Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331




Online-Extra Nr. 175


"Gelobtes Land" ...

- Uwe Gräbe: "Gelobtes Land" - Eine Annäherung

- Ricklef Münnich: Weder Klärung noch Fortschritt.
Die Orientierungshilfe "Gelobtes Land" der EKD

-
Ulrich W. Sahm: EKD-Leitfaden - Selig sind die Unwissenden



... und eine Solidaritätserklärung für Israel

PCIME: Jerusalem-Erklärung


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"Gelobtes Land" - Eine Annäherung

Uwe Gräbe


Sie müssen etwas richtig gemacht haben, die Verfasser dieser Orientierungshilfe zu „Land und Staat Israel“. Denn anders ist die heftige Kritik, die sie aus solch unterschiedlichen Richtungen erhält, kaum erklärbar.

So meldet sich einerseits aus dem Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit der evangelische Präsident dieses Gremiums, Pfarrer Ricklef Münnich, zu Wort. Er erklärt, um einen weiterführenden Beitrag zur Diskussion um Staat und Land Israel zu leisten, hätte die Studie „mehr Farbe bekennen“ müssen. Dass hier z.B. die Möglichkeit der Deutung des Staates Israel als „Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk“ mit einem „kann“ versehen wird, enttäuscht Münnich – und er hat auch gleich eine Erklärung parat: „Der Grund dürfte in unausgesprochener Rücksichtnahme auf Muslime und palästinensische Christen liegen.“  (siehe: http://www.compass-infodienst.de/index.php?id=11354)

Kritik aus anderer Richtung kommt u.a. von dem Historiker und Publizisten Reiner Bernstein, der in den vergangenen Jahren als Vertreter der israelisch-palästinensischen „Genfer Initiative“ in Deutschland wirkte. Auch Bernstein stößt sich an dem, was die Autoren da zum „Zeichen der Treue Gottes“ schreiben. Dabei drückt er jedoch seinen grundsätzlichen Zweifel aus, ob die Legitimität des Staates Israel überhaupt „einer christlich-theologischen Rechtfertigung bedarf, (…) zumal da die israelische Politik alles daransetzt, diese Legitimität systematisch zu untergraben.“ (siehe:
http://www.aixpaix.de/autoren/bernstein/ekd.html)

Ob nun die „Rücksichtnahme auf Muslime und palästinensische Christen“ schuld ist, oder „die israelische Politik“: Einig sind sich Münnich und Bernstein in ihrem Urteil, dass die Orientierungshilfe ihrem eigenen Anspruch, „die oft hoch emotional und polarisierend geführte Diskussion um Land und Staat Israel zu versachlichen“, nur äußerst bedingt gerecht werde. Doch vielleicht deuten die so unterschiedlichen Begründungen dieser Kritik ja darauf hin, dass den Verfasserinnen und Verfassern der Studie ihr Unternehmen alles in allem recht gut gelungen ist.

Ebenso knapp wie konsistent wird da in die Auseinandersetzungen um „verheißenes“, „heiliges“ oder „gelobtes“ Land sowie um Land und Staat Israel in der Bibel, im nachbiblischen Judentum, in Kirchen- und Theologiegeschichte sowie in der gegenwärtigen Debatte eingeführt. Sicher: Manches ist kurz –  einiges zu kurz –  dargestellt, und es fehlen auch Teile der Geschichte, die eigentlich hätten erwähnt werden können. Mit einer Hermeneutik des Verdachts kann man von der einen wie von der anderen Seite dem Verfasserkreis vorwerfen, tendenziös ausgewählt zu haben. Man kann aber auch ganz einfach zu dem Urteil kommen, dass der Raum in einer kompakten Orientierungshilfe nicht ausreicht, um alles so umfassend und differenziert zu sagen, wie es im Grunde hätte gesagt werden müssen.

Gewiss: Es gibt Kleinigkeiten, die richtig stören. Wenn in 1.2. das Thema „Der Staat Israel und wir Christen“ behandelt wird, dann sind mit den Christen eben nur die Christen in Deutschland gemeint. Sowohl die Orientierungshilfe selbst wie auch die ganz gegensätzlichen Formen der Kritik daran sind durchgehend von einer sehr deutschen „Gefühligkeit“ geprägt, die in anderen christlichen Kontexten oft nur schwer verständlich ist. Und das affirmative „Wir bejahen das Existenzrecht des Staates Israel“ – das muss eigentlich nicht mehr gesagt werden. Schon gar nicht zweifach, wie in der Orientierungshilfe. Denn wer diese simple Selbstverständlichkeit in Frage stellt, mit dem ist ohnehin nicht mehr zu diskutieren.

