Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 19

Oktober 2005

Wer die ideologische Formierung des NS-Staates verstehen will, kommt an Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg nicht vorbei. Nach bescheidenen Anfängen als völkischer Publizist und Agitator wurde er zum Weltanschauungsbeauftragten des totalitären Regimes.  Er war Herausgeber vieler wichtiger nationalsozialistischer Periodika wie zum Beispiel dem »Völkischen Beobachter« und befehligte eine Reihe von Organisationen, unter anderem den Kampfbund für deutsche Kultur, das Amt Rosenberg, die Nordische Gesellschaft, den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. 1941, als mit dem Überfall auf die Sowjetunion der Kampf mit dem »jüdischbolschewistischen Weltfeind« begann, wurde er Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. War er bis dahin vor allem Vordenker eines Weltanschauungsstaats gewesen, stand er nun auch als Politiker in vorderster Front. Der Krieg im Osten war von Anfang an ein ideologischer Vernichtungskrieg, zu dessen Legitimation ein Rosenberg gebraucht wurde. Im Rücken der Front vollzog sich der Mord an sechs Millionen Juden. Rosenberg hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung des antisemitischen Weltbilds der Nazis, spielte eine zentrale Rolle bei der öffentlichen Legitimierung der Vernichtungsmaßnahmen und war auch an ihrer Durchführung beteiligt. In Nürnberg wurde Rosenberg vor dem Internationalen Gerichtshof als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, in allen Punkten der Anklage schuldig gesprochen und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

Ernst Piper, ein ausgewiesener Experte für das Dritte Reich, hat Archive auf der ganzen Welt aufgesucht und den Lebensweg dieser von der Forschung bislang vernachlässigten NS-Figur umfassend rekonstruiert. Seine Ergebnisse legt er nun in einer beeindruckenden Studie im Blessing-Verlag vor: "Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe" (siehe Anzeige weiter unten).

Exklusiv präsentiert COMPASS in einem Online-Vorabdruck zwei Kapitel aus diesem Buch: Das Einleitungskapitel, das u.a. einen hervorragenden Überblick der bisherigen Forschungssituation zur Person Rosenbergs gibt, und das nachfolgend vorliegende Kapitel V des Buches, "Vom Mythos zum 'Mythus'", in dem u.a. das rassistisch-antisemitische Weltbild Rosenbergs vorgestellt und analysiert sowie die Frage nach "Politische Religion oder Religionsersatz" diskutiert wird.

Diese beiden Texte erscheinen heute als Doppel-Ausgabe Nr. 18 und Nr.19 von ONLINE-EXTRA - exklusiv für COMPASS-Infodienst.

COMPASS dankt Autor und Verlag für die Genehmigung zur Wiedergabe der Texte an dieser Stelle!

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Online-Extra Nr. 19


Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe.

Kapitel V: "Vom Mythos zum 'Mythus'"
(Teil 2)

ERNST PIPER

Im Heft 8 der Nationalsozialistischen Monatshefte erschien eine Rezension von Rosenbergs Hauptwerk „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, die von niemand anderem als Rosenberg selbst verfaßt war. Darin betonte er, daß das Buch ein persönliches Bekenntnis sei, „das Gebiete behandelt, welche die N.S.D.A.P. als politische Organisation nicht unmittelbar berühren.“ Das Buch richte sich nicht an jene, die „sich festgefügt in gewisse Geistes- und Glaubensformen fühlen“, vielmehr an die „Suchenden, die das alte verlassen, aber eine neue Schau der Welt noch nicht gefunden haben.“ 1 Der langen Rede kurzer Sinn: Gläubige Christen, und das waren immerhin, wenn man das Kriterium der Kirchenzugehörigkeit zugrunde legt, mehr als 95 % der Bevölkerung, hatten die ausdrückliche Erlaubnis, dieses Werk zu ignorieren. Hitlers Rigorismus in der Frage religiöser Toleranz in den Jahren der „Kampfzeit“ forderte auch hier seinen Tribut.

Bis 1933 blieb die „Selbstanzeige“ die einzige Rezension des „Mythus“ in den Nationalsozialistischen Monatsheften. Dann folgten zwei weitere Würdigungen. Zu Beginn des Jahres, in einem Rezensionsteil, der einen Überblick über wichtiges nationalsozialistisches Schrifttum gab, würdigte W.H. den „Mythus“ als notwendige Auseinandersetzung mit den Geistesmächten der Vergangenheit und als Wegweiser für die „aufsteigende(n) Erneuerung im gesamten Leben“:


„Die nationalsozialistische Jugend dankt Alfred Rosenberg diese Zielsetzung, der ihr durch diesen Kampf zum geistigen Führer geworden ist.“ 2


Dieser kurzen Anzeige folgte dann gegen Ende des Jahres eine ausführliche Besprechung von Arvid Balk, die aus der Rheinisch-Westfälischen Zeitung vom 17. November übernommen war, verbunden mit der Mitteilung, der „Mythus“ habe inzwischen eine Auflage von annähernd 100.000 Exemplaren  erreicht. Der Rezensent hob Rosenbergs Bedeutung als Reichsleiter, Vorsitzender des Kampfbunds für deutsche Kultur, Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP und Hauptschriftleiter des Völkischen Beobachters hervor:


„Man kann somit seinen ‚Mythus des 20. Jahrhunderts’ als die grundlegende Ideologie unseres gegenwärtigen, auf Ehre und Freiheit gegründeten Reichs ansprechen.“ 3


Die Gesetzgebung der vergangenen Monate habe gezeigt, daß viele der von Rosenberg vertretenen Grundsätze bereits in die Tat umgesetzt worden seien. Der Rezensent hatte zuvor festgestellt, das Buch habe bei seinem Erscheinen den übermächtigen marxistischen und klerikalen Mächten vielfach Angriffsflächen geboten, weswegen der mutige Verfasser es als Privatarbeit gekennzeichnet habe. Heute bedürfe die siegreiche Bewegung eines solchen Schutzes nicht mehr. Die Angriffe der „klerikalen Mächte“ gab es nach wie vor, allein die Nazis hatten keinen Grund mehr, sie allzu sehr zu fürchten. Das Katholische Kirchenblatt vom 3. April 1934 brachte z.B. Zitate aus Ernst Bergmanns „Die deutsche Nationalkirche“ und Rosenbergs „Mythus“ unter der Überschrift „Weitere Stimmen aus dem Antichristentum und Neuheidentum unserer Tage“. Das Blatt sah die Autoren im Dienste des Antichrist, gegen den der „in tiefster Erniedrigung und in unendlichem Leid für uns am Kreuze gestorbene(n) Heiland“ zu verteidigen war. 4 Daß eine derart frontale Ablehnung der Rosenbergschen Thesen ungehindert publiziert werden konnte, ist immerhin bemerkenswert. Die Stimmen aus dem christlichen Lager beider Konfessionen, die sich mit dem „Mythus des 20. Jahrhunderts“ auseinandersetzten, waren zahlreich und in ihrer übergroßen Mehrheit ablehnend gewesen. 5 Die Christen aller Schattierungen sahen sich, nicht zu unrecht, durch dieses Werk herausgefordert wie durch keine andere nationalsozialistische Schrift.

Die großen deutschen Zeitungen, die die öffentliche Meinung prägten, sahen sich, mit Ausnahme des Völkischen Beobachters6, nicht veranlaßt, sich mit dem „Mythus“ auseinanderzusetzen. Dieses voluminöse, nicht leicht zugängliche und in seiner geistigen Bedeutung schwer abzuschätzende Buch wurde einfach ignoriert. Intensive, den christlichen Stimmen genau entgegengesetzte Reaktionen gab es dagegen in völkischen Kreisen. Mehr oder weniger zustimmende Besprechungen des „Mythus“ erschienen in den folgenden Zeitschriften, deren Name bereits Programm war: Die Sonne. Monatsschrift für nordische Weltanschauung und Lebensgestaltung; Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie; Deutschlands Erneuerung; Ringendes Deutschtum; Hammer. Blätter für deutschen Sinn; Der Ring. Konservative Wochenschrift; Ruf und Rüstung; Nordische Blätter. Theodor Fritschs „Hammer“ würdigte Rosenbergs Buch als einen „Kampfblock im Heere gegen die gotteswidrige Gleichmacherei“7. Ähnlich martialisch war das Urteil der „Sonne“:


„Was Rosenberg uns hier gegeben hat, ist ein hochbedeutendes, alle Lebensgebiete umfassendes Werk, ... durchpulst von einem männlich-sittlichen Willen und einer ebenso ehrbewußten wie glühend-urstarken Liebe zu Volk und Vaterland. Sein Wort bedeutet – ähnlich wie das Ergebnis der Wahlen vom 14. September – einen wuchtigen Markstein, einen mit Hühnenkraft errichteten Megalith auf dem Wege der deutschen Erneuerungsbewegung.“ 8


Bis hin zu wörtlichen Übereinstimmungen gleichen Sinnes war die Rezension in den Nordischen Blättern.9 Kritischer äußerte sich der Autor des Archivs für Rassen- und Gesellschafts-Biologie, der Rosenberg zwar die richtige Gesinnung attestierte, so daß er zu den „geistigen Grundlagen eines bevölkerungspolitischen Neubaus einen bedeutenden Baustein“10 beigetragen habe, seinem Werk aber die geistige Originalität absprach.

Ganz aus dem Rahmen fällt die Rezension Otto Friedländers in der „Sozialistischen Bildung“. Für ihn war Rosenberg ein Symptom für die „Zerspaltenheit im Denken gewisser bürgerlicher Kreise“.11 Die Darstellungsweise erinnerte den Rezensenten an den wilhelminischen Stilwirrwarr. Er erheiterte sich über den „Mythus von dem ‚schöpferischen blonden Blut’, dessen Pulsschlag die Phantasien des Herrn Rosenberg durchzittert“12 ebenso wie über die Sage von Atlantis, wo „der gründlich-unergründliche Münchener ‚Forscher’ Anklänge an die vergangene Urheimat finden (will)“13. Wenn Rosenberg die Gefallenen des Ersten Weltkriegs beschwört und mit ihnen den Mythus des Blutes, der damals geopfert habe und nun gestalten wolle, bemerkt Friedländer dazu sarkastisch: „Schade, daß Herr Rosenberg da nicht mittun kann! Denn er hat nach seinen eigenen Angaben während des Krieges nicht mitgekämpft, sondern als russischer Staatsbürger in Riga Architekturvorlesungen besucht.“14 Tatsächlich warf sich Rosenberg, wenn er sich auf den Mythus des Blutes in den „gebeugten Seelen der Hinterbliebenen der toten Krieger“15 berief, zum Hohepriester einer Gemeinschaft auf, der er nicht angehört hatte. Nicht nur hatte er als russischer Staatsbürger während des Krieges Architektur studiert, während andere ihr Leben für die deutsche Sache, zu deren Sachwalter er sich nun aufwerfen wollte, in die Schanze geworfen hatten. Als die deutschen Truppen näherrückten, war die Universität samt ihrem Studenten Alfred Rosenberg nach Moskau evakuiert worden.

Otto Friedländer charakterisierte abschließend den „Mythus des 20. Jahrhunderts“ als „geistigen Schutthaufen“, unter dem sich ein Angsthase verberge:


„Das Grundgefühl, das dieses ganze Buch durchzittert, ist nichts anderes als peinliche, hysterische und geradezu groteske Rassenangst.“ 16


Es läßt sich sicherlich einiges dafür ins Feld führen, den rassistischen Vernichtungsantisemitismus, den Rosenberg predigte und bei dem es sich angeblich um einen verzweifelten Abwehrkampf handelte, als Angstpsychose zu charakterisieren. Daß Friedländer dabei den Begriff Rassenangst verwendet, einen Begriff, der eigentlich nicht in sein Weltbild passen sollte, zeigt, welche Wirkungsmacht die damals geradezu ubiquitäre Rassenidee erlangt hatte. Aber wir dürfen sicher davon ausgehen, daß Friedländer die Rassenangst den zu Beginn seiner Rezension zitierten bürgerlichen Kreisen zuordnen wollte.

Auch im Ausland, das sei hier doch am Rande erwähnt, wurde Rosenbergs „Mythus“ gelesen.17 Lewis Spence, um nur eine der ausländischen Stimmen zu zitieren, ordnete Rosenberg in die damals in Deutschland in der Tat virulente neuheidnische Bewegung ein und besprach den „Mythus“ gemeinsam mit Wilhelm Kusserows „Das Nordische Artbekenntnis“ und Ernst Bergmanns „25 Thesen der Deutschreligion“. Spence referiert einen anderen Publizisten, der das Verhältnis zwischen Hitler und Rosenberg mit dem zwischen Faust und Mephisto verglichen hatte, und hält dem entgegen, daß wohl eher der Vergleich mit einem geheimnisvollen Zauberer und dessen Schüler angemessen sei, wobei Rosenberg dabei die Rolle des Magiers zufalle.18 Spence sah bei Rosenberg einen „spirit of destruction“ am Werk19 und schloß seine ausführlichen Überlegungen mit der Vermutung ab – der Aufsatz erschien 1940 – Rosenberg werde angesichts des Kriegsausbruchs nunmehr im Hintergrund gehalten, um die Einheitlichkeit der Kriegsanstrengung nicht zu gefährden.20

Es war das Schicksal Rosenbergs, daß häufig genug die Zeit nicht seine Zeit war. So wie später Hitler den geplanten Europa-Kongreß untersagte, weil er Komplikationen für die Kriegskoalition befürchtete, und so wie niemand es für angezeigt hielt, mit den italienischen Verbündeten, solange sie es waren, die Frage des nordischen Rassenprimats zu diskutieren, so war auch das Jahr 1930 eigentlich eine Unzeit21 für „Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit“, wie der Untertitel des „Mythus des 20. Jahrhunderts“ lautete. Wenn am 15. September 1930 der Verlagsvertrag dann doch unterzeichnet wurde, war der Hauptgrund dafür wohl der sensationelle Wahlsieg der NSDAP vom Vortag, die mit nunmehr 107 statt 12 Reichstagsabgeordneten sich stark genug fühlte, die von ihrem Parteiphilosophen entfachten Grundsatzdiskussionen durchzustehen. Es deutet alles darauf hin, daß man nach der grundsätzlichen Freigabe des Werkes durch Hitler im Frühsommer die Angelegenheit einige Monate hatte ruhen lassen, um das Ergebnis der Septemberwahlen abzuwarten.22

Rosenberg hatte die Arbeit am „Mythus“ Mitte der 20er Jahre abgeschlossen, konnte aber keinen Verleger für das gewaltige Manuskript begeistern. Oldenbourg und Diederichs waren konservative Verleger, hatten das Werk aber ohne Umschweife abgelehnt.23 Aber auch der nationalsozialistischen Bewegung so verbundene Verleger wie Julius Lehmann und Hugo Bruckmann, die sich mit dem Manuskript intensiv auseinandersetzten, mochten den „Mythus“ nicht in ihr Programm aufnehmen. Bruckmann schrieb an Rosenberg, das Buch sei „so gescheit, so grundlegend in seiner Einstellung, so konsequent durchdacht und so glänzend geschrieben, mit einem Wort, es vereinigt so viele Qualitäten, daß ich mich glücklich fühlte, diese mannhafte Aussprache innerster Überzeugung in meinem Verlag veröffentlichen zu können.“ 24 Aber Bruckmann war nicht so mannhaft wie Rosenberg und die Glücksgefühle mußten hintanstehen. Als Verleger könne er sich nicht „im vornherein der Gegnerschaft aussetzen all jener Kreise der Wirtschaft, der Kirche usw., die heute über die Öffentlichkeit gebieten und deren Credo auch in vaterländischen Kreisen noch stark vertreten ist.“ 25 Lehmann wiederum teilte Rosenberg mit, er teile dessen Kritik an der katholischen Kirche und halte sie für nicht minder gefährlich als das Judentum, halte andererseits aber auch Hitlers Politik für richtig, es mit Rom nicht zum offenen Bruch kommen zu lassen:


„Wenn ich hoffen könnte, durch Ihr Buch Tausende(n) von Arbeitern, die heute im katholischen Lager stehen, die Augen zu öffnen und sie zu uns herüber zu ziehen, wenn ich glauben würde, daß Ihr Buch ähnlich wie Chamberlains ‚Grundlagen’ auch von Katholiken begeistert gelesen würde, so daß ich selbst, wenn ich nur einen ganz bescheidenen buchhändlerischen Erfolg hätte, mich damit trösten könnte, daß Ihr Buch wenigstens weite Kreise befreit, so würde ich den Verlag trotz aller Bedenken übernehmen.“26


Wenn Lehmann vermutete, daß die Begeisterung gläubiger Katholiken über Rosenbergs „Mythus“ gering sein würde, so hatte er zweifellos recht. Bei dem Versuch der Nazis, im Lager der Gläubigen Punkte zu machen, indem sie sich von der atheistischen Propaganda der KPD, etwa im Verband proletarischer Freidenker, der z.B. zum Boykott des Religionsunterrichts aufforderte,27 absetzten, war dieses Buch zweifellos keine Hilfe. So fand Rosenbergs große Welterklärung schließlich im Hoheneichen-Verlag eine Heimat, jenem Verlag, den Dietrich Eckart 1915 gegründet hatte. Dort war nicht nur „Auf gut deutsch“ erschienen, sondern, nach den Anfängen bei Boepple, auch der „Weltkampf“ sowie „Volk und Kultur“, die Zeitschrift des Kampfbunds für deutsche Kultur. Auch Rosenberg selbst war immer wieder als Autor bei Hoheneichen in Erscheinung getreten. Wirtschaftlich ging es dem Verlag von Anfang an sehr schlecht und im Mai 1929 wurde er vom Eher-Verlag übernommen.28 Der Name wurde aber beibehalten, so daß der Außenstehende den Eindruck haben konnte, der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ sei nicht im Parteiverlag erschienen, was wohl ein erwünschter Effekt war.



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Ernst Piper:

Alfred Rosenberg
Hitlers Chefideologe


Karl Blessing Verlag 2005
832 Seiten, 34 Abb.
ISBN 3-89667-148-0
UR 26.00 (D) / CHF 45.60 €


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Eine düstere Karriere in einer düsteren Zeit:

Die erste umfassende Erforschung über den Vordenker der NSDAP
Wer die ideologische Formierung des NS-Staates verstehen will, kommt an Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg nicht vorbei. Nach bescheidenen Anfängen als völkischer Publizist und Agitator wurde er zum Weltanschauungsbeauftragten des totalitären Regimes. Ernst Piper, ein ausgewiesener Experte für das Dritte Reich, hat Archive auf der ganzen Welt aufgesucht und den Lebensweg dieser von der Forschung bislang vernachlässigten NS-Figur umfassend rekonstruiert.

Diese Biographie von Alfred Rosenberg erschließt umfangreiche Quellenbestände zum ersten Mal.


Alfred Rosenberg, Hitlers Weggefährte in dessen ersten Jahren in München, gilt gemeinhin als Chefideologe der NSDAP. Er war Herausgeber vieler wichtiger nationalsozialistischer Periodika wie zum Beispiel dem »Völkischen Beobachter« und befehligte eine Reihe von Organisationen, unter anderem den Kampfbund für deutsche Kultur, das Amt Rosenberg, die Nordische Gesellschaft, den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. 1941, als mit dem Überfall auf die Sowjetunion der Kampf mit dem »jüdischbolschewistischen Weltfeind« begann, wurde er Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. War er bis dahin vor allem Vordenker eines Weltanschauungsstaats gewesen, stand er nun auch als Politiker in vorderster Front. Der Krieg im Osten war von Anfang an ein ideologischer Vernichtungskrieg, zu dessen Legitimation ein Rosenberg gebraucht wurde. Im Rücken der Front vollzog sich der Mord an sechs Millionen Juden. Rosenberg hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung des antisemitischen Weltbilds der Nazis, spielte eine zentrale Rolle bei der öffentlichen Legitimierung der Vernichtungsmaßnahmen und war auch an ihrer Durchführung beteiligt. In Nürnberg wurde Rosenberg vor dem Internationalen Gerichtshof als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, in allen Punkten der Anklage schuldig gesprochen und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Eine düstere Karriere in einer düsteren Zeit.



Im Januar 1931 erschien eine ganzseitige Anzeige des Hoheneichen-Verlags in den Nationalsozialistischen Monatsheften, in der es hieß: „Einen Welterfolg stellt das neueste Werk unseres Verlags dar ‚Der Mythus des 20. Jahrhunderts’“. Die erste Auflage sei nach drei Monaten vergriffen, die zweite erscheine im Februar 1931.29 Worin der Welterfolg bestehen sollte, wurde nicht gesagt. Die Blütenlese „Aus den letzten Kritiken“ geriet jedenfalls wenig eindrucksvoll. Ein „Wirtschaftlicher Beobachter“ wird mit der Erkenntnis zitiert: „Der Mythus ist die erste geniale Philosophie auf rassischer Grundlage...“. Dann folgen noch zwei Zuschriften, eine von einem Professor aus Greifswald und eine von Hans F.K. Günther, der mitzuteilen wußte: „Das Werk ist berufen, die kommenden Entscheidungen des abendländischen Geisteslebens in führender Weise mit herbeizuführen.“ Das Buch sei wie ein Angriffsbefehl in dem nun anhaltenden Geisteskampf. Daran, daß der „Mythus“ die kommenden Entscheidungen in führender Weise herbeiführte, darf gezweifelt werden. Das Werk wurde nicht nur in der Öffentlichkeit, außerhalb völkischer oder, aus entgegengesetzten Motiven, religiöser Kreise, weitgehend ignoriert. Es erfreute sich auch in Parteikreisen nur bescheidenen Zuspruchs. Nach der „Machtergreifung“ erhielt es dann, der päpstlichen Indexierung zum Trotz, den Status mindestens halbamtlicher Literatur, und der Absatz nahm nun sehr rasch zu. Waren 1933 erst 73.000 Exemplare abgesetzt30, so wurde 1935 das 293.000 Tausend erreicht31, 1938 die halbe Million32 und 1942 schließlich eine Million Exemplare33, was für eine so anspruchsvolle Lektüre auch bei offiziöser Förderung sehr beachtlich war. Auch ein Band mit Erläuterungen zum „Mythus“ von Professor Otto Gros kam heraus, der allerdings so wenig überzeugend ausfiel, daß der größte Teil der ersten Auflage eingestampft wurde; immerhin erschien eine stark bearbeitete zweite.34 In seinen Aufzeichnungen in der Haft vermerkte Rosenberg, es habe viele Übersetzungswünsche aus dem Ausland gegeben,35 doch hier war einmal mehr der Wunsch der Vater des Gedankens. Er habe alle diesbezüglichen Vorschläge für Übersetzungen abgelehnt, „nur eine japanische erschien, ohne daß ich mich erinnern konnte, meine Einwilligung gegeben zu haben; jedenfalls war der Inhalt des ‚Mythus’ dort nur eine wissenschaftliche Kuriosität“36. Von „Mein Kampf“ gab es dagegen eine ganze Reihe von Übersetzungen.37 Hitler wollte, daß die Welt sich mit seinen Überzeugungen und Absichten auseinandersetzte. Rosenberg war da zurückhaltender, er ahnte wohl, daß seine Schrift wenig geeignet war, das Verständnis für den Nationalsozialismus im Ausland zu fördern.

