebendigen Gottes“ (so die Akklamation nach der Lesung)? Sind Juden doch nicht im Heil? Sind sie zu missionieren? Gibt es doch einen „Bruch“ zwischen dem Neuen und Alten Testament, wie im Apostolischen Schreiben von September 2010 gegen Papst Johannes Paul II. festgestellt wird? Die Widersprüche werden nicht aufgelöst zwischen offiziellen Lehrschreiben und aktuellen Reden „Aug‘ in Auge“.

Erinnert sei exemplarisch auch an die Ansprache des Papstes am 22. September 2011 in Berlin beim Treffen mit Rabbinern und Vertretern des Zentralrates der Juden in Deutschland. Zur „inneren Verwandtschaft mit dem Judentum“ heißt es unzweideutig: „Für Christen kann es keinen Bruch im Heilsgeschehen geben. Das Heil kommt nun einmal von den Juden (vgl. Joh 4,22).“14 Solche mündlich vorgetragenen Sätze werden von Seiten der Juden mit großem Wohlwollen gehört. Sie können die Ambivalenz und den Widerspruch zu den gedruckten nicht aufheben. Dem Papst wohlwollende Theologen interpretieren die Reden als Leseanweisung für die umstrittenen Texte, sie sehen im Papst den Interpreten seiner eigenen Texte. Jedoch: Geändert werden sie nicht und überdauern wie die alt/neue Karfreitagsliturgie die Zeiten.

Die theologischen Vorbehalte gegen die Israel-Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils und von Johannes Paul II. sind offensichtlich,15 sie prägen die Äußerungen und Gesten von Papst Benedikt XVI. bis heute.16 

Umso dankbarer kann man sein, dass die Idee eines jährlichen Treffens von Repräsentanten der beiden Rabbinerkonferenzen mit Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland verwirklicht werden konnte und zu einer, wenn auch noch jungen, Tradition geworden ist. Dass es erst so spät in Deutschland realisiert werden konnte, dürfte nicht zuletzt durch die historischen Belastungen des Verhältnisses der Kirchen zu den Juden durch die christlichen Kirchen in Deutschland bedingt sein.

Auf vatikanischer Seite gab es seit der Einrichtung der „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ am 22. Oktober 1974 durch Papst Paul VI. mit dem niederländischen Kardinal Jan Willebrands als Präsidenten von 1969 bis 1989 immer stärkere „stabile institutionelle Verbindungen“ zwischen den vatikanischen Kommissionen und jüdischen Repräsentanten, wie Kardinal Kasper am 9. März 2006 in Berlin (s.u. Anm. 23) zu Recht betonen konnte. Neben wichtigen Erklärungen standen zahlreiche „Begegnungen mit leibhaftigen Menschen im Vordergrund“.

Dass das erste Treffen höchster kirchlicher und rabbinischer Repräsentanten im März 2006 stattfand, ist auf vatikanischer Seite in erster Linie Kardinal Kasper zu verdanken. Er hielt sozusagen als Platzhalter für die von Papst Johannes Paul II. vertretene neue Israel-Theologie wegweisende Vorträge vor Rabbinern und Bischöfen u.a. 2001 in Montevideo und New York sowie 2004 in Buenos Aires und London (es folgten Treffen 2006 in Kapstadt und  2008 in Budapest).17 Die international im christlich-jüdischen Dialog Engagierten waren sich angesichts der Erwartung des baldigen Todes von Papst Johannes Paul II. nicht sicher, ob im Vatikan offiziell an der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgegebenen Linie des erneuerten Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zum Judentum festgehalten würde – wer immer als Papst nachfolgen würde.

