Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 183

April 2013

Die vom Deutschen Koordinierungsrat, dem Dachverband der über 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Deutschland, alljährlich ausgerichtete "Woche der Brüderlichkeit" feierte im vergangenen Jahr 2012 ihr 60-jähriges Jubiliäum. Seit kurzem liegt nun eine Publikation vor, die anlässlich dieses Jubiläums Rückblick, Ausblick und Bilanz dieser in der bundesrepublikanischen Landschaft einzigartigen Veranstaltung zu leisten versucht.

Die in diesem Band versammelten Beiträge rekapitulieren und reflektieren die Geschichte, Entwicklung, Erträge und gewiss auch Versäumnisse dieser "Erfolgsgeschichte". In den Beiträgen wird mehr als deutlich, wie sehr die "Woche der Brüderlichkeit" mit ihren Impulsen einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung von Juden und Christen gerade in Deutschland geleistet und weit über innerkirchliche und religiöse Kreise hinaus eine eminent politische Wirkung erzielt hat.

Im nachfolgenden ONLINE-EXTRA präsentiert COMPASS das Vorwort der beiden Herausgeber und stellt das Inhaltsverzeichnis zur Verfügung (siehe die Anzeige am Textende).

COMPASS dankt den Herausgebern für die Genehmigung zur Online-Wiedergabe ihres Textes an dieser Stelle.


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Online-Extra Nr. 183


"... damit es anders anfängt zwischen uns allen."

60 Jahre Woche der Brüderlichkeit

CHRISTOPH MÜNZ und RUDOLF W. SIRSCH (Hrsg.)


Vorwort


"Der Aufruf der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu einer 'Woche der Brüderlichkeit' ist ein Akt der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens unter den Menschen.[…] Wir begrüßen es …, daß der Gedanke der Brüderlichkeit einer Generation, die mit dem Alpdruck der Furcht vor der Zukunft belastet ist, nähergebracht wird. Möge das Werk zum Wohle und Frieden der Menschheit und zur Ehre der 'Menschen, die sich der Erfüllung dieser Ideale hingeben, gelingen."


Mit diesen emphatischen Worten begrüßte das "Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland" 1952 in einer "Sonderausgabe" der "Allgemeinen Wochenzeitung der Juden" (dem Vorläufer der heutigen "Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung") die erste Durchführung einer "Woche der Brüderlichkeit" in Deutschland. Das Titelblatt dieser Sonderausgabe trug ein ganzseitiges Konterfei des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, dessen Ansprache zur Eröffnung der ersten Woche der Brüderlichkeit am 09. März 1952 von allen damaligen Radiostationen  im Rundfunk übertragen wurde. Heuss sagte darin u.a.:


"Diese Woche wurde angeregt und wird bei uns durchgeführt von dem deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Dem Wirken und der Zielsetzung dieser Vereinigung gehört seit ihrem Beginn meine sachliche und persönliche Sympathie. […] Der Weg zur Brüderlichkeit wird … oft genug eine Sache der Tapferkeit sein, und zwar der Tapferkeit gegen sich selbst, gegenüber überkommener Denkgewöhnung, die zur Denkfaulheit geworden, gegenüber der Trägheit des Herzens, auch gegenüber einer eingängigen Formelwelt von gefrorenen oder gefrierenden Begriffen."1 


Beide Ereignisse – das wohlwollende Grußwort des damaligen Zentralrats der Juden wie auch die bundesweite Hörfunkausstrahlung der Rede des Bundespräsidenten – markieren symbolträchtig zwei substanzielle Kernaspekte, die mit dazu beigetragen haben, dass die erste "Woche der Brüderlichkeit" alles andere als eine Episode blieb und in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feiern konnte: Die Akzeptanz und Solidarität mit dem Projekt "Woche der Brüderlichkeit" zum einen von jüdischer und zum zweiten von politischer Seite aus. Gewiss, beides unterlag Höhen und Tiefen im Verlauf der zurückliegenden sechs Jahrzehnte – und wie könnte das bei einem so schwierigen, historisch belasteten, theologisch und religiös diffizilen und politisch sensiblen Thema auch anders sein. Dass freilich über die gesamten 60 Jahre hinweg kontinuierlich alle Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland die Schirmherrschaft über den Deutschen Koordinierungsrat (DKR) übernommen2 und ausnahmslos ein jeder von ihnen wenigstens einmal bei der zentralen Eröffnung anwesend war, dass seit vielen Jahren stets ein Vertreter, zumeist der/die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Präsenz zeigten, dass seit langem und mit nur wenigen Unterbrechungen ebenso der Botschafter des States Israel der Feierlichkeit beiwohnt, geschweige denn von Beginn an natürlich auch hochrangige Vertreter der beiden christlichen Kirchen vertreten waren – dies alles darf ohne Frage als deutlicher Ausdruck für den interreligiös wie gesellschaftspolitisch gewichtigen Rang gewertet werden, den die "Woche der Brüderlichkeit" einnahm und einnimmt, kurz: ein beredtes Zeichen für ihre sechzigjährige Erfolgsgeschichte hierzulande.