Auch im Inland ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Am 14. Februar 1931 meldete der Völkische Beobachter: „Bayerische Bischöfe gegen den Nationalsozialismus“. In den Verordnungsblättern aller acht bayerischen Diözesen wurde ein Text verbreitet, der katholischen Geistlichen jede Mitarbeit in der NSDAP verbot. Was der Nationalsozialismus Christentum nenne, sei nicht mehr das Christentum Christi, referierte der Völkische Beobachter. Der „Mythus“ wurde mit keinem Wort erwähnt, aber drei Tage später erschien eine umfangreiche Stellungnahme „In eigener Sache“ von Alfred Rosenberg. „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, so heißt es dort, „ist ein rein persönliches Bekenntnis, das keinen parteiamtlichen Charakter trägt.“ 38 Das Buch sei weder atheistisch noch gotteslästerlich, allerdings nicht dezidiert katholisch. Der „Mythus“ sei nicht antichristlich, sondern plädiere für die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse bei Neutralität des Staates.39 Er propagiere weder Wotanskult noch Abtreibung oder „Kameradschaftsehe“. Mit letzterem waren nichteheliche Lebensgemeinschaften gemeint, zu denen er sich eine Anmerkung nicht verkneifen konnte:


„Allerdings aber heuchle ich nicht angesichts der Tatsache, daß die Natur sich bei großem Frauenüberschuß hilft (und ich glaube, daß jede deutsche Mutter Anspruch auf Achtung hat). Wäre das früher in großen Krisen nicht geschehen, so fehlten vermutlich selbst vom Zentrum 50 Prozent seines Bestandes.“40


Hier wußte Rosenberg sich in Übereinstimmung mit den allermeisten führenden Nationalsozialisten, die zum Teil polygame Verhältnisse geradezu ostentativ pflegten, um so zum Bestand der gefährdeten germanischen Rasse beizutragen.

Rosenberg konzentrierte sich im weiteren Verlauf seiner Stellungnahme ganz auf seine Polemik gegen das machtgierige Zentrum, das seinem Opportunismus noch jeden Grundsatz zu opfern bereit sei, so daß der Nationalsozialismus als einziger Damm gegen den Bolschewismus bleibe, was die Frage, ob dieser Damm gerade durch den „Mythus“ eine Verstärkung erfuhr, indes noch nicht beantwortete. Immerhin wandte sich selbst der nationalsozialistische Vorzeigekatholik Abt Schachleitner an verschiedene Parteistellen, weil er den „Mythus“ und mit ihm seinen Verfasser für eine Belastung hielt.41 Wollen wir Rosenbergs Bericht glauben, so bot er Hitler seine Entlassung aus den Diensten der Partei an, was dieser postwendend ablehnte.42

Was nun die Rezeption des „Mythus“ innerhalb der NSDAP betrifft, so müssen wir bei der Lektüre der Quellen das Kriegsende als Zäsur ansehen, wie das auch sonst für Rosenberg gilt. Während es nach 1945 eine starke Tendenz zur Ridikülisierung seiner Person und seines Hauptwerkes gibt, ist das zuvor keineswegs der Fall. Wenn Albert Speer in seinen Erinnerungen von höchst abfälligen Bemerkungen Hitlers über den „Mythus“ berichtet43, so ist hier Vorsicht geboten. Unter der Meinungsführerschaft von Joachim Fest hat man nach Kriegsende im deutschen Sprachraum versucht, Rosenberg zum weltfremden Trottel abzustempeln, so daß dann auch kein Anlaß mehr bestand, sich mit dem "Mythus" auseinanderzusetzen. Zuvor hatte es anders geklungen. Hanns Johst schrieb Rosenberg, er habe diese „Enzyklopädie einer nationalsozialistischen Weltanschauung“ verschlungen44, Ernst Niekisch berichtet, die Parteiführer hätten es, trotz seines offiziell privaten Charakters, „als ihr weltanschaulich-philosophisches Grundbuch“ angesehen45. Glaubhafter als die abfälligen Bemerkungen Hitlers, die in Nachkriegsmemoiren berichtet werden, sind die Aufzeichnungen der „Tischgespräche“, die durchaus eine innere Distanz zum „Mythus“ erkennen lassen, die sich allerdings vor allem auf die Wirkung des Werkes im Kirchenkampf bezieht. Die hauptsächliche Leserschaft, so Hitler, sei nicht unter den Altparteigenossen zu suchen, sondern in Kirchenkreisen, die dem „Mythus“ durch ihren anhaltenden Widerstand überhaupt erst zu einem Verkaufserfolg verholfen hätten. Er selbst habe das Buch nur zum geringen Teil gelesen, da es zu schwer verständlich geschrieben sei.46 Noch positiver liest es sich bei Hans Severus Ziegler, der berichtet, Hitler habe "seine allgemeine Zustimmung mit einigen Vorbehalten" geäußert.47 Bezeichnend ist eine andere Äußerung in den „Tischgesprächen“:


„Rosenberg habe ihm in der Kampfzeit einmal einen Leitartikel vorgelegt, in dem er auf Angriffe der katholischen Kirche geantwortet habe. Er habe ihm die Veröffentlichung dieses Artikels verboten. Daß Rosenberg sich seinerzeit überhaupt auf eine Diskussion mit der Kirche eingelassen habe, habe er immer für falsch gehalten.“48


Rosenberg habe durch seinen Kampf gegen die Kirchen nichts gewinnen können. Diejenigen, die ihnen bereits mit innerer Distanz gegenüberstanden, habe man nicht mehr überzeugen müssen, bei den anderen aber habe die Gegenpropaganda einen für die nationalsozialistische Sache kontraproduktiven Effekt gehabt. Hier wird erneut Hitlers Grundsatzposition in der Religionsfrage deutlich, die nach meiner Überzeugung der Hauptgrund für sein distanziertes Verhältnis zum „Mythus des 20. Jahrhunderts“ war. Doch sein genereller Respekt vor Rosenberg hinderte ihn daran, irgendwelche Maßnahmen gegen das Buch zu ergreifen. Hutchinson bemerkt in diesem Zusammenhang zu Recht: „Ein Wort des Führers hätte Rosenberg auf den Abfallhaufen der Geschichte verbannt, aber dieses Wort kam nie.“ 49 Ein Grund dafür mag auch darin zu suchen sein, daß Hitler mit den Grundgedanken des „Mythus“ durchaus übereinstimmte. Seine finalen Gespräche mit Hitler, die Otto Strasser in „Ministersessel oder Revolution?“ rekapitulierte, zeigen, daß Strasser geradezu daran verzweifelte, daß Hitler ganz dem rassistischen Geschichtsbild Rosenbergs folgte, den Strasser „für den stärksten geistigen Gegenpol meiner Anschauungen“ 50 hielt. Strasser zitiert Hitler mit den folgenden Worten:


„Wenn Sie einmal das neue Buch Rosenbergs lesen, dann werden Sie diese Dinge begreifen, denn dieses Buch ist das gewaltigste seiner Art, größer noch als Chamberlains ‚Grundlagen des 19. Jahrhunderts’.“ 51


Strasser sah sich mit seiner Sicht der Dinge auf verlorenem Posten:


„Alle Wandlungen im Kulturellen, Staatlichen und Wirtschaftlichen führt Hitler, der Theorie Rosenbergs folgend, auf Rassenkämpfe zurück und führt damit eine ähnliche einseitige Betrachtungsweise ein, wie es Marx mit seiner Klassenkampftheorie getan hat.“52


Wenn Hitlers Bannstrahl Rosenberg nicht traf, hatte das nicht nur mit seinem Respekt vor dessen Leistungen in frühen Aufbaujahren zu tun. Mehr noch fiel ins Gewicht, daß Hitler zwar in Fragen der äußeren Form und der Taktik mit Rosenberg nicht immer einverstanden war, sie im Kern aber dieselben Überzeugungen teilten. Ähnlich stand auch Heinrich Himmlers zentrale Position niemals in Frage, obwohl Hitler seiner Germanenschwärmerei äußerst skeptisch gegenüberstand und ihn z.B. zwang, den völkischen Phantasten Karl Maria Wiligut, der unter Himmlers Protektion zu hohen SS-Ehren aufgestiegen war, zu degradieren. So hielt Hitler auch nicht nur die von Rosenberg eröffnete Front gegen die Kirchen für einen Fehler, er hatte auch wenig Sinn für seine Neigung zum Mystizismus. Das ließ ihn aber nicht übersehen, daß Rosenbergs Arbeit für die Ausbildung des rassistischen nationalsozialistischen Weltbilds grundlegend war.

Für Rosenberg war dabei das eine vom anderen nicht zu trennen. Die Gedanken, die im „Mythus des 20. Jahrhunderts“ ihren Niederschlag fanden, hatten ihn seit frühester Zeit beschäftigt, und dabei hatte gerade ein antireligiöser Impuls eine große Rolle gespielt. In seiner autobiographischen Aufzeichnung „Wie der ‚Mythus’ entstand“ nennt Rosenberg zwei Ereignisse aus dem Jahr 1909 als die „entscheidenden Antriebe für die Unbedingtheiten des Werkes“53. Da ist zum einen der Pastor Traugott, der ihn konfirmierte und Rosenberg gerade durch seine überzeugende Religiosität in seiner Abneigung gegen das Christentum bestärkte:


„... gerade aus dem Erleben einer starken, unbeugsamen protestantischen Persönlichkeit heraus habe ich begriffen, was alttestamentliche Orthodoxie bedeutet und wozu eine rein historisch, morgenländisch bedingte Religion führen muss.“54


Das zweite Ereignis war die Begegnung mit den Schriften Houston Stewart Chamberlains, die Rosenberg sich aus Deutschland kommen ließ:


„Eine andere Welt stieg vor mir auf: Hellas, Juda, Rom. Und zu allem sagte ich innerlich ja, und immer wieder ja.“55


Ja sagte Rosenberg natürlich nicht zu Hellas, Juda und Rom, sondern zu Chamberlains Interpretation. Beeinflußt hat ihn besonders dessen Hauptwerk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, dem der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ schon im Titel seine Reverenz erwies. Chamberlain war Rosenberg zuerst in der väterlichen Bibliothek begegnet. Als Student hatte er sich mit dessen Gedankenwelt weiter auseinandergesetzt. 1917 in Moskau entstand der Aufsatz „Form und Formung“, der in den „Mythus“ einging. Es folgte, schon in München, die „Auseinandersetzung mit Kant und Schopenhauer“. 1925 war der „Mythus“ im wesentlichen abgeschlossen56, fand aber, wir haben es gehört, keinen Verleger. 

Der antisemitische Kulturtheoretiker Houston Stewart Chamberlain ist zweifellos derjenige Denker, der auf den Autor des „Mythus“ den größten Einfluß hatte.57 Chamberlain, der 1855 in Portsmouth geboren worden war, hatte seit 1882 regelmäßig die Bayreuther Festspiele besucht und war seit 1908 mit Richard Wagners Tochter Eva in Bayreuth verheiratet. 1916, mitten im Krieg, in dem er für die deutschen Kriegsziele eintrat, hatte er ostentativ die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. (Wir dürfen vermuten, daß sich der gebürtige Russe Rosenberg auch wegen seines Lebensweges dem gebürtigen Engländer Chamberlain besonders verbunden fühlte.) Chamberlain übernahm von Wagner und Gobineau deren rassentheoretische Ansichten, verschärfte aber gegenüber dem gewissermaßen noch vormodernen Rassismus von Gobineau oder Lapouge den antisemitischen Ton entschieden 58. Chamberlain entwickelte eine Kulturtheorie mit der bekannt gewordenen Dreiteilung in Kulturschöpfer, allen voran die Germanen, Kulturbewahrer und Kulturzerstörer. Die gefährlichsten Repräsentanten der letzten Gruppe waren natürlich die Juden. Diese Dreiteilung durchzog in der Folge das gesamte nationalsozialistische Schrifttum und fand sich namentlich auch in „Mein Kampf“ wieder.59 Für Rosenberg war der Sinn der Weltgeschichte blauäugig und blond, von Norden ausstrahlend war er über die ganze Welt gegangen. 60 Nordische Schöpferkraft konnte sich dabei in vielerlei Gestalt äußern, in der Metaphysik des arischen Indien ebenso wie im religiösen Mythus des dualistischen Kampfes zwischen Licht und Finsternis des arischen Persien, in der Schönheit des dorischen Griechenland ebenso wie in der Staatszucht des italischen Rom. Der Beitrag des germanischen Europa bestand vor allem in der Lehre vom Charakterwert, der Idee der Gewissensfreiheit und der Ehre.61 Rosenberg überhöhte Chamberlains Nord-Süd-Antithese zu einem pseudoreligiösen Dualismus.62

Chamberlain vertrat die These, Christus sei der Religion nach Jude gewesen, der Rasse nach aber nicht. Er propagierte die Reinigung des Christentums von allem Jüdischen und wurde so sowohl zum Vorläufer des nationalsozialistischen Rassenantisemitismus als auch der völkischen Theologie der Deutschgläubigen. 1927 widmete Rosenberg Chamberlain eine Biographie „als Verkünder und Begründer einer deutschen Zukunft“ – so der Untertitel des Buches. Es hat vier Kapitel: Der Deutsche – Der Staatsmann – Der Denker und Forscher – Der Christ und Gestalter. In letzterem entfaltete Rosenberg das ganze Pathos seiner Klage gegen das artfremde Christentum, gegen die fälschlich christlich sich nennenden Kirchen, gegen die „furchtbare Folge der Einimpfung des jüdisch-syrischen Geistes“ 63 und gegen Paulus, den so geschickten Agenten jüdischer Interessen, der vor allem die Frauen hypnotisierte, so daß am Ende die Kirchen nicht christlich, sondern paulinisch waren 64. Dagegen stand die Anrufung eines von jüdisch-paulinisch-kirchlicher Vereinnahmung befreiten Christus:


Chamberlain bedingt die Ablehnung der syrisch-jüdisch bedingten Kirchen notwendig eine ebenso leidenschaftliche Bejahung der ‚frohen Botschaft’ Christi. Aus den Worten und Gleichnissen Jesu glaubt er die gleiche Weltanschauung herauslesen zu können, wie aus den Lehren der Indoarier und der germanischen Mystiker, nur unvergleichlich einfacher, selbstsicherer, größer.“ 65


Dies war der Versuch, Jesus Christus heimzuholen in den Schoß der „arischen Weltanschauung“, die ein anders Buch Chamberlains im Titel führte. Christus wurde zum arischen Propheten der Erlösung, der, wenn vielleicht nicht der Rasse nach, so doch mindestens mit seiner Rassenseele dem heldischen Ideal der Arier entsprach.66 Wiedererstanden war er in Adolf Hitler, dem messias militans des 20. Jahrhunderts, den die Vorsehung zum Erlöser der Deutschen bestimmt hatte. „Daß Deutschland in der Stunde seiner höchsten Not sich einen Hitler gebiert, das bezeugt sein Lebendigsein“, schrieb Chamberlain am 7. Oktober 1923 an Hitler. Die Deutschen waren das erwählte Volk im Endkampf mit den Mächten der Finsternis. Sie waren das berufene Subjekt eines radikal entkirchlichten germanischen Christentums.

Auch auf den Orientalisten und Kulturphilosophen Paul de Lagarde (1821-1891) berief sich Rosenberg ausdrücklich. Fast 30 Jahre früher als Chamberlain geboren, gehörte de Lagarde mit Wagner, Gobineau und Langbehn noch zur Generation der Gründerväter des modernen Antisemitismus. Rosenberg übernahm von ihm zum einen seine radikale Zivilisationskritik, zum anderen seinen mit der Reinerhaltung des Blutes argumentierenden völkischen Antisemitismus und wurde zum maßgeblichen Protagonisten der Lagarde-Renaissance nach 1933. Auf dem Reichsparteitag 1934 stellte Rosenberg de Lagarde in eine Reihe mit Goethe, Hölderlin, Wagner, Nietzsche und Chamberlain als Vorkämpfer „für eine Neugeburt des deutschen Wesens“, wobei sein Beitrag darin bestand, von einem „kulturellen religiösen Erwachen“ zu träumen.67 „Unter den Männern, die einst als Propheten der neuen Weltanschauung und Miterbauer des völkischen Staates genannt sein werden, strahlt einer besonders hervor: Paul de Lagarde.“, hatte Rosenberg schon 1927 geschrieben.68 Die Nationalsozialistischen Monatshefte eröffnete er 1930 mit einem Aufsatz, der wiederum de Lagarde zum Gegenstand hatte. Heute gelte es, der Vernichtung der seelisch-rassischen Substanz der deutschen Nation und ihrer echten religiösen Werte zu wehren. 69 Der „Erste Deutsche Nationalstaat“ müsse erstehen aus dem nationalistischen Ehrbegriff Friedrich des Großen, der sozialistischen Rechtsidee des Freiherr von Stein und der Blutsidee de Lagardes. 70 Tatsächlich hatte de Lagarde in seinen „Deutschen Schriften“ die Schwächen des Bismarck-Reiches mit äußerster Schärfe gegeißelt, das, da es noch Juden in seiner Mitte duldete, kein deutscher Nationalstaat war.71 Der erste deutsche Nationalstaat bedurfte auch einer nationalen Religion, die das von den Kirchen gelehrte und repräsentierte Christentum nicht sein konnte. Deshalb war de Lagarde auch, so wie später Rosenberg, aus der Kirche ausgetreten. Schlüssel zu der erforderlichen religiösen Erneuerung sollte das vergleichende Studium aller historischen Religionen sein72, eine Idee, die sich im „Mythus“ ebenfalls wiederfindet. Die neue Religion sollte aus einer Verschmelzung der alten Lehren des Evangeliums mit den „natürlichen Eigenschaften des deutschen Volkes“ hervorgehen. 73

Ein dritter Vorläufer sei schließlich genannt, der „neben Lagarde als einziger gegen die ganze bürgerlich-kapitalisierte Welt der Alberiche (rang)“74 – Richard Wagner, der einzige, dem Rosenberg im „Mythus“ einen ganzen Abschnitt widmete. Seine Musikdramen gehörten zu den großen Schöpfungen des germanischen Abendlandes, sie seien der größte bewußte Versuch, die Erhabenheit des Willens zu wecken.75 Die Vereinigung von Tanz, Musik und Dichtung war die „Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth“ 76. In Wagners Werken offenbarte sich das Wesentliche aller abendländischen Kunst, „daß die nordische Seele nicht kontemplativ ist, daß sie sich auch nicht in individuelle Psychologie verliert, sondern kosmisch-seelische Gesetze willenhaft erlebt und geistig-architektonisch gestaltet.“77 Alle drei Faktoren künstlerischen Lebens kamen hier zusammen: das nordische Schönheitsideal, innere Willenhaftigkeit und das Ringen um den Höchst-Wert des nordisch-abendländischen Menschen, die Heldenehre.78

Auch wenn Hutchinsons Urteil, Rosenberg sei ein halbgebildeter intellektueller Scharlatan gewesen,79 am Ende womöglich nicht unberechtigt ist, so hat er sich doch mit vielerlei Autoren auseinandergesetzt. Außer Chamberlain, de Lagarde und Richard Wagner läßt sich u.a. die Benutzung folgender Autoren und Werke aus seinen Aufzeichnungen erschließen:


Ernst Moritz Arndt, Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein

Johann Jakob Bachofen

Johann Caspar Bluntschli, Rom und die Deutschen

Arthur Böthlingk, Zur Aufhellung der Christusmythologie

Heinrich Boos, Geschichte der Freimaurerei

Jakob Burckhardt, Die Zeit Constantins des Großen

Edgar Dacqué, Erdzeitalter

Randolf C. Darwin, Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche oder Schamanen, Wundertäter und Gottmenschen als Beherrscher der Welt

Paul Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie

Eduard Duller, Die Jesuiten wie sie sind

Eduard Eckert, Der Freimaurer-Orden in seiner wahren Bedeutung

Johann Gottlieb Fichte

Josef Gabriel Findel

Kuno Fischer, Geschichte der Philosophie

Edward Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reiches

Johann Wolfgang von Goethe, „40 Bände“ 80

Eberhard Gothein, Ignatius von Loyola und die Gegenreformation

Ernst Haeckel

Johannes Haller, Das Papsttum

Johann Gottfried Herder

D’Oest Hoensbroech, César

Immanuel Kant

Wilhelm Keller, Geschichte des eklektischen Freimaurerbundes

Moritz Lazarus, Die Ethik des Judentums

Lübke-Gemrau-Haaks, Kunstgeschichte

Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Georg Pachtler, Der Götze der Humanität oder das Positive der Freimaurerei

Otto Pfleiderer, Die Entwicklung des Christentums

Leopold von Ranke, Geschichte der Päpste

Ernest Renan, Histoire du peuple d’Israel

Erwin Rohde

Moritz Ritter, Die Entwicklung der Geisteswissenschaften

Arthur Schopenhauer

Leopold von Schroeder

Othmar Spann, Theorien der Volkswirtschaftslehre

Oswald Spengler, Untergang des Abendlandes

Bernhard Stade, Bibelforschung

ders., Geschichte des Volkes Israel

Julius Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte

Ulrich Wilamowitz-Moellendorf, Der griechische und der platonische Staatsgedanke

Hermann Wirth, Aufgang der Menschheit81


Diese „Herrlichkeiten“ hielt vor allem die Bayerische Staatsbibliothek für den jungen Emigranten Rosenberg in München bereit, in der er „wie in einem Fieber täglich dreizehn Stunden“ zubrachte.82

Mindestens so interessant wie das Studium dieser Liste ist die Frage, was Rosenberg nicht gelesen hat. So finden sich in Hitlers Lesebiographie die folgenden Autoren, die bei Rosenberg nicht vorkommen: Wilhelm Bölsche, Gustav Le Bon, Carl von Clausewitz, Charles Darwin, Sigmund Freud, Hanns Hörbiger, Thomas Maltus, Gregor Mendel, Alfred Ploetz.83 Selbst mit Günthers Rassetheorien hat Rosenberg sich nach eigenem Bekenntnis erst später beschäftigt, Fischer und Baur-Lenz waren ihm unbekannt, von den Rassebiologen hatte er „wenig Kenntnis“ 84. Denn – für einen ehemaligen Architekturstudenten und Zeichenlehrer nicht erstaunlich – Rosenberg „kam vom eigenen Kunsterleben her“85. Das Zentrum des „Mythus“ bildeten die „Gedanken über die Gestalten der Kunst.“86 Die Geschichte der Architektur war Rosenbergs Ausgangspunkt, griechische Tempel, abendländische Dome, aber auch die „lustigen russischen Kirchen in gelber, grüner, rosaroter Bemalung und mit zahlreichen Vergoldungen“ mit ihrer „kerzenduftende(n) Orthodoxie“ hatten es ihm angetan:87 „Und vom Erlebnis der Kunst aus begann der spätere ‚Mythus des 20. Jahrhunderts’ herauszuwachsen.“ 88 Erstes Ergebnis dieses Wachstumsprozesses war der Aufsatz „Von Form und Formung im Kunstwerk“ aus dem Jahr 1918. 89 Diese Herzergießungen eines Zeichenlehrers verraten allerdings noch wenig von den eigentlichen Themen des „Mythus“, in dem es dann auch einen Teil „Das Wesen der germanischen Kunst“ gab, der aber ganz andere Themen hatte und zudem der schmälste war. Ihm voraus ging „Das Ringen der Werte“; der abschließende dritte Teil des „Mythus“ hieß „Das kommende Reich“. Victor Klemperer übersetzte sich die Titel der drei „Bücher“ sehr treffend so: „I Die begriffliche und historische Grundlegung. II Die Kunst des nordischen Menschen. III Programm des nationalsozialistischen Staates.“ 90 und faßte den Inhalt von Rosenbergs voluminösem Werk knapp und treffend zusammen:


„Er wiederholt sich oft, denn er kennt nur den einen Satz: Die nordische Rasse, das nordische Blut sind Träger aller Kultur, alles Guten – jede Blutmischung schafft Minderwertigkeit.“91


Wenn Rosenberg von Rasse sprach, standen nicht Vererbungslehre, Biologie und Schädelformen im Vordergrund, sondern das Willenhafte germanischer Kunst, Rassenseele und Heldenehre. Die Geschichte der Menschheit war ihm ein „Ringen von Seelenwert gegen Seelenwert“, wobei „Seele aber bedeutet Rasse von innen gesehen. Und umgekehrt ist Rasse die Außenseite der Seele.“ 92 Das Seelische sollte das Rassische bedingen, ein Gedanke, der ganz in der Tradition Chamberlains stand und allen entgegenkam, deren Stammbaum nationalsozialistischen Anforderungen nicht so recht genügte. Das nordische Blut wurde hier gewissermaßen zu einer Frage der Gesinnung. Im Zweifel genügte sogar eine metaphysische Präsenz. So sollte die deutsche Erneuerung von den Toten des Weltkriegs ausgehen: „Das Blut, welches starb, beginnt lebendig zu werden. In seinem mystischen Zeichen geht ein neuer Zellenbau der deutschen Volksseele vor sich.“93 Finstere Mächte, die vor allem in Jerusalem und Rom ihren Ursprung hatten, aber auch nationale Selbstvergessenheit hatten ein „Rassenchaos“ geschaffen, das es zu überwinden galt. Germanische Werte, die von allen anderen zu scheiden waren, hatten wieder in den Vordergrund zu treten, das „Dogma einer angeblich ‚allgemeinen Entwicklung der Menschheit’“ 94 war zu überwinden. Mit gleicher Emphase lehnte Rosenberg die Idee einer voraussetzungslosen Wissenschaft ab:


„Denn eine bestimmte Seele und Rasse tritt dem Weltall mit einer auch besonders gearteten Fragestellung entgegen. Fragen, die ein nordisches Volk stellt, bilden für den Juden oder den Chinesen überhaupt kein Problem. Dinge, die dem Abendländer zum Problem werden, erschienen anderen Rassen als gelöste Rätsel.“ 95


Philosophie war weniger Erkenntnis als Bekenntnis.96 Diese bekenntnishafte Erkenntnis aber war das Resultat germanischer Schöpferkräfte.97 Hier zeigte sich einmal mehr, daß nur dem nordischen Menschen das Schöpferische gegeben war. Den negativen Gegenpol zu der privilegierten Stellung, die die Arier gegenüber dem Weltall einnahmen, bildete natürlich das Judentum: „Denn wenn irgendwo die Kraft eines nordischen Geistesfluges zu erlahmen beginnt, so saugt sich das erdenschwere Wesen Ahasvers an die erlahmenden Muskeln.“98 An Sätzen wie diesen, und viele ähnliche ließen sich ohne Mühe finden, zeigte sich Rosenbergs Neigung zur metaphysischen Schwärmerei, weswegen etwa in „Mein Kampf“ die gleichen Gedanken sich ganz anders anhörten. Hitler hatte den Ehrgeiz, Anschluß an die modernen Erkenntnisse von Biologie, Medizin und Bevölkerungswissenschaft zu gewinnen, während Rosenbergs Rassismus traditioneller fundiert war. Hitler wollte Politiker sein, dem es um das Konkrete ging, Rosenberg Denker. An ihren Äußerungen über Richard Wagner kann man das beispielhaft ablesen. Wo der eine über bestimmte Aufführungen berichtete, die ihm in der Jugend Eindruck gemacht haben, philosophierte der andere über die Einheit von Tanz, Musik und Dichtung. Ein Irrtum wäre es aber, aus Hitlers bekannten Äußerungen, der „Mythus“ sei zu schwierig geschrieben, um weite Verbreitung zu finden, auf grundlegende Differenzen in der Sache zu schließen. Gerade in der Frage des „vulgärdarwinistischen Anti-Evolutionis-mus“<99, der die Suprematie arischer Kulturschöpfung für unabänderlich hielt, waren beide ganz einig, auch wenn Rosenberg sich weniger an Charles Darwin als an Randolf Darwins Ergüsse über Wundertäter und Gottmenschen hielt. Hitler wußte sehr genau, daß dem Bündnis zwischen einem sieghaften Nationalsozialismus und den Funktionseliten Wotanskult und Germanenschwärmerei eher hinderlich als förderlich waren. Auf der Kulturtagung des Reichsparteitages 1938 erklärte er deshalb: „Der Nationalsozialismus ist eine kühle Wirklichkeitslehre schärfster wissenschaftlicher Erkenntnisse und ihrer gedanklichen Ausprägung. ... Vor allem ist der Nationalsozialismus in seiner Organisation wohl eine Volksbewegung, aber unter keinen Umständen eine Kultbewegung.“ 100 Hitler war es deshalb auch weniger darum zu tun, die bestehenden Kirchen im Sinne Rosenbergs in deutsche Volkskirchen umzuprägen, als vielmehr, sie als Machtfaktoren auszuschalten. Ihn interessierte es deshalb auch nicht wirklich, ob Christus einem nördlichen Volksstamm angehörte, der zur Zeit des Auszuges aus Ägypten von den Juden aus Palästina vertrieben worden war, ob das Kreuz in Wahrheit ein 5.000 Jahre altes germanisches Symbol war, der Hl. Georg der umgetaufte Wotan auf dem Pferd und sich hinter der Lehre von der christlichen Auferstehung die Wiederkunft Ostaras verbarg – alles Fragen, die Rosenberg anhaltend beschäftigten. 101 Rosenberg dagegen sah hier die ideologischen Grundlagen für einen mystisch überhöhten rassistischen Nationalismus. Er glaubte, „daß das nordische Blut jenes Mysterium darstellt, welches die alten Sakramente ersetzt und überwunden hat.“102 Die Mariensäulen sollten durch Kriegerdenkmäler ersetzt werden, an der Stelle von „alttestamentlichen Zuhälter- und Viehhändlergeschichten“ sollten nordische Sagen und Märchen erklingen, denn: „Der Sehnsucht der nordischen Rassenseele im Zeichen des Volksmythus ihre Form als Deutsche Volkskirche zu geben, das ist mit die größte Aufgabe unseres Jahrhunderts.“ 103 An die Stelle „zerquälter Heiliger“ sollten Statuen großer Deutscher treten.104 Christus selbst sollte auch in der deutschen Volkskirche geduldet sein, allerdings ein gänzlich anderer Christus. Der Gekreuzigte hatte seinen Platz dem „lehrenden Feuergeist“ zu überlassen. Der Christus des nordischen Abendlandes war „schlank, hoch, blond, steilstirnig, schmalköpfig.“105 Ähnlich wie in den auf die Macht des Wortes vertrauenden konfuzianischen Tempeln waren auch Sprüche des Meisters Eckehart als Kirchenschmuck vorgesehen.106 Ein ganzes Kapitel, das später auch als separate Publikation erschien, war diesem „Apostel der Deutschen“ 107 gewidmet. Wotan war tot, doch Eckehart lebte. Nachdem 600 Jahre über seinem Grab verrauscht waren, begriff ihn nun die deutsche Seele, den Mystiker der Tat, der über die „Kraft der seelischen Zusammenballung“ verfügte.108 Eckehart galt Rosenberg als die Verkörperung alles Deutschen. Er lehnte alles Dogmatische, wie es etwa der Vatikan repräsentierte, ab und hatte das Freiheitsbewußtsein germanischen Seelenadels. Die christlich-kirchlichen Höchstwerte Liebe, Demut und Barmherzigkeit hatten gegenüber der adeligen Seele an Höhe, Tiefe und Größe zurückzustehen. 109

Die Vorstellung, daß der Mensch ein Knecht Gottes war, war als jüdisch zu verwerfen. Der Paulinismus hatte sie in die Kirche hineingetragen. Eckehart war, in der Interpretation Rosenbergs, auch ein Kronzeuge dafür, daß der nordische Mensch nicht erbsündig, sondern erbadelig war. Das von Rosenberg herausgegebene „Handbuch der Romfrage“ kam später zu der Feststellung:


„(Eckehart) gebührt das unvergängliche Verdienst, die Seele als die stärkste Macht der Welt erkannt und in ihre königlichen Rechte eingesetzt zu haben. Die so verstandene Seele aber ist mehr als die Mitte des uns bekannten Menschen; sie ist die Mitte des Alls. Im Zusammenklang von Seele und Welt wird sie ihrer Göttlichkeit inne. Hinfort weiß sie um ihre eigene unausschöpfliche Tiefe und Weite. Sie bedarf keiner Offenbarung, weil sie selbst ‚Offenbarung’ ist. Ihre Wahrheit aber kündet sie im Mythos, um sie im Symbol Gestalt werden zu lassen.“110


Der über 27 Spalten sich erstreckende Artikel über Eckehart schloß mit den Worten:


„So betrachtet, ist der Eckehartstreit, die Auseinandersetzung zwischen Alfred Rosenberg und Theologie und Kirche, grundsätzlich bereits entschieden. Die deutsche Seele ist aufgerufen, diese Entscheidung allgemeine deutsche Wirklichkeit und Tat werden zu lassen.“111




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Die Theologen waren da ganz anderer Meinung. In den zahlreichen theologischen Schriften, die sich mit Rosenberg und seinem „Mythus“ auseinandersetzten, nahm Eckehart eine wichtige Stellung ein, wobei die kritischen Stimmen zumeist die Auffassung vertreten, Rosenberg habe Eckehart einfach gar nicht verstanden, woran die von ihm benutzten schlechten Übersetzungen möglicherweise die Schuld trugen. 112 Solche Einwände fochten Rosenberg natürlich, wir haben es gerade gehört, nicht an. Für ihn war Eckehart ein zentraler Zeuge für die Gottähnlichkeit des Menschen. Wenn Gott und menschliche Seele gleichwertig waren, so war der Mensch auch aufgerufen, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Eckehart wurde zu einem Proponenten einer Religion des Blutes, dessen Opfern heilige Handlung war. Den „zwei Millionen deutscher Soldaten, die im Weltkrieg fielen“ war der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ gewidmet, das Titelblatt schmückte ein Motto Eckeharts.113 Die Blutreligion hatte ihren Ausgangspunkt nicht in der Sphäre des Übersinnlichen, sondern in der Natur selbst. Sie basierte auf der Idee der Rasse und war insofern exkludierend. Sie wollte die Glieder der Volksgemeinschaft umschließen, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Rassenseele offenbarte sich im blutgebenden Volkstum.114 Der Mythus des Blutes war die Antwort auf das seelenlose Rassenchaos. Dieser Mythus des 20. Jahrhunderts war Rosenbergs Antwort auf die Legitimationskrise der Weimarer Republik. 115 

Der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ war vielleicht kein Mythos im klassischen Sinne. Er erzählte keine mythische Geschichte.116 Er war ein sozialer Mythos im Sinne George Sorels, der durch eine Ordnung von Bildern die Menschen in gemeinsamer Aktion mobilisierte. Der Mythos von der nordischen Rassenseele prägte religiös hypostasierte Bilder; mythisiert wurde nicht eine göttliche, sondern eine seelische Macht, nicht die Sphäre des Übersinnlichen, sondern die Natur in ihrer ursprünglichen, noch von jeder zivilisatorischen Dekadenz und rassischen Degeneration verschonten Form. „Natürlich“, „gesund“ und „sauber“ waren die Codeworte der exterminatorischen Exklusion.117 Der Mythos des nordischen Blutes befand sich in einem Kampf auf Leben und Tod mit dem behaupteten Gegenmythos, dem Mythos von der jüdischen Weltherrschaft. Das Christentum war der Bahnbrecher für den jüdischen Einfluß in Europa gewesen. Der zivilisatorische Abgrund der Großstädte begünstigte ihn weiter und die nur durch Heimtücke zu erklärende Niederlage im Ersten Weltkrieg machte den deutschen Volkskörper vollends wehrlos. 

Rosenbergs Mythos war in vielem ein ariosophischer Mythos, ohne daß er sich explizit auf die Ariosophie berufen hätte. Der Manichäismus des modernen Antisemitismus und die Theoreme des „Mythus des 20. Jahrhunderts“ korrespondieren in vielfacher Weise. Die wichtigsten Antithesen sind:


Der ario-heroische Lichtmensch im Kampf mit dem jüdischen Dämon, dem Herrn der Finsternis

Die am höchsten stehende Rasse der Arier, deren Reinkarnation die Germanen sind, gegen die die unterste Stufe menschlichen Seins repräsentierenden Juden

Die rassisch gebundene Nation gegen fremdvölkische Dekompositionselemente, deren gefährlichstes die jüdischen Parasiten darstellen

Die Reinheit des Blutes gegen die planvolle Vergiftung durch jüdische Blutschande

Die Verteidigung der Schollengebundenheit germanischer Tradition gegen jüdisch-intellektuelles Kosmopolitentum

Nordische Kultur gegen jüdische Zerstörung durch Anverwandlung

Germanische Führerschaft gegen liberalistische Demokratie

Arteigene Religiosität gegen jüdisches Christentum118


Diese manichäische Antithetik wurde weiter forciert durch das Kriegserlebnis, dessen Bedeutung für den Prozeß der deutsch-jüdischen Dissimilation nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Hinzu kam die Russische Revolution, die Rosenberg als Student in Moskau miterlebt und als jüdisch-bolschewistische Revolution wahrgenommen hatte. Antisemitismus, Antibolschewismus und Antiklerikalismus fielen in eines beim Überlebenskampf der nordischen Rasse. „Das kommende Reich“ heißt das dritte Buch des „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Es endet mit dem Kriegserlebnis, mit dem auf den Schlachtfeldern neu erwachenden Mythus des Blutes. Aus diesem letzten Kapitel „Erwachen des Blutmythus 1914“ sei ein etwas längerer Abschnitt zitiert, der Rosenbergs hohen Ton gut charakterisiert:


„Dieser neue und doch alte Blutmythus, dessen zahlreiche Verfälschungen wir erleben, war auch im Rücken der einzelnen Nation bedroht, als dunkle, satanische Kräfte überall hinter den siegenden Heeren von 1914 wirksam wurden, als wieder eine Zeit begann, da der Fenriswolf seine Ketten zerbrach, die Hel mit dem Geruch der Verwesung über die Welt zog und die Midgardschlange das Weltmeer aufpeitschte; aber all die Millionen und Abermillionen konnten nur hinter e i n e rLosung zum Opfertod bereit gemacht werden. Dieses Losungswort hieß: des Volkes Ehre und seine Freiheit. Der Weltenbrand ging zu Ende, namenlose Opfer waren gefordert und gebracht worden von allen, da zeigte sich aber, daß die dämonischen Mächte über die göttlichen im Rücken der Heere gesiegt hatten. Hemmungsloser denn je toben sie ungefesselt durch die Welt, erzeugen neue Unruhe, neue Brände, neue Zerstörung. Zu gleicher Zeit aber wird in den gebeugten Seelen der Hinterbliebenen der toten Krieger jener Mythus des Blutes, für den die Helden starben, erneut, vertieft, bis in die letzten Verästelungen erfaßt und erlebt. Diese innere Stimme fordert heute, daß der Mythus des Blutes und der Mythus der Seele, Rasse und Ich, Volk und Persönlichkeit, Blut und Ehre, allein, ganz allein und kompromißlos das ganze Leben durchziehen, tragen und bestimmen muß. Er fordert für das deutsche Volk, daß die zwei Millionen toter Helden nicht umsonst gefallen sind, er fordert eine Weltrevolution und duldet keine anderen Höchstwerte mehr neben sich.“119


Und wenig später heißt es:


„Dieser alt-neue Mythus treibt und bereichert bereits Millionen von Menschenseelen. Er sagt heute mit tausend Zungen, daß wir uns nicht ‚um 1800 vollendet’ hätten, sondern daß wir mit erhöhtem Bewußtsein und flutendem Willen zum erstenmal a l s  g a n z e s  V o l k  wir selbst werden wollen: ‚Eins mit sich selbst’, wie es Meister Eckehart erstrebte. Mythus ist für Hunderttausende von Seelen nicht etwas, was man mit gelehrter Überheblichkeit als Kuriosität in Katalogen vermerkt, sondern das Neuerwachen des zellenbildenden seelischen Zentrums. Das ‚allein, ich will’ des Faust nach Durchwanderung der ganzen Wissenschaft ist das Bekenntnis der neuen Zeit, die eine neue Zukunft will, und dieser Wille, das ist unser Schicksal.“ 120


Wenn hier innerhalb weniger Zeilen von Millionen bereicherter Seelen nur noch Hunderttausende bleiben, so ist zu bedenken, daß Rosenberg den „Mythus“ in der ersten Hälfte der 20er Jahre schrieb, als der Wählerzuspruch, den die NSDAP erfuhr, noch äußerst bescheiden gewesen war. Um im Kampf der Rassenseelen erfolgreich bestehen zu können, mußte die nationalsozialistische Bewegung aber zunächst einmal die Seelen der eigenen Rasse für ihre Ideen gewinnen. Die Macht im Staate war für Rosenberg nur das erste, nicht das wichtigste Ziel. Deshalb fügte er nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler seinem „Mythus des 20. Jahrhunderts“ ein neues Vorwort hinzu, in dem es in aller Bescheidenheit hieß: „Der Mythus hat heute tiefe, nicht mehr auszutilgende Furchen in das Gefühlsleben des deutschen Volkes gezogen.“121 Und weiter: „Die staatspolitische Revolution ist beendet, die Umwandlung der Geister aber hat erst begonnen. In ihrem Dienst steht nunmehr der ‚Mythus des 20. Jahrhunderts’ mit in erster Reihe.“ 122 Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ schuf die Voraussetzung für den Kampf um die Seelen im Inneren, dem nach erfolgreicher deutscher Wiedergeburt der Seelenkrieg nach Außen folgen sollte. Rosenbergs Weltbild schlug sich auch nieder in seinem agonalen Vokabular, wobei auffällig ist, daß die vielen Publikationen, deren Titel das Wort „Kampf“ enthalten, mit einer Ausnahme alle nach 1933 erschienen sind. „Der Kampf um die Weltanschauung“ heißt eine Rede vom 4.2.1934, „Der entscheidende Weltkampf“ eine Schrift von 1936, „Germanische Lebenswerte im Weltanschauungskampf“ ein Aufsatz aus demselben Jahr, „Kampf zwischen Schöpfung und Zerstörung“ die Rede auf dem „Parteitag der Arbeit“ 1937. Weitere Beispiele ließen sich hinzufügen. Befriedigt notierte Alfred Rosenberg am 6.2.1939 in seinem Tagebuch:


„Die Vorträge nehmen mich jetzt immer mehr in Anspruch. ... Sie beweisen mir, daß mein Kampf um die Seele und Haltung der Partei grundsätzlich heute schon gesiegt hat.“123


Im Kriege sollte Rosenberg erneute Bedeutung zuwachsen, aber erst im Weltanschauungskrieg gegen die Sowjetunion. Im Westen genügten die Pragmatiker der Macht.

Wie tief auch immer die Furchen waren, die der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ im Gefühlsleben des deutschen Volkes hinterließ, zweifellos war dies nach „Mein Kampf“ das anspruchsvollste und wohl auch das einflußreichste Werk, das ein führender Nationalsozialist in jenen Jahren schrieb. 124 In weit ausgreifenden Betrachtungen bemühte sich Rosenberg, die Notwendigkeit eines neuen deutschen Mythos darzulegen. Einer Bewegung, die an atavistische Instinkte appellierte, die Visionen entwarf, die ihre Anhänger den grauen Alltag einer heillosen Gegenwart vergessen lassen sollten, kam ein solcher Mythos als das stets mögliche Andere des Logos entgegen. In einer letzten, alles entscheidenden Anstrengung sollten die Volksgenossen mobilisiert werden. Auch hier hatten die Nazis sich im Arsenal der Arbeiterbewegung bedient. „Heilig die letzte Schlacht!“ hieß die letzte Zeile des Liedes „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, das der junge Revolutionär Leonid Radin 1897 in Moskau im Kerker geschrieben hatte und das der Dirigent Hermann Scherchen, der es in russischer Kriegsgefangenschaft kennengelernt hatte, dann nach Deutschland brachte. Die nationalsozialistische Teleologie lieferte keine Utopie, sondern einen Mythos als „Schlachtbild“ im Sinne Sorels.125 Dabei war die Entscheidungsschlacht ebenso unausweichlich wie der schließliche Sieg der guten Sache gewiß. Arno Schickedanz beschloß seine umfängliche Rezension des „Mythus“ im Völkischen Beobachter mit den Worten:


„Anknüpfend an die sich stets erneuernden mythenstarken Kräfte des Blutes liegt über ihm selbst ein Hauch der Unvergänglichkeit, bürgt es für die Gewißheit einer aufsteigenden Zukunft.“126


Der Mythus war „das innere Zentrum, aus dem die Willensstränge hinausgehen“, wie Rosenberg im Nürnberger Gefängnis für seinen Verteidiger Dr. Thoma notierte. 127 Der Mythus bestimme die Haltung eines Volkes durch alle wissenschaftlichen und konfessionellen Überzeugungen hindurch, sein Erleben könne einen „Typus“ bilden.128 Rosenberg hatte immer den Plan gehabt, dem „Mythus des 20. Jahrhunderts“ ein zweites Buch folgen zu lassen. Dazu kam es nie, aber schon das Gerücht von der Existenz eines Manuskripts versetzte seine Konkurrenten um Hitlers Gunst in Aufregung. Am 25. Oktober 1942 schreib Heinrich Himmler an Martin Bormann:


„Lieber Martin!
Parteigenosse Rosenberg soll ein neues Buch mit dem Titel ‚Vom Mythus zum Typus’ geschrieben haben und demnächst herausbringen wollen. Ich glaube, es dürfte sich doch empfehlen, dass veranlaßt wird, dass das Buch vorher dem Führer vorgelegt wird.
Heil Hitler!
dein
HH“


Doch dieses neue Buch war nun wirklich ein Mythos im einfachsten Sinne des Wortes, so daß es der lenkenden Hand des „Führers“ nicht bedurfte.


Der arische Gestus

In dem titanischen Ringen um die Zukunft der arischen Rasse, das ist hoffentlich deutlich geworden, sah Rosenberg sich und seine Gedankenwelt in einer zentralen Rolle. Er empfand sich als Kopernikus des 20. Jahrhunderts, der im Kampf mit den Mächten der Finsternis dem „Bekenntnis zum deutschen Charakter und deutschen Seelentum“ zum Sieg verhelfen wollte. Wie Kopernikus, wieder eine biographische Parallele, war er von den Kirchen unverstanden, die dennoch den Fortschritt nicht würden aufhalten können, „genauso wenig kann eine Bekämpfung der vom Nationalsozialismus geschützten und verwirklichten Rassenkunde die neue Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Blut und Charakter ungeschehen machen.“129

Rückbesinnung auf germanische Werte und pseudowissenschaftliche Rassentheorie sollten dem arioheroischen Lichtmenschen zur Wiederauferstehung verhelfen, sollten die deutsche Wiedergeburt möglich machen. Im atheistischen Zeitalter hatten göttergleiche Lichtmenschen die Welt bevölkert. In den blonden Ariern lebte noch die Erinnerung an sie. Der Arier war, so hieß es in „Mein Kampf“, 


„der Prometheus der Menschheit, aus dessen lichter Stirne der göttliche Funke des Genius zu allen Zeiten hervorsprang, immer von neuem jenes Feuer entzündend, das als Erkenntnis die Nacht der schweigenden Geheimnisse aufhellte und den Menschen so den Weg zum Beherrscher der anderen Wesen dieser Erde emporsteigen ließ.“130


Auch Rosenberg bezog sich im „Mythus“ auf den ariosophischen Atlantismythos, verlegte die Insel allerdings nach Norden, so daß sie mit Thule zur Deckung kam. Rosenberg wußte natürlich, auf wie wackeligen Füßen die „Atlantishypothese“ stand und stellte deshalb fest, auch wenn sie sich letztlich als nicht haltbar erweise, „wird ein nordisches vorgeschichtliches Kulturzentrum angenommen werden müssen.“131 Zentral- und Nordeuropa waren das „Geburtsland aller arischen Völker“.132

Der Arier, daran war kein Zweifel möglich, war ein Nordländer. Er war, wie Léon Poliakov in seiner brillanten Analyse „Der arische Mythos“ bemerkt, „ein Abendländer männlichen Geschlechts, der den ‚oberen’ oder bürgerlichen Klassen angehörte und sich ebenso durch den Unterschied zu Farbigen, Proletariern und Frauen definieren ließ.“133 Der Arier war blond und blauäugig, er war der Natur zugewandt und zeigte sich gerne im „Lichtkleid“. Er war ein Individualist, kein Massenmensch,134 und stand insofern der Großstadt skeptisch gegenüber. Er repräsentierte den Mittelstand, der sich gegen das raffende Kapital der jüdischen Bankiers und Börsenspekulanten und gegen das wurzellose Lumpenproletariat gleichermaßen absetzte. Der Arier war von männlicher Schönheit und vornehmer Gesittung. Körperliche Häßlichkeit dagegen war die Folge elterlicher Unsittlichkeit. Diese Unsittlichkeit konnte sich gleichermaßen in "rassenunwirtschaftlicher" Erziehung, im Feminismus und in öffentlichen Verhältnissen, die den Arier in tiefe soziale Schichten hinabstießen, äußern, wie Richard Ungewitter feststellte135, der Vorkämpfer des „Treubundes für aufsteigendes Leben“, der wichtigsten Organisation einer rassistisch sich artikulierenden Freikörperkultur, wie sie auch die „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Lichtkämpfer“ propagierte. In der Nacktkultur, die „ursprünglich von kerndeutschen Männern ausging“ 136, kulminierten die Rückwendung zur Natur, die Hypostasierung der volkskörperlichen Gesundheit und der Anspruch rassischer Suprematie. Die Rasse wurde zum faschistischen Körperpanzer. 137 Niemand hat das eindringlicher visualisiert als der völkische Gesinnungskünstler Fidus (bürgerlich Hugo Höppener, 1868-1948) in seinem „Lichtgebet“, das sein ganzes Schaffen durchzieht. Er hat dieses Motiv nicht weniger als elfmal gestaltet, zuerst 1890, zuletzt 1938; eine der späten Versionen erwarb Martin Bormann. 138 Fidus, der wie sein Lehrer Karl Wilhelm Diefenbach, die „Freie Körper-Kultur“ (FKK) propagierte 139 und sich auch gegen die Beschneidung von Haupt- und Barthaaren wandte, in denen er kosmische Antennen sah, verband die Propagierung von Licht, Luft, Sonne und Nacktheit mit dem zeittypischen kosmischen Pathos, weswegen ihn der nationalsozialistische Saubermann Wolfgang Willrich als unorganisch-wesenlosen Okkultisten zu schmähen suchte, 140 während andere in ihm den schöpferischen nordischen Geist sahen, der „visionär den Gottkult künftiger Zeit erschaut“ 141. Fidus war wie kein zweiter Künstler ein Proponent des Lichtglaubens142, der auf heldisches Prophetentum wie Feuerverehrung und Sonnenanbetung gleichermaßen rekurrierte.