Was lag näher, als Kardinal Kasper auch nach Deutschland zu einem Vortrag vor Rabbinern und Bischöfen einzuladen? Der „Umweg“ über Rom könnte zu einem direkten Weg des Gespräches zwischen dem höchsten ökumenischen Repräsentanten des Vatikans für die Ökumene und für die Beziehungen zu den Juden, konkret zu den Hauptströmungen der jüdischen Theologie in Deutschland führen. Kardinal Kasper wäre zugleich aufgrund seiner diplomatischen Stellung gleichsam der vatikanische Türöffner für die Realisierung einer Vision einer Nichtkirchenorganisation wie den DKR, die von den beteiligten Kirchen und Rabbinern in Deutschland – trotz aller gewonnenen Offenheit im christlich-jüdischen Verhältnis – wohl nur mühsam hätte in die Tat umgesetzt werden können. Zu viele Gremien hätten befragt werden müssen.18 Ein Anstoß sozusagen von außen, einen offiziellen christlichen Dialog mit jüdischen Repräsentanten auf höchster Ebene zu beginnen, erschien einfacher – und war es in der Tat. Mein Vorschlag zu einem solch großen Treffen mit einem Vortrag von Kardinal Kasper wurde zunächst im Vorstand des DKR ungläubig belächelt, dann aber in der weiteren Vorbereitung durch den Vorstand und vom Büro in Bad Nauheim, konkret vor allem durch den Generalsekretär Rudolf Sirsch, organisatorisch tatkräftig unterstützt. Anfang 2005 wurde ein solches Treffen endlich von Rom schriftlich begrüßt.

Dass es in der unten beschriebenen Zusammensetzung stattfinden konnte ist u.a. dem in Jahren gewachsenen offenen Gesprächsklima in den evangelisch- bzw. den katholisch-jüdischen  Gesprächskreisen zu verdanken,19 ebenso auf evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen, bei deren christlich-jüdischen Gemeinschaftfeiern auch immer Bischöfe mitgewirkt haben, ebenso bei der christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier in der jährlichen „Woche der Brüderlichkeit“  des DKR.20 Nicht zu vergessen sind für Deutschland die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Evangelischen Kirchentag (seit 1961) und seit 1970 der Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dieser Gesprächskreis ist einzigartig in seiner Art, da er nicht nur das christlich-jüdische Programm der Katholikentage vorbereitet, sondern auch viel beachtete, gemeinsame Veröffentlichungen von Katholiken und Juden, unter ihnen auch Rabbiner, zu aktuellen, aber auch zu schwierigen theologischen Fragen des Dialogs erarbeitet. Ein solches theologische Forum gibt es sonst weltweit nicht.  

Darüber hinaus war aber auch bei vielen Bischöfen die Sensibilität für das christlich-jüdische Gespräch und für die offene Begegnung mit jüdischen Theologen immer mehr gewachsen. Auf katholischer Seite sind in erster Linie Karl Kardinal Lehmann, von 1987 bis 2008 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Dr. Heinrich Mussinghoff, seit 1994 Bischof von Aachen, von  1999 bis 2011 stellvertretender Vorsitzender der DBK und seit 2006 Vorsitzender der Unterkommission „Fragen des Judentums“, zu nennen. Nicht unerwähnt bleiben darf die auch oft stille Arbeit des Leiters der bischöflichen Akademie in Aachen (1988-2005), Hans Hermann Henrix mit dem dortigen Schwerpunkt „Judentum“ (von 1985-1987 katholischer Präsident des DKR), der seit Jahren Berater der DBK ist, dazu seit 2003 Konsultor der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum; in dieser Funktion nahm er an den internationalen Treffen teil.



Hubert Frankemölle


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Voraussetzungen der Initiative des DKR … auf jüdischer Seite

Ohne die Gesprächspartner auf jüdischer Seite hätte das erste Treffen im Jahre 2006 selbstverständlich ebenfalls nicht realisiert werden können. Allen voran ist hier Dr. Henry G. Brandt, seit 1985 der jüdische Präsident des DKR, zu nennen, Landesrabbiner von Niedersachsen (seit 1983) und von Ostwestfalen-Lippe (1995-2004, seither Rabbiner „im Unruhestand“ in Augsburg). Weit mehr als andere hat er durch Predigten und Reden, auch auf evangelischen Kirchentagen und auf Katholikentagen sowie bei der „Woche der Brüderlichkeit“21  das christlich-jüdische Klima in Deutschland als Pionier im durch den Jahrhunderte langen Antijudaismus der Kirchen und durch den menschenverachtenden und zerstörenden Antisemitismus der NS-Zeit immer noch verminten Feld der interreligiösen Beziehungen entlastend gewirkt. Er kann als wahrer „Brückenbauer“, als pontifex maximus, in der Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses in Deutschland genannt werden. Vor allem das gemeinsame Stehen vor Gott im Gebet, auf gleicher Augenhöhe mit vielen Bischöfen und Präsiden und deren Erfahrung der spirituell und theologisch ansprechenden Predigten durch den Rabbiner dürften mehr bewirkt haben als viele sprachlich wohlabgewogene offizielle Erklärungen durch Gremien. Seit Mitte der 80er Jahre habe ich Henry Brandt als Rabbiner kennen und schätzen gelernt, nicht zuletzt als geschäftsführender Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Paderborn (1987-2011) und während meiner Arbeit im Vorstand des DKR (2000-2010).