Und um eine Erfolgsgeschichte handelt es sich in der Tat. Es gibt keine andere Veranstaltung von christlich-jüdischer und interreligiöser Bedeutung, die über einen Zeitraum von sechzig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland jene öffentliche Resonanz erfahren, jene innerkirchliche wie gesellschaftspolitische Relevanz gewonnen, jene mediale Präsenz erhalten hat und die in der Wahrnehmung und im Bewusstsein so viel Tausender von Menschen, unzähliger Partner- und Freundschaftsorganisationen auf kommunaler, gemeindlicher und überregionaler Ebene so zentral verankert wäre wie es auf die "Woche der Brüderlichkeit" zutrifft. Möglich wurde und ist das freilich im Wesentlichen vor allem aufgrund des ungemeinen Engagements abertausender Bürger, die sich in einem dichten Netz von mittlerweile 84 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) über ganz Deutschland organisiert haben – ein Engagement, das im Übrigen nahezu ausschließlich ehrenamtlich geleistet wird und einmal mehr eindrucksvoll unterstreicht, was der langjährige evangelische Vorsitzende des DKR und spätere Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ) Martin Stöhr einmal so formulierte: Die Gesellschaften CJZ sind eine der "größten Bürgerinitiativen" Deutschlands. Und die "Woche der Brüderlichkeit" – so möchte man ergänzen – ist ihr weithin sichtbarstes Ausrufezeichen.

Natürlich, wie bei allen erfolgreichen Innovationen, die von Dauer gesegnet sind, gibt und gab es von Anfang an auch Kritik an Idee und Durchführung der "Woche der Brüderlichkeit". Im Wesentlichen sind es drei Punkte, an denen die Kritik sich immer wieder entzündete:


1. Eine "Woche" der Brüderlichkeit hat Alibi-Charakter, um den Rest des Jahres vom Anspruch der "Brüderlichkeit" zu entlasten.
2. Eine Woche der "Brüderlichkeit" ist in ihrer Terminologie ein überkommener Ausdruck chauvinistischen Denkens und sollte beispielsweise durch eine "Woche der Geschwisterlichkeit (o.ä.)" ersetzt werden.
3. Die "Woche der Brüderlichkeit" schließt als eine christlich-jüdische Veranstaltung die Muslime aus und sollte zu einer trialogischen Veranstaltung erweitert werden.


Zu 1) Diese Bedenken oder Unterstellung bzw. Befürchtung ist buchstäblich so alt wie die "Woche der Brüderlichkeit" selbst. Bereits im Vorfeld ihrer Geburt wurde sie geäußert (siehe etwa den Beitrag von Hans-Hermann Henrix in diesem Buch) und schon Bundespräsident Heuss hat sie in der oben bereits erwähnten Rede zur ersten "Woche der Brüderlichkeit" angesprochen ("Eine Woche? Na, eine Woche, das geht – aber nachher, da ist es wieder, wie es war…") und mit dem gesamten Tenor seiner weiteren Ausführungen zurückgewiesen. In der Tat, wer genauer hinsieht und Konzeption und Durchführung der "Woche der Brüderlichkeit" wirklich kennt, den können diese Bedenken nur befremden. Bezeichnenderweise ist das Motto der "Woche der Brüderlichkeit" stets das "Jahresthema" der Gesellschaften CJZ, was den Gedanken unterstreicht, dass die "Woche der Brüderlichkeit" eher als thematischer Auftakt des ganzjährigen Engagements zu begreifen ist als eine zeitlich begrenzte Alibiveranstaltung. Auch die in früheren Jahren erscheinende "Arbeitshilfe" zum Jahresthema, später das stets dem Jahresthema gewidmete  "Themenheft" ergänzen diese konzeptionelle Sichtweise. Demzufolge sind die thematischen Impulse, die die "Woche der Brüderlichkeit" alljährlich im März konzentriert in den Mittelpunkt stellen und in die Öffentlichkeit transportieren, schon immer Gegenstand unzähliger Veranstaltungen der inzwischen über 80 Gesellschaften CJZ geworden, die sich jeweils über ein ganzes Jahr erstrecken. Letztlich greifen die Bedenken, eine "Woche der Brüderlichkeit" legitimiere einen "unbrüderlichen" Umgang im Rest des Jahres ebenso kurz, wie etwa der Gedanke, ein Kirchgänger könne im allein sonntäglichen Besuch des Gottesdienstes eine Legitimation dafür finden, den Rest der Woche getrost unchristlich zu verleben. Wer diesem "Irrtum" erliegt, hat von Wesen und Charakter des Gottesdienstes so wenig begriffen wie jener, der eine "Woche der Brüderlichkeit" zum "unbrüderlichen" Leben für den Rest des Jahres missbraucht.

