Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 309

Februar 2021

Fast genau vor vier Wochen, am 17. Januar, wurde in den Kirchen einer ganzen Reihe europäischer Länder der "Tag des Judentums" begangen. Er dient - wie es in der entprechenden liturgischen Anweisung heißt - "zum bußfertigen Gedenken an die jahrhundertelange Geschichte der Vorurteile und Feindseligkeiten zwischen Christen und Juden und zur Entwicklung und Vertiefung des religiösen christlich-jüdischen Gesprächs". Die Initiative für diesen Tag war von der Zweiten Ökumenischen Versammlung in Graz (1997) ausgegangen. Im Mittelpunkt steht demzufolge das Bestreben, auf das gemeinsame biblisch-theologische Fundament einer Verwurzelung des Christentums im Judentum hinzuweisen. Der österreichische Koordinierungsausschuss für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hat das mal sehr treffend so formuliert: "Es geht nicht darum eine Feier mit folkloristischen jüdischen Elementen zu gestalten, auch nicht um ein Kennenlernen des Judentums. … Es geht um ein fundamental neues Selbstverständnis der Kirchen, das sich aus seiner jüdischen Quelle nährt. Dem entsprechend wollen wir am Tag des Judentums mit den Mitteln unserer eigenen Traditionen ein positives Bekenntnis zur Wurzel unseres Glaubens ablegen." In diesem Sinne ist die Feier des "Tags des Judentums" nicht nur in Österreich etabliert, sondern u.a. auch in der Schweiz, in Italien, Polen, den Niederlanden - und man fragt sich schon: warum eigentlich nicht in Deutschland?

Im nachfolgenden Beitrag beschreibt der evangelische Theologe und Pfarrer i. R. Holger Banse, der seit vielen Jahrzehnten im christlich-jüdischen Dialog engagiert ist, die Geschichte der Entstehung dieses "Tags des Judentums" sowie die Motive, die hierbei von Bedeutung waren. Vor allem aber führt er aus, welche Rolle die Bedeutung der Erwählung Israels für eine ökumenische Perspektive eines solchen Tages einnehmen könnte und plädiert mithin sehr deutlich für die Einführung dieses Feiertages auch in jenen Kirchen Europas, die dies bislang noch nicht getan haben.

Banses Beitrag ist dem jüngst erschienen Sammelband "Das Geheimnis der Erlösung... Die Kirche im Dilemma zwischen biblischer Botschaft, Bekenntnistreue und Gehorsam dem Staat gegenüber" entnommen, der eine Reihe von Essays und Artikeln aus seiner Feder versammelt. Mehr Informationen zu dem empfehlenswerten Band entnehmen Sie bitte der Anzeige weiter unten im Fließtext. COMPASS dankt Holger Banse für die Genehmigung, seinen Beitrag aus diesem Band "Die Bedeutung des 17. Januar in seiner ökumenischen Perspektive. Von ‚Nostra Aetate‘ nach Graz. Von der Erwählung Israels zur Einheit der Kirche" an dieser Stelle als ONLINE-EXTRA Nr. 309 im COMPASS publizieren zu dürfen!

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Online-Extra Nr. 309


Tag des Judentums: Die Bedeutung des 17. Januar in seiner ökumenischen Perspektive.

Von ‚Nostra Aetate‘ nach Graz. Von der Erwählung Israels zur Einheit der Kirche.


HOLGER BANSE



Vom 23. bis 29. Juni 1997 traf sich in Graz die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung. In dem Schlussdokument 3, das als Handlungsempfehlungen überschrieben und mit großer Mehrheit von der Vollversammlung entgegengenommen wurde, lesen wir unter Punkt 2.3:

‚Wir empfehlen den Kirchen, dem Beispiel einiger Kirchen in Italien und Deutschland zu folgen und einen Tag zu bestimmen, der dem Dialog mit dem Judentum und der Begegnung mit dem lebendigen jüdischen Glauben gewidmet ist. In ähnlicher Weise sollten Tage und Anlässe gefunden werden, um die Beziehungen zu anderen Religionen zu pflegen und zu verlebendigen.‘1

Dass ein solch wichtiger Gedanke Aufnahme in ein Abschlussdokument der Grazer Kirchenversammlung gefunden hat, die sich in den konziliaren Prozess um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einreihte, unterstreicht die ökumenische Bedeutung, die zurecht auch dem Dialog zwischen Christen und Juden (und Muslimen) beigemessen wird.

Der Antrag selbst, der zur Aufnahme in das Abschlussdokument geführt hat, wurde von der Katholischen Bischofskonferenz Italiens (CEI) eingebracht.

Im Folgenden möchte ich eine geschichtliche Entwicklung nachzeichnen, die in Venedig begann, über das Konzilsdokument ‚Nostra Aetate‘ vom 28. Oktober 1965 bis nach Graz führte.

Dass dieser Prozess von Anfang in einen innerkirchlich-ökumenischen Rahmen eingebettet war, soll schon im ersten Teil deutlich werden. In einem zweiten Teil möchte ich über die ökumenische Bedeutung der Erwählung Israels und die ökumenische Perspektive eines solchen Tages nachdenken, die sich den Kirchen Europas erschließen würde, wenn sie sich zu einem solchen gemeinsamen Tag des Dialogs und der Begegnung mit dem Judentum entschlössen.


1. Von ‚Nostra Aetate‘ nach Graz

Am Anfang dieses Prozesses stand, wie so oft, eine Frau: Maria Vingiani (1921-2020). In Neapel geboren kam sie als junges Mädchen nach Venedig, studierte Literatur in Padua und promovierte 1947 über die Kontroversen zwischen Katholiken und Protestanten im 18. Jahrhundert und ihre Aufnahme in den apologetischen Positionen der Gegenwart.

In dieser Arbeit fand Maria Vingiani den Ausgangpunkt für ihr ökumenisches Engagement, für die sie seit dieser Zeit unaufhörlich arbeitete. Auch als sie in Venedig zur Kulturreferentin der Stadt berufen wurde, wusste sie ihre ökumenische Begeisterung mit der ihr neu zugewachsenen Aufgabe zu verbinden und nahm Kontakte zu Kirchen und deren Vertretern in Ländern auf, in denen eine freie Religionsausübung verboten war. Auf ihren dienstlichen Reisen brachte sie oft auf geheimnisvollen Wegen Briefe ihres Patriarchen2, Angelo Roncalli, zu Kardinälen und Bischöfen, die in Hausarrest lebten.

In diese Jahre fielen auch erste Überlegungen, ein Segretariato attività ecumeniche (SAE)3 zu gründen. Dies konnte sie dann 19644 realisieren. Von der SAE gehen seit dieser Zeit zahlreiche ökumenische Initiativen aus. Heute ist sie eine über ganz Italien verbreitete Laienorganisation, die den interkonfessionellen und interreligiösen Dialog sucht und ihn durch zahlreiche Seminare, Schriften und Diskussionsveranstaltungen fördert. Ohne die SAE ist die italienische Ökumene nicht mehr zu denken. Als Angelo Roncalli am 28. Oktober 1958 zum Papst gewählt wurde und als Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 (letzter Tag der Gebetswoche für die Einheit der Christen5) ein Konzil ankündigte, schrieb Maria Vingiani an ihren ehemaligen Patriarchen: ‚Wenn das Konzil ein ökumenisches Konzil sein wird, höre ich mit der Politik auf und komme nach Rom, um mich in den Dienst der Kirche zu stellen.‘ Nur zehn Tage später kam die Antwort durch den damaligen päpstlichen Sekretär Monsignore Loris Capovilla: ‚Kommen Sie, der Papst erwartet Sie!‘

In Rom hoffte sie, einen schnelleren und direkteren Kontakt zwischen ihren ökumenischen Ideen und Initiativen und denen von Kardinal Augustin Bea, damaliger Präsident des Sekretariats für die christliche Einheit, herstellen zu können.