Zum Gelingen der Treffen auf breiter Basis waren aber auch neue organisatorische Strukturen bei den Rabbinern in Deutschland erforderlich, die es heute leider nicht mehr gibt. Für das Jahr 2004 sind folgende strukturelle Voraussetzungen für eine Einladung an Kardinal Kasper zu einem Vortrag vor Rabbinern mit anschließendem Treffen mit ihnen zu nennen: Seit dem Zusammenbruch der UdSSR entwickelte sich nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 in den 1990er Jahren im jüdischen Leben in Deutschland ein neuer Pluralismus. Die Einheitsgemeinden repräsentierten nicht mehr alle Juden. Am 27. April 2003 wurde die Orthodoxe Rabbinerkonferenz (ORD) gegründet, in Reaktion darauf am 3. Februar 2005 die Allgemeine Rabbinerkonferenz (ARK). Streitpunkt war primär die Frage nach einer vollberechtigten Mitgliedschaft von Frauen in den Gemeinden und bei den Rabbinern sowie die Zuwendung von staatlichen Zuschüssen nicht nur an die Zentralratsgemeinden, sondern auch an die Richtung der World Union Progressive Judaism in Deutschland. Die Allgemeine (mehr liberale und konservative) Rabbinerkonferenz und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz organisierten als zwei autonome und vollkommen gleichberechtigte Flügel jeweils eigene Rabbinatsgerichte. Am 31. März 2005 schlossen sich beide Konferenzen unter dem Dach des Zentralrates der Juden zur Deutschen Rabbinerkonferenz (DRK) zusammen – mit jeweils drei gewählten Vertretern aus den beiden Richtungen. Gemäß den Statuten sollte der Vorsitz jährlich zwischen einem Vertreter der ORD und der ARK wechseln, wobei die jeweils andere Organisation den stellvertretenden Vorsitz stellen sollte. Der Öffentlichkeit und den Kirchen gegenüber konnte man so mit einer Stimme sprechen – erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg (wie wichtig ein solcher Ansprechpartner ist, zeigt sich im Verhältnis der Kirchen und des Staates zu den Muslimen). Die ultraorthodoxen, chassidisch geprägten Lubawitscher Juden mit ihren z.Z. etwa 30 Rabbinern und Gemeinden in Deutschland beteiligten sich nicht; sie lehnen jeden Dialog mit Christen ab; sie verstehen sich sogar als innerjüdische Missionsbewegung.22 

Als erster Vorsitzender der Deutschen Rabbinerkonferenz wurde der seit 2004 amtierende Vorsitzende der ARK, Dr. Henry G. Brandt, Rabbiner in Augsburg, gewählt. Er war es bis April 2006. Satzungsgemäß stellte ab 2006 mit Rabbiner Natanel Teitelbaum, von 2004 bis 2008 Rabbiner der Synagagen-Gemeinde Köln, die ORD den Vorsitzenden. Seit 2007 wurde zu keiner neuen Wahl eingeladen, was vermutlich nicht nur in der Frage, wer Jude ist, sondern auch in der Existenz von Rabbinerinnen in der ARK begründet sein dürfte.
Die Voraussetzungen auch auf  jüdischer Seite waren Anfang 2005 demnach für ein Treffen günstig. Diese Konstellation gab früher und später nicht.

Entgegen mancherlei Zweifel wurde das erste Begegnungstreffen im März 2006 realisiert. Initiiert, vorbereitet und organisiert wurde es vom DKR als Nicht-Kirchen-Organisation (im Präsidium und Vorstand arbeiten seit jeher jüdische, evangelische und katholische Mitglieder gleichberechtigt zusammen). Nur in dieser Konstruktion waren diplomatische Sensibilitäten von Anfang an ausgeklammert (vor allem: wer lädt ein? Wer darf reden?).