Fidus’ „Lichtgebet“, eine Ikone der Lebensreformbewegung, war auch Ausdruck der Sonnenverehrung, wobei die Sonne nicht als mythische Gottheit verehrt wurde, sondern als Inbegriff arischer Welterleuchtung. Der Sonnenkult äußerte sich in vielerlei Gestalt, von den Sonnwendfeuern der Wandervögel bis zur Kampfzeitschrift für den völkisch und nordisch gesinnten Deutschen „Die Sonne“. Das Periodikum des Germanenordens trug das Motto „Nur Sonnenkindern raunen die Runen!“ 143 Darüber war ein linksläufiges Hakenkreuz abgebildet. In einer Zeit expressionistischer Atemlosigkeit und kosmischer Ekstase bedeutete der Sonnenkult „die Feier des Selbst, die große Weltbejahung, ein kompromißloses Verlangen nach Geltung, das Einschwingen in den biotischen Rhythmus der Schöpfung“144. Von dem Maler und Dramatiker Ludwig Fahrenkrog gibt es ein dem „Lichtgebet“ ähnliches Bild mit dem Titel „Die heilige Stunde“ 145. Ein nackter Mann reckt sich mit erhobenen Armen der Sonne entgegen. Anders als bei Fidus hat der germanische Recke Familie, die in respektvollem Abstand hinter ihm am Boden kauert. In einem anderen Gemälde von Fahrenkrog, „Baldur segnet die Fluren“ 146, wendet sich der nackte Jüngling zum Betrachter. Er schwebt über die Erde, die Sonne ist hinter seinem Kopf, der so mit einem Strahlenkranz umgeben ist. Fahrenkrog hat den germanischen Lichtgott Baldur auch zum Thema eines seiner Dramen gemacht, um „das Genie im Kampf mit den Mächten der Finsternis“ zu zeigen.147 Fahrenkrog war 1907 Mitbegründer der Germanischen Glaubensgemeinschaft und auch Verfasser und Eigenverleger deren erster Schrift. Den Umschlag zierten ein Hammer und ein Hakenkreuz, das sich in einer Sonne befand. Fahrenkrog schreibt dazu: „Wer das Hakenkreuz trägt, will sein: ein Kämpfer und Künder des Lichts“148. Das Hakenkreuz, aus dem Sonnenrad abgeleitet, erfreute sich in völkischen Kreisen ungeheurer Popularität. Es symbolisierte alles Blonde, Lichte, Männliche und Heroische und wurde nach der Jahrhundertwende mehr und mehr zum politischen Symbol. 149 Dabei gibt es zahllose Darstellungen, die an den Ursprung des Hakenkreuzes aus dem Sonnenrad erinnern. Die Postkarte „deutsche Weihenacht“ zeigt ein sich drehendes Hakenkreuz, davor einen Tannenzweig mit Kerze, deren Flamme den Mittelpunkt des Hakenkreuzes bildet. 150 Die Postkarte „O deutsches Danzig, nun erwachst auch du!“ zeigte eine Sonne mit einem Hakenkreuz im Zentrum, die die ganze Stadt überstrahlt.151 Auch heute läßt sich dieselbe Symbolik finden. Die schwedische Skinheadgruppe Storm symbolisiert den weißen arischen Widerstand (Vitt Ariskt Motstånd) durch einen Ritter, auf dessen Schild ein Hakenkreuz zu sehen ist. Überstrahlt wird er von einer Sonne mit einem Hakenkreuz im Zentrum.152 Diese drei Beispiele, die für eine Vielzahl anderer stehen, mögen genügen. Nur eines soll noch erwähnt werden, das besonders interessant ist. Es gibt einen Entwurf für den Buchumschlag des ersten Bandes von „Mein Kampf“ von Hitlers Hand. Der Titel lautet hier noch „Die germanische Revolution“. Über dem Titel weht eine Fahne mit Hakenkreuz, das zugleich den Mittelpunkt einer den ganzen Umschlag überstrahlenden Sonne bildet. 153 Es symbolisierte sich hier der manichäische Kampf mit den Mächten der Finsternis. „Der Sieg des Lichts!“ hieß die Überschrift über einem groß aufgemachten Bericht des VB über eine Sonnwendfeier der SS-Leibstandarte Adolf Hitler am 27. Dezember 1934.154 Wissen um das deutsche Schicksal loderte aus den Flammen und zwang jeden in die „eherne Gemeinschaft der Deutschverschworenen“. 155 Im selben Jahr war Werner Schlegels „Dichter auf dem Scheiterhaufen“ erschienen, eine Schrift zur Rechtfertigung der Bücherverbrennungen, sinnigerweise im Berliner Verlag für Kulturpolitik, als zweiter Band der „Kampfschriften für deutsche Weltanschauung“. Den Umschlag zierte ein Bücherstapel, aus dem eine Flamme emporstieg. Schlegel wußte mitzuteilen, daß das Feuer als Symbol reinigender Kraft mit der germanisch-deutschen Geschichte untrennbar verbunden sei: „Wo andere Völker ihrem Temperament entsprechend enthaupten, erschießen (Rußland) oder stürmen, verbrennt das deutsche Volk.“156 Die Flamme sei „das Symbol letzter Konsequenz“ 157. Angesichts späterer Ereignisse liest man das heute mit einigem Schaudern.

Das Feuer war auch ein zentrales Symbol im Zoroastrismus. Vor dem Feuer wurde gebetet und meditiert.158 Wenn Rosenberg im „Mythus des 20. Jahrhunderts“ auf den Sonnenmythos zu sprechen kommt, bezieht er sich interessanterweise nicht auf die Germanen159, sondern auf Ahura Mazda, den weisen Herrn, dessen Zwillingskinder Spenta Maniyu und Angra Maniyu, das Gute und das Böse verkörpernd, in einem tödlichen Wettstreit miteinander liegen. Der persische Lichtgott müsse eine nordische Heimat haben, denn „nur im hohen Norden rollt das Sonnenrad am Horizont entlang“160. Der solare Mythos ist im hohen Norden geboren worden und wurde von atlantischen Kriegerschwärmen strahlenförmig über die Erde verbreitet.161 Die nordischen Götter waren „Lichtgestalten mit Speer und Strahlenkranz, Kreuz und Hakenkreuz die Symbole der Sonne, des fruchtbringenden, aufsteigenden Lebens“162. Harald Strohm hat in seiner Untersuchung über die Gnosis und den Nationalsozialismus darauf aufmerksam gemacht, daß das Hakenkreuz nicht nur ein Sonnenrad ist, sondern daß das rechtsdrehende Hakenkreuz auch als kosmisches Schöpfrad galt, „das Lichtelemente in Gestalt arischen Blutes aus der Vermischung mit der Finsternis auslöse und ins Paradies hochschaufele“163. Rosenberg bemerkte in diesem Zusammenhang:


„Der Sonnenmythus sämtlicher Arier ist nicht ‚geistig’ allein, er ist kosmische und naturnahe Lebensgesetzlichkeit zugleich.“164


Für ihn ist das Hakenkreuz das „Zeichen des aufsteigenden Lebens“. 165 Nicht überraschend war es, daß auf der Suche nach den nichtjüdischen Traditionen des Christentums auch Christus zum Sonnengott wurde.166 Rosenberg wollte im Heiland gar den auferstandenen Baldur sehen.167 Der Sonnenkult hatte in der völkischen Bewegung eine stetig wachsende Rolle gespielt168, auch Ernst Haeckel sah in der Sonne die Quelle von Leben, Energie und Tat und sah eine quasi naturwissenschaftlich legitimierte Verehrung der Sonne als der christlichen Religiosität überlegen an 169.

Der arische Gestus war von männlicher Natur. Den germanischen Höchstwert als Lebenstypus züchten, konnte nur der Mann: „Das Deutsche Reich wird also, wenn es nach der Revolution von 1933 bestehen soll, das Werk eines zielbewußten Männerbundes sein...“170 So wie der vom Heldengeist arischen Blutes durchglühte Jesus eine „Kampfnatur“171 war, so war auch der Nationalsozialismus im politischen Machtkampf eine „ausgesprochen männliche Erscheinung“ 172. Das germanische Führerprinzip, das den Stärksten und Tüchtigsten an die Spitze der Gemeinschaft stellte, war „das Prinzip des Lebens überhaupt“, wie Rosenberg nach 1946 notierte. 173 Ihm wieder zur Geltung zu verhelfen und einen den Deutschen artgemäßen Mittelweg zwischen Demokratie und Tyrannei zu finden, war das Ziel. Organisationen, staatliche wie religiöse, waren Sache des Mannes. Die Frau sollte Hüterin des Herdfeuers und Bewahrerin der Rassereinheit sein.174

Rosenbergs Mythos war ein zutiefst gnostischer Mythos. Die Gnostiker waren angetreten, den Monotheismus reiner und radikaler zu denken als die Bibel, und dabei, so Micha Brumlik, hinter das Judentum zurückgefallen. 175 An die Stelle des einen Gottes trat der alte zoroastrische Dualismus zwischen Licht und Finsternis. Aus der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen schlossen die Gnostiker auf die Existenz des Satanischen, des schlechthin Bösen in der Welt, für das der gute Gott nicht verantwortlich gemacht werden konnte. Die Seelen der Arier, ursprünglich kosmische Astralwesen, waren in die niedere Sphäre des Materiellen herabgestürzt und sollten nach ihrer Erlösung in ihre Lichtheimat zurückkehren. Helena Petrovna Blavatsky, die Vordenkerin der Theosophie, hatte herausgefunden, daß es zwischen dem Menschen und seinem Astralleib einen Schleier gab, den es im Dienste höherer Erkenntnis zu zerreißen gelte.176 Blavatsky stellte auch die Verbindung zwischen der Theosophie und der damals grassierenden Indomanie her. Ein wichtiges Bindeglied war hier auch, neben Chamberlain selbst, Leopold von Schroeder. Er kam wie Rosenberg aus dem Baltikum und war seit 1899 Professor für Indologie in Wien. 1914/16 erschien sein zweibändiges Hauptwerk „Arische Religion“. Indien, das diejenigen, die nicht der nordischen Lesart folgten, für die Urheimat der Arier hielten, zog aus vielerlei Gründen das Interesse auf sich. Rosenberg ging allerdings von einer nordischen Urheimat der Arier aus und glaubte auch, daß von den „nordischen Kraftquellen Europas“177 – Skandinavien, Finnland, England und Deutschland – seine Erneuerung ausgehen müsse. Mit dieser Sicht der Dinge hatte er viele, etwa die Bayreuther178, auf seiner Seite. Auch der frühe Propagandist der Rassezüchtung Willibald Hentschel, dessen arische Geschichtsbetrachtung den indischen Gott Varuna im Titel führte, setzte auf Skandinavien als arische Urheimat.179

Rosenberg hielt die wahren, die arischen Inder in logischer Konsequenz seines Geschichtsbildes für Einwanderer aus dem Norden180; insofern konnte Indien schadlos als Hort urarischer Religiosität angesehen werden181. Auch der persische Zoroastrismus lebte hier als Parsismus fort. Das indische Kastenwesen faszinierte die Nationalsozialisten naturgemäß. Es galt ihnen als „Schutzmittel der arischen Eroberer gegen die ihnen drohende rassische Bastardisierung“ 182, hatte sich allerdings aus Rosenbergs Sicht nicht als wirksam erwiesen, denn die Arier hatten sich in Indien nicht behaupten können183. Rosenberg selbst stand der zeitgenössischen „Schwärmerei für Alt-Indien“184 eher distanziert gegenüber, denn „alles, was wir ‚indische Kultur’ nennen, ist nur dieser eingewanderten Rasse zu verdanken“185

Das eigentliche Kernstück seines „Mythus des 20. Jahrhunderts“ war der zweite Teil über das Wesen germanischer Kunst186 „als Ausdruck des schöpferisch formenden Tatwillens der nordischen Rassenseele“187. Rosenbergs Mythos war von seinem Anspruch her zutiefst nordisch-abendländisch, er vertrat höchste Geltungsansprüche als Daseinserklärung für die Menschen. Richard Wagners Satz „Das Kunstwerk ist die lebendig dargestellte Religion“ war dem zweiten Buch des „Mythus“ über das Wesen der germanischen Kunst vorangestellt.188 Dabei, das sollte deutlich geworden sein, ging es um eine Religiosität, die weit entfernt war von allem, was wir uns heute unter diesem Begriff subsumieren.


Die Rassenseele

Wie wir im vorletzten Kapitel gesehen haben, steht die Seele als soziales agens im Mittelpunkt von Rosenbergs Religiosität. Das Leben der Rasse war „Seelenbetätigung“, die Weltgeschichte Rassengeschichte 189, die Begriffe Seele und Rasse unmittelbar komplementär. Gott offenbarte sich in der Rassenseele. 190 Dieser Begriff, der konstitutiv war für den „Mythus“191, hatte eine längere Tradition. Rassenseele und, mehr noch, Volksseele sind Begriffe des 19. Jahrhunderts, deren Genese sich bis zu Herder und anderen zurückverfolgen ließe. 192 Jede rassische Vermischung führte zum Völker- oder Rassenchaos, ein Begriff, den vor allem Chamberlain entwickelt hatte. Rosenberg und Hitler übernahmen dieses Konzept, verbunden mit der Überzeugung, daß man dagegen ankämpfen könne und müsse, daß eine teutonische Regeneration möglich sei und jeder, der sich ihr in den Weg stelle, ein Verräter an seinem Volke sei. Aus diesem Geiste entstanden später die Bestimmungen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses nicht weniger als die Nürnberger Gesetze.

Der bedeutendste Repräsentant der Rassologie jener Tage war neben Hans F.K. Günther, dem viel zitierten „Rasse-Günther“, dessen badischer Landsmann und Freund Ludwig Ferdinand Clauß (1892-1974), ein Schüler von Edmund Husserl. Clauß’ Hauptwerke waren „Die nordische Seele“ (1923) und „Rasse und Seele“ (1926). Clauß, der ab 1936 in Berlin einen Lehrstuhl für Rassenseelenkunde inne hatte, betonte die inneren Werte der Rasse und war bemüht, die Bedeutung der äußeren Erscheinung zu relativieren. Wenn es in einem der gängigen Witze jener Tage heißt, der typische Nazi sei schlank wie Göring, athletisch wie Goebbels, blond wie Hitler und arisch wie Rosenberg, so kommt darin zum Ausdruck, daß auch den Zeitgenossen bewußt war, wie wenig die Nationalsozialisten den von ihnen propagierten Idealen selbst entsprachen. Doch auch in einem schwarzhaarigen Pykniker konnte eine edle Seele wohnen. „Die Entdeckung der nordischen Rassenseele und die Anerkennung ihrer Charakterwerte als Lebensideal sind Leitsterne und Weltauffassung.“, schrieb Karlheinz Rüdiger in einer Würdigung Rosenbergs 1939. 193 Im selben Jahr dedizierte Clauß Rosenberg ein Exemplar seines Buches "Die nordische Seele" mit den Worten "Dem Gestalter der deutschen Seele."194

Clauß kann nicht ohne weiteres dem nationalsozialistischen Rassismus zugerechnet werden. Auch wenn man nicht so weit wie Armin Mohler gehen möchte, ihn als das Genie unter den Rassenkundlern zu bezeichnen195, so ist doch jedenfalls festzuhalten, daß er kein rechter Antisemit war196. Tatsächlich war seine wichtigste Mitarbeiterin, seine Assistentin Margarete Landé, „Volljüdin“. Er setzte alles daran, sie vor den Nazis zu schützen, und hatte damit auch Erfolg. 197 Clauß kam, das war bezeichnend, nicht von der Biologie, sondern von der Psychologie. Seine Rassenkunde war in vielem Völkerpsychologie, manchen späteren ethnologischen Forschungen nicht unähnlich. So ist bei Clauß viel von Rassenstil die Rede. Was Chamberlain Rassenchaos ist, ist ihm „Stilvermischung und Werteverwirrung“198. Die Rasse war für Clauß vor allem eine „Gestalt-Idee“199; hier traf er sich mit Rosenberg. Nach 1933 glaubte Clauß, seine große Zeit sei gekommen. Er näherte sich der NSDAP an und trat bei zahllosen Veranstaltungen als Redner auf. Seine Aufsätze wurden als Schulungsmaterial eingesetzt. 1934 wurde er, gemeinsam mit Günther, Herausgeber von „Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung“, eine Tätigkeit, die er allerdings schon nach einem Jahr wieder aufgab. Zunehmend traten Differenzen mit dem nationalsozialistischen Rassismus zu Tage. 1941 verlor er die venia legendi und wurde zwei Jahre später auch aus der Partei ausgeschlossen 200, Umstände, die ihm nach 1945 nicht unwillkommen waren.

Der Leser gestatte mir an dieser Stelle eine kurze autobiographische Abschweifung. Mein Großvater, der Verleger Reinhard Piper, hatte eine einzige Schwester. Sie war mit dem jüdischen Arzt Ludwig Stern verheiratet. Im Nachlaß meines Großvaters fand ich einen Aufsatz meines Großonkels mit der Widmung „Seinem lieben Schwager Reinhard mit herzlichen Grüßen“. Dieser Aufsatz war 1923 im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten erschienen und trug den Titel „Kretschmers psycho-physische Typen und die Rassenformen in Deutschland“. Hier wird Rassenkunde ganz im Stil der Zeit getrieben. So erfahren wir zum Beispiel, daß der Norddeutsche im Vergleich zum Süddeutschen „eckig, steif und förmlich“ wirkt, aber auch, daß „die rasseerhaltenden Instinkte bei der nordischen gegenüber anderen Rassen gering sind“ 201. Für mich ist dieser Text ein erschütterndes Zeugnis für das Maß, in dem das assimilierte deutsche Judentum bemüht war, sich in den Staat und die Gesellschaft seiner Zeit einzufügen. 202 

Entschiedener als Clauß vertrat der 1883 in Riga geborene Philosoph Paul von Krannhals die nationalsozialistische Weltsicht. (Allerdings verstarb er 1934, so daß über seine Karriere nach 1933 wenig zu berichten ist.) In dem 1938 erschienenen Hauptwerk des Privatgelehrten, „Das organische Weltbild“, hieß es:


„Die philosophische Wiederbesinnung der deutschen Gegenwart ist die Wiederbesinnung auf unsere seelische Totalität. Ihr Ziel ist die Herrschaft der völkisch geprägten Gattungsseele.“ 203


Diese Gattungsseele war nichts anderes als die Rosenbergsche Rassenseele. 204

Am folgenreichsten war das Wirken von Hans F.K. Günther (1891-1968), dessen zahlreiche Bücher, etwa die 1922 erstmals erschienene „Rassenkunde des deutschen Volkes“205, hohe Auflagen erreichten. Von Gobineau und Chamberlain herkommend, gab Günther, der schon 1930, während des kurzen nationalsozialistischen Interludiums in Thüringen, zum Professor in Jena berufen worden war, dem Rassismus eine wissenschaftliche Prägung. Günther erweiterte die Kunde von der Rassenseele um eine Farbenlehre. Blau und Grün waren die Seelenfarben des nordischen Menschen.206 Günther, der die Rassologie popularisierte wie kein zweiter, wurde in den Jahren des NS-Regimes mit Ehrungen überhäuft, vom Preis der NSDAP für Wissenschaft bis zur Goethe-Medaille, verstand es aber, so weit den Habitus des Wissenschaftlers sich zu erhalten, daß er seine Forscherexistenz nach 1945 ungestört fortführen konnte. Auch Günther konnte sich der schmerzlichen Erkenntnis nicht verschließen, daß rein nordische Menschen in seinen Tagen nicht eben häufig anzutreffen waren. Er glaubte aber unbeirrt an die Möglichkeit der Aufnordung.

Erwähnt sei zuletzt, daß die Rassenseele natürlich auch in der bildenden Kunst fröhliche Urstände feierte.207 So erfaßten die Strahlen von Böcklins Seelenkraft den deutschen Beschauer in hohem Maße, weil sie seiner blutsmäßigen Art besonders nahe stand, während Picassos lehmige, hell-dunkle Quadrate Theorie-Illusionen waren, die nur ein richtungsloses Publikum als Kunst empfinden konnte.208 Der völkische Architekt Paul Schultze-Naumburg, Rosenbergs „Reiseapostel für sonderdeutsche Kunst“ 209, trug besonders zur Verbreitung von derlei Erkenntnissen bei.