Zunächst aber kümmerte sich Vingiani um ein Anliegen Jules Isaacs (1877-1967).

Der erste Kontakt zwischen Maria Vingiani und Jules Isaac fällt in das Jahr 1957 bei einem Besuch Isaacs in Venedig. Isaac ist Franzose. Von Hause aus Historiker und nur durch ein Wunder der Shoah entgangen, ist er einer der Wegbereiter des jüdisch-christlichen Dialogs, einer der bedeutendsten Anwälte jüdischer Anliegen und im 20. Jahrhundert Vorreiter von Initiativen gegen jede Art von Antisemitismus. Sein Buch ‚Jesus und Israel‘6 fand nicht nur in Frankreich große Aufnahme. Vor allem der pädagogischen Vermittlung seiner historischen Erkenntnisse galt sein Augenmerk. So wurde er zu jeder Zeit seinem Ruf als ‚Geschichtsprofessor der französischen Nation‘ gerecht.

Isaac traf von seinem jüngsten Sohn Jean-Claude begleitet in Venedig ein. Jean-Claude hatte neben dem Vater als einziger das Konzentrationslager überlebt. Seine Mutter, seine Schwester und sein älterer Bruder waren im KZ ermordet worden.

In Venedig bat er Maria Vingiani, eine Gesellschaft für jüdisch-christliche Freundschaft zu gründen. Isaac selbst hatte in Frankreich mehrere solcher Vereinigungen ins Leben gerufen. Die auf Initiative von Vingiani gegründete Vereinigung jüdisch-christlicher Freundschaft war die Erste in Italien.

Maria Vingiani war beeindruckt von der herausragenden Persönlichkeit, der Entschluss- und Überzeugungskraft Isaacs.

Ein Beispiel mag das illustrieren. Sie schrieb einmal: ‚Als Roncalli Papst wurde, verstand Isaac sofort, dass er auf Roncalli als Papst all seine Hoffnung setzen konnte. Denn zum einen hatte Roncalli wenige Jahre zuvor bei der Einweihung einer Schifffahrtslinie Venedig-Haifa gesagt, dass eine Linie Venedig-Haifa schon eine gute Sache sei, aber eine Verbindung zwischen Rom und Jerusalem die bessere. Zum anderen, weil Roncalli den Mut hatte, ein ökumenisches Konzil einzuberufen.

Von Venedig aus bereitete Isaac ein Schriftstück vor, das er ‚Della necessità di una riforma dell‘ insegnamento cristiano nei confronti di Israele‘7 nannte, sandte es Johannes XXIII. und bat bei ihm um eine Audienz. Dieser schien nichts im Wege zu stehen. Doch sie wurde ihm bei seinem Eintreffen in Rom am 8. Juni 1960 durch ein unverhofftes ‚Nein‘ vonseiten der päpstlichen Kurie verweigert. Das von Isaac vorbereitete Dokument war nie in die Hände des Papstes gelangt. Fünf Tage später, am 16. Juni 1960, jedoch gelang es ihm mit Hilfe des französischen Botschafters beim Heiligen Stuhl und auf Vermittlung von Maria Vingiani und ihren alten venezianischen Freundschaften, eine halbstündige Audienz bei Johannes XXIII. zu bekommen. Hier übergab er ihm das oben genannte Dossier, darüber hinaus eine Betrachtung darüber, wie man in christlicher Katechese über die Juden spreche und zum Dritten einen Auszug aus dem Trienter Katechismus, der beweise, dass die gegen die Juden erhobene Anschuldigung des Gottesmordes nicht zur heiligen Tradition der Kirche gehöre.8

Diese Texte entstanden in einem Jahrzehnte andauernden Studium Isaacs der Evangelien, deren antisemitische Tendenzen er nicht nur hinterfragte, sondern auch widerlegte. Isaac war Mitverfasser der sog. Seelisberger Thesen, die auf der Internationalen Konferenz der Christen und Juden vom 30. Juli bis 5. August 1947 in der Schweizer Gemeinde Seelisberg verabschiedet wurden.



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Die Seelisberger Thesen waren die erste bedeutende Stellungnahme vonseiten der Kirche den Juden gegenüber. Als 2009 die deutschen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit anlässlich ihres 60. Gründungsjubiläums in Berlin ihre ‚Zwölf Thesen von Berlin. Ein Aufruf an christliche und jüdische Gemeinden in der ganzen Welt‘verabschiedeten, bezogen sie sich ausdrücklich auf die Thesen von Seelisberg.  
In der Folge der Seelisberger Konferenz wurde der Internationale Rat der Christen und Juden (ICCJ) gegründet.

Mit dem Treffen zwischen Johannes XXIII. und Jules Isaac veränderte sich die Beziehung zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Judentum radikal. Das Thema des jüdisch-christlichen Dialogs wurde auf die Tagesordnung des Konzils gesetzt und fand im Konzilsdokument ‚Nostra Aetate‘ seinen Niederschlag. Es läutete die Reform des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zum Judentum ein und bestimmt bis heute maßgeblich deren Beziehung. Der Mut zur Wahrheit und der Wille zur Versöhnung, ausgehend von Jules Isaac, gelangten zu Johannes XXIII. und durch ihn ins 2. Vatikanische Konzil und damit zur Kirche als ein von nun an unveränderbares Faktum.

Das Konzilsdokument ‚Nostra Aetate‘ unterstreicht9 gleich zu Beginn seines Textes (4.1) den geistlichen Wert des Bandes, das das Volk des Neuen Testamentes mit dem Stamme Abrahams verbindet. So erkennt die Kirche Christi an, ‚dass nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden‘ (4.2). Aber die Beziehung von Christen zu Juden basiert nicht allein auf vergangenen Tatsachen, denn es gibt etwas Maßgebliches in der Gegenwart, das sowohl das jüdische Volk wie auch die Christen beseelt und inspiriert: die Offenbarung. ‚Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schösslinge eingepfropft sind (4.2). Eindrucksvoll unterstreicht das Dokument das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe.

Diese eher allgemeinen Bemerkungen werden dann durch ein weiteres Konzilsdokument ‚Dei verbum‘10 ergänzt. Wir lesen: Gott hat sich ‚dem Volk, das er sich erworben hatte, durch Wort und Tat als einziger, wahrer und lebendiger Gott so offenbart, dass Israel Gottes Wege mit den Menschen an sich erfuhr, dass es sie durch Gottes Wort aus der Propheten Mund allmählich voller und klarer erkannte und sie unter den Völkern mehr und mehr sichtbar machte‘ (14). Er hat die Bücher beider Bünde inspiriert und ist ihr Urheber (16). So habe die Kirche die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht (21).

In ‚Nostra Aetate‘ lesen wir noch: Aus all diesen Gründen ‚will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gesprächs ist‘ (4.5)11.

Dass dieses begleitet sein möge von Begegnungen zwischen Juden und Christen, ebenso im Gebet und auch in der Meditation vor Gott, führte das zur praktischen Anwendung von ‚Nostra Aetate‘ folgende Dokument aus.12

Was ‚Nostra Aetate‘ vielleicht weniger deutlich herausstrich, aber für den jüdisch-christlichen Dialog unendlich wichtig war, dass Gott mit Israel einen Bund geschlossen und die Verheißung gegeben und nie zurückgenommen hat, beschreibt die Dogmatische Konstitution über die ‚Kirche‘, mit dem Titel ‚Lumen Gentium‘, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert und am 21. November 1964 von Papst Paul VI. in Kraft gesetzt wurde.13.