Der äußere Anlass der Initiative

Der wichtigste Impuls zur Initiierung entsprang einer Irritation beim bewegenden Besuch des im April 2005 neugewählten Papstes Benedikt XVI. am 19. August 2005 in der Synagoge in Köln anlässlich des 20. Weltjugendtages. Die Irritation wurde nicht ausgelöst, weil es der erste Besuch des aus Deutschland stammenden Papstes Josef Ratzinger war, ebenso nicht durch die wohlgesetzten Reden, sondern durch die protokollarische Entscheidung, am Ende dem Papst zunächst verdienstvolle Mitglieder der jüdischen Gemeinde Köln, dann  den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, des politischen Organs der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, sowie den Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Shimon Stein, vorzustellen. (So entsprach es der bisherigen Praxis des Vatikans, der den offiziellen Dialog ausschließlich mit dem Zentralrat der Juden, mit der sozusagen säkularen jüdischen Spitzenorganisation, selbst in theologischen Fragen geführt hatte.) Jedoch: Der Vorsitzende der Deutschen Rabbinerkonferenz (DRK), Henry Brandt, bzw. die Vorsitzenden der beiden Rabbinerkonferenzen (ARK und ORD), Henry Brandt und Yitzchak Ehrenberg, erhielten in der Synagoge in Köln nicht diese ehrenvolle Beachtung. Und doch sind sie es, die als Theologen die eigentlichen Gesprächspartner des Papstes sind. Oder wurde der Papst –auch vom vatikanischen Protokoll – nur in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt des Vatikans verstanden? Dass dies möglich sein kann, belegt die Kritik der Bundeskanzlerin Angela Merkel am Verhalten des Papstes im Februar 2009, als der Papst die Exkommunikation u.a. von Bischof Williamson, einem Holocaust-Leugner, aufhob. Diese Anmahnung wurde von vielen Katholiken, aber auch von Medien als anmaßende Kritik am Papst als dem Oberhaupt der Katholiken missverstanden. Aber bei dieser Kritik sprach, wie der Text belegt, ein Staatsoberhaupt zu einem anderen Staatsoberhaupt, was seine Rolle in Köln wohl kaum gewesen sein dürfte, zumal in den Reden nichts darauf hindeutete. Hier sprachen eindeutig Theologen. Das Protokoll entsprach dem nicht. Damit war die spontane Idee zur Realisierung eines Treffens von Rabbinern und Bischöfen auf gleicher Augenhöhe geboren.

Als diplomatisch einfachster Weg legte sich die Einladung an Walter Kardinal Kasper nahe – mit der Folge, dass ihr katholische und evangelische Bischöfe (der Vorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, kannte ihn aus der gemeinsamen Arbeit in ökumenischen Gremien), ebenso der Apostolische Nuntius in Deutschland und das Präsidium des Zentralrates der Juden folgen würden.

Nach langen Vorbereitungen, vielen Briefen (der erste an Kardinal Kasper stammt vom 23. September 2004) und Mails sowie telefonischen Abklärungen wurde Berlin als Ort des Treffens vereinbart; hier wurde am Sonntag, dem 5. März die „Woche der Brüderlichkeit“, die seit 1952 vom DKR veranstaltet wird, feierlich eröffnet; ebenfalls wollte es der Zufall, dass am 6. März die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz begann, ebenfalls in Berlin. Die zeitlichen und personellen Konstellationen waren günstig wie nie.