Zu 2) Spätestens mit dem Aufkommen der feministischen Bewegung in den siebziger Jahren und einer daraus resultierenden, größeren Sensibilität gegenüber chauvinistischen Umgangsgewohnheiten auch und gerade auf sprachlicher Ebene, geriet der Begriff der "Brüderlichkeit" wachsend in die Kritik. Ohne Frage handelt es sich hier um eine ernst zu nehmende Kritik, die nicht einfach als formale Frage sprachlicher "political correctness" abgetan werden kann. Auf der anderen Seite stellt sich gleichwohl die Frage, ob das Gewicht der Kritik ausreichend ist, um einen historisch begründeten und mittlerweile etablierten "Markenbegriff" wie den der "Woche der Brüderlichkeit" auszuhebeln. Auch wurde eingewandt, dass der Begriff der "Brüderlichkeit" eine historisch gewachsene und im Kontext des christlich-jüdischen Dialogs angereicherte Bedeutung erhalten habe, der ihn jenseits geschlechtsspezifischer Charakteristika stelle. Und schließlich wurde auf den eminent politischen Gehalt des Begriffs "Brüderlichkeit" hingewiesen, dessen Ursprünge auf die Französische Revolution zurückgehen und durch den ihm eine gewisse Geschlechtsneutralität zugewachsen sei (siehe auch den Beitrag zur Begriffsgeschichte von Christoph Münz in vorliegendem Band). Nichtsdestotrotz wogen Unmut und Kritik schwer genug, um den Deutschen Koordinierungsrat im Jahre 1996 zu veranlassen, eine geschlechterparitätisch besetzte Kommission ins Leben zu rufen, die sich u.a. mit Hilfe von Befragungen einschlägiger Experten und Expertinnen mit der Problematik des Begriffs "Brüderlichkeit" und möglicher Alternativen beschäftigte. Ein Jahr später legte die Kommission ein Abschlusspapier vor, das insbesondere aufgrund des Fehlens einer überzeugenden Alternative mit sprichwörtlichem Magenknurren die Beibehaltung des Begriffs empfahl und dies mit einer fünf Punkte umfassenden Empfehlung zum Umgang mit dem bleibenden Namensdilemma verband. Die zentralen Punkte des Abschlussberichtes der Kommission inklusive dieser Empfehlungen sind in dem Beitrag von Eva Schulz-Jander, der katholischen Präsidentin des DKR, in diesem Band dargelegt und reflektiert.