Ja, und dann ist da das letzte Kapitel, in dem es um Israel als „Zeichen der Treue Gottes“ geht – also um eben die pointierte Formulierung, die von der Rheinischen Synode 1980 verabschiedet wurde. „Die Rückkehr von Jüdinnen und Juden in das Land Israel und dem folgend die Gründung des Staates im Jahr 1948 sind (…) für Christen kein unmittelbar religiöses Ereignis“, stellen die Autorinnen und Autoren der Orientierungshilfe fast. Aber: „Auch die Gründung des Staates kann als ein Mittel erscheinen, um unter den Bedingungen der unerlösten Welt und angesichts der realen Konflikte im Nahen Osten Jüdinnen und Juden ein Leben im Land Israel in Recht und Frieden zu ermöglichen. In diesem Sinne kann die Gründung des Staates Israel als ein ‚Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk‘ gedeutet werden.“ (9.2.)

Zum Verständnis dieser Aussagen muss man sich wohl bewusst machen, wer diese Orientierungshilfe verfasst hat, nämlich die Mitglieder des gemeinsamen Ausschusses „Kirche und Judentum“ der Kirchen, welche die Orientierungshilfe nun verantworten. In diesem Zitat zeigt sich eine erhebliche Ernüchterung derer, die oftmals seit Jahrzehnten mit viel Engagement im jüdisch-christlichen Dialog engagiert sind. Zurückhaltener kann man aus dieser Perspektive wohl kaum von der theologischen Bedeutung des Staates Israel sprechen.

Dabei ist es nicht wenig, dass eben dennoch ausdrücklich an der Möglichkeit festgehalten wird, die Gründung des Staates Israel als ein "Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk" zu verstehen. Dieser Satz vom "Zeichen" wurde 1980  ja in einen bestimmten Kontext hinein gesprochen. Wer in jener Zeit Theologie studiert hat, der weiß, dass es damals an den Universitäten noch die Professoren gab, die ganz selbstverständlich von der "Verwerfung" Israels und vom "Spätjudentum" sprachen. Solche „Theologen“ mussten durch einen solchen Satz erst darauf gestoßen werden, dass sich mittlerweile ein höchst lebendiges, dynamisches Judentum wieder zusammengefunden hatte, welches gar nicht daran dachte, sich als "verworfen" zu sehen, sondern vielmehr mit der Gründung des Staates Israel auch den biblischen Landverheißungen einen modernen Realisierungsrahmen gegeben hatte. Der Satz vom "Zeichen"  war ein ganz wichtiger Aufbruch - ein Augenöffner zumindest. Und viel mehr will ein "Zeichen" - biblisch verstanden - ja gar nicht sein.

Natürlich muss man sich dann auch fragen, was mit denen ist, die in dieser Staatsgründung überhaupt nicht ein solches Zeichen Gottes sehen können - weil sie nämlich in der Folge ihr Land verloren haben. Wenn man beides im Blick behält, dann versteht man, wie kontextuell wir Theologie nur betreiben können. Das ist keine Schwäche, sondern eher eine Stärke von Theologie: die immer neue Herausforderung, im rechten Moment das rechte Wort zu sagen. Diese Stärke ist zugleich eine heilsame Selbstbegrenzung. Von solcher Selbstbegrenzung ist auch die Orientierungshilfe „Gelobtes Land?“ geprägt – und insofern ist sie tatsächlich ein hilfreicher Beitrag zur Versachlichung der Debatte.


Gelobtes Land?



Gelobtes Land? - Land und Staat Israel in der Diskussion.
Eine Orientierungshilfe.


Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD)

Gütersloh 2012, 128 Seiten, mit 10 Farbfotos und neun farbigen Landkarten. ISBN 978-3-579-05966-2; Preis 6,99 Euro

oder

Download der Schrift als pdf-Datei (kostenfrei):
Gelobtes Land?


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