... weiter zu Teil 2



ANMERKUNGEN



1 Weiterführung und Vertiefung meines Beitrages „Bischöfe treffen Rabbiner“, in: HerKorr 64(2010)94-98; engl. Übersetzung in: JCCJ vom 1.4. 2010.
2 Für die Gesellschaft in Paderborn darf ich stellvertretend hinweisen auf die in Buchform veröffentlichen Vortragsreihen aus den Jahren 2000 und 2004/05: „Christen und Juden gemeinsam ins dritte Jahrtausend. ‚Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung‘, hg. v. Hubert Frankemölle, Paderborn / Frankfurt 2001; Ders. (Hg.), Juden und Christen im Gespräch über „Dabru emet – Redet Wahrheit“, Paderborn 2005.
3 Vgl. etwa K. Kriener / J. M. Schmidt (Hg.), „… um Seines NAMENs willen“. Christen und Juden vor dem Einen Gott Israels. 25 Jahre Synodalbeschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“, Neukirchen-Vluyn 2005; von katholischer Seite vgl. etwa: H.H. Henrix (Hg.), Nostra Aetate – Ein zukunftsweisender Konzilstext. Die Haltung der Kirche zum Judentum 40 Jahre danach (Schriftenreihe der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen 23), Aachen 2006, u.a. mit Analysen und Deutungen von Karl Kardinal Lehmann und Israels Botschafter in Deutschland Shimon Stein.
4 Vgl. etwa das Themenheft der Zeitschrift „Diakonia“, Heft 1/2012 zum 50. Jahrestag des Konzils sowie Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.), Zeit zur Neu-Verpflichtung. Christlich-Jüdischer Dialog 70 Jahre nach Kriegsbeginn und Shoah, St. Augustin / Berlin 2009 mit den „zwölf Berliner Thesen“.
5 Zur Begründung vgl. H. Frankemölle, Die Bedeutung der Christologie im christlich-jüdischen Dialog. Bibeltheologische (und päpstliche) Impulse (2002), in: Ders., Studien zum jüdischen Kontext neutestamentlicher Theologien, Stuttgart 2005, 292-302.
6 Vgl. R. Kampling, „… eine Erfahrung, die ich heute noch in mir trage …“ Die Israel-Theologie des Papstes Johannes Paul II. Ein Versuch , in: Ders., Im Angesicht Israels. Studien zum historischen und theologischen Verhältnis von Israel und Kirche, Stuttgart 2002, 261-272; zu frühen Belegen der freundschaftlichen Verbundenheit des jungen Karol Wojtyla mit Juden vgl. U. Sahm, Stimmen aus Israel zum Tode des Papstes, in: http://www.ekiba.de/3229_3308.php oder J. Gerloff, Der "Papst der Juden": Die israelische Öffentlichkeit zum Tod von Papst Johannes Paul II., in: http://www.israelnetz.com/themen/hintergruende/artikel-hintergrund/datum/2005/04/05/der-papst-der-juden-die-israelische-oeffentlichkeit-zum-tod-von-papst-johannes-paul-ii/ (ich verdanke diese Hinweise H.H. Henrix).
7 Ein Überblick über die wichtigsten päpstlichen Reden und Verlautbarungen findet sich in: R. Rendttorff / H.H. Henrix (Hg.), Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von 1945-1985, Paderborn / München 1988, 62-111; H.H. Henrix / W. Kraus (Hg.), Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von 1986-2000, Paderborn / Gütersloh 2001,4-161; zu neueren Erklärungen vgl. die digitale Version, hg. v. H.H. Henrix / R. Boschki,  unter: http://www.nostra-aetate.uni-bonn.de/kirchliche-dokumente/online-publikation-die-kirchen-und-das-judentum/I.-katholische-verlautbarungen (abgekürzt: KJ I, II, III). – Zu ersten Analysen und Interpretationen der Israellehre von Johannes Paul II. vgl. etwa: E. Fisher, Pope John Paul II’s Pilgrimage of Reconciliation: A Commentary on the Texts, in: Ders./ L. Klenicki (Hg.), Pope John Paul II, Spiritual Pilgrimage. Texts on Jews and Judaism 1979-1995, New York 1995, XX-XXXIX ; Romuald J. Weksler-Waskinel, Juifs et Judaïsme dans la réflexion de Jean Paul II.: Nova et Vetera. Revue trimestrielle Fribourg 71 (1996) 4, 17-30; W. Chrostowski, Johannes Paul II. über Juden und Judentum 1990-1995: Znak (1996) 3, 48-61; H. H. Henrix, Eine Nacht der Geschichte. Der polnische Papst Johannes Paul II. und die Schoah, in: W. Krücken / A. Lohe (Hg.), Wer baut, will bleiben. Simon Schlachet zu Ehren, Aachen 1997, 73-95; J. Stern, Jean-Paul II