Die starke Ausrichtung der SAE im Blick auf den jüdisch-christlichen Dialog begleitete die Arbeit dieser Organisation auch in den folgenden Jahren. Maria Vingiani wurde dank ihrer Arbeit und ihres Engagements auf ökumenischer und jüdisch-christliche Ebene in das Sekretariat für Ökumene und den Dialog der Katholischen Bischofskonferenz Italiens (CEI) berufen. Hier machte sie den Vorschlag, den 17. Januar in ganz Italien als einen Tag des Dialogs und der Begegnung mit dem Judentum zu begehen.

Bei einem Treffen zwischen Monsignore Alberto Ablondi, Bischof von Livorno und damaliger Präsident des Sekretariats für Ökumene und den Dialog der CEI, und dem Oberrabbiner von Rom Elia Toaf beklagte sich der Oberrabbiner über einen fortschreitenden Antisemitismus, der in der Unwissenheit vieler Christen dem Judentum gegenüber begründet läge. Es wäre eine Initiative notwendig, so fügte er hinzu, Christen jüdische Glaubensinhalte und Werte nahezubringen.

Diese Anfrage von Toaf verband Ablondi mit dem Vorschlag von Vingiani, so dass im Jahr der 25. Wiederkehr der Veröffentlichung des Konzilsdokuments ‚Nostra Aetate‘ im Jahre 1990 die CEI ihre Mitgliedskirchen in Italien zum ersten Mal bat, von nun an den 17. Januar der Vertiefung der Beziehung zwischen römisch-katholischer Kirche und dem jüdischen Volk und der Entwicklung des jüdisch-christlichen Dialogs zu widmen. Ablondi schrieb: ... ‚bevor man über die Möglichkeiten des Dialog und über die notwendige Zusammenarbeit im Blick auf menschliche Werte nachdenke, mögen sich die Christen mit ihrer geistlichen Beziehung zu jenem gemeinsamen (im Judentum liegenden, Anmerkung des Verfassers) Ursprung beschäftigen, zu dem auch die verschiedenen Konzilstexte einlüden.‘14

Der 17. Januar wurde bewusst gewählt. Es ist der Tag, der der ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen vorausgeht und in jedem Jahr weltweit vom 18. bis zum 25. Januar gefeiert wird. So könne die gemeinsame Wurzel zwischen Christen und Juden auch als bedeutsam für den innerkirchlich-ökumenischen Dialog unterstrichen werden.

Die Intention dieses Tages unterstrich Papst Johannes Paul II. mit seinem Besuch am 17. Januar 1990 in der römischen Synagoge. Der Besuch war ein eindrückliches Zeichen dafür, wie Johannes Paul II. meinte, dass nur so die Kirche auf die jüdischen Geschwister zugehen könne. Toaf selbst kommentierte15 den Besuch des Papstes, dass mit diesem Tage etwas Neues begonnen habe: die Lehre der Verachtung wurde abgeschafft und durch den Tag des Dialogs ersetzt.

Monsignore Giuseppe Chiaretti, der in diesen Jahren amtierende Präsident des Sekretariats für Ökumene und den Dialog, sagte, dieser Tag sei kein Gebetstag, sondern ein Tag der Reflektion über Themen, die von Juden und Christen gemeinsam ausgesucht werden und von beiderseitigem Interesse sind. Christen sollen, indem sie auf das Wort Gottes hören, in die Welt jüdischen Glaubens und jüdischer Kultur eindringen, denn beides sei für Christen so unendlich wichtig und bedeutsam. Giuseppe Laras, damaliger Oberrabbiner der Mailänder jüdischen Gemeinde, begrüßte die Initiative der CEI und hoffte, dass sich Juden und Christen brüderlich in die Augen blicken mögen im Bewusstsein, dass beide, Juden und Christen, von Abraham abstammen. Denn schließlich war es Abraham, der der Welt im Namen des Friedens und der Befriedung einen neuen Weg eröffnet habe.

Monsignore Clemente Riva, damals Weihbischof von Rom hoffte, durch die Feier des 17. Januar zu einer größeren Freundschaft und Brüderlichkeit mit den Juden zu gelangen. Vor allem müsse auch der Gedanke der Versöhnung den 17. Januar begleiten, Erinnerung und Versöhnung angesichts dessen, was den Juden vor allem während des letzten Krieges in Europa widerfahren ist. Denn Erinnern und Versöhnung würde für das Morgen unverzichtbar sein. Darum seien Juden und Christen gemeinsam berufen, die menschliche Würde zu verteidigen.

Dass dieser Tag auf Gemeindeebene und nicht in kirchlichen Gremien und interreligiös besetzten Arbeitsgruppen bedacht werden sollte, wird in jeder Handreichung unterstrichen, die Jahr für Jahr zum 17. Januar von der CEI herausgegeben wird. Denn, so heißt es: dieser Dialog muss nicht nur auf Führungsebenen, sondern in den Ortsgemeinden und in den Schulen vorangetrieben werden, dort wo es zu einem wirklichen Zusammentreffen in Freundschaft kommen sollte.

Die Aufgabe, diese Handreichung der CEI für den 17. Januar auszuarbeiten, kam dann einer kleinen ökumenischen Arbeitsgruppe16 mit Namen Teschuvà17 zu, die sich im Rahmen des Sekretariats für Ökumene und den Dialog in der Diözese Mailand zusammenfand. Hier wurden Texte, Dokumente, liturgische Entwürfe und Gebete zusammengestellt. Hierbei fanden neben römisch-katholischen Dokumenten auch die aus europäischem und amerikanischem Raum große Beachtung.

Auf der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz war es die Aufgabe des neapolitanischen Professors für Dogmatik Monsignore Bruno Forte, einem hervorragenden Kenner jüdischer, ökumenischer, vor allem auch lutherischer Tradition, den Antrag der CEI, den 17. Januar als Tag des Dialogs und der Begegnung mit dem Judentum in allen europäischen Kirchen zu begehen, ins Plenum einzubringen. Er begründete den Antrag auf einem Hearing im Rahmen eines Vortrages ‚Versöhnung ohne Umkehr (teshuvà)? Christliches Selbstverständnis und das jüdische Volk.‘18 Hier schrieb er: ‘Die zweite Geste (der erste Vorschlag, den die Versammlung sich nicht zu eigen machen konnte, war, dass Christen, wie Juden es tun und wie Jesus es tat, das Tetragramm des Gottesnamens nicht aussprechen sollten) könnte die einladende Bitte an die Kirchen Europas sein, gemeinsam einen ‚Tag des Judentums‘ zu feiern, um vonseiten der Christen die Kenntnis der jüdischen Welt und den Dialog mit dem gegenwärtigen Israel zu vertiefen. Dass die katholische Kirche Italiens für diesen Tag den 17. Januar ausgewählt hat, den Tag, der der Gebetswoche für die Einheit der Christen vorausgeht, drückt in guter Weise auf der einen Seite die Selbständigkeit, auf der anderen Seite die Verbindung zwischen der ökumenischen Sache und der Liebe zu Israel, der ‚heiligen Wurzel‘ aus; und dies in den verschiedenen Formen, also einerseits in der Kenntnisnahme und im Dialog, andererseits im gemeinsamen Gebet.‘19

Nachdem Forte in der Plenumssitzung den Antrag der CEI eingebracht hatte, meldete sich ein evangelischer Vertreter der deutschen Delegation und wies darauf hin, dass in der evangelischen Kirche Deutschlands seit Jahrzehnten der 10. Sonntag nach Trinitatis als sogenannter ‚Israel-Sonntag‘ zum ‚Gedächtnis der Zerstörung Jerusalems‘20 gefeiert wird. Dieser Intervention entsprechend konnte sich die Vollversammlung lediglich auf die Empfehlung einigen, dem Beispiel einiger Kirchen in Italien und Deutschland zu folgen und einen Tages zu bestimmen, der dem Dialog mit dem Judentum und der Begegnung mit dem lebendigen jüdischen Glauben gewidmet ist. So hatte die ‚deutsche‘ Stimme großen Einfluss auf die Abstimmung der Versammlung.