Zu 3) Der Anstoß zu einer "Woche der Brüderlichkeit" ging auf die Amerikaner zurück, die ihre eigene, seit den 40er Jahren praktizierte Brotherhood Week hierfür zum Vorbild nahmen. Ihre Grundintention zielte weniger auf einen explizit christlich-jüdischen Kontext, sondern auf alle Religions- und Glaubensgemeinschaften und sollte insgesamt einer Einübung zum "brüderlichen", sprich friedlichen und toleranten Umgang insbesondere im Blick auf Minderheiten in der Gesellschaft dienen. Dieser Konzeption sind vergleichbare Initiativen in andern Ländern auch bis heute verpflichtet, so beispielsweise die in Großbritannien jährlich stattfindende "Interfaith Week". In Deutschland freilich war die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg eine andere, eine historisch wie geographisch einzigartig andere Situation. Der in eliminatorischer Absicht wütende Antisemitismus des nationalsozialistischen Deutschlands, der auf die Vernichtung des gesamten jüdischen Volkes abzielte und dem ein Drittel der europäischen Juden zum Opfer fiel, ging von Deutschland aus und war und ist im Wesentlichen von Deutschen zu verantworten. Diese historische Schuld war zweifelsohne ein wesentlicher Beweggrund, dass eine in Deutschland und von den Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit durchzuführende "Woche der Brüderlichkeit" den Fokus auf das deutsch-jüdische und christlich-jüdische Verhältnis legte. Hinzu kamen und kommen nicht minder schwerwiegende theologische Gründe, die in dem einzigartig nahen "Verwandtschaftsverhältnis" von Judentum und Christentum ihre Wurzeln haben. Die historische und politische, religiöse und kirchliche Aufarbeitung eines Jahrtausende alten christlich geprägten Antijudaismus und eines auch daraus erwachsenen mörderischen Antisemitismus erwies sich als vordringliche und bitter nötige Aufgabe gerade in Deutschland. Gemeinsam mit dem einzigartigen Verhältnis von jüdischer und christlicher Religion zueinander rechtfertigten es diese Hintergründe, die "Woche der Brüderlichkeit" in Wesen und Konzeption dem christlich-jüdischen respektive deutsch-jüdischen Verhältnis zu widmen. Daran hat sich im Kern auch bis heute nichts geändert. Freilich wurde dies nie als Ausschlusskriterium gegenüber Muslimen und dem Islam verstanden oder praktiziert. Spätestens seit dem Islam eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewachsen ist – bedingt sowohl durch die wachsende Zahl an Migranten mit muslimischem Hintergrund als auch dem Aufkommen islamistischen Terrors weltweit – haben sich auch die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in ihrer Arbeit dem "Trialog" geöffnet. Vielerorts entstanden in den letzten zehn Jahren sogenannte "Abrahamische Foren", an deren Gründung und Aktivitäten auch Gesellschaften CJZ beteiligt sind und fast dürfte es kaum eine andere Organisation geben, in deren programmatischen Angeboten seit vielen Jahren auch der Islam und der christlich-jüdisch-islamische Dialog einen wichtigen Platz gefunden haben. Auch im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" findet dies seinen Niederschlag, etwa durch die regelmäßige Teilnahme muslimischer Gäste bei der zentralen Eröffnungsfeier und besonders symbolträchtig durch die erstmalige Auszeichnung eines muslimischen Gelehrten, Navid Kermani,  mit der Buber-Rosenzweig-Medaille bei der Eröffnung der "Woche der Brüderlichkeit" 2011 in Minden. Während also de facto der Islam und die Muslime in gewissem Umfang sowohl thematisch wie auch in konkreter Zusammenarbeit und Begegnung längst Bestandteil des christlich-jüdischen Dialogs geworden sind, ändert dies aus den oben angedeuteten Gründen freilich nichts daran, dass der programmatische Fokus der Arbeit und mithin das Gesicht der "Woche der Brüderlichkeit" im Kern eine christlich-jüdische Prägung behalten haben. Ob dies in den kommenden sechzig Jahren unverändert so bleiben wird, ist eine Frage, die sich kaum durch Beschlüsse und Entscheidungen klären lässt, sondern den dynamischen Prozessen der Geschichte und der in ihr handelnden Menschen überlassen bleibt.

Die in diesem Band versammelten Beiträge zum 60-jährigen Jubiläum spiegeln die genannten Problemfelder in ganzer Breite wieder. Vor allem aber rekapitulieren und reflektieren sie die Geschichte, Entwicklung, Erträge und gewiss auch Versäumnisse eine der erfolgreichsten und maßgeblichsten Veranstaltungen, die sich im interreligiösen Raum in den letzten 60 Jahren etabliert hat. In den Beiträgen wird zudem mehr als deutlich, wie sehr die "Woche der Brüderlichkeit" mit ihren Impulsen einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung von Juden und Christen gerade in Deutschland geleistet hat, etwas, das vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte weder selbstverständlich noch auf diese Weise zu erwarten war. Vor diesem Hintergrund zeigen die vorliegenden Beiträge in vielfacher Weise, dass die "Woche der Brüderlichkeit" nicht zuletzt auch als eine Veranstaltung zu sehen ist, die weit über innerkirchliche und religiöse Kreise hinaus eine eminent politische Wirkung erzielt hat und zu einem unverzichtbaren Bestandteil der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland nahezu von Beginn seiner Existenz an geworden ist. Abertausende engagierte Christen und Juden in und außerhalb der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, prominente Persönlichkeiten und einfache Männer und Frauen, haben über sechzig Jahre hinweg das Rückgrat gebildet, das der "Woche der Brüderlichkeit" Standfestigkeit und Wirkungskraft verliehen haben. Mögen auch in den kommenden sechzig Jahren immer wieder Menschen bereit sein, dieses Engagement für mehr "Brüderlichkeit" in dieser Welt auf sich zu nehmen. Es bedarf ihrer immer noch und mehr denn je. Ganz in diesem Sinne sei das letzte Wort noch einmal Theodor Heuss überlassen, der mit den nachfolgenden Worten seine eingangs erwähnte Ansprache zur ersten "Woche der Brüderlichkeit" im Jahre 1952 beendete – Worte, die in ihrem Kern auch sechzig Jahre später nichts an ihrer Eindringlichkeit verloren haben:


"Wer es wagt, in dieser Zeit der Unruhe und der Spannungen zwischen Staatengruppen, der noch ungelösten inneren Probleme, …, eine Woche der Brüderlichkeit einzuleiten, von dem Sinn der Brüderlichkeit zu sprechen, mag manchem als ein Träumer erscheinen, dem Verängstigten, dem Enttäuschten ein Zyniker. Er wird sich damit abzufinden haben. Aber wenn dieser Versuch einen Sinn haben und einen Erfolg gewinnen kann, dann doch nur, wenn er da und da, dort und dort eine Menschenseele anrührt, das Leid des anderen, auch die Freude des anderen zu empfinden, zu tragen oder zu genießen. Dann werden die Dinge, die mit einem gewissen pathetischen und programmatischen Anspruch gemeldet werden, ganz einfach. Alles Geschraubte und alles Verdeckte sinkt hinweg. Am Schluß aber bleibt das Wort, das weder um Recherche noch um Fragebogen bemüht war: 'Liebe deinen Nächsten als dich selbst.'"


Christoph Münz und Rudolf W. Sirsch (Herausgeber)



ANMERKUNGEN



1 Die Rede ist im vorliegenden Band abgedruckt, siehe Inhaltsverzeichnis.
2   Mit einer Ausnahme: Bundespräsident Karl Carstens wurde aufgrund seiner Mitgliedschaft in SA und NSDAP im Dritten Reich nicht um Übernahme der Schirmherrschaft gebeten.



60 Jahre Woche der Brüderlichkeit


"... damit es anders anfängt
zwischen und allen."


60 Jahre Woche der Brüderlichkeit


Christoph Münz, Rudolf W. Sirsch (Hg.)

Reihe: Forum Christen und Juden, Bd. 8 LIT-Verlag, Münster 2012
272 S., 24.90 EUR



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Keine andere Veranstaltung von christlich-jüdischer und interreligiöser Bedeutung hat über einen Zeitraum von nunmehr sechzig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland jene öffentliche Resonanz erfahren, jene innerkirchliche wie gesellschaftspolitische Relevanz gewonnen und jene mediale Präsenz erhalten, wie es auf die "Woche der Brüderlichkeit" zutrifft. Die in diesem Band versammelten Beiträge zu ihrem 60-jährigen Jubiläum rekapitulieren und reflektieren die Geschichte, Entwicklung, Erträge und gewiss auch Versäumnisse dieser "Erfolgsgeschichte". In den Beiträgen wird mehr als deutlich, wie sehr die "Woche der Brüderlichkeit" mit ihren Impulsen einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung von Juden und Christen gerade in Deutschland geleistet und weit über innerkirchliche und religiöse Kreise hinaus eine eminent politische Wirkung erzielt hat.

Mit Grußworten und Beiträgen u.a. von Angela Merkel, Dieter Graumann, Nikolaus Schneider, Robert Zollitsch, Charlotte Knobloch, Henry G. Brandt, Theodor Heuss, Richard von Weizsäcker, Martin Stöhr, Hans Hermann Henrix, Ernst Elitz.

Vollständiges Inhaltsverzeichnis:
Inhalt




Herausgeber

CHRISTOPH MÜNZ und RUDOLF W. SIRSCH

Christoph Münz, Dr. phil., Jhg. 1961; Studium der Geschichte und Germanistik. 1995 Promotion ("Der Welt ein Gedächtnis geben. Geschichtstheologisches Denken im Judentum nach Auschwitz"). Freier Journalist, Übersetzer und Publizist. Herausgeber von "COMPASS-Infodienst für christlich-jüdische und deutsch-israelische Tagesthemen im Web". Seit 1992 im Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Mitglied im Gesprächskreis "Juden und Christen" beim Zentralkommittee der Katholiken.

Rudolf W. Sirsch, Jhg. 1954, Kaufmann, Studium der ev. Theologie, Philosophie und Pädagogik, Aus- und Weiterbildung in Familientherapie, TZI, TA, NLP und Systemische Beratung. Seit dem Jahr 2000 Generalsekretär des Deutschen Koordinierungsrates (DKR) der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und Geschäftsführer der Buber-Rosenzweig-Stiftung.
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redaktion@compass-infodienst.de




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