Um das deutsche Volk rassisch wieder zur alten Höhe zurückzuführen, halfen, so der völkische Reformator Ernst Bergmann, „Abriegelung, Ausmerze und Auslese“ 210, nicht eben von der Idee der Nächstenliebe geprägte Begriffe. Tatsächlich war bei dem sozialdarwinistischen Rassismus nationalsozialistischer Prägung sowohl in der theoretischen Zielsetzung wie in der mörderischen Praxis der Übergang von der Exklusion zur Extermination fließend. Bald nach der „Machtergreifung“ verabschiedeten die Nazis ein Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. „Erbkranke“ konnten durch einen chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht werden. Zu den sogenannten Erbkrankheiten zählten angeborener Schwachsinn, Schizophrenie und manisch-depressives Irresein, aber auch Taubheit, Blindheit, schwere körperliche Mißbildungen und starker Alkoholismus oder Arbeitsscheu konnten dazu gehören,. Dieses Gesetz war ein erster praktischer Niederschlag zeitgenössischer Züchtungsutopien, wie sie die Bewegung der Rassenhygiene und Eugenik211 nicht nur in Deutschland hervorbrachte. Etwa 250.000 bis 300.000 Menschen wurden Opfer dieses Purifizierungswahns. Das Gesetz über den erbkranken Nachwuchs und die Nürnberger Gesetze, die die Eheschließung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen untersagten, waren zwei Maßnahmen, die einander ergänzen sollten. Sie entsprangen der Überzeugung, daß die Rassenfrage die „Kernfrage unseres Daseins“ war. In einer Beilage zum Völkischen Beobachter vom 1. Mai 1930 wurden die beiden gesetzgeberischen Maßnahmen, die zur „Aufartung“ führen sollten, bereits angekündigt. Da war es zum einen notwendig, „den als ausgesprochene Schädlinge erkannten sozialen Elementen die Fähigkeit zur Fortpflanzung ... zu nehmen“212, zum anderen wurde eine gründliche Auslese vor der Eheschließung gefordert:


„Nur eine kerngesunde Frau von guten Rasseanlagen möge dem wertvollen deutschen Manne Mutter seiner Kinder sein.“213


Besonderes Augenmerk war auf die junge Generation zu richten. Der Philosoph Erich Rothacker formulierte 1934:


„Ein rassisch befriedigender Bevölkerungsdurchschnitt ist in dem Rassengemisch einzelner deutscher Stämme erreichbar nur durch die energischste Unterstützung aller eugenischen Maßnahmen durch Formung und Zucht des im äußern und innern noch knetbaren jugendlichen Menschenmaterials im Geiste der rassisch besten Bestandteile einer Erbmasse.“214


Schon 1927 taten sich der Eugeniker Eugen Fischer und der Rasseforscher Günther zusammen und veranstalteten einen Wettbewerb, bei dem die 50 schönsten Köpfe preisgekrönt wurden.215

Sozialdarwinismus, Eugenik, Bevölkerungswissenschaft, Pangermanismus, Ariomanie, völkische Ideologie und ein rassistisch aufgeladenes teutonisches Sendungsbewußtsein verbanden sich im Nationalsozialismus zu einer Weltanschauung, die stetig an Dynamik und Radikalität gewann. Erbpflege, Rassenpflege, ein rassistisch legitimierter Imperialismus und schließlich der finale Kampf gegen das Judentum, die „Gegenrasse“ schlechthin, markieren die wesentlichen Stationen dieser ideologischen Radikalisierung. „Juda ist die Weltpest“ hatte Hitler einst ausgerufen, „schärfste(n) Kampfmittel“ 216 waren gerechtfertigt, um die Reinigung des deutschen Volkskörpers zu ermöglichen.

Auch wenn seine Intentionalität noch immer Gegenstand eines wissenschaftlichen Meinungsstreits ist, so ist unbestreitbar, daß das nach 1939 ins Werk gesetzte Vernichtungsgeschehen sich entfaltete vor dem Hintergrund einer breit fundierten und in langjähriger Propagandaarbeit implementierten Ideologie, in deren Zentrum von Anfang an der Antisemitismus gestanden hatte. „Weltanschauung und Endlösung“ hat Erich Goldhagen seinen Aufsatz über den Antisemitismus der nationalsozialistischen Führungsschicht genannt. 217 Die Juden waren die „Gegenrasse“ 218; „verjudet“ wurde ein Begriff, der sich zunehmend vom Judentum löste und einfach das Andere, das Böse bezeichnete. Was für Eckart und Rosenberg die „Judentzer“ und für Ludendorff die „künstlichen Juden“ waren, waren im politischen Tageskampf der Weimarer Republik die „Gesinnungsjuden“. Die Juden, der „plastische Dämon des Verfalls der Menschheit“ 219, wie es bei Richard Wagner hieß, waren deshalb besonders gefährlich, weil ihre Rasse sich durch eine ganz besondere Resistenz auszeichnete. (Wagner hielt sie sogar für einzigartig in der Menschheitsgeschichte.220 Die parasitäre Verjudung äußerte sich in Bastardisierung, Internationalismus und Ausländerei und der Mißachtung der Persönlichkeit durch Gleichmacherei.221

Wenn Rosenberg von der Seele der Juden sprach, gestand er ihnen eine solche nur in Anführungszeichen zu.222 Das der arischen Rassenseele entgegengesetzte absolut Negative war ohne echte Seele. Juden und Arier vertrugen sich wie Feuer und Wasser.223 Eine Koexistenz war nicht möglich. In Hitlers „Mein Kampf“ war es deutlich gesagt, daß nur für die Juden oder für ihre Widersacher, nicht aber für beide zugleich Platz auf der Erde war:


„Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totentanz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wieder wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen.“224


Zur Abwehr der Juden gab es keine Alternative. Und ihre Abwehr mußte in ihre Vernichtung münden. Die Judenvernichtung war gewissermaßen Arbeit am Mythos, am Mythos des Blutes.


Politischer Religion oder Religionsersatz?

Der Begriff der politischen Religion ist in den letzten Jahren wieder stark in die Diskussion geraten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Es geht dabei um die Frage, inwiefern auf das Diesseits bezogene moderne Heilsversprechen totalitärer Bewegungen die Jenseitsversprechungen der Offenbarungsreligionen subsumieren konnten und wollten. Unbestreitbar ist jedenfalls, daß die nationalsozialistische Bewegung in der Welt des Diesseits für die christlichen Kirchen eine reale Konkurrenz, und mit wachsendem Erfolg zunehmend auch Bedrohung, war und sein wollte, eine Konkurrenz im Kampf um fundamentale Loyalität, im Seelenkrieg, wie Rosenberg gesagt hätte. Niemand wußte das besser als er, an nichts wird dies deutlicher als an seinem „Mythus des 20. Jahrhunderts“, den die Kirchen als elementare Herausforderung empfanden. Selbst für den fleißigsten Forscher ist die Flut der kirchlichen Stellungnahmen beider Konfessionen zum „Mythus“ faktisch unüberschaubar. 225 Auffallend ist natürlich, daß alle diese Stellungnahmen aus der Zeit nach 1933 stammen, als man mit einigem Recht davon ausging, daß man angesichts der nationalsozialistischen Machtübernahme einer Auseinandersetzung mit seinen Zielen nicht länger ausweichen könne. 226 Wenn es in der Literatur widersprüchliche Auffassungen zu der Frage der Rezeption des „Mythus“ gibt, so liegt das häufig daran, daß die Autoren sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen. Nach Erscheinen des Buches beschränkte sich die Resonanz tatsächlich im wesentlichen auf das völkische Lager und auch das Echo in der eigenen Partei war verhalten, wie schon dargestellt worden ist. Ganz anders verhielt es sich nach 1933. Nun ließ die parteiamtliche Stellung des Verfassers des „Mythus“ das Schlimmste befürchten. Tatsächlich brachte Rosenbergs zentrale Stellung als Überwachungsbeauftragter der NSDAP es mit sich, daß sein Werk eine beträchtliche „unterschwellige Wirkmächtigkeit“227 gewann. Der Band war nun Grundlage zahlloser Parteischulungen und Bildungsmaßnahmen angeschlossener Organisationen wie etwa der HJ und wurde sogar im Schulunterricht eingesetzt. 228 Die Verkaufsauflage des Buches stieg nunmehr rasant an. Auch, wenn wir davon ausgehen dürfen, daß nicht alle, die es besaßen, das Buch auch gelesen haben, was ähnlich gewiß auch für Hitlers „Mein Kampf“ zutraf, das einzige noch stärker verbreitete Grundbuch des Nationalsozialismus, so zeugen doch etwa 1.000 Blatt mit Zuschriften an den Verfasser, die noch heute im Bundesarchiv verwahrt werden229, von der lebhaften Rezeption des „Mythus“. Die allermeisten dieser Zuschriften waren positiv, wenn auch manche auf kleinere sachliche Fehler aufmerksam machten. Typisch ist das Schreiben von Georg Richter, der als Beruf „Schriftsteller und Magnetopath“ angab und als Adresse „Sonnenburg Germanien“. Er habe den „Mythus“ mit Begeisterung gelesen und unterstreiche jedes Wort. Richter bezeichnete sich als Vertreter der „Germanischen Rassen Religion“; er war der Überzeugung, daß „alle Gesetze, die unser geliebter Führer Adolf Hitler herausgibt, von Gott diktiert werden“ 230. Kritik war in den Zuschriften eher selten. Ein Beispiel, bezeichnenderweise aus der Zeit vor 1933, war der Elektrotechniker Carl Scobel, ein Parteigenosse. Er schrieb:


„In ihrem herausgegebenen Buch ‚Der Mythus des 20. Jahrhunderts’ verkünden Sie eine neue Religion, welche von jedem wahren Christen als Irrlehre ganz entschieden zurückgewiesen werden muß.“231


Dies war das Beispiel eines gläubigen Christen, die nicht nur die Mehrheit der Wähler der NSDAP stellten, sondern auch das Gros der Mitglieder der Partei. Die Tatsache, daß es nur wenige solche Stimmen gab, sollte uns darüber nicht hinwegtäuschen. Wer den „Mythus“ ablehnte, machte sich meist nicht die Mühe, das dem Autor auch mitzuteilen.

Am entschiedensten war der Widerspruch gegen den „Mythus des 20. Jahrhunderts“ aus dem katholischen Lager, das durch die päpstliche Indizierung noch zusätzlich Auftrieb erhielt. Die Kongregation des heiligen Offiziums setzte am 7. Februar 1934 zwei Veröffentlichungen auf die Liste der verbotenen Bücher, die ein Katholik bei Strafe der Exkommunizierung nicht lesen durfte. Das war zum einen „Die deutsche Nationalkirche“ von Ernst Bergmann, einem völkisch gesinnten Professor, der einer rassistischen deutschen Religiosität das Wort redete, zum anderen eben Rosenbergs „Mythus“. Die Begründung sei im zweiten Fall in ihrer Gänze zitiert, da das Dekret die Dinge ebenso unumwunden wie zutreffend beim Namen nannte:


„Das Buch verspottet alle Dogmen der katholischen Kirche und die Fundamente der christlichen Religion, und lehnt sie ab. Es verteidigt die Notwendigkeit der Gründung einer neuen Religion oder einer deutschen Kirche, und spricht es grundsätzlich aus, daß heute ein neuer mythischer Glaube erstehe, der mythische Blutglaube, ein Glaube, nach dem auch die göttliche Natur des Menschen mit Blut verteidigt werden könne, ein Glaube, der sich auf sonnenklare Wissenschaft aufbaue, nach der das nordische Blut jenes Geheimnis darstelle, wodurch die alten Sakramente abgelöst und abgetan sind.“ 232


Rosenberg berichtete in seinen letzten Aufzeichnungen sachlich unzutreffend, sein Buch sei kurz nach Erscheinen auf den Index gesetzt worden 233, wobei er sich wieder mit einem der Großen vergleicht. Die biographische Parallele bezieht sich hier auf Kopernikus, dessen Bücher, trotz der wissenschaftlichen Unbestreitbarkeit ihrer Erkenntnisse, ebenfalls auf dem Index librorum prohibitorum gelandet waren und erst im Laufe des 19. Jahrhunderts von der Liste wieder verschwanden.

Die Indizierung, die nicht zufällig erst nach der „Machtergreifung“ erfolgte, löste unterschiedliche Reaktionen aus. Unter den im Bundesarchiv verwahrten Zuschriften zum „Mythus“ gibt es verschiedentlich Gratulationsschreiben. Ein Buchhändler z.B. teilte Rosenberg mit, er habe ein Sonderfenster unter dem Slogan „Inquisition! Papst und Kardinäle als Feinde der deutschen Volkseinheit!“ veranstaltet. Die Reichsregierung antwortete am 14. März 1934 auf die Indizierung mit einem Promemoria, das wiederum eine längere Replik des Heiligen Stuhls provozierte234. Nicht, was Herr Rosenberg erklärt, sondern, was er tut, sei für die Beurteilung seiner Person entscheidend, hieß es dort. Es wurde Klage geführt, daß die NSDAP den ihr zugewachsenen Einfluß zur „mindestens offiziösen Massenverbreitung“ des Mythus nutze235. Rosenberg wurde unter Bezug auf seine neue Position als parteiamtlicher Indoktrinator als ein Mensch charakterisiert, der „auf tausend Wegen seine unchristlichen Anschauungen in die Massen zu pressen weiß“ 236. Er wird es gerne gelesen haben. In einer Note vom 26. Juli 1935 sah sich der Heilige Stuhl erneut veranlaßt, sich mit der Person Rosenbergs auseinanderzusetzen. Es ist uns der Entwurf einer Zurückweisung von der Hand Rosenbergs überliefert, den er Hanns Kerrl, dem damals gerade frisch ernannten Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten, übersandte. 237 Darin heißt es, die Reichsregierung könne Reichsleiter Rosenberg seine religiöse Überzeugung nicht vorschreiben. 238 Den Behauptungen des Vatikans, Rosenberg betreibe antichristliche, insbesondere antikatholische Propaganda, wird nicht widersprochen. Vielmehr wird betont, der Katholizismus sei nur ein Bekenntnis unter vielen, ein Bekenntnis zumal, dem in Deutschland nur eine Minderheit anhänge, vor allem aber stehe die Religion nicht über dem Staat. Die neuen Gesetze, etwa das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses", müßten von allen Staatsbürgern respektiert werden, auch den katholischen. Wenn der Papst dieses Gesetz als eines der Zerstörung und Kennzeichen einer heidnischen Weltanschauung bezeichne, dürfe er sich nicht wundern, „wenn das deutsche Volk diesen Angriff auf den notwendigen Schutz seiner leiblichen und seelischen Gesundheit entsprechend beantwortet“.239

Rosenberg sah nun, angesichts der nationalsozialistischen „Machtergreifung“, keinen Anlaß mehr, wie nach 1931 seine grundsätzliche Verehrung für die christliche Religion zu betonen. Aber er hob ab auf die Toleranz des nationalsozialistischen Staates. Der katholischen Kirche sei keineswegs die Möglichkeit zum Widerspruch genommen. Die Verbreitung einer „endlose(n) Zahl von Flugschriften“ 240 werde nicht behindert. Auch die gewichtigste Publikation, die „Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts“, werde seit einem Jahr ungehindert von allen kirchlichen Stellen vertrieben. Der Glaube der Verfasser der Studien, allesamt katholische Wissenschaftler, an die Toleranz des nationalsozialistischen Staats war wohl nicht ganz so ausgeprägt. Sie publizierten ihre Stellungnahme anonym, als Amtliche Beilage zum bischöflichen Amtsblatt, da sie andernfalls mit Verlust ihrer Stellung, wenn nicht schlimmerem, etwa KZ-Haft, rechneten241. Im Vorwort meines Exemplars schreibt der Berliner Bischof, der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ habe eine „tiefe Beunruhigung in das gläubige Christenvolk Deutschlands getragen“. Ziel der Publikation sei es nun, „ernste Fachleute“ zeigen zu lassen, „mit welchen Waffen der Verfasser des Mythus kämpft und wie weit er sich vom Boden der objektiven Wahrheit entfernt.“242 Der erste und umfangreichste Teil der Schrift war der Kirchengeschichte gewidmet, der zweite der Heiligen Schrift, der dritte dem Eckehart-Problem und der vierte schließlich Paulus und dem Urchristentum. Die Autoren der Studien attestieren Rosenberg gleich auf der ersten Seite ihrer kritischen Würdigung eine „leidenschaftliche Abneigung ... gegen die Kirche“243, womit sie zweifellos recht haben. Nach ausführlichen Darlegungen über mehr als 80 Druckseiten hinweg kommen die Autoren zu der Überzeugung, daß es im ganzen „Mythus des 20. Jahrhunderts“, einem umfangreichen Buch doch immerhin, nicht eine einzige Stelle gäbe, die „im Sinne wahrer Geschichtswissenschaft richtig“244 sei. Das ganze Bild der Kirche sei auf Irrtümern aufgebaut, Rosenberg spreche von den Katholiken, als lebe er auf einem anderen Planeten.245 Im zweiten Teil der Studien geht es zum einen um das Alte Testament, zum anderen um die Persönlichkeit Christi und „die Mär von der angeblichen arischen Herkunft“246. Die Autoren kommen nicht überraschend zu dem Schluß, daß unter den Vorzeichen des „positiven Christentums“ von der Substanz der christlichen Religion nicht viel übrig bleibt.247 Die „Studien“ schließen, nachdem sie sich auch mit anderen Aspekten von Rosenbergs Gedankengebäude gründlich auseinandergesetzt haben, mit der Anrufung eines Werkes, das besser sei als der „Mythus“, „das nun schon ins 20. Jahrhundert dauernde und für alle Zeit unvergängliche, heilige Buch des Neuen Testamentes“248.

Die „Studien“ waren von katholischer Seite die gründlichste Auseinandersetzung mit dem „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Sie zeigen eine zwar angegriffene, aber selbstbewußt und offensiv argumentierende Kirche. Die Schrift erschien zunächst als Beilage zum Kirchlichen Amtsblatt für die Diözese Münster, wurde dann von allen anderen Diözesen übernommen und kam schließlich auch in den Buchhandel. Daß es den Verfassern nicht an Selbstbewußtsein fehlte, zeigt die Tatsache, daß sie Rosenberg sogar aufforderten, sein Buch wegen seiner offensichtlichen Irrtümer zurückzuziehen. 249 Die Verbreitung der „Studien“ wurde offenbar nicht behindert; eine ihnen kritisch gegenüberstehende Zeitung bemerkt, ihre Diskussion habe „nun seit vielen Monaten weite Kreise unseres Volkes gerade auch außerhalb der katholischen Kirche in Bewegung gesetzt“ 250. Rosenberg nahm die Anonymität der Verfasser der „Studien“ zum Anlaß, seiner darauf entgegnenden Schrift den Titel „An die Dunkelmänner unserer Zeit“ zu geben.251 Die Schrift kam mit großem propagandistischen Aufwand heraus und erreichte binnen kurzem eine sehr hohe Auflage. 252 Rosenberg hatte zunächst versucht, einen anderen Autor für diese Entgegnung zu finden, hatte damit aber keinen Erfolg. 253 Die „Dunkelmänner“ provozierten wiederum kirchliche Gegenschriften.254 Schenkten die gemeindlichen Standesämter „Mein Kampf“ zur Hochzeit, antwortete die Kirche mit einer schmucken Bibel. Beide Seiten kämpften intensiv mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um die Seelen der Menschen, jeder auf seine Weise. Am 26. April 1936 hielt Rosenberg vor 9.000 SA-Führern einen Vortrag, über den es in einem offiziellen Bericht hieß:


„Reichsleiter Alfred Rosenberg hat mit der Gewalt seiner Worte die Herzen seiner Zuhörer gepackt; atemlos, ehrfürchtig wie bei einem Gottesdienst lauschten die vielen tausend Kameraden im Braunhemd dem Manne, den Dunkelmänner zu schmähen und der Gottlosigkeit zu zeihen sich nicht scheuen. Viele tausend Herzen schlugen hier den gleichen Schlag, waren erfaßt von der Wucht der Sätze, deren Inhalt an den letzten Sinn unseres Seins rührte.“ 255


Dieser Text paßt ausgezeichnet zu einer Interpretation des nationalsozialistischen Regimes als sich pseudoreligiös inszenierendes System. Inwieweit er angesichts der vielfach, nicht zuletzt durch Filmaufnahmen bezeugten rhetorischen Sprödigkeit Rosenbergs die Realität widerspiegelte, ist eine andere Frage. 

Weniger gründlich, aber von ähnlicher Machart wie die „Studien“, war die Schrift „Kirchengeschichtliche Irrtümer im Mythus des 20. Jahrhunderts“ der Bischöflichen Hauptarbeitsstelle in Düsseldorf. Auch hier gibt der Verfasser nur seine Initialen bekannt. Amtlichen Charakter hatte auch Anton Kochs „Der neue Mythus und der alte Glaube“, das aber ob seiner scharfen Kritik an Rosenberg bald beschlagnahmt wurde.256 Die Akademische Bonifatius-Einigung legte unter dem Titel „Der Christ in der Zeit“ eine ganze Reihe von Schriften vor, die sich mit dem „Mythus“ und anderen deutschreligiösen Bestrebungen auseinandersetzten.257

Die katholischen Stellungnahmen zum „Mythus des 20. Jahrhunderts“ waren zumeist entschieden ablehnend. Allzu deutlich zielten die Angriffe des Verfassers auf das Zentrum ihrer Religiosität. Im evangelischen Bereich gab es ein sehr viel größeres Spektrum an Reaktionen. Angesichts der Tendenz Rosenbergs, einem sich auf seine deutschen Wurzeln besinnenden Luthertum eine gewisse Existenzberechtigung zuzusprechen, war die Versuchung, sich anzubiedern oder Kompromisse zu suchen, für die Protestanten größer. Aber auch hier fehlte es nicht an deutlichen Meinungsäußerungen. So hieß es z.B. in einer Rezension der katholischen „Studien“: „Die ‚Studien’ sind vom römisch-katholischen Standpunkt aus geschrieben; trotzdem sind sie auch für uns Evangelische wertvoll. Sie erledigen den leichtgezimmerten Bau der Rosenbergschen Hypothesen.“258 Auf der anderen Seite hieß es zum Beispiel im Ankündigungstext für die dritte Auflage von Albrecht Oepkes Rosenbergbetrachtungen „Der Mythus“: „Die berechtigten Anliegen Rosenbergs werden aufgenommen, aber im Sinn positiven evangelischen Christentums überhöht.“ 259 Auch von einer „vom Rassegedanken inspirierten Geschichtsbetrachtung“260 war da die Rede. Doch diese Verlagsanzeige zeigt nur, was für eine Sklavensprache man im siebten Jahr des Tausendjährigen Reiches für notwendig hielt. Wer Oepkes Buch dann zur Hand nahm, konnte eine wortgewandte, sarkastische, frisch und modern anmutende Abhandlung lesen, eine souveräne Abrechnung, bei der kein Stein von Rosenbergs Hypothesengebäude auf dem anderen blieb. Stilistisch von ganz anderer Art war der Gemeindevortrag von Wilhelm Florin, der in der Sache auch zu einer scharfen Ablehnung Rosenbergs kam, bei der Sprache, in der er diese Ablehnung vortrug, aber große Konzessionen machte.261

Entschiedene Zurückweisungen von Rosenbergs „Mythus“ waren die Publikationen von Rudolf Homann und, wie nicht anders zu erwarten, von Otto Dibelius 262. Auch viele Periodika hielten mit deutlichen Stellungnahmen nicht zurück.263 Ein Kuriosum ganz eigener Art war die Schrift von Peter Bockemühl, der seine Ablehnung Rosenbergs in einer völlig militarisierten Sprache vortrug. Er sieht Gruppen in Marsch, die sich zu einem Generalangriff auf die göttliche Wahrheit vereinigen wollten, die Front reiche von Ludendorff bis Reichsbischof Müller264, usw. usf. Eine zweite Gruppe von Autoren lehnte Rosenberg zwar wegen ihrer christlichen Überzeugungen ab, argumentierte aber ganz auf der Basis eines Bekenntnisses zum Nationalsozialismus. So heißt es z.B. bei Heinrich Hüffmeier:


„Die neue Schau der Menschen und Dinge, die wir nicht erst heute und gestern gelernt haben, steht weithin im Einklang mit den reformatorischen Erkenntnissen Martin Luthers. Aber einer neuen Lehre über Gott bedürfen wir nicht.“ 265


Hierher gehört auch der Pastor Hans Bruns und, mit mehr Sympathien für Rosenberg, Bruno Markgraf.266 Größer als diese zweite Gruppe ist die Gruppe derjenigen, die sich nicht nur zum Nationalsozialismus bekennen, sondern auch Rosenbergs im „Mythus“ entwickelte Gedankengänge mehr oder weniger deutlich akzeptieren. Hier sind zu nennen der Flensburger Pastor Friedrich Andersen, Hugo Koch, Hans Schlemmer, Georg Schneder und, am extremsten, Kurt Hutten, der sich auf die Rolle des Rosenberg-Exegeten beschränkt und nicht einmal mehr den Anschein einer kritischen Auseinandersetzung zu erwecken versucht.267 Gewissermaßen zwischen den beiden letzteren Gruppen steht Walter Schäfer268, der einerseits seine Genugtuung darüber, „daß Rosenbergs ‚Mythus’ in vieler Hinsicht als protestantischer Angriff auf die katholische Kirche gemeint ist“269, nicht verhehlen kann, andererseits aber doch seine Augen nicht vor der Erkenntnis verschließen kann, daß das eigentliche Ziel von Rosenbergs Attacke sich „gegen die christliche Substanz sowohl der römischen wie der protestantischen Kirche“ richtet, so daß auch evangelische Christen zur Ablehnung des „Mythus“ gezwungen sind 270. Schäfer berief sich, wie auch Bruno Markgraf, auf Walter Künneth, dessen „Antwort auf den Mythus“ er als vorbildlich ansah 271.