Das Geheimnis der Erlösung…

HOLGER BANSE:
Das Geheimnis der Erlösung…

Die Kirche im Dilemma zwischen biblischer Botschaft, Bekenntnistreue und Gehorsam dem Staat gegenüber



Fromm Verlag
Tallin/Beau Bassin 2021
124 S.
€ 23,90

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Die Geschichte der Kirche ist eine Erfolgsgeschichte. Die Gründe hierfür? Zweifellos die Botschaft Jesu: sein Reden, sein Tun. Aber das leider nur zum Teil. Zum anderen, vielleicht sogar zum größeren Teil wegen ihrer frühen und engen Verbindung zu den Mächtigen, zum Staat.

Zwangschristianisierungen gingen oft Hand in Hand mit den Eroberungszügen der ‚christlichen‘ Herrscher. Bis in die Neuzeit hinein gewann die Kirche weltweit immer mehr an Macht und politischem Einfluss. Jesu Worte von der Nächsten- bzw. Feindesliebe fielen dabei einer partiellen Amnesie der Kirche zum Opfer. Auch das Festhalten an den Bekenntnissen der ‚Väter‘, obwohl exegetische Erkenntnisse aus der späteren theologischen Forschung andere Schwerpunkte legen müssten, beschreiben das Dilemma, in das sich die Kirche hineinmanövrierte. Denn sie waren Grundlage für Kirchenspaltungen, für Krieg und Mord. Auch sie bahnten den langen Weg in die Gaskammern der NS-Vernichtungslager. Obwohl die Erinnerung zum Wesen der Kirche gehört, war und ist ihre Erinnerung defizitär. Denn was nicht zwischen ihre dogmatischen Mauern passte, hatte und hat in der Kirche keinen Platz.

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Vergegenwärtigen wir uns der inhaltlichen Ausrichtung des ‚Israel-Sonntags‘: Der 10. Sonntag nach Trinitatis widmet sich heute sich zwei Themen, zum einen dem Thema ‚Kirche und Israel‘ mit der liturgischen Farbe ‚grün‘, zum anderen dem Thema ‚Gedenktag zur Zerstörung Jerusalems‘ mit der liturgischen Farbe (!) ‚violett‘.

Seit dem Mittelalter21 feiert die Kirche einen Israel-Sonntag am 10. Sonntag nach Trinitatis und gedenkt dabei an die Zerstörung der beiden Tempel Israels. Da dieser Sonntag in zeitlicher Nähe zum 9. Av des jüdischen Kalenders liegt, an dem das Judentum ebenfalls der Zerstörung des Salomonischen, wie des Herodianischen Tempels gedenkt, liegt die Vermutung nahe, dass die Christenheit mit dem 10. Sonntag nach Trinitatis dem 9. Av eine christliche Interpretation gegenüberstellen wollte. Während Juden zur Erklärung der Katastrophen aus den talmudischen Midraschim verschiedene Ursachen des Unglücks anführen, gab es für die Kirche nur einen Grund: Gott hatte Israel endgültig verlassen und ins Unglück gestürzt, weil es abgelehnt hatte, Jesus als den Messias zu bekennen. Der Israel-Sonntag war darum ein Bußsonntag, denn es galt für die Christen, aus der Katastrophe für Jerusalem und dem damit verbundenen Schicksal Israels zu lernen.

Eine solche christliche Interpretation der Vorgänge um die Zerstörung der beiden Tempel und Jerusalems ist heute aus theologischen und geschichtlichen Gründen nicht mehr möglich. Denn nicht erst christliches Nachdenken über die Shoah verbietet selbstgerechte, wenn auch zur Buße rufende Geschichtsinterpretation. Vor allem verbietet es eine aufrichtige, vorbehaltlose und kritische Exegese der entsprechenden Texte.
So wird der Israel-Sonntag in der Evangelischen Kirche Deutschlands seit wenigen Jahrzehnten als ‚Einübung verstanden, in Israels Gegenwart zu predigen‘22. Umfangreiches Material, das heute zB. von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste Predigern und Gemeindekreisen zur Verfügung gestellt wird, dient dazu, sich mit jüdischer Glaubens- und Gebetstradition auseinanderzusetzen. Es ist interessant und sollte Erwähnung finden, dass keine in der EKD beheimatete Arbeitsgruppe solche Entwürfe theologisch vorbereitet oder begleitet, sondern eine aus der Friedensbewegung heraus entstandene und durchaus respektable Organisation. Nach wie vor gibt es wohl trotz verschiedener guter Handreichungen der EKD vonseiten der Kirche Berührungsängste mit diesem Thema.

Wenn man dann noch traditionelle liturgische Entwürfe und Gebete der letzten Jahrzehnte zur Gottesdienstgestaltung zu Hilfe nimmt, ist von einer veränderten hermeneutischen Situation wenig zu spüren. So kommt es vor, um nur drei Bespiele zu nennen, dass der 10. Sonntag nach Trinitatis als Israel-Sonntag schlicht und einfach übergangen23 wird. Oder man ruft zum Gebet für den Frieden24 ganz besonders im Nahen Osten, Nordirland und Südafrika auf. Ja, auch für die Wehrdienstleistenden wird gebetet25. Ein noch im Jahre 1987 erschienener Band mit Gottesdienstgebeten26 erinnert im Kirchengebet dieses Sonntags an die Vermessenheit der Menschen, das am Beispiel des Turmbaus zu Babel zu erkennen sei, und schließlich an die Untreue des deutschen Volkes, das im Lauf der Geschichte viel Schuld auf sich geladen hätte. Um welche Schuld es sich dabei handelt, bleibt der Phantasie der mitbetenden Gemeinde überlassen.

Die Erneuerte Agende27 bezieht sich zumindest in einem der drei vorgeschlagenen Tagesgebete auf das Thema des Israel-Sonntages. Im Teil III. der Erneuerten Agende, der besonderen Tagen und Anlässen gewidmet ist, findet sich kein ausgearbeiteter Liturgievorschläge für den Israel-Sonntag, jedoch ein Vorschlag für einen Gottesdienst zum Thema Christen und Juden, der aber in weiten Teilen dringender theologischer Überarbeitung bedarf28.

Hier kann leider nicht ausführlicher auf weitere liturgische Beispiele zum Israel-Sonntag eingegangen werden. Aber allein diese kleine Sammlung macht deutlich,  dass sich in der Hermeneutik des Israel-Sonntags wenig, oft gar nichts verändert hat oder sich gar die Intention vollkommen verändert hat, so dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, wenn der Einspruch aus der deutschen Delegation in Graz in irgendeiner Weise gerechtfertigt gewesen wäre. Aber das Veto der deutschen Delegation ist auch aus anderem Grund unverständlich. Denn die Tatsache, dass es im liturgischen Kalender einen ‚Israel-Sonntag‘ gibt, reicht noch lange nicht aus, um dem von der CEI vorgetragenen Anliegen gerecht zu werden. Man könnte im Nachhinein denken, dass die evangelische Delegation in Graz den Vorschlag der CEI in ihrer eigentlichen Intention nicht verstanden hatte. Aber vielleicht wollte man sich auch keiner Überlegung aus dem Kernland des römischen Katholizismus anschließen, denn schließlich wollte kein Delegierter aus dem Kernland der Reformation das Gesicht verlieren. Auf alle Fälle war die Verweigerung ein weiteres Mal der bewussten Ignoranz geschuldet, sich näher mit Fragen des Judentums und der jüdischen Wurzel des Christentums auf Gemeindeebene zu beschäftigen.

Denn es könnte auf ein großes Dilemma der Kirche hinauslaufen, wenn das Studium des Judentums grundsätzlich und nicht nur als Alttestamentliche Wissenschaft betrieben würde. Es könnte zu einer Bekenntnisfrage werden.