face à l’Antijudaïsme, in: Radici dell’ Antigiudaismo in Ambiente Cristiano. Colloquio Intra-Ecclesiale. Atti del Simposio Teologico-Storico. Città del Vaticano, 30 ottobre - 1 novembre 1997. Grande Giubileo dell’ Anno 2000, Città del Vaticano 2000, 54-78; H. H. Henrix, Judentum und Christentum: Gemeinschaft wider Willen, Regensburg 2004, 69-81, 101-105 (diese Literaturhinweise verdanke ich H.H. Henrix). Vgl. auch B.L. Sherwin/H. Kasimow (hg.), John Paul II. and Interreligious Dialogue, Maryknoll 1999; Ph. A. Cunningham/J. Sievers/M. C. Boys/H. H. Henrix/J. Svartvik (Hg.), Christ Jesus and the Jewish People Today. New Explorations of Theological Interrelationships, Grand Rapids/Cambridge 2011.
8 KJ I 75.
9 KJ I 109.
10 Vgl. etwa seine Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft Australiens am 26. November 1986 in Sydney (KJ II 14-16, ebd. 15: „unwiderruflichem Bund“), seine Ansprache an Vertreter der jüdischen Gemeinschaft Brasiliens am 15. Oktober 1991 in Brasilia (KJ II 59f, ebd.60: „Diese gemeinsame Wurzel veranlasst uns auch, dieses Volk [der Juden] zu lieben, denn wie die Bibel sagt: ‚Weil Jahwe Israel ewig liebt … (1 Kön 10,9), hat er mit ihm einen Bund geschlossen und ihn nie gebrochen.“).
11 Botschaft an die Oberrabbiner von Rom vom 22. Mai 2004 (KJ III K.I. 05). – Die These, dass die Christen und die Kirchen in die Wurzel Israel eingepfropft sind, d.h. in den Bund Gottes mit Israel aufgenommen wurden, ist eine mögliche Lesart; zu neueren Deutungen mit dem Konzept zahlreicher Bundesschlüsse im AT mit Noe, Abraham, Mose … vgl. H. Frankemölle, „Bund/Bünde“ im Römerbrief, in: Ch. Dohmen / Ch. Frevel (Hg.), Für immer verbündet. Studien zur Bundestheologie der Bibel, Stuttgart 2007, 69-84. Dies hat Folgen für die Christologie; vgl. Ders., Was meint „universale Heilsbedeutung Jesu Christi“ im Römerbrief? Ein Zwischenruf zur Hermeneutik, in: L. Hauser u.a. (Hg.), Jesus als Bote des Heils, Stuttgart 2008, 237-259, sowie K. Wengst, Wie wäre von universaler Heilsbedeutung Jesu“ nach dem Römerbrief des Paulus zu reden?, in: H. Frankemölle/ J. Wohlmuth (Hg.), Das Heil der Anderen. Problemfeld „Judenmission“, Freiburg 2010, 311-327.
12 KJ III  K I.36.
13 13 KJ III K I.33.
14 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Apostolische Reise Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. nach Berlin, Erfurt und Freiburg 22.-25. September 2011, Bonn 2011, 44-47, ebd. 46. Ein solcher Widerspruch zwischen Reden und zwischen Reden und gedrucktem Text ist nicht singulär. Erinnert sei an die Ansprache Benedikts am 23.9.2011 an die Repräsentanten der Evangelischen Kirche im Augustinerkloster in Erfurt, in der er Luther als goßen Theologen würdigte, ihn jedoch im anschließenden öffentlichen ökumenischen Wortgottesdienst mit keinem Wort erwähnte. Sodann: Am 30.11.2011 forderte er vor tausenden Pilgern in einer von der Gemeinschaft Sant’Egidio organisierten internationalen Veranstaltung die Regierungen in aller Welt auf, die Todesstrafe abzuschaffen, während sie in dem unter seiner Federführung erarbeiteten „Katechismus der katholischen Kirche“ vom 11.10.1992 in Nr. 2266 theologisch gerechtfertigt wird. Was gilt?
15 Begründet liegen sie in der Theologie von Papst Benedikt XVI. Zur eigenen Deutung vgl. H. Frankemölle, Juden und Christen nach Johannes Paul II. Der Papst als Leser der heiligen Schriften, in. www.compass-infodienst.de von April 2005; Ders., Quo vadis,Benedicte? Theologische Prinzipien des Papstes und ihre kirchlichen Folgen, in: www.compass-infodienst.de vom 28.9.2007; vor allem die absolute christologische Lesart des AT im Sinne der Kirchenväter belässt den jüdischen Schriften keinen theologischen Eigenwert; vgl. Ders., Zur Auslegung des Neuen Testaments im Kontext des Judentums und die kirchliche Rezeption heute, in: Theologie und Glaube 101(2011)378-401.