Walter Künneth (1901-1997) ist ein interessanter Fall. Er war Leiter der Apologetischen Zentrale und seine Schrift, zu der der Landesbischof von Hannover ein Vorwort beisteuerte, in dem sogar auf die Bekennende Kirche Bezug genommen wurde, hatte mehr oder weniger amtlichen Charakter. Künneth hatte zunächst Autoren gesucht, um den katholischen „Studien“ ein vergleichbares evangelisches Sammelwerk an die Seite zu stellen und dann, als diese Suche trotz zahlloser Gespräche angesichts der allgemeinen Ängstlichkeit erfolglos geblieben war, selbst zur Feder gegriffen.272 Künneth machte Rosenberg in der Wahl der Begrifflichkeit die denkbar größten Konzessionen, so daß der Leser oft Mühe hat, zwischen den Gedankengängen beider Autoren zu unterscheiden. Künneth bekannte sich zu diesem referierenden Verfahren ausdrücklich. Der erste Satz seines Buches lautet: „Es gilt, den Mythus Alfred Rosenbergs zunächst so zu verstehen, wie er selbst verstanden werden will.“ 273 Daß Rosenberg diese Art der Darstellung als „durchaus sachlich“ anerkannte, berichtet Künneth noch Jahrzehnte später in seinen Lebenserinnerungen.274 Künneths „Antwort“ hatte drei Teile. Die ersten beiden Teile, die 175 von 210 Seiten einnehmen, referierten Rosenbergs Weltsicht. Erst der dritte, bei weitem kürzeste Abschnitt enthielt Künneths Antwort. Diese glaubte der Theologe offenbar erst geben zu dürfen, nachdem er vorher eine geradezu erdrückende Fülle von Übereinstimmungen mit dem „unbestrittene(n) Chefideologen der Partei“275 ausgebreitet hatte. Dabei scheute er nicht einmal vor der These zurück, daß er als gläubiger Christ Rosenbergs Antisemitismus zu übertreffen in der Lage sei:


„Die christliche Offenbarung macht also gerade nicht blind für die Schäden des Judentums, sondern vielmehr so scharfsichtig, wie es der heidnisch-völkische Mensch gar nicht zu sein vermag.“ 276


Man wird Harald Iber nicht widersprechen wollen, wenn er diesen Teil von Künneths Antwort als das traurigste Kapitel seiner Arbeit bezeichnet. 277 Künneth, der zu denen gehörte, die schon vor 1933 versucht hatten, Protestantismus und Nationalsozialismus miteinander zu versöhnen, macht hier Konzessionen, die schlechthin unerträglich sind. So heißt es an anderer Stelle: „Daß in der Charakterisierung des zersetzenden Einflusses des dekadenten Weltjudentums und seiner Gefährdung des deutschen Kulturlebens Rosenberg Wesentliches erkannt und dargestellt hat, ist nicht zu bestreiten.“278 Rosenberg wird es gerne gelesen haben, auch wenn dieser Feststellung die Einschränkung folgt, man könne diese berechtigte Kritik am Judentum nicht einfach auf das Alte Testament zurückprojizieren. Doch der unbedingte Wille, dem rassistischen Zeitgeist nach dem Munde zu reden, führte Künneth sowohl logisch wie theologisch auf Abwege 279, so daß seine „Antwort auf den Mythus“ letztendlich das Dokument einer Kapitulation ist. Bliebe noch anzumerken, daß sich Künneth auch nach 1945 politisch am rechten Rand, wiederum in der Evangelischen Kirche übrigens, bewegt hat.280 Dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber blieb es vorbehalten, dies in höchst eigenwilliger Manier zu würdigen. In einer Anzeige des Freistaats Bayern zum Tode Künneths wurden sein Bekennermut und seine Unerschrockenheit hervorgehoben, mit denen er sich dem Nationalsozialismus wie dem „Zeitgeist nach 1945“ gleichermaßen entgegengestellt habe. 281

Während Rosenberg seinen katholischen Kritikern mit den „Dunkelmännern“ antwortete, waren die „Protestantischen Rompilger“ 282 an seine evangelischen Widersacher gerichtet, denen er im Untertitel der Schrift Verrat an Luther vorwarf. Auch die „Rompilger“ verfaßte Rosenberg 1935, brachte den Text aber nicht heraus. Tatsächlich erschien die Schrift erst zwei Jahre später, mit zwei Vorworten, einem vom November 1935 und einem mit dem Datum August 1937. In diesem zweiten Vorwort erklärte Rosenberg, er habe das Manuskript in der Hoffnung auf die Einsichtsfähigkeit seiner Gegner liegen gelassen, statt dessen seien sie immer „herausfordernder“ geworden.283 Der wahre Grund für die Verzögerung war wohl ein anderer. 1933 waren die 28 evangelischen Landeskirchen zur Deutschen Evangelischen Kirche zusammengeschlossen und der Königsberger Wehrkreispfarrer Ludwig Müller als Reichsbischof („Rei-Bi“) installiert worden. Hanns Kerrl wurde am 16. Juli 1935 zum Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten ernannt und sollte die Formierung der evangelischen Kirche weiter voranbringen. In einer solchen Situation konnte man eine erneute Kampfschrift aus der Feder des Oberdogmatikers nicht brauchen. Rosenberg mußte sein Manuskript deshalb in der Schublade lassen und durfte es erst im Sommer 1937 herausbringen, als Kerrl gescheitert war und der von ihm berufene Reichskirchenausschuß sich im Februar 1937 selbst aufgelöst hatte. 

Rosenberg wollte seine „Rompilger“ ursprünglich vor allem gegen Walter Künneth richten, setzte sich dann aber auch mit Homann, Bockemühl und einigen anderen auseinander.284 Gleichzeitig schwante Rosenberg, daß seine auf den Kern ihrer Existenz gerichteten Attacken die beiden großen Kirchen im Abwehrkampf zueinander führte. Mit Mißvergnügen konstatierte er „die Parallelerscheinung zwischen Rom und den sogenannten ‚bekennenden’ Protestanten“, die nunmehr „eine gemeinsame Kampfesfront gegen das Gesetz der Zeit“ bildeten. 285 Walter Künneth, der damals bereits von der Gestapo überwacht wurde, entschloß sich gleichwohl, auf die „Rompilger“ mit einer erneuten Gegenschrift zu antworten. Sie sollte den Titel „Wider die Verfälschung des Protestantismus! Evangelische Antwort auf Alfred Rosenbergs Schrift ‚Protestantische Rompilger’“286 tragen, wurde aber kurz vor Erscheinen beschlagnahmt. 1938 erschien dafür in den Nationalsozialistischen Monatsheften Wilhelm Brachmanns Aufsatz „Alfred Rosenberg und seine Gegner“, in dem stolz berichtet wurde, Rosenbergs „Abwehrschaft“ habe, wie schon die „Dunkelmänner“, eine weite Verbreitung gefunden. Die Auflage liege bereits bei 520.000 Exemplaren. 287 Mit der Genugtuung des ohnehin Überlegenen berichtet Brachmann von einer Fülle von Gegenreaktionen, von Pfarrerkonferenzen über Kanzelabkündigungen bis hin zu einem Filmstreifen. All dies erduldete man milde lächelnd, während Künneth als „amtlicher Vertreter“ der Deutschen Evangelischen Kirche angesehen wurde, seine Broschüre sei deshalb „die einzige in ihrer Wirkung behinderte Antwort an Alfred Rosenberg“ 288. Nicht in ihrer Wirkung behindert war die lebhafte Zustimmung der Parteipresse, für die Rosenbergs Schmähschrift willkommener Anlaß zu neuen Angriffen gegen die Kirche war. So hieß es z. B. in einer Rezension des „Mitteldeutschen“:


„Die eigensüchtigen Interessen der politisierenden Kirche und die allein dem Volkswohl dienende Einsatzbereitschaft der nationalsozialistischen Weltanschauung können sich notgedrungen nicht mehr miteinander vereinbaren lassen.“289


Rosenberg hatte nun eine millionenstarke Partei und den Staatsapparat im Rücken, der notgedrungen abweichende Meinungen unterdrückte. Die Hilflosigkeit von Rosenbergs Gegnern kommt im zaghaften Widerspruch des Evangelischen Beobachters zum Ausdruck:


„Wir kennen aus dem ‚Mythus’ seine (Rosenbergs) Weltanschauung, wir wissen aber nur wenig von seiner religiösen Einstellung. In den ‚Rompilgern’ ist wiederholt von ‚Germanisierung des Christentums’ die Rede. Mit einer solchen Parole könnten wir nur einverstanden sein, wenn wir wüßten, was damit gemeint ist.“290


Solche bangen Fragen stellten sich damals viele, wußten sie doch nicht, wieweit der NS-Staat Ernst machen würde mit seinem antiklerikalen Programm. In seinen Memoiren, aber auch schon in zeitgenössischen Äußerungen, betonte Rosenberg ein ums andere mal, wie tolerant er mit seinen kirchlichen Gegnern verfahren sei. Aber das konnten diese damals nicht absehen. Es darf auch bezweifelt werden, daß diese Toleranz tiefsitzenden Überzeugungen entsprang. Sie zeigte viel eher wohl die Grenzen von Rosenbergs Macht.

Herauszufinden, wie weit seine Macht reichte, war für Rosenberg selbst eine ebenso spannende Frage wie für seine Gegner. Aber es gibt immer auch Menschen, die den Mut zu solchen Grenzerkundungen nicht aufbringen und den vorauseilenden Gehorsam zu ihrem Ideal machen. Diese Kleingeister sammelten sich vor allem in der Glaubensbewegung Deutsche Christen. Erste Anfänge dieser Organisation gingen auf den Vaterländischen Kirchentag 1927 in Königsberg zurück. Mit dem Anwachsen der NSDAP, das das gesellschaftliche Klima nach 1930 in vielerlei Hinsicht beeinflußte, gewannen auch die Deutschen Christen an Attraktivität. Bei den Kirchenwahlen 1932 gewannen sie zwar keine Majorität, aber doch viele Mandate. 1932 begannen auch schon die Zeitschriften „Evangelium im Dritten Reich“ und „Die Nationalkirche“ zu erscheinen. Am 6. Juni 1932 verabschiedeten die Deutschen Christen ihre Richtlinien, die in vielem nationalsozialistische Bestrebungen aufnahmen und das, was nach 1933 kam, antizipierten. Die Zahl der Richtlinien betrug, sicher nicht zufällig, zehn. Das zweite dieser Gebote war der Kampf für eine evangelische Reichskirche, das vierte ein Bekenntnis zum positiven Christentum und zu einem „artgemäßen Christusglauben, wie er deutschem Luthergeist und heldischer Frömmigkeit entspricht“291. Richtlinie sieben wandte sich gegen Rassenmischung, da Rasse, Volkstum und Nation von Gott geschenkte Lebensordnungen seien. Richtlinie neun war antisemitischen Zielsetzungen gewidmet und forderte insbesondere das Verbot der Eheschließung zwischen Deutschen und Juden. 292 Diese Glaubensrichtlinien, die in Punkt fünf auch ein indirektes Bekenntnis zum Nationalsozialismus enthielten, waren ein besonders radikaler Versuch, die „von Gott befohlene völkische Sendung“ 293 programmatisch umzusetzen. Sie standen dabei aber in einer Tradition, die im vorigen Jahrhundert ihre Wurzeln hatte. Der „revolutionäre Antisemitismus“ (Paul Lawrence Rose) der deutschen Nationalbewegung des frühen 19. Jahrhunderts ist hier zu nennen. 294 Virulent wurden die neogermanischen Erneuerungsbewegungen, die zwischen einer „Entjudung“ des Christentums und bewußtem Neuheidentum oszillierten, aber vor allem gegen Ende des Jahrhunderts, als die Zahl der Gruppen und Grüppchen kaum noch zu überschauen war. 295 Erhard Schlund führte im Register seines Buches über „Modernes Gottglauben“ allein 62 Stichworte auf, die mit dem zunehmend völkisch konnotierten Wort „Deutsch“ beginnen, von den Deutschchristen über die Deutsche christliche Nationalkirche und die Deutsche Glaubensfront bis hin zum Deutschvolk.296

In der nationalsozialistischen Terminologie wurde „deutschgläubig“ der maßgebliche Terminus für eine Religiosität, in der sich völkische Germanisierer des Christentums wie Chamberlain ebenso wiederfanden wie ausgesprochene Christentumsfeinde wie Ludendorff.297 Bereits 1911 wurde die Deutschgläubige Bewegung gegründet, die auch nach 1945 als Deutschgläubige Gemeinschaft im rechtsradikalen Umfeld ihr Unwesen trieb298. Die 1933 gegründete Deutsche Glaubensbewegung versuchte, alle völkisch-religiösen Neuerungsbewegungen in arteigener Abkehr vom Christentum zusammenzuführen. Doch die Suche nach deutscher Gotterkenntnis in grauer germanischer Vorzeit geriet bald in Gegensatz zum totalitären Anspruch des nationalsozialistischen Staates, so daß der Verein sich zunehmend ins Abseits gedrängt sah. Die Deutsche Glaubensbewegung vermochte, ihrem Vereinigungsanspruch zum Trotz, auch zu ihren besten Zeiten nur eines von vier „Hauptlagern“ der Deutschgläubigen zu bilden, neben der Nordischen Glaubensbewegung, dem Tannenbergbund und den Christentumsgermanisierern.299 Angesichts der enttäuschend geringen Zahl der Kirchenaustritte mußte sich der Seelenkämpfer Kurt Hutten, dem wir diese Lagereinteilung verdanken, auch mit dem Gedanken trösten, daß es „zahlenmäßig nicht erfaßbare Schichten“ gab, die den Kirchen „äußerlich noch angehören, aber in Wirklichkeit bewußt oder unbewußt unter dem bestimmenden Einfluß des Deutschglaubens stehen“; besonders der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ übe hier eine „ungeheure Massenwirkung“300 aus. Ob es Rosenberg getröstet haben wird, daß zahlenmäßig nicht erfaßbare Schichten unbewußt unter dem Einfluß seines Werkes standen?

Rosenberg selbst nannte sich nicht deutschgläubig. Er erschien im Handbuch des Deutschen Reichstags nach seinem Kirchenaustritt als „gottgläubig“. „Gottgläubig“ war im Dritten Reich eine amtliche Bezeichnung für diejenigen, die aus der Kirche ausgetreten waren. Sie ersetzte Begriffe wie „konfessionslos“ oder „ohne Bekenntnis“. Neben den Angehörigen der Religionsgemeinschaften und den Gottgläubigen sah der diesbezügliche Erlaß des Reichsinnenministers als dritte Kategorie noch die Gottlosen vor. Doch zu ihnen wagte Rosenberg sich nicht zu bekennen – oder er wollte es nicht, zumal dieser Begriff, den die atheistische Propaganda der KPD in den 20er Jahren positiv zu besetzen versucht hatte, im Dritten Reich sicherlich negativ konnotiert war. Der Begriff „gottgläubig“ sollte „arteigene Frömmigkeit des deutschen Wesens“ 301 bezeichnen; Juden, die aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgetreten waren, suchte man dieses Epitheton daher zu verwehren. Das von Rosenberg herausgegebene Handbuch der Romfrage hob in seinem Artikel „Germanische Religion“ auf eben diesen Begriff der „arteigenen Frömmigkeit“ ab, von deren Substanz die Romkirche einerseits lebe, deren Quellen andererseits heute verschüttet seien, da die christliche Missionierung ein orientalisch-vorderasiatisches Lebensgefühl in die ehemals heile Welt der Germanen habe einbrechen lassen. Nachdem nun ein erneuter Kampf um germanische Charakterwerte eingesetzt habe, führe die Romkirche einen „planmäßige(n) Angriff gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse“ 302. Als ersten Höhepunkt des römischen Totalangriffs sah das Handbuch Kardinal Faulhabers berühmte Sylvesterpredigt von 1934. 303 

Welche Position nahm Rosenberg nun ein? Diese Frage war nicht leicht zu beantworten. Helmuth Lothar sah ihn an der Spitze einer Deutschen Volkskirche 304, andere unterstellten ihm, daß er nach einer Deutschen Nationalkirche strebe305, von der ja im „Mythus“ tatsächlich die Rede war. Viele sahen in ihm den Reformator, von dem Hitler in "Mein Kampf" gesprochen hatte.306 Doch Rosenberg war zu klug, sich von irgendeiner dieser neureligiösen Splitterbewegungen vereinnahmen zu lassen oder sich gar an ihre Spitze zu setzen. Er wollte wohl auch nicht wirklich eine Nationalkirche gründen, sondern mit der Nationalisierung des Religiösen dessen transzendentale Macht und Wirkung reduzieren. Immerhin war sein „Mythus des 20. Jahrhunderts“ unbestritten das meistzitierte und am stärksten diskutierte Buch im gesamten Feld der religiösen Auseinandersetzungen. Man kann trefflich darüber streiten, ob die Anordnung der Reichs- und Gauleitung an die Versammlungsredner der Deutschen Christen vom Juli 1934, der „Mythus“ dürfe nicht länger Gegenstand kritischer Erörterungen sein, ein Zeichen für die Stärke oder für die Schwäche von Rosenbergs Position war. Immerhin gab es einige Mutige, die wegen dieser Anordnung der Organisation den Rücken kehrten. 307

Während all dieser Auseinandersetzungen stand natürlich unausgesprochen die Frage im Raum, woran Rosenberg selbst nun wirklich glaubte. Daß er kein Anhänger des Christentums katholischer Observanz war, war unverkennbar. Aus der evangelischen Kirche war er 1933 ausgetreten, so daß keine der beiden großen Kirchen ihn als einen der ihren reklamieren konnte. Aber was war jenseits dessen? Könnte man, analog zu Michael Rißmanns „Hitlers Gott“, ein Buch über Rosenbergs Gott schreiben? Da käme man wohl nicht weit. Der Zentralbegriff für Rosenbergs Religiosität ist der der Seele; zugleich dient er dazu, die Aura des Numinosen in die Welt zurückzuholen. Ein Gott wäre eine zu starke Konkurrenz für ein auf Absolutheit zielendes staatliches Wollen gewesen. Kunst und Staat erscheinen als Haupttermini in Hasenfratz’ Versuch über die Religion Alfred Rosenbergs.308 Der Zeichenlehrer aus dem Baltikum sah eine Alternative für das durch den aufgezwungenen Glaubensersatz des jüdisch-römischen Dogmas an der Quelle vergiftete Religionssuchen des Europäers darin, daß er „das Schwergewicht vom religiösen auf den künstlerischen Willen“ verlegte309. Zugleich war der Staat „die machtvollste und umfassendste architektonische Gestaltung völkisch-rassischen Lebens“ 310. Dem, wie Hitler, außerhalb der Grenzen des Reiches geborenen, ehemals russischen Staatsbürger erschien deutsche Staatlichkeit als etwas besonders Heiliges; keine überstaatliche und auch keine überweltliche Instanz sollte dazu in Konkurrenz treten. Die nationalsozialistische Idee stand über allen religiösen Bekenntnissen. Wenn im „Mythus des 20. Jahrhunderts“ einmal von einer Deutschen Nationalkirche311 die Rede ist, so sollte sie gewiß vor allem deutsch und national und erst zu allerletzt eine Kirche sein.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stimme des evangelischen Sozialisten Heinz Kappes. In seinem Aufsatz über den theologischen Kampf der religiösen Sozialisten gegen das nationalsozialistische Christentum schreibt er:


„Der Universalismus der katholischen Kirche kämpft gegen den Universalismus des faschistischen Staatsabsolutismus um die Suprematie auf dem Gebiet der Seelenführung.“312


Eine Feststellung, die, anders formuliert, auch von Rosenberg stammen könnte. Nur war sie hier kritisch gemeint. Der Autor beklagte die „faszinierende Agitationskraft“ des „faschistischen Romantismus und Solidarismus“ 313, der auch in die Reihen der fest im katholischen Glauben verwurzelten Teile der Bevölkerung einzubrechen sich anschickte, während in der evangelischen Kirche insofern die Situation noch ungünstiger war, weil sie „als solche den Nationalsozialismus freundlich toleriert“ 314. Im nächsten Satz fällt dann ein entscheidendes Stichwort:


„Der Nationalsozialismus wie der Marxismus drängen nach einer eigenen Theologie hin.“315


Nüchtern analysierte der Sozialdemokrat Kappes die Lage. Das Proletariat stand unter dem Einfluß der Gottlosenbewegung der KPD und des Freidenkertums. Die Oberschicht war „indifferent in der Kirche gegen die Kirche“ und Bauern- und Bürgertum, „welche das sogenannte Kirchenvolk repräsentieren, sind meist nationalsozialistisch.“316 Die Ausgangslage war die denkbar schwierigste. Die Befürchtung Kappes’, der dunklen Zukunft nicht wehren zu können, sollte sich nur allzu bald bewahrheiten. Den opportunistisch sich attachierenden und arrangierenden „kirchlich-positiven Theologen“ gab Kappes den Rat mit auf den Weg, einmal zu prüfen, ob ihr positives Christentum mit dem der Nationalsozialisten wirklich zur Deckung zu bringen war; ein Rat, der wohlweislich ignoriert wurde. Und er fügte hinzu:


„Man beachte bei all den Ausreden, Rosenbergs Buch sei eine Privatarbeit, daß er der Hauptschriftleiter des ‚Völkischen Beobachters’ ist und wirklich konsequent auf den oben dargestellten wirtschaftlichen und politischen Fundamenten den Tempel nationalsozialistischer Religion aufgebaut hat.“ 317


Diese nationalsozialistische Religion wollte aber, das sollte deutlich geworden sein, eine Religion im eigentlichen Sinne nicht sein.

In den letzten Jahren ist es, meist anknüpfend an den klassischen Text von Eric Voegelin318, in Mode gekommen, über Nationalsozialismus als politische Religion zu diskutieren319. Diese Diskussion soll hier nicht geführt werden. Mit Hans Buchheim bin ich der Meinung, daß der Nationalsozialismus nicht eine Ersatzreligion, sondern ein Religionsersatz sein wollte. 320 Die Kirchen sollten in ihrer Wirkung auf die Gläubigen umterminiert werden, wie und wo immer es möglich war. Dazu wurde ein ganzes Arsenal religiös anmutender Inszenierungen, alternativer Feiern und Feiertage und anderes mehr entwickelt, damit der treue Nationalsozialist sich in seiner Partei aufgehoben fühlte wie in einer Kirche. Daß etwa die von Albert Speer für die Reichsparteitage entwickelte Illuminationstechnik den Namen „Lichtdom“ führte, ist wohl kein Zufall.