In der Liturgie der römisch-katholischen Kirche Deutschlands war und ist ein solcher Tag, der der vertieften Kenntnis des Judentums gewidmet wäre, nicht vorgesehen.  
Denn hier liegen die Gräben noch tiefer, was kurz anhand der Diskussion um die sog. ‚Karfreitagsbitte‘ erläutert werden soll:

‚Die Karfreitagsfürbitte für die Juden ist eine der Großen Fürbitten in der Karfreitagsliturgie nach dem römischen Ritus, den die römischen Katholiken, Altkatholiken und manche Anglikaner verwenden. Sie entstand im 6. Jahrhundert, nannte die Juden seit 750 ‚perfidis‘ („treulos“), ihren Glauben ‚iudaica perfidia‘ („jüdische Treulosigkeit“) und bat Gott darum, den „Schleier von ihren Herzen“ wegzunehmen, ihnen die Erkenntnis Jesu Christi zu schenken und so der „Verblendung ihres Volkes“ und „Finsternis“ zu entreißen. Seit 800 erhielt sie zudem besondere Merkmale: Nur bei dieser Fürbitte sollten die Beter nicht niederknien und kein Amen sprechen. 1570 legte Papst Pius V. diese Fassung fest, die bis 1956 unverändert gültig blieb. Historikern gilt sie als Ausdruck eines christlichen Antijudaismus, der auch den Antisemitismus befördert habe.

Kritik an der traditionellen Judenfürbitte fand erst nach der Shoah Gehör. Seit 1956 veränderte der Vatikan sie schrittweise bis zu ihrer Fassung von 1970. Diese betont Israels Erwählung zum Gottesvolk und bittet nicht um Erkenntnis Christi, sondern um Treue der Juden zu Gottes Bund und Liebe zu seinem Namen, erkennt also das Judentum an. Seit 1984 ist auch eine lateinische Ausnahmefassung nach der Liturgie von 1962 möglich. Papst Benedikt XVI. erleichterte 2007 deren Anwendung, um katholischen Traditionalisten entgegenzukommen. 2008 formulierte er diese Fassung neu: Der Einleitungssatz bittet um Erleuchtung der Juden zur Erkenntnis Christi, „des Retters aller Menschen“. Dies rief anhaltende Proteste und Störungen im katholisch-jüdischen Dialog hervor.‘

Es wäre nicht nur gut, sondern für das Selbstverständnis der Kirchen wesentlich, wenn auch in deutschsprachigem Raum noch einmal über die Möglichkeit nachgedacht würde, den 17. Januar gemeinsam der Vertiefung der Kenntnis jüdischer Tradition und dem Dialog mit dem heutigen Israel zu feiern. Denn dieser Tag könnte zum einen die ökumenische Perspektive der Erwählung Israels beleuchten, zum anderen der innerkirchlichen Ökumene neue Impulse verleihen.


2. Die ökumenische Perspektive der Erwählung Israels

Die ökumenische Perspektive der Erwählung Israels möchte ich mit Hilfe der Bundestheologie des Rabbiners Leo Baecks29 deutlich machen. Baeck30 spricht von dem einen Bund, den Gott bei der Schöpfung mit der gesamten Menschheit geschlossen und dem Menschen so mittels dieses Bundes Würde, Hoheit, Heiligkeit, vor allem Gottesebenbildlichkeit geschenkt hat. ‚... alles ist von Einem her und zu Einem hin, es besteht ein Gesetz, das der eine Gott aufgerichtet hat. Er hat es aufgerichtet in der Welt und in der Menschheit. Es besteht der Bund, der Bund des einen Gottes, mit dem All und mit den Geschlechtern der Menschen; nichts ist außer dem Bunde, nichts ohne ihn.‘31. Dieser eine von Gott nie gekündigte Bund mit dem Menschen und somit der Menschheit wurde im Noahbund erneuert, konkretisiert und aktualisiert. Im Rahmen dieses für die gesamte Menschheit geltenden Bundes wusste das Volk Israel immer ein Dreifaches32: Es wusste um seinen Ursprung, der sich wie der aller Völker in der Schöpfung festmachte. Baeck schreibt: ‚In einem Bunde, der alle Völker in sich schließt, ihnen allen gilt, steht dieses Volk auf Erden.‘33 Es wusste um seinen Anfang, der sich in der Herausführung aus Ägypten ereignete und Israel aus der Anonymität der Völker zu einem geschichtlichen Volk werden lässt. Und schließlich wusste Israel um seine Sendung, der die Erwählung am Sinai vorausgeht. Aus den vielen Völkern, die ihre ihnen von Gott geschenkte Einmaligkeit, ihren besonderen Ursprung, ihr Aufgehoben-Sein im Schöpfungsbund, ihr von Gott Angesprochen- und Aufgefordert-Sein, und somit Gott selbst vergessen hatten, wird Israel erwählt, um die Welt der Völker an ihren Ursprung, an ihr von Gott Geschaffen-Sein, an ihre Gottesebenbildlichkeit und damit an Gott selbst zu erinnern. Diese Sendung, diese Mission, dieser Beruf Israels findet dann seine Erfüllung, wenn der Name Gottes bis an die Enden der Welt bekannt gemacht würde, wenn die Völker der Welt in der einen Religion zusammenkommen, in dem einen Heil, das der ganzen Menschheit verheißen ist. Darum sagt Baeck: ‚Die Weltreligion steht in der Religion des Judentums.‘34 Die Erwählung Israels hat somit von Anfang an eine ökumenische Perspektive, weil sie von Anfang an auf die gesamte Menschheit bezogen ist. Denn dem  e i n e n  Gott kann nur die   e i n e   Religion in der   e i n e n   Menschheit entsprechen.

Aber nicht nur die Erwählung Israels hat ihren ökumenischen Bezug, sondern im Grunde die Religion Israels selbst, denn in ihr ist nicht nur die Offenbarung und die Wahrheit Gottes in besonderer Weise bewahrt worden, die ursprünglich allen Völkern gegeben waren, sondern in ihr sind auch Ziel und Erfüllung der Religion, der Beziehung Gott-Mensch enthalten. So kann Baeck sagen, dass die Religion Israels, die vor sich die Zukunft der Menschheit als die Vollendung ihres eigenen Weges erblickt, zur Weltreligion wird.35

Vielleicht dachte der deutsche Jesuit Kardinal Augustin Bea Ähnliches. Bea beeinflusste nachdrücklich und intensiv die Formulierung des Textes von ‚Nostra Aetate‘. So ist es der Frucht seiner Arbeit zu verdanken, dass in diesem Text ausdrücklich unterstrichen wird, dass Christen sich zur jüdischen Wurzel bekennen müssten. Gleichfalls wird die bleibende Erwählung Israels betont. Bea36, der von den aus dem Judentum stammenden Konzilsberatern Gregory Baum und Johannes M. Österreicher unterstützt wurde, wollte diesen Text den Konzilstexten über die Ökumene eingliedern, was ihm leider nicht gelang. Für Bea wäre die Ökumene erst dann vollständig, wenn sie das erwählte Volk Israel mit einschlösse.

Dies erkannte auch Karl Barth37, als er anlässlich seiner Reise nach Rom im September 1966 bedauerte, dass Israel nicht ausdrücklich in die Ökumene mit einbezogen sei, denn seiner Meinung nach gäbe es nur ein wirkliches ökumenisches Problem, nämlich die Trennung zwischen Kirche und Synagoge, zwischen Christen und Juden.

Mit dem Vorgenannten soll nun nicht der Eindruck erweckt werden, Ökumene solle als Rückführung oder Reduktion aller monotheistisch-religiöser Traditionen und Bekenntnisse auf die Religion Israels verstanden werden. Dies würde auch den Gedanken Baecks nicht entsprechen. Es geht Baeck auch weniger um die Religion Israels, sondern um Offenbarung, um Schöpfung, um Torah, also um den Bund, die Religion, mit der Gott sich bei der Schöpfung an die Menschen und der Mensch sich an Gott gebunden hat.