16 Wohlwollend deutet Reden und Gesten von Papst Benedikt XVI. durchgehend H.H. Henrix, Pope Benedict XVI. and  the Jews: A Relationship under Suspicion?, in: Israel Affairs 16(2010)535-561; Ders., Der christlich-jüdische Dialog aus katholischer Sicht: Erreichtes, offene Fragen, in: Compass. Online-Extra Nr. 158 (2012). Sehr kritisch dagegen ist der Überblick zu den päpstlichen theologischen Äußerungen seit der Wahl am 19. April 2005 von H.-G. Schöttler, (K)eine „Wende der Wende“ in den katholisch-jüdischen Beziehungen? Protokoll einer schleichenden Entfremdung, in: J.E. Hafner (Hg.), Takt und Tacheles. FS H. Heinz, München 2009, 249-283. - Die Wendung „keine Wende der Wende“ zitiert ein mit großem Applaus bedachtes , spontanes Wort von Erzbischof Robert Zollitsch, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, beim Katholikentag in Osnabrück am 22. Mai 2008 auf die Wiedereinführung der Karfreitagsfürbitte für die Juden; zur Rede vgl. www.katholikentag.net/2008/presse/dokumente/dateien/0876.pdf. Bei einem Treffen mit dem Präsidium des Zentralrates der Juden am 18. November 2009 wiederholte er: „Wir bekräftigen, dass es im Dialog zwischen Judentum und katholischer Kirche in Deutschland keine Wende zurück geben wird.“ (Pressemitteilung der DBK vom 18.11.2009)
17 Zu den Treffen des Internationalen katholisch-jüdischen Verbindungskomitees vgl. www.ccjr.us/dialogika-resources/documents-and-statements/roman-catholic. Immer wieder betont Kardinal Kasper seinen Glauben, „dass das Judentum, d.h. die gläubige Antwort des jüdischen Volkes auf Gottes unwiderruflichen Bund für dieses heilvoll ist, weil Gott seinen Verheißungen treu ist.“ So etwa 2001 in New York: Sidic XXXIV, 2001, Nr.2, 21-23. Vgl. auch H.H. Henrix, Weichenstellungen in katholischen Positionen – von „Nostra Aetate bis zu Papst Benedikt XVI., in: Frankemölle / Wohlmuth, Heil der Anderen (s. Anm. 11) 18-35, ebd. 20-24.
18 Die Diskussionen beim Treffen in Hamburg 2009, ob das  anwesende Gremium überhaupt berechtigt sei, eine offiziöse Presseerklärung zum diskutierten Thema zu veröffentlichen, bestätigten diese Vorbehalte.
19 Besondere Erwähnung verdient wegen der vielfältigen Veröffentlichungen zu aktuellen und theologisch grundsätzlichen Fragen der Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (zu den Erklärungen vgl. KJ I – II in der Rubrik „Gemeinsame christlich-jüdische Verlautbarungen“) sowie H. Heinz (Hg.), Um Gottes willen miteinander verbunden. Der Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Münster  2004 mit Grußworten von Walter Kardinal Kasper und Karl Kardinal Lehmann. 
20 Zu seiner Bedeutung vgl. Ch. Münz / R.W. Sirsch (Hg.), „Wenn nicht ich, wer? Wenn nicht jetzt, wann?“ Zur gesellschaftspolitischen Bedeutung des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR), Münster 2004 mit Grußworten von Johannes Rau, Paul Spiegel, Karl Kardinal Lehmann und Bischof Wolfgang Huber.
21 Vgl. H.G. Brandt, Freude an der Tora – Freude am Dialog, Bochum 2002; Ders., Süßer als Honig, Berlin 2007.
22 Zu der Bewegung der Lubawitscher vgl. M. Brumlik, Messianismus und mystischer Aktivismus im gegenwärtigen Judentum. Chabad Lubawitsch (Rabbiner-Brandt-Vorlesung am 14. September 2011 in Braunschweig): homepage des DKR, Reden (mit weiterführender Literatur).


Der Autor

HUBERT FRANKEMÖLLE

Prof. Dr., katholischer Neutestamentler (1969-1979 in Münster, 1979-2004 in Paderborn). Gründer der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1987 in Paderborn, bis 2011 deren geschäftsführender Vorsitzender, von 2000 bis 2010 im Bundesvorstand des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit; seit 1997 Mitglied im Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), von 2007 bis 2011 Mitglied der „Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ der Deutschen Bischofskonferenz. Zahlreiche fachexegetische Veröffentlichungen zum Neuen Testament, aber auch zu jüdisch-christlichen Themen.  



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