Besonders deutlich manifestierte sich die pseudoreligiöse Selbstinszenierung des totalitären Staates im nationalsozialistischen Feierjahr. Mit dem „Tag der Machtergreifung“ am 30. Januar, dem Parteifeiertag am 24. Februar, der an die Verkündigung des Programms erinnern sollte, dem an die Stelle des Volkstrauertages getretenen Heldengedenktag im März, der „Verpflichtung der Jugend“ am letzten Sonntag des gleichen Monats, „Führers Geburtstag“ am 20. April, dem „Tag der Nationalen Arbeit“ am 1. Mai, dem Muttertag, der Sommersonnenwende, dem Nürnberger Reichsparteitag im September, Erntedank im Oktober und schließlich dem Gedenktag für die „Gefallenen der Bewegung“ am 9. November, dem höchsten Feiertag, hatte das nationalsozialistische Feierjahr bald mehr inszenatorische Anlässe zu bieten als der zu konkurrierende christliche Festkalender. Die verschiedenen Feiertage betonten unterschiedliche Aspekte. Mal stand die Person des „Führers“ im Vordergrund, mal die Einheit von Partei und Staat, mal die Überwindung der Klassengegensätze durch die nationalsozialistische Volksgemeinschaft, mal die Vereinnahmung der Jugend durch HJ und BDM, mal die Verpflichtung der deutschen Frau zur Mutterschaft. Am direktesten appellierten die Sonnwendfeiern an die Sphäre des Metaphysischen, wobei die Feiern im Juni, die ähnlich wie die Erntedankfeiern ganz direkt an traditionelles Brauchtum anknüpfen konnten, sich wesentlich größerer Beliebtheit erfreuten als die Wintersonnwendfeiern, die das christianisierte Weihnachtsfest gewissermaßen zu seinen germanischen Ursprüngen zurückführen sollten, ein Unternehmen, dem wenig Erfolg beschieden war, so daß der NS-Staat seinen Frieden mit der „Volksgemeinschaft unterm Lichterbaum“ 321 machte. Eine Fülle von Publikationen sollte die Implementierung des nationalsozialistischen Feierjahrs begleiten, vom Feierkalender „Unser Jahr“ über das Geschenkbuch „Licht muß wieder werden“, das die Partei Kriegerwitwen überreichte, bis hin zu „Im Kampfe“, das Jugendliche geschenkt bekamen, die von HJ und BDM in die Partei überwechselten. Für diese Publikationen zeichnete das Amt Fest-, Freizeit- und Feiergestaltung der Reichspropagandaleitung verantwortlich. Zu ihm in Konkurrenz stand das Amt Volkskunde und Feiergestaltung des Amtes Rosenberg, das unter anderem Reichslehrgänge für Feiergestaltung auf den Ordensburgen veranstaltete. Ihren unterschiedlichen Temperamenten entsprechend hatten Goebbels und Rosenberg dabei durchaus unterschiedliche Intentionen. Wollte der eine moderne Stilmittel und Kommunikationstechniken zum Einsatz bringen, stand dem anderen solcherlei Effekthascherei fern. Rosenberg wollte vor allem altes germanisches Brauchtum, oder das, was er dafür hielt, wieder zur Geltung bringen und die Sippe als Kultverband wieder ins Zentrum rücken. Rosenberg war dabei derjenige, der sich, vor allem in den Jahren ab 1940, mit seinen Vorstellungen durchsetzte. 322 

Der Anspruch der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft gegen ihre Glieder beschränkte sich nicht auf die Gestaltung des Jahreslaufes. Er griff ganz elementar in das Leben jedes einzelnen ein und wollte von der Geburt bis zur Beerdigung genau regeln, was statthaft war und was nicht. Beispielhaft dokumentiert ist dieser Anspruch in der Schrift „Die Gestaltung der Lebensfeiern“, die später diskutiert werden wird. Auch wenn die Durchdringung des Alltags nicht in allen Bereichen in gleichem Maße erfolgreich war, so ist gleichwohl die Feststellung zutreffend, daß Ausmaß und Lückenlosigkeit der nationalsozialistischen Gleichschaltung in kaum einem Bereich so deutlich sichtbar wurden wie im nationalsozialistischen Feierjahr. 323 Entscheidendes Movens war die ideologische Konkurrenz zu den Kirchen, der einzigen anderen machtvollen Institution, die einen dogmatischen Anspruch auf die Seelen der Menschen erhob. Die „Zusammenführung aller Deutschen zu einem unzersprengbaren Gemeinschaftsblock“ war das Ziel; dabei galt: „Feierstundenarbeit ist die aktivste und ausgesprochenste Form der seelischen Betreuung einer Gemeinschaft.“ 324 Ein besonderes Augenmerk richtete sich dabei auf diejenigen, die aus den Kirchen bereits „herausgewachsen“ waren 325.

Eine besondere Bedeutung kam dem Totengedenken zu 326, denn hier ging es um Jenseitsvorstellungen, ein zentrales Konkurrenzfeld zwischen Nationalsozialismus und christlichen Kirchen, aber auch um die Sinngebung für das Leben vor dem Tod, die Heimholung der „Gefallenen“ der Bewegung, der „Blutzeugen“, die, gleich den Toten des Weltkriegs, einen höchst bedeutsamen Platz in der Volksgemeinschaft einnahmen. Am deutlichsten wurde dies am 9. November, wenn die „alten Kämpfer“ mit Adolf Hitler an der Spitze vom Bürgerbräukeller ihren Gedenkmarsch zur Feldherrnhalle veranstalteten, gewissermaßen eine nationalsozialistische Fronleichnamsprozession, die nach der Umbettung der Toten des 9. November 1923 327 bis zum Königsplatz verlängert wurde. Diese Prozession war „eine zutiefst im germanischen religiösen Empfinden verankerte weihevolle Handlung“, in der die „Vorstellung von der ewigen Erneuerung göttlichen Lebens in der Verbindung zwischen Totenfeier und Verpflichtung jugendlichen Nachwuchses“ zum Ausdruck kommen sollte 328. Das nordische Ideal war nicht „die faule und feige Ruhe in einem Jenseits mit Halleluja und Palmwedeln“, vielmehr der „immer erneuerte Einsatz zum freudigen Kampf für die aus dem göttlichen Quell in uns selbst geschöpften Hochziele“329. Selbst tote Nationalsozialisten waren weder faul noch feige. Sie ließen sich weiterhin willig für die Ziele der Bewegung in die Pflicht nehmen. Höhepunkt und Abschluß des Umzuges vom 9. November war das „Hier der Wiedererstandenen“ auf dem Königsplatz. Nacheinander wurden die Namen der 16 „Blutzeugen“ des Jahres 1923 gerufen; auf jeden Namen antwortete ein Chor der HJ mit einem lauten „Hier“.330 Es war dies der Versuch, an die Jenseitsvorstellungen der Germanen anzuknüpfen, die selbstverständlich nicht demütig, sondern heldisch waren. Bei Hindenburgs Beerdigung schloß Hitler seine Ansprache mit den Worten „Toter Feldherr, geh’ nun ein in Walhall!“, worin der begeisterte Rosenberg wohl zu recht einen Affront gegen die anwesende Geistlichkeit sah 331. Die „Blutzeugen der Bewegung“ fanden selbstverständlich nicht auf einem Friedhof ihre letzte Ruhestätte, sondern in den eigens an der Ostseite des Königsplatzes errichteten „Ehrentempeln“, die auch die Ewige Wache führten. Ob sie dort, wie die Einherier in Walhalla, allmorgendlich zum Kampf auszogen, entzieht sich unserer Kenntnis.

Man kann auf die Übernahme christlicher Kultformen und -rituale bei der Analyse des Geschehens am 9. November abheben. 332 Damit trifft man aber nicht den Wesenskern der nationalsozialistischen Feier, sondern nur die äußere Form. Wenn christliche Missionare im frühen Mittelalter germanische Bräuche wie etwa den Lichterbaum zur Wintersonnenwende adaptierten, so taten sie dies nicht, weil sie von der germanischen Religion fasziniert waren und sich ihr anschließen wollten. Ganz im Gegenteil wollten sie die Germanen christianisieren und glaubten dieses Ziel leichter erreichen zu können, wenn sie Gebräuche und Rituale in die von ihnen vertretene Religion interpretierten, die den zu Missionierenden vertraut waren. So ist m.E. auch die nationalsozialistische Adaption der Rituale des christlichen Kultus zu verstehen.

Die zentrale Feier zum 9. November in München hatte ihr Echo im ganzen Land. Jede Ortsgruppe war gehalten, diesen höchsten Feiertag der Bewegung würdig zu begehen 333, Uniform oder dunkler Anzug waren Pflicht 334. Der Toten des Weltkriegs wie der Toten der nationalsozialistischen Bewegung wurde gleichermaßen gedacht. Die Nationalsozialisten sahen den 9. November 1923 und den 9. November 1918 in einem untrennbaren Zusammenhang. Erst Hitlers Einsatz hatte den Opfern des Krieges ihren Sinn gegeben und sie zugleich ins Leben der Nation zurückgeholt. In Herbert Böhmes „Feierstunde zum 9. November“ hieß es zum Schluß:


„Der Führer steht gebeugt am Totenmal ...
Und keine priesterliche Weihe steigt gewaltiger empor als dieses stumme und Stein gewordene Gebet des Mannes, in dessen Herzen sich ein Volk bewegt ...
Der Führer tritt vom Mahnmal jetzt zurück: Er grüßt die Fahne. Die Toten leben ...“335


Wer aber lebte, hatte im nationalsozialistischen Staat seine Pflichten gegenüber der Gemeinschaft und ihrem Führer. Der nationalsozialistische Glaube führte nicht zur Erlösung, sondern zur Verpflichtung; insofern differierte seine Teleologie grundlegend von der christlichen. Daß viele christliche Theologen, aus persönlichem Karriereopportunismus oder welchen Gründen auch immer, solche grundlegenden Unterschiede nicht sehen wollten und ihren christlichen Antijudaismus im nationalsozialistischen Antisemitismus vollendet sahen336, ist ein anderes Thema. Andere, wie etwa Erhard Schlund, bewahrten einen kühlen Kopf. In seinem Aufsatz „Der Münchner Nationalsozialismus und die Religion“ arbeitete er klar heraus, daß Hitler der neue Heiland sein wollte, aber nicht Gottes Sohn, sondern der Sohn seiner Volksgemeinschaft, der erklärte: „Wir wollen keinen anderen Gott haben, als nur Deutschland allein.“337, eine Verabsolutierung der Nation. Eine solche nazione deificata, die alles bedeutete, während ihre einzelnen Glieder nichts bedeuteten, war mit einem wahrhaft christlichen Weltbild keinesfalls vereinbar.

War der Nationalsozialismus nun eine politische Religion? Viele Indizien für diese These lassen sich zusammentragen. 338 Rosenberg berichtet z.B. in seinen Gefängnis-Aufzeichnungen von den Feierstunden des Arbeitsdienstes. Wenn das Abschlußlied erklang, das mit den Worten endete „Und jeder Spatenstich, den wir vollbringen, soll ein Gebet für Deutschland sein!“, seien allen die Tränen gekommen. Man habe empfunden, daß hier religiöses Brauchtum entstand. Es sei der „Abglanz eines metaphysischen Auftrags“ gewesen, „auch wenn er seine faßbare Ausprägung noch nicht gefunden hatte“339. Dem kann man vielleicht folgen. Aber macht religiöses Brauchtum schon eine Religion, und sei es nur eine politische, also eigentlich keine? Während der in der Gefängniszelle sitzende Rosenberg im Abglanz eines metaphysischen Auftrags Trost suchte, war der Rosenberg an der Macht da vorsichtiger geworden. In seinem Aufsatz „Weltanschauung und Glaubenslehre“ von 1938 hatte er noch jeden Gedanken an neue Katechismen und Glaubenssätze zurückgewiesen und erklärt, die nationalsozialistische Bewegung „glaubt an ein großes, für den Einzelnen nicht faßbares Schicksal, sie kann sich aber nicht verpflichten, metaphysische Überzeugungen als Dogmen der Partei zu verkünden“ 340. Hier war wieder Hitlers fester Wille spürbar, die Partei nicht in dogmatische Streitigkeiten hineinziehen zu lassen. Ein Wille zur konfessionellen Neutralität, den Rosenberg in die Worte kleidete, daß „der Nationalsozialismus über allen Bekenntnissen steht und sie im Dienste für das deutsche Wesen alle zu umschließen vermag“ 341. Den Partialinteressen der Konfessionen setzte der Nationalsozialismus ein totalitäres Gemeinschaftsinteresse entgegen. Wurde damit die Nation, die ethnisch purifizierte Volksgemeinschaft, zu einem „neuen Realissimum“, wie Klaus Vondung in der Nachfolge Eric Voegelins meint342, der Nationalsozialismus zu einer „innerweltlichen Religion“? An der Hypostasierung der Nation ist nicht zu zweifeln. Aber ob dies zu einer sinnvollerweise so zu bezeichnenden Religion führte, scheint mir zweifelhaft. Man kann sich vorstellen, daß auf längere Sicht das deutsche Volk in wesentlichen Teilen Hitlers religiöse Vorstellungen übernommen hätte, daß sich eine nationalsozialistische Theologie ausgebildet hätte, Wahrnehmungsmuster und handlungsleitende Glaubensvorstellungen 343 Gemeingut geworden wären. Aber so weit kam es nicht. Ganz im Gegenteil war es so, daß mit schwindendem Kriegsglück der Kampf gegen die Kirchen in den Hintergrund treten mußte, um unnötige Spannungen in der schwer kämpfenden Volksgemeinschaft möglichst zu vermeiden. Ein Rundschreiben Rosenbergs vom 21. Februar 1942 bringt das sehr deutlich zum Ausdruck. Dieses Rundschreiben, in dem es vor allem um die Unsterblichkeitsvorstellung ging, begann mit dem Satz:


„In letzter Zeit ist der Kampf gegen den Nationalsozialismus seitens unserer Gegner besonders darauf abgestellt, der nationalsozialistischen Bewegung und damit dem Deutschen Reich den Willen zuzuschreiben, alle Religionen auszurotten.“344


Das war zwar vollkommen richtig, durfte aber nicht zugegeben werden, wurde vielmehr als Verächtlichmachung des Nationalsozialismus denunziert. Weiter betonte Rosenberg die „unbedingte Duldsamkeit“ gegenüber „allen religiösen Vereinigungen“345, eine Toleranz, die selbstverständlich auch die Unsterblichkeitsvorstellungen betreffe, ein angesichts des Sterbens auf den ihrem Namen alle Ehre machenden Schlachtfeldern nur allzu aktuelles Thema.

Bekanntlich hat das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg verloren. Ob es danach zur großen Endabrechnung mit den Kirchen gekommen wäre, die Hitler angekündigt hatte, ob Rosenberg nach der Papstwürde in einer deutschen Nationalkirche gestrebt hätte, ob Hitler versucht hätte, seinen Vorsehungs-Gott (Rißmann) als Objekt der Anbetung für das ganze Volk zu etablieren – wir werden es nie erfahren. Festzuhalten bleibt, daß der Nationalsozialismus, wenn nicht Ersatzreligion, doch mindestens Religionsersatz sein wollte. Lassen wir das letzte Wort einem Zeitgenossen. Konrad Algermissen schrieb 1934:


„Religionspsychologisch bedeutet diese von Rosenberg verkündete Zukunftsreligion die Relativierung des Absoluten und die Entwertung alles Religiösen.“ 346




ANMERKUNGEN



1 Rosenberg, Eine Selbstanzeige!, 1930, S. 342.

2 W. H., Rezension: Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts, NM, 1933, S. 95.

3 Balk, 1933, S. 566.

4 Katholisches Kirchenblatt vom 3.4.1934; BArch NS 8/3.

5 Einen allerdings nicht vollständigen Überblick über die Rezeption des „Mythus“ gibt Bollmus, 1970, S. 339.

6 Dort erschien eine ausführliche, emphatische Besprechung von Arno Schickedanz; Schickedanz, 1930.

7 J. N., Rezension: Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts, Hammer 707/708, Dezember 1931, S. 335.

8 Kynast, 1930, S. 528.

9 Wiest, 1931.

10 Gründel, 1931, S. 468.

11 Friedländer, 1931, S. 50.

12 Ebd.

13 Ebd., S. 51.

14 Ebd.

15 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 698. Ich zitiere nach meiner Ausgabe. Die erste Auflage erschien 1930.

16 Friedländer, 1931, S. 53.

17 Vgl. z.B. Horreüs de Haas, 1937; Delattre, 1937; Grosclaude, 1938; Spence, 1940.

18 Spence, 1940, S. 68 f.

19 Ebd., S. 70.

20 Ebd., S. 80.

21 So auch die Formulierung bei Broszat, 1992, S. 46.

22 Hutchinson, 1977, S. 328. Verlagsvertrag vom 15.10.1930 mit dem Eher Verlag; CDJC Dok. CXLIII-333. Am Schluß des Vertrages stand als besondere Vereinbarung, daß der Verfasser sich damit einverstanden erklärt, daß das Buch im Hoheneichen Verlag erscheinen werde.

23 Schreiben des Oldenbourg Verlags vom 1.7.1927 und Schreiben des Diederichs Verlags vom 20.1.1928; IfZ MA 537, S. 5475152 und 5475022.

24 Zit. Baumgärtner, 1977, S. 54.

25 Zit. ebd.

26 Zit. ebd., S. 55.

27 Vgl. z.B. Der Kampf gegen Gott. Ein Merkbuch, Berlin 1931, eine evangelische Schrift gegen die sogenannte Gottlosenbewegung.

28 München, 1993, S. 136.

29 Die erste Auflage betrug 2.995 Exemplare; Baumgärtner, 1977, S. 82.

30 Baeumler, 1942; nach Baumgärtner, 1977, S. 82, sogar nur 51.000 Exemplare.

31 Das ist die von mir benutzte Auflage.

32 VB vom 22.11.1938.

33 Baeumler, 1942. Ein Glückwunsch des Eher Verlags trägt ebenfalls das Datum des 6.10.1942; Billig, 1963, S. 107.

34 Korrespondenz dazu in BArch NS 15/300. Die 2. Auflage wurde am 11.9.1939 im Börsenblatt des deutschen Buchhandels angezeigt.

35 Ein Schreiben Amanns an Rosenberg vom 19.10.1934 berichtet von vergeblichen Bemühungen, Übersetzungen in den USA, Großbritannien und Frankreich herauszubringen; CDJC Dok. CXLIII-318.

36 Großdeutschland, 1970, S. 81.

37 Die englische Ausgabe erschien im März 1939 und hatte im November des Jahres bereits das 73. Tausend erreicht. Auf dem Umschlag stand der Satz: „The Royalties on all Sales of this Book since the Declaration of the War will be devoted to the British Red Cross Society“; Mein Kampf. By Adolf Hitler. Unexpurgated Edition. Two Volumes in One, London 1939. Die französische Ausgabe war bereits im Jahr zuvor erschienen, war aber nur eine kommentierte Auswahl; Extraits de Mein Kampf accompagnés de commentaires, Paris 1938.

38 Rosenberg, In eigener Sache, VB vom 17.2.1931.

39 Von katholischer Seite wurde ziemlich umgehend widersprochen: Rosenberg auf dem Rückzug? „Mythus des 20. Jahrhunderts“ und Katholizismus, Germania vom 20.2.1931.

40 Ebd.

41 Rosenberg, Letzte Aufzeichnungen, 1996, S. 137. In „Wie der ‚Mythus’ entstand“ berichtet Rosenberg: „Die Gauleiter in den katholischen Gegenden waren nicht sehr entzückt...“; BArch NS 8/22, Bl. 40. Vgl. Rosenbergs Antwortbrief an Schachleitner vom 31.1.1931; BArch NS 8/257, Bl. 127 ff.

42 Ebd.

43 Speer, 1993, S. 109 f. Bemerkenswert ist, daß Speer den Buchtitel jeweils unterschiedlich und beide Male falsch zitiert.

44 Hanns Johst, Offener Brief an Alfred Rosenberg, Das Schwarze Korps vom 19.6.1935.

45 Z.B. Niekisch, 1953, S. 57, der sich hier auf Otto Strasser bezieht.

46 Hitler, 1951, S. 275. Rosenberg selbst berichtet in „Wie der ‚Mythus’ entstand“ eine ähnliche Äußerung; BArch NS 8/22, Bl. 39.

47 Ziegler, 1964, S. 120.

48 Hitler, 1951, S. 374.

49 Hutchinson, 1977, S. 341.

50 Strasser, o.J. a, S. 11.

51 Ebd., S. 13.

52 Ebd., S. 30.

53 BArch NS 8/22, Bl. 34. Diese unveröffentlichte Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1935. Bollmus, 1970, S. 255 Anm. 27, macht darauf aufmerksam, daß sich zahlreiche Formulierungen in den „Letzten Aufzeichnungen“ wiederfinden, was die Unveränderlichkeit der Jugendeindrücke Rosenbergs zeige.

54 Ebd.

55 Ebd., Bl. 38.

56 Bollmus, 1970, S. 255 Anm. 27.

57 Vgl. Rosenberg, Die Spur des Juden im Wandel der Zeiten, in: Schriften und Reden I, 1943, S. 153; Härtle, 1977, S. 230.

58 So auch Nolte, 1984, S. 352.

59 Insbesondere in dem Kapitel „Volk und Rasse“; Hitler, 1936, S. 311 ff.

60 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 28.

61 Rosenberg, Der deutsche Mythus, VB vom 8.4.1933.

62 See, 1994, S. 308.

63 Rosenberg, Chamberlain, 1927, S. 83. Das Buch sollte an dem Tag, an dem Chamberlain starb, in Druck gehen. Rosenberg fügte deshalb seinem Vorwort eine Nachbemerkung hinzu, in der es heißt: „An seinem Grabe trauert das ganze deutsche Deutschland um den Verlust eines seiner größten und treuesten geistigen Führer.“; ebd., S. 7.

64 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 75, 480, 605. Hitler teilte diese Position inhaltlich völlig. In den Tischgesprächen heißt es: „Christus war ein Arier, aber Paulus hat seine Lehre benutzt, die Unterwelt zu mobilisieren und einen Vorbolschewismus zu organisieren.“; Hitler, 1951, S. 150.

65 Rosenberg, Chamberlain, 1927, S. 86.

66 Daß Christus Arier war, war damals bekanntlich eine weit verbreitete Auffassung. Chamberlain war hier etwas ambivalent. In den „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ folgt dem Kapitel „Christus kein Jude“ wenig später das Kapitel „Christus ein Jude“; Chamberlain, 1900, S. 227 ff. und S. 247 ff. Vgl. Nolte, 1984, S. 352; Mosse, 1990, S. 128. Selbst Rosenberg kann lediglich feststellen, daß es keinen zwingenden Grund zu der Annahme gibt, Jesus sei Jude gewesen; Rosenberg, Mythus, 1935, S. 76 Anm.

67 Rosenberg, Die Welt des Auges, Eröffnungsrede zur Kultur-Tagung auf dem Reichsparteitag am 5.9.1934, in: Rosenberg, Gestaltung der Idee, 1943, S. 142. Vgl. Paul, Ina Ulrike, Paul Anton de Lagarde, in: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871-1918, Hg. Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht, München u.a. 1996, S. 87.

68 Rosenberg, Paul de Lagarde, VB vom 10.9.1927, wiedergegeben in: Rosenberg, Blut und Ehre, 1943, S. 228.

69 Rosenberg, Um die Erfüllung, 1930, S. 2 f.

70 Ebd., S. 5.

71 Dazu Stern, 1986, S. 51 ff.

72 Ebd., S. 73.

73 Ebd., S. 75.

74 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 443. Vgl. Viereck, 1961, S. 225 ff.

75 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 427.

76 Ebd., S. 428. Rosenberg zitierte den Titel des Buches von Leopold von Schroeder, ohne den Autor zu nennen, und distanzierte sich zugleich von der Idee, daß „Vollendung“ bedeute, daß hier keine Weiterentwicklung mehr stattfinden könne.

77 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 433.

78 Ebd., S. 434.

79 Hutchinson, 1977, S. 22.

80 Rosenberg, Wie der „Mythus“ entstand; BArch NS 8/22, Bl. 17.

81 Ebd., Bl. 5 ff. et passim, sowie Angaben in seinen Werken. Der Fall Ludendorff, 1931, und Das Verbrechen der Freimaurerei, 1921, in: Schriften und Reden I, 1943. Zur Rezeption Haeckels Gasman, 1971, S. 171 f. und allgemein Baumgärtner, 1977, S. 42 ff. und S. 51.

82 Rosenberg, Wie der „Mythus“ entstand, BArch NS 8/22, Bl. 21.

83 Maser, 1981, S. 99.

84 Rosenberg, Letzte Aufzeichnungen, 1996, S. 129.

85 Ebd.

86 Ebd., S. 131.

87 Rosenberg, Wie der „Mythus“ entstand, BArch NS 8/22, Bl. 15 f. und Bl. 22.

88 Ebd., Bl. 16.

89 Rosenberg, Von Form und Formung im Kunstwerk, gehört zu den „Ersten Aufzeichnungen“, abgedruckt in: Rosenberg, Schriften und Reden I, 1943, S. 27-46.