Baeck meinte, es könne nicht ‚den Verlust des Heils bedingen, wenn das Schicksal der Geburt den Menschen in einen anderen Kreis des Bekenntnisses hineingestellt hat... Immer mehr wird der Gegensatz zwischen Gottesfürchtigen und Gottlosen maßgebend sein, er lässt jede andere Scheidung zurücktreten.38 Oder mit anderen Worten Baecks ausgedrückt: ‚In dem sogenannten Zufall der Geburt werden gleichsam die vielen Stimmen des Bundes vernehmbar, alle die besonderen und eben darum verbindenden Aufgaben sprechen hier...‘39 Nicht Vereinheitlichung, sondern Symphonie, Zusammenklang der verschiedenen Stimmen des einen Bundes wäre die ökumenische Perspektive, die die Erwählung Israels beinhaltet, wobei aus dem reichen Schatz der Religion Israels, die die im Schöpfungsbund schon erklungenen Töne ursprünglicher und getreuer bewahrt hat, die tragende Melodie, das Thema vorgegeben wäre.



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3. Der 17. Januar als Schritt auf dem Weg zur Einheit der Kirche im Spiegel jüdischer Tradition

Eine der wenigen innerkirchlich-ökumenischen Äußerungen, die den Dialog mit dem Judentum in ihr Denken mit einbezieht, ist in dem Papier40 ‚Die Kirche Jesu Christi. Der reformatorische Beitrag zum ökumenischen Dialog über die kirchliche Einheit‘ zu finden, das auf der Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft41 im Jahre 1994 in Wien erarbeitet und verabschiedet wurde.

Unter dem Punkt: ‚Die Gemeinschaft der Heiligen in der Gesellschaft der Gegenwart‘ wird über die ‚Kirche im Dialog‘ nachgedacht und widmet ihren ersten Punkt dem Dialog mit dem Judentum. Hier wird kurz das Verhältnis von Christentum und Judentum im Spiegel der Geschichte dargestellt und positiv neu bestimmt. Wir lesen in einem der Schlusssätze dieses Abschnittes: ‚Die kritische und konstruktive Unterstützung (von Schwesterkirchen, für die die Begegnung von Juden und Christen zum Alltag ihres gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens gehört und die nicht an Judenverfolgungen beteiligt waren. Anm. des Verfassers) in der Bearbeitung des Verhältnisses von Kirche und Judentum in den einzelnen Kirchen kann zu einem wichtigen Element der Kirchengemeinschaft reformatorischer Kirchen werden.‘42

Erst im Folgenden behandelt das Leuenberger Kirchenpapier das Verhältnis der Kirchen zu anderen Religionen, um deutlich zu machen, dass das Verhältnis der Kirche zu Israel ein qualitativ und fundamental anderes ist als das Verhältnis der Kirchen zu anderen Religionen.

Auch wenn das Papier von der Kirche als Volk Gottes spricht43, was aus sehr verschiedenen Gründen sehr fragwürdig ist, fehlt ihm nicht der Hinweis auf den untrennbaren Zusammenhang mit der Erwählung Israels als Volk Gottes und ergänzt, dass diese an Israel ergangene Verheißung mit dem Christusgeschehen nicht hinfällig geworden ist, denn Gottes Treue hält an ihr fest.

Das eben erwähnte Papier ist eine der wenigen Ausnahmen einer konstruktiven Erwähnung Israels. Ansonsten ist es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die innerkirchliche Ökumene im Großen und Ganzen, zumindest auf der Ebene der Landeskirchen und Diözesen und darunter, Israel nicht in ihrem Blickwinkel hat, also israelvergessen ist.

Lesen wir zum Beispiel die Auflistung der Themen der ökumenischen Gebetswoche für Einheit der Christen, die gemeinsam von der Kommission ‚Glaube und Kirchenverfassung‘ des Ökumenischen Rates der Kirchen und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen vorgeschlagen werden, so finden wir hier keinen direkten oder indirekten Israelbezug. Die biblischen Texte, auf die sich die vorgeschlagenen Themen beziehen, weisen seit 1968 lediglich vier Mal einen alttestamentlichen Text auf (1982: Psalm 84. ‚Damit alle in Dir ihr Zuhause finden mögen, Herr‘; 1991: Psalm 117 in Verbindung mit Römer 15, 5-13. ‚Lobt den Herrn alle Völker‘, 2018: Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke, 2. Mose 15, 6, 2019: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, ihr sollst du nachjagen,  5. Mose 16, 20a). Aber es findet sich in den Texten der erwähnten Jahrgänge kein Rückbezug auf die Wurzel Israel.

Die Kirchen bestimmen hin und wieder ihr theologisches Verhältnis zum Judentum auch mit Hilfe des Ölbaumgleichnisses des Paulus (Römer 11, 17ff). In diesem paulinischen Gleichnis wird deutlich, dass die Kirche als Ganze in den einen Ölbaum, Israel, eingepfropft ist, und aus seinem Stamm heraus, aus seiner Wurzel heraus Kraft und Leben bezieht.

Es lohnte, den ökumenischen Inhalt dieses paulinischen Gedankens ausführlicher zu meditieren, denn Paulus spricht hier, wenn auch unbewusst von der auch innerkirchlich-ökumenischen Perspektive des Judentums. Die Einheit der Kirche ist also schon gleichnishaft im Stamm des Ölbaums abgebildet und darum der Kirche vorgegeben. Auch das oben schon erwähnte Leuenberger Kirchenpapier spricht von der Einheit der Kirche als in ihrem Ursprung schon begründet44 und der Kirche vorgegeben und darum nicht erst ein von Christen und Kirchen durch ihr Handeln noch zu verwirklichendes Ideal. Ökumenische Arbeit bestünde also darin, die ihr von Gott geschenkte und vorgegebene Einheit sichtbar zu machen und Zeugnis davon zu geben.

All dies unterstreicht die auch ökumenische Bedeutung des 17. Januar und die theologische Verknüpfung mit der Ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen. Mit der Widmung dieses Tages zum Dialog und zur Begegnung mit dem Judentum, bevor dann anderntags die ökumenische Gebetswoche beginnt, würde nicht nur ein wichtiges, nicht zu überhörendes Signal an die Kirchen Europas gesandt, ihre ökumenische Arbeit einmal im Spiegel jüdischer Tradition zu überdenken. Ein weiteres wichtiges Zeichen würde auch an Israel gegeben. Den Kirchen selbst könnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur innerkirchlichen Einheit gelingen, der auch festgefahrene Gespräche, die die sichtbare Einheit behindern, wieder in Bewegung setzte.

Ökumenische Arbeit in der Rückbesinnung auf jüdische Tradition müsste die Vielschichtigkeit neutestamentlicher Theologie durchleuchten und die einzelnen Schichten nach ihrer philosophisch-theologischen Herkunft befragen. Hier käme einer ökumenischen Textexegese eine besondere Aufgabe zu. Denn nicht alles, was neutestamentliche Theologie und neutestamentliches Bekenntnis zu Jesus, dem Christus, zum Inhalt hat, hat Kraft und Saft aus jüdischer Tradition, also aus dem Ölbaum Israel gezogen. Auch bedarf es eines exegetischen Studiums und Aufarbeitung der altkirchlichen Bekenntnisse, die maßgeblich die Trennung zwischen Kirche und Synagoge, Christen und Juden vorangetrieben haben.

So stellen sich im Spiegel jüdischer Tradition zum Beispiel die Fragen nach Gott, nach der Trinität, nach der Christologie, nach der Rechtfertigung, nach der Mariologie, nach der Eucharistie, nach der Taufe, nach dem Amt des Priesters, dem des Papstes einfach anders, als wenn man sie rein neutestamentlich, altkirchlich und dogmengeschichtlich zu beantworten suchte.

Sicher, bei der Untersuchung dieser oder ähnlicher Fragen in Bezug auf jüdische Tradition könnte, ja würde herauskommen, dass oftmals Traditionen aus nichtjüdisch-religiöser Gedankenwelt in die neutestamentlichen Schriften Eingang gefunden haben. Oder es waren machtpolitische Interessen, die in der alten Kirche zu dogmatischen Entscheidungen führten, und diese in Dogmen zementierte. So hatten sie nicht nur zur Trennung von Christen und Juden zur Folge, sondern auch über die Jahrhunderte hinweg Spaltungen zwischen den Kirchen.

Das Bewusstwerden und das Eingeständnis dieser Tatsache würde vielleicht so manches ‚ökumenische Problem‘ relativieren und zur Neubesinnung führen, zumal wenn die existenzielle Wichtigkeit des Sein und Bleibens der Kirche als eingepfropfter Zweig am Ölbaum Israel erkannt und deutlich würde.

Einige Beispiele mögen den veränderten Blickwinkel ökumenischer Fragen beleuchten, wenn sie auf dem Hintergrund jüdischer Traditionen neu gestellt würden:

Der Bilderstreit zwischen Ost- und Westkirche, der die letzten Jahrhunderte des ersten christlichen Jahrtausends begleitete, missachtete das im 2. Gebot des Dekalogs formulierte Bilderverbot. Noch heute fehlt das Bilderverbot als 2. Gebot sowohl im römisch-katholischen, wie auch im lutherischen Katechismus. Da es theologisch nicht ins System passte, wurde es einfach gestrichen, und, damit es wieder zur Zehnzahl (Dekalog) kommen musste, wurde das letzte Gebot, da ohnehin zu lang, einfach in zwei geteilt.

So gilt auch hier: Was nicht sein darf, das kann nicht sein. … und darum widerspricht das Bekenntnis dem biblischen Befund.

Das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, erinnerte als Sedermahl die Feiernden an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Nicht ein einziger neutestamentlicher Bericht reflektiert über Transsubstantiation oder Konsubstantiation. Das Johannesevangelium, das weniger der jüdischen Tradition verpflichtet ist, verschweigt den Abendmahlsbericht der Synoptiker ganz, ersetzt das Abendmahl durch die Fußwaschung und erinnert an einen wichtigen orientalischen Brauch. Auch hier ein Dilemma: denn auf der einen Seite gibt die römisch-katholische Kirche dem Johannesevangelium den Vorzug vor den Synoptikern, auch wenn Johannes keinen Abendmahlsbericht vorlegt. Auf der anderen Seite jedoch ist die Eucharistie im Zusammenhang mit Beichte und Amt der Gegenstand, mit dem die römisch-katholische Kirche zu stehen und fallen scheint. Sie mag auf Paulus verweisen, aber auch Paulus beruft sich bei seinen Abendmahlsworten auf die Worte Jesu, denn er sagt nur das, was er selbst erfahren hat.

Wie würde sich die Frage nach der Rechtfertigung des Menschen vor Gott beantworten, wenn sie stärker von der Torah45 und von den Propheten her interpretiert würde?

Die Frage der ‚Gottesmutter‘ Maria wird sich schwerlich auf jüdische Tradition zurückführen lassen, es sei denn man geht in der Religionsgeschichte sehr weit zurück bis man auf die Reste der Gottesmütter46 im alten Orient stößt, die auch im Alten Testament nachhaltige Spuren hinterlassen haben. In erster Linie haben hier Vorstellungen des griechischen Götterpantheons, germanisch-heidnische Gedanken und anderes mehr deutliche Spuren hinterlassen.

Diese wenigen Beispiele zeigen zur Genüge, dass ein neues Nachdenken über ökumenische Fragen auf der Grundlage jüdischer Tradition zu interessanten und Wege öffnenden Aspekten führen würde.

Auch unter diesem Gedanken ist die Praxis der römisch-katholischen Kirchen im Raum der CEI wegweisend und in Graz zurecht als Antrag an die Kirchen Europas auf die Tagesordnung gelangt und entsprechend gewürdigt worden. Die Feier des 17. Januar als Begegnung mit jüdischer Tradition und jüdischen Menschen am Vortag des Beginns der Ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen könnte und würde das ökumenische Nachdenken anregen und fördern.

Leider jedoch ist der Beschluss von Graz in den Kirchen Europas, so auch in den Kirchen Deutschlands in Vergessenheit geraten. Im innerkirchlich-ökumenischen Dialog treten alle auf der Stelle und Worte zur Beziehung der Christen zum Judentum gibt es inzwischen eine ganze Reihe, aber bleiben wohl gemeinte, aber doch nur Worte. Sie finden noch nicht einmal mit ganz wenigen Ausnahmen in den Beratungen von Kirchenleitungen oder gar in den Gesprächen auf Gemeindeebene ein ihnen gebührendes Echo. Eine der wenigen Ausnahmen stellt der wegweisende Rheinische Synodalbeschluss ‚Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden‘ vom 11. Januar 1980 dar, der teilweise in die Präambel der Rheinischen Kirchenordnung Eingang gefunden hat, auf die alle Pfarrer und Pfarrerinnen ordiniert werden. Aber Konsequenzen für deren Studium oder deren Arbeit in den Gemeinden hat dies keine spürbare.
 
Warum auch die feste Burg verlassen und sich auf Neues einlassen? Denn was würde aus dem Jahrhunderte gepflegten jeweiligen Selbstverständnis werden, wenn wir uns nicht mehr anderen Religionen oder Konfessionen gegenüber abgrenzen könnten?
 
Der jüdische Philosoph und Theologe Martin Buber und mit ihm einige seiner Zeitgenossen meinten, dass ich nur durch das ‚Du‘ des anderen zu einer Person, d. h. zu einem ‚Ich‘ werde. Der andere, die andere, das ‚Du‘ des anderen, der anderen macht mich zu einem ‚Ich‘.

Dazu muss ich den anderen als ‚Du‘ akzeptieren, als den anderen, der mir zu meinem ‚Ich‘ verhilft, der existenziell und wesenhaft mein ‚Ich‘ definiert. Ohne den anderen entbehre ich selbst meines Wesens, meines ‚Ichs‘.

Bonhoeffer sagte einmal: ‚Kirche ist Kirche nur dann, wenn sie für andere da ist.‘ Ich möchte diesen Gedanken für unser Thema ergänzen: Kirche ist Kirche nur durch die anderen, die ebenfalls gemeinsam mit ihr den Weg zu Gott suchen, ist sie nur gemeinsam mit Israel, wenn sie sich gemeinsam mit Israel auf den Weg macht und immer wieder neue Wegbegleiter findet und für sie offen ist und bleibt.