90 Klemperer, Victor, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1942-1945, Hg. Walter Nowojski unter Mitarbeit von Hedwig Klemperer, Berlin 31995, S. 128.

91 Ebd.

92 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 2.

93 Ebd.

94 Ebd., S. 40.

95 Ebd., S. 120.

96 Ebd., S. 118.

97 Ebd., S. 120.

98 Ebd., S. 460.

99 Merker, 1983, S. 57.

100 Domarus, 1973, Bd. 2, S. 893.

101 Vgl. Whisker, 1982, S. 78 und S. 91 f.

102 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 114.

103 Ebd., S. 614 f. Im Original ist der ganze Satz gesperrt.

104 Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs, 1956, S. 44.

105 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 616.

106 Ebd., S. 617.

107 Ebd., S. 221.

108 Vgl. ebd., S. 219 ff.

109 Ebd., S. 233.

110 Handbuch der Romfrage, 1940, S. 340 f.

111 Ebd., S. 341.

112 So z.B. Algermissen, 1934, S. 422 ff.

113 „Diese Rede ist niemand gesagt, denn der sie schon sein nennt als eigenes Leben, oder sie wenigstens besetzt als eine Sehnsucht seines Herzens.“

114 Vgl. Hadeln, 1935, S. 38.

115 Vgl. Frank, 1988, S. 130.

116 Vgl. Behrenbeck, 1996, S. 80 f.

117 Noch in der Nürnberger Todeszelle notierte Rosenberg, der Nationalsozialismus sei „eine echte soziale Weltanschauung und ein Ideal blutbedingter kultureller Sauberkeit“ gewesen; zit. Lang/Schenck, 1947, S. 338.

118 Vgl. Piper, 1996.

119 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 698 f.

120 Ebd., S. 699.

121 Ebd., S. 18.

122 Ebd.

123 Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs, 1956, S. 63.

124 Der ideologische Einfluß Rosenbergs wird bekanntlich in der deutschen Forschung derzeit eher gering veranschlagt. Eine Ausnahme ist hier Kroll, 1998, z.B. S. 102. Im englischen Sprachraum dagegen wird meine Einschätzung der Bedeutung des „Mythus“ weithin geteilt, vgl. z.B. Bayles, 1969, S. 215 und Chandler, 1968, S. 8 ff. Die „Bücherkunde“ vom November 1942 spricht sogar davon, daß „viele Millionen Deutscher den ‚Mythus’ nicht nur dem Namen nach kennen, sondern ihn selbst gelesen haben.“; IMG, Bd. XXXII, S. 387 (= Dok. 3554-PS).

125 Vgl. Pfahl-Traughber, 1993, S. 123.

126 Schickedanz, 1930.

127 BAK All.Proz. 3 37, Bl. 95.

128 Ebd.

129 Rosenberg, Nationalsozialismus, Religion und Kultur, 1934, S. 4.

130 Hitler, 1936, S. 317.

131 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 24.

132 Rosenberg, Neugeburt Europas, 1939, S. 9.

133 Poliakov, 1993, S. 306.

134 Vgl. Theweleit, 1980, S. 77 ff.

135 Ungewitter, 1920, S. 100. Vgl. ebd., S. 116 ff.: „Unsere rassische Grundlage“.

136 Surén, Hans, Mensch und Sonne. Arisch-olympischer Geist, Berlin 31936, S. 119.

137 Theweleit, 1980, S. 78.

138 Zur Bildgeschichte Frecot, Janos/Geist, Johann Friedrich/Kerbs, Diethart, Fidus 1868-1948. Zur Ästhetik bürgerlicher Fluchtbewegungen, München 1972, S. 288 ff.

139 Hepp, 1987, S. 76 f. Vgl. hierzu und zum folgenden auch Linse, Ulrich, Nordisches in der deutschen Lebensreformbewegung, in: Wahlverwandtschaft. Skandinavien und Deutschland 1800-1914, Hg. Bernd Henningson, Janine Klein, Helmut Müssener und Solfried Söderlind, Berlin 1997, S. 397 ff.

140 Willrich, 1937, S. 132 f.

141 Mühling, Paul, Künstler auf den Spuren des Lichtgedankens, in: Der Lichtgedanke und die Feuerehrung, Hg. P. M., Königsberg 1941, S. 59.

142 Vgl. seinen Beitrag „Feuerehrungshallen aus dem Lichtglauben“, ebd., S. 36 ff.

143 Runen. Zeitschrift für germanische Geistesoffenbarungen und Wissenschaften. Merkblatt des Germanenordens. errichtet 20. Hornungs 1912.

144 Brittnacher, 1999, S. 91.

145 Wiedergegeben in Engelbrecht, Kurt, Ludwig Fahrenkrog und seine Schöpfungen, Dresden o.J.

146 Wie Anm. CXlV.

147 Ebd., S. 27. Fahrenkrog hat auch die Mächte der Finsternis zum Thema seiner Arbeit gemacht: Fahrenkrog, Ludwig, Lucifer in Bild und Wort, Stuttgart o.J. Vgl. Ulbricht, Justus H., „Doch diesmal kommt von osten nicht das Licht“. Zum Nordlandmythos der völkischen Bewegung, in: Wahlverwandtschaft, 1997 (Anm. CXXXIX), S. 146 und S. 149 ff.

148 Fahrenkrog, o.J., S. 2 f.

149 Paul, 1990, S. 168.

150 Deutsche Weihnachten. Ein Wegweiser für Gemeinschaft und Familie, zusammengestellt und herausgegeben von Karl-Heinz Bolay, Berlin 1941, S. 40.

151 Schenk, Dieter, Die Post von Danzig. Geschichte eines deutschen Justizmords, Reinbek 1995, Abb. nach S. 144.

152 The Skinhead International, Hg. Anti-Defamation League, New York 1995, S. 68.

153 Maser, 1981, Abb. 6.

154 VB vom 28.12.1934.

155 Ebd.

156 Schlegel, Werner, Dichter auf dem Scheiterhaufen, Berlin 1934, S. 51.

157 Ebd.

158 Atlas der Weltreligionen, Hg. Ninian Smart, Köln 2000, S. 108.

159 Dazu zeitgenössisch etwa Meinek, 1909. Vgl. auch Schroeder, 1911 a.

160 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 26.

161 Ebd., S. 25.

162 Ebd., S. 165.

163 Strohm, 1997, S. 90.

164 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 139.

165 Ebd., S. 701.

166 Als Pionier dieser Suche galt Otto Rahn. 1936 erschien sein Buch „Kreuzzug gegen den Gral“, in dem es ein Kapitel „Christus der Sonnengott“ gab, teilweise wiedergegeben in Tumult, Heft 24, 1999, S. 42 ff.

167 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 166.


168 Mosse, 1991, S. 82 f.

169 Gasman, 1971, S. 69 ff.

170 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 514.

171 Hauptmann, 1930, S. 6.

172 Der Deutsche Frauenorden, NM 1930, S. 43.

173 BAK All.Proz. 3, Thoma 30, Bl. 93.

174 Vgl. das große Kapitel „Der Staat und die Geschlechter“, in: Rosenberg, Mythus, 1935, S. 482 ff.

175 Brumlik, Micha, Die Gnostiker. Der Traum von der Selbsterlösung des Menschen, Frankfurt/M. 1995.

176 Mosse, 1990, S. 119.

177 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 640.

178 Z.B. Löffler, J.H., Zur Frage nach der Urheimath der Arier, BBl 19, 1896, S. 68 ff. Vgl. allg. Lutzhöft, 1972, S. 114 ff.

179 Hentschel, 1902; vgl. Müller, 1902.

180 Rosenberg, Das Verbrechen der Freimaurerei, in: ders., Schriften und Reden I, 1943, S. 415.

181 Vgl. Handbuch der Romfrage, 1940, S. 623.

182 Ebd., S. 624; vgl. Rosenberg, wie Anm. ClXXX.

183 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 661 f.

184 Ebd., S. 660. Dagegen z.B. Alfred Baeumler: „Ist nicht ein ganz anderer Gang der Dinge, eine Weltgeschichte ohne Jerusalem und Rom vorstellbar, dessen Hauptinhalt eine Befruchtung des germanischen Geistes durch den Geist Indiens und Irans gewesen wäre?“, Baeumler, 1943, S. 42.

185 Rosenberg, Verfälschung der Rassenfrage, 1927, S. 385.

186 Im Dispositionsentwurf von 1917 hatte es noch „Philosophie der germanischen Kunst geheißen“; Rosenberg, Schriften und Reden I, 1943, S. 24 f.

187 So Scholz in seiner Würdigung zu Rosenbergs 50. Geburtstag; Scholz, Robert, Vom Höchstwert der deutschen Kunst. Zum 50. Geburtstag von Alfred Rosenberg, Die Kunst im Dritten Reich, Folge 1/1943, S. 7.

188 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 275.

189 Vgl. Hasenfratz, 1989, S. 115.

190 So z.B. auch Hutten, 1935, S. 92.

191 Dazu auch Schwarz, 1937, S. 307 f. Vgl. Kroll, 1998, S. 103 ff.

192 Zu Herder in diesem Kontext Rose, 1990, S. 97 ff. Auch bei Dietrich Eckart spielte der Begriff der Volksseele eine Rolle. Er teilte die Völker nach der Helligkeit des Lichtgrads ihrer Seele in eine Hierarchie ein; Plewnia, 1970, S. 46 f. Vgl. allg. Schmitz-Berning, 1998, S. 522 ff.

193 VB vom 10.1.1939.

194 Das Widmungsexemplar ist verzeichnet in Gassert, Philipp/Mattem, Daniel S., The Hitler Library. A Bibliography, Westport-London 2001, S. 398.

195 Mohler, 1989, S. 368.

196 Vgl. z.B. Clauß’ Aufsatz „Sind die Juden eine minderwertige Rasse?“, mit dem er sich 1932 an einer Umfrage zum Antisemitismus beteiligt und in dem er zu der Antwort kommt: „Für die Wissenschaft gibt es keine minderwertigen Rassen.“; der Jud ist schuld...? Diskussionsbuch über die Judenfrage, Basel u.a. 1932, S. 245.

197 Lutzhöft, 1971, S. 96 f.

198 Wie Anm. CXCVI, S. 246.

199 Lutzhöft, 1971, S. 95.

200 Ebd., S. 48 f.; Kater, 1997, S. 209 f.

201 Stern-Piper, Ludwig, Kretschmers psycho-physische Typen und Rassenformen in Deutschland, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 67, 1923, S. 593.

202 Mein Großonkel, der im Ersten Weltkrieg für sein deutsches Vaterland gekämpft hatte, hatte sich dabei schwere Verletzungen zugezogen, denen er wenige Jahre später erlag. Mit seiner Frau Gertrud hatte er eine Tochter. Diese „Halbjüdin“ verstarb jedoch schon wenige Monate nach der Geburt, so daß ihr Schlimmeres erspart blieb.

203 Zit. Dietrich, 1935, S. 21.

204 Dietrich, 1935, S. 22.

205 In einer Eigenanzeige des Verlages in Günther, 1935, heißt es: „Von diesem Werk ging der Siegeslauf des Rassegedankens aus.“

206 Zit. Poliakov/Wulf, 1978, S. 404 ff.

207 Beispiele bei Wulf, 1983 a, S. 304 ff.

208 Ebd., S. 305.

209 Hermann Eßwein, zit. Gimmel, 1999, S. 297.

210 Zit. Hermand, 1995, S. 250.

211 Vgl. Becker, 1990, S. 601 ff.

212 Mertel, Richard, Hebung der Rasse ist Pflicht jedes Volksgenossen, VB vom 30.1.1930.

213 Ebd.

214 Rothacker, Erich, Geschichtsphilosophie, München 1934, zit. Wulf, 1983 a, S. 294.

215 Deutsche Köpfe nordischer Rasse. 50 Abbildungen mit Geleitworten von Professor Dr. Eugen Fischer und Dr. Hans F.K. Günther, München 1927.

216 Zit. Jäckel, 1991, S. 68.

217 Goldhagen, 1976.

218 Schickedanz, 1927.

219 Wagner, 1938, S. 425.

220 Ebd., S. 424.

221 Vgl. Breitling, 1971, S. 60 f.

222 Rosenberg, Die jüdische „Seele“, in: Kampf um die Macht, 1937, S. 115 ff.

223 Rosenberg, Erste Aufzeichnungen, in: Schriften und Reden I, 1943, S. 79.

224 Hitler, 1936, S. 69.

225 Ich habe, neben zahlreichen Rezensionen, die folgenden selbständigen Schriften gelesen, die sich mit dem „Mythus des 20. Jahrhunderts“ auseinandersetzen: Algermissen, 1934; Andersen, 1936; Bockemühl, 1935; Boge, 1935; Breitenstein, 1934; Bruns, 1934; Dibelius, o.J.; Grünagel, 1938; Hartmann, 1934; Homann, 1935; Hüffmeier, 1934; Hutten, 1935; Kehnscherper, o.J.; Kirchengeschichtliche Irrtümer im Mythus des 20. Jahrhunderts, 1935; Anton Koch, 1935; Hugo Koch, 1935; Künneth, 1935; Lothar, 1934; Lutz, 1934; Markgraf, 1936; Muckermann, 1934; Oepke, 1935; Reichenauer, 1935; Schäfer, 1935; Schlemmer, 1935; Seeger, 1935; Studien zum Mythus, 1935; an ausländischen Stellungnahmen, die freilich keinen religiösen Charakter haben, Delattre, 1937; Grosclaude, 1938; Horreüs de Haas, 1937; Spence, 1940. Weitere bibliographische Angaben finden sich bei A.A., 1953; Diehn, 1958, S. 181 ff. Einen Überblick über Rezensionen bis 1933 gibt Bollmus, 1970, S. 339, über Rezensionen und Stellungnahmen nach 1933 Blick in die Zeit vom 12.7.1935, S. 1 ff.

226 Bollmus, 1970, S. 256 Anm. 44, hat Recht, wenn er darauf verweist, daß es in den Jahren 1930-33 an gewichtigen theologischen Stellungnahmen mangelt.

227 Kroll, 1998, S. 102; vgl. ebd., S. 241.

228 Neuhäusler, 1946, S. 258 f., gibt eine Reihe von Beispielen.

229 BArch NS 8/13-16. Die Zahl der dort gesammelten Zuschriften dürfte 250 bis 300 betragen.

230 BArch NS 8/15, S. 133.

231 BArch NS 8/16, S. 1.

232 Katholisches Kirchenblatt vom 25.2.1934, S. 10. BA D-H ZA I 1 1339, Akte 7, verwahrt einen Zeitungsausschnitt vom 17.2.1934, leider ohne Herkunftsbezeichnung, der sich auf den Osservatore Romano vom Vortag bezieht und das Dekret in ganz anderer Übersetzung, aber ohne wesentliche inhaltliche Differenz wiedergibt.

233 Rosenberg, Großdeutschland, 1970, S. 97.

234 Wiedergegeben bei Neuhäusler, 1946, S. 31 f.

235 Zit. Neuhäusler, 1946, S. 31.

236 Ebd.

237 BArch NS 8/257, Bl. 8 ff.

238 Ebd., Bl. 11.

239 Ebd.

240 Ebd., Bl. 10.

241 Vgl. Neuhäusler, 1946, S. 199 f.

242 Studien, 1935, S. III. Zu den Studien Baumgärtner, 1977, S. 154 ff.

243 Studien, 1935, S. 1.

244 Ebd., S. 84.

245 Ebd., S. 85.

246 Ebd., S. 106.

247 Ebd., S. 111 f.

248 Ebd., S. 170.

249 Ebd., S. 86.

250 Badische Allgemeine Zeitung vom 13.5.1935.

251 Rosenberg, Dunkelmänner, 1935. Dazu der groß aufgemachte Bericht „Alfred Rosenberg antwortet den Dunkelmännern“, Das Schwarze Korps vom 1.5.1935, sowie Ziegler, 1935.

252 Mein Exemplar entstammt der 31. Auflage, für die das 601.-620. Tausend angegeben wird.

253 Dies geht aus einem Schreiben Rosenbergs vom 17.11.1934 an Alfred Miller in Calw hervor, der am 29.1.1935 positiv reagierte und offenbar einen Sammelband plante, der aber nicht zustande kam; BArch NS 8/15, Bl. 27 ff.

254 Neuhäusler, 1946, S. 201.

255 Der S.A. Mann vom 8.5.1936.

256 Ebd., S. 200.

257 Lutz, 1934; Hartmann, 1934; Muckermann, 1934. Vgl. Baumgärtner, 1977, S. 180 ff.

258 Licht und Leben 48, 1934, S. 691.

259 Anzeige der Deichertschen Verlagsbuchhandlung, Leipzig, im gesamten Jahrgang 1939 der Zeitschrift „Luthertum“.

260 Ebd.

261 Florin, 1935. Vgl. Iber, 1987, S. 100.

262 Homann, 1935; Dibelius, o.J. Zu Homann Iber, 1987, S. 94 ff.

263 Die Zeitschrift für den Evangelischen Religionsunterricht, Heft 6, 1932, S. 326, spricht z.B. von einem „brodelnde(n), gärende(n) Gedankengemisch.“

264 Bockemühl, 1935. Vgl. Iber, 1987, S. 101 f.

265 Hüffmeier, 1934, S. 6. Vgl. Iber, 1987, S. 98 ff.

266 Bruns, 1934; Markgraf, 1936.

267 Andersen, 1936; Hugo Koch, 1935; Schlemmer, 1935; Schneider, o.J.; Hutten, 1935. Zu Hutten Scholder, 1977, S. 147 f.

268 Schäfer, 1935.

269 Ebd., S. 60.

270 Ebd., S. 61.

271 Ebd., S. 3.

272 Künneth, 1979, S. 138; vgl. Iber, 1987, S. 45.

273 Künneth, 1935, S. 1.

274 Künneth, 1979, S. 141.

275 Ebd., S. 136.

276 Künneth, 1935, S. 69.

277 Iber, 1987, S. 62.

278 Künneth, 1935, S. 67.

279 Vgl. die Zusammenfassung bei Iber, 1987, S. 72.

280 Dazu Kratz, 1995, S. 60 ff.

281 SZ vom 28.10.1997.

282 Rosenberg, Protestantische Rompilger, 1937.

283 Ebd., S. 6.

284 Bollmus, 1970, S. 258 Anm. 60; Iber, 1987, S. 274 f.

285 Rosenberg, Protestantische Rompilger, 1937, S. 61.

286 Dazu Künneth, 1979, S. 145 ff.

287 Brachmann, 1938, S. 2. In einem Werbeblatt des Verlages wird sie sehr viel zutreffender als „neue Kampfschrift“ bezeichnet; BArch NS 8/3, Bl. 71.

288 Ebd., S. 134.

289 Zit. Schmidt, Pressestimmen zu Rosenbergs neuer Schrift „Protestantische Rompilger. Verrat an Luther.“, BA D-H ZA I 1 1399 A 7a, S. 3.

290 Ebd., S. 8 f.

291 Die Kirche und das dritte Reich. Fragen und Forderungen deutscher Theologen II, Hg. Leopold Klotz, Gotha 1932, S. 16 f.

292 Ebd., S. 17 f.

293 Ebd., S. 18.

294 Rose, 1990, S. 117 ff.

295 Vgl. z.B. Schlund, 1923; Lothar, 1934; Boge, 1935; Mohler, 1989, S. 117 ff. und S. 222 ff.; Meier, 1992, S. 22 ff.; Ulbricht, 1998.

296 Schlund, o.J., S. 302.

297 Vgl. Mohler, 1989, S. 136.

298 Siehe z.B. die Abb. bei Haack, 1981, S. 81.

299 Hutten, 1935, S. 26.

300 Ebd. Auch Schlund sah den „Mythus“, das „deutscheste aller Bücher“, als Hauptquelle des modernen Gottglaubens; Schlund, o.J., S. 151.

301 Zit. ebd., S. 282.

302 Handbuch der Romfrage, 1940, S. 503.

303 Vgl. Kapitel VII, Kirchenkampf.

304 Lothar, 1934, S. 24 ff.

305 Steege, 1934, S. 217. Auch Ziegler ging davon aus; vgl. Ziegler, Manuskript, S. 36.

306 Ziegler, Manuskript, S. 38.

307 Junge Kirche, 1934, S. 779 und S. 926.

308 Hasenfratz, 1989.

309 Rosenberg, Mythus, 1935, S. 443.

310 Hasenfratz, 1989, S. 121.

311 Kroll, 2001, S. 166 Anm. 59, verweist darauf, daß Rosenberg diesen Begriff vermutlich von Lagarde übernommen hat.

312 Kappes, 1931, S. 90.

313 Ebd.

314 Ebd., S. 91.

315 Ebd.

316 Ebd.

317 Ebd., S. 111.

318 Voegelin, Eric, Die politischen Religionen, Wien 1938.

319 Vgl. Meier, 1995; Der Nationalsozialismus als politische Religion, Hg. Michael Ley und Julius H. Schoeps, Bodenheim 1997; Bärsch, 1997; Bärsch, 1998; zuletzt Rißmann, 2001, S. 191 ff., dort, S. 274 f. Anm. 778, weitere Literatur.

320 Vgl. Rißmann, 2001, S. 192.

321 Beispiel für das nazifizierte Weihnachtsfest im Abbildungsteil bei Peukert, 1982, nach S. 176.

322 Behrenbeck, 1996, S. 281.

323 So Stambolis, Barbara, „Fest soll mein Taufband immer stehn“. Jugendliche im katholischen Milieu oder die Grenzen der Gleichschaltung – Lebensweltlich geprägte Resistenzräume im Dritten Reich, GWU 3/00, S. 158.

324 Kieckbusch, o.J., S. 107.

325 Ebd.

326 An dieser Stelle sei ausdrücklich auf die bedeutende Arbeit von Sabine Behrenbeck (1996) verwiesen.

327 Die Umbettung erfolgte 1935. Genaue Beschreibung bei Hockerts, Hans Günter, Mythos, Kult und Feste. München im nationalsozialistischen „Feierjahr“, in: München – „Hauptstadt der Bewegung“, 1993, S. 335 ff.

328 Dagobert Dürr, zit. Behrenbeck, 1996, S. 300.

329 Ebd., S. 300 f.

330 Es gibt davon Filmaufnahmen, die im Münchner Stadtmuseum gelegentlich gezeigt werden. Vgl. Hockerts (Anm. CCCXXVII), S. 335.

331 Vgl. Piper, 1997, S. 119.

332 So Behrenbeck, 1996, S. 301 ff.

333 Behrenbeck, 1996, S. 313 ff.; vgl. Woweries, 1934, S. 19 ff.

334 Woweries, 1934, S. 19.

335 Zit. Behrenbeck, 1996, S. 320.

336 Denzler, Georg, Wenn Gottesgelehrte völkisch denken. Vom christlichen Antijudaismus zum Antisemitismus, SZ vom 21.12.1996, gibt einige bedrückende Beispiele. Vgl. allg. Endres, 1989.

337 Zit. Schlund, 1923, S. 68.

338 Ich selbst habe mich auch darum bemüht; Piper, 1997, S. 115 ff.

339 Großdeutschland, 1970, S. 222 f.

340 Rosenberg, Weltanschauung und Glaubenslehre, 1938, S. 1045.

341 Rosenberg, Seelische Tragik, VB vom 9.9.1927, wiedergegeben in: Kampf um die Macht, 1937, S. 536.

342 Vondung, 1997, S. 35.

343 Vgl. Rißmann, 2001, S. 196 f.

344 Nationalsozialismus und Unsterblichkeitsvorstellung, 21.2.1942; BDC Akte Rosenberg.

345 Ebd.

346 Algermissen, 1934, S. 363. Zu Algermissen Baumgärtner, 1977, S. 176 ff.


Der Autor

ERNST PIPER


geb. 1952 in München;
Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie; Promotion in Geschichte; Historiker und Publizist.



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