ANMERKUNGEN



1 Zweite Europäische Ökumenische Versammlung vom 23. –29. Juni 1997 in Graz, Dokumentation Aktuell 10, in: Ökumenischer Informationsdienst, hrsg. v. der Ökumenischen Gesellschaft für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung e.V., Frankfurt.
2 so der Titel des Bischofs von Venedig.
3   Übersetzt: Sekretariat ökumenischer Aktivitäten
4   Das Gründungsdatum des SAE fällt zusammen mit dem historischen Treffen zwischen Paul VI. und dem Patriarchen Athenagoras und dem päpstlichen Dokument ‚Unitatis redintegratio‘ (21. November 1964).
5   Diese internationale Gebetswoche wurde 1909 vom Amerikaner Paul Francis Wattson (1863–1940) ins Leben gerufen.
6   In der Widmung dieses bedeutenden Buches, das versucht christliche Wurzeln für den Antisemitismus zu erforschen, ist zu lesen: Meiner Frau, meinem Sohn, meiner Tochter, Märtyrer, ermordet von Hitlers Nazismus, ermordet nur, weil sie Isaac hießen. Übersetzt nach einem Zitat aus: Riforma, 27. März 1998, S. 5.
7   Übersetzt: ‚Von der Notwendigkeit einer Reform der christlichen Unterweisung Israel betreffend‘
8   Lexikon für Theologie und Kirche, Ergänzungsband II, Freiburg, Basel, Wien, 1967, NOSTRA AETATE, S. 406.
9   Vgl. im Folgenden: ebenda: NOSTRA AETATE, S. 491ff. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf den durchnummerierten Text der Erklärung.
10   Vgl. im Folgenden, ebenda, DEI VERBUM, S. 559.
11   Vgl. NOSTRA AETATE, S. 493.
12   Orientamenti e suggerimenti per l‘ applicazione della dichiarazione ‚Nostra Aetate‘, siehe Artikel: Alberto Ablondi, Dialogo che sa di Alleanza, in: Avvenire, 16 gennaio 1990.
13   Vgl. im Folgenden: Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg, Basel, Wien, 1966. Ergänzungsband, Teil 1, LUMEN GENTIUM, S. 205.
14   Siehe: Avvenire, 16. Januar 1990
15   Die im Folgenden gesammelten Kommentare sind Mitschriften eines Videobandes, das die CEI in Vorbereitung auf die Vollversammlung in Graz vorbereitete.
16   Der Autor  war von 1992 bis 2005 Mitglied dieser Arbeitsgruppe.
17   teschuvà bedeutet ‚Umkehr‘.
18   Bruno Forte, Riconciliazione senza „Teshuwah“? L‘ autocoscienza cristiana e il popolo ebraico, in: Il segno 6, 1997
19   ‚Il secondo gesto potrebbe essere l‘ invito a tutte le Chiese d‘ Europa a celebrare unite una „giornata dell‘ ebraismo“, tesa a favorire la conoscenza del mondo ebraico da parte dei cristiani e il dialogo con l‘ Israele presente. La scelta fatta dalla Chiesa cattolica in Italia di porre questa giornata al 17 gennaio, vigilia della settimana di preghiera per l‘ unità dei cristiani, esprime bene l‘ autonomia e il collegamento fra la causa ecumenica e l‘ amore a Israele, ‚radice santa‘, nella diversità delle forme, che sono appunto conoscenza e dialogo da una parte, preghiera comune dall‘ altra.‘
20   Diese Unterschrift trägt der 10. Sonntag nach Trinitatis im Liturgischen Kalender der Evangelischen Kirche im Rheinland, siehe: Kirchliches Amtsblatt der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nr. 10 vom 21. Oktober 1998.
21   Vgl. im Folgenden: Schmerz und Annäherung. Handreichung zum Israelsonntag 1997, hrsg. v. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, Berlin 1997, S. 4
22   siehe ebenda, S. 4
23   siehe: Gebete zur Ergänzung der Agende I der Evangelischen Kirche der Union, Düsseldorf, 1971
24   siehe: Höre uns, Herr! Neue Kollekten- und Kirchengebete, hrsg. v. Hans Christian Knuth, Gütersloh 1982, S. 111. Nach einem ausführlichen Friedensgebet folgt hier zumindest eine Erwähnung Israels.
25   siehe Burkhard Heim, Beten im Gottesdienst, Neue Folge, 3. Auflage, Konstanz 1981, S. 116f
26   siehe Peter Helbich, Gottesdienstgebete zum Kirchenjahr, Gütersloh 1987.
27   Siehe Erneuerte Agende, Vorentwurf, Bielefeld 1990, S. 279
28   als Beispiel sei nur eine Fürbitte angeführt: ‚... dass Israel Jesus als seinen Messias erkennen und gemeinsam mit allen Gläubigen den einen Gott anbeten und in dieser Welt bezeugen kann...‘ Im Jahre 1995 ist ein sehr schönes Heft mit dem Titel ‚Lobe mit Abrahams Samen‘. Israel im evangelischen Gottesdienst. Eine Arbeitshilfe, hrgs. V. Reinhard Buschbeck u. a., Heppenheim, Wolfsburg erschienen. In diesem Heft haben die AutorInnen erfolgreich versucht, sich mit den Texten der Erneuerten Agende auseinanderzusetzen und ihrerseits liturgische Vorschläge für Gottesdienste zu entwerfen, die in der Gegenwart Israels vertretbar sind.
29   Rabbiner in Berlin, lebte von 1873 bis 1956, siehe auch: Holger Banse, Begegnungen mit Martin Buber, Franz Rosenzweig und Leo Baeck, 2014.
30   Siehe vor allem: Leo Baeck: Das Wesen des Judentums, Wiesbaden, 6. Auflage 1995, und ders., Dieses Volk. Jüdische Existenz. Hrsg. v. Albert H. Friedlander und Bertold Klappert, Gütersloh 1996.
31   Baeck, Volk. S. 42f.
32   ebenda, S. 79.
33   Ebenda, S. 39.
34   Ebenda, S. 68.
35   Ebenda, S. 67.
36   Vgl. Schalom Ben-Chorin, Die Erwählung Israels, München 1993, S. 76.
37   Karl Barth ist ein bedeutender Schweizer Theologe und Dogmatiker. Er lebte von 1886 bis 1968. Über ein halbes Jahrhundert hat er die systematische Theologie mit seiner Dogmatik dominiert. Bis heute reicht sein Einfluss in die theologischen Fakultäten und Bibliotheken der Pfarrer und Pfarrerinnen. Siehe aber auch Kapitel: Beispiele christlich-jüdischer Studien auf akademischer Ebene, hier: Biblische Radikalitäten, S.
38   Baeck, Wesen, S. 69.
39   Baeck, Volk, S. 74.
40   Siehe: epd-Dokumentation, 25 / 94.
41   Die Mitgliedskirchen haben 1973 im Tagungshaus Leuenberg bei Basel mit der Leuenberger Konkordie Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärt und sich zur gemeinsamen Verwirklichung von Zeugnis und Dienst verpflichtet. Der Name der Kirchengemeinschaft lautete daher zunächst Leuenberger Kirchengemeinschaft. Auf ihrer Tagung Ende Oktober/Anfang November 2003 nahm die Gemeinschaft ihren gegenwärtigen Namen ‚Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa‘, GEKE  an.
42   Ebenda, S. 31f.
43   ebenda, S. 21.
44   Ebenda, S. 14.
45    Baeck beschreibt die Torah als im Bund Gottes mit den Menschen begründet, sie ist Offenbarung, Einwohnung Gottes in dieser Welt, ja Gegenwart Gottes selbst.
46   Vgl. hier den Sammelband: Der eine Gott und die Göttin. Gottesvorstellungen des biblischen Israel im Horizont feministischer Theologie, hrsg. v. Marie-Therese Wacker und Erich Zenger, Freiburg, Basel, Wien 1991



Der Autor

Pfr. i. R. HOLGER BANSE

wurde 1953 in Koblenz geboren, studierte in Wuppertal und Bonn evgl. Theologie. Von 1982 war Banse Gemeindepfarrer in Adenau/Eifel, Milano/Italien, Hamm an der Sieg und wieder Adenau/Eifel. Hier beendete er seinen aktiven Dienst im April 2019. Von 1998 bis 2012 war er geschäftsführender Vorsitzender der Oberbergischen Gesellschaft der Christlich-Jüdischen Gesellschaft. In den vergangenen Jahren hielt Banse Vorträge und veröffentliche zahlreiche Bücher und Aufsätze in Italien und Deutschland zu christlich-jüdischen, exegetischen, theologischen und gesellschaftspolitischen Themen.

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