Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331

ONLINE-EXTRA Nr. 78

Juli 2008

Das heutige ONLINE-EXTRA ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich und zwar in Blick auf das Thema ebenso wie auf den Verfasser des Betrags - und bedarf daher einiger erläuternder Informatonen vorab.

Im Jahre 2002 erschien der erste des auf zwei Bänden angelegten Werkes "Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre." Bemerkenswert an diesem Projekt ist, dass es gewissermaßen eine aktualisierte Fortführung des 1932/33 erschienenen Werkes "Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre" von Isisor Fischer darstellt, das seiner Zeit als Spitzenleistungen der Medizingeschichte galt. Fischer selbst hatte Aktualisierungen des Lexikons geplant, konnte diese aber nicht ausführen. Er musste als österreichischer Jude 1938 emigrieren und starb 1943 in Bristol. Der Medizinhistoriker Dr. Peter Voswinckel hat nun die in Fischers Lexikon weit über 4.000 versammelten Lebensläufe fortgeschrieben und als einzige Ergänzung den Lebenslauf Isidor Fischers hinzugefügt.

Diese so nüchtern anmutende "Aktualisierung" des Lexikons barg freilich für den Medizingeschichtler Voswinckel Herausforderungen in sich, die mitten in die menschheitsgeschichtliche Tragödie des 20. Jahrhunderts hineinführte: Die Vertreibung und Vernichtung der europäischen Juden, von denen jüdische Ärzte und Ärztinnen, die in Fischers 1933 publiziertem Ärztelexion noch weitgehend unbeschadet vertreten waren, ja nicht minder getroffen wurden. Betrachtet man die Geschichte dieser Personengruppe nach 1933, so wurden über 400 Personen als Juden in die Emigration gezwungen, deportiert oder ermordet. Hinzu kommt die andere Seite dieser biographischen Medizinergeschichte, die "Täterseite", denn nicht wenige "arische" Ärzte und Ärztinnen profitierten von der Vetreibung und Ermordung ihrer jüdischen Kollegen, sie übernahmen Praxen, Kliniken, Lehrbücher etc. In der biographischen Akutalisierung der im Lexikon vertretenen Ärzte und Ärztinnen musste Voswinckel sich demzufolge mit allen Problemen auseinandersetzen, die mit einer Aufarbeitung von "Täter"- und "Opfer"-Biographien nach 1945 unweigerlich behaftet sind. Voswinckel entledigte sich dieser Herausforderung in konzeptioneller wie stilistischer Hinsicht auf vorbildliche Weise und legte mit dem ersten Lexikonband ein Werk vor, das - wie ein Kritiker betonte - "in der zeitgeschichtlichen medizinhistorischen Forschung unverzichtbar werden dürfte". Um so bedauerlicher, ja, gleichermaßen beschämend und skandalös bleibt die Tatsache, dass der zweite Band dieses biographischen Lexikons aufgrund fehlender Finanzierung bis heute nicht erscheinen konnte.

Wie auch immer, angeregt von diesem biographie- und realgeschichtlichen Hintergrund der deutschen Medizingeschichte befasste sich Voswinckel sodann mit einem - wenn man so will - Seitenstrang jener Geschichte, dessen Erforschung im Mittelpunkt seiner Arbeit stand. Ebenfalls im Jahre 2002 erschien im Mabuse-Verlag (Frankfurt) die von A. Scholz und C. P. Heidel herausgegebene Aufsatzsammlung "Das Bild des jüdischen Arztes in der Literatur" (siehe Anzeige im ONLINE-EXTRA-Text), zu der Voswinckel einen ebenso informativen wie lesenswerten Beitrag leistete, der heute online exklusiv als ONLINE-EXTRA Nr. 78 im COMPASS erscheint: "Von Dr. Sammet (Thomas Mann) bis Dr. Semig (Uwe Johnson). Das Scheitern der deutsch-jüdischen Assimilation im Spiegel literarischer Arztfiguren". Was Voswinckels Beitrag im Besonderen auszeichnet, bringt der Mainzer Medizingeschichtler Prof. Kümmel treffend wie folgt zum Ausdruck: "Daher scheint es auch vom Forschungsstand her ebenso berechtigt wie aussichtsreich, nach der  Gestalt des jüdischen Arztes in der Literatur zu fragen. Die bisherigen Arbeiten zum Bild einerseits der Juden, anderereseits des Arztes in der Literatur haben das Thema, wenn überhaupt, dann nur am Rande berührt; systematisch und auf breiter Quellenbasis ist es noch nicht in Angriff genommen worden. Das Verdienst, erstmals einen knappen Überblick über ein wichtiges Teilgebiet des Themas versucht zu haben, gebührt Peter Voswinckel...."

Erwähnt sei abschließend, dass Dr. Voswinckel ausdrücklich an Reaktionen, Ergänzungen, Meinungen zu seinem Beitrag von Leserseite und einer entsprechenden Kontaktaufnahme interessiert ist. Wenn Sie also, liebe Leserinnen und Leser, mit dem Autor des heutigen ONLINE-EXTRAs Kontakt aufnehmen wollen, wenden Sie sich bitte an: redaktion@compass-infodienst.de. Ihr Schreiben wird dann umgehend an den Autor weitergeleitet.

COMPASS dankt dem Autor und dem Mabuse-Verlag für die Genehmigung zur Online-Wiedergabe an dieser Stelle!

© 2008 Copyright bei Autor und Verlag 
online exklusiv für ONLINE-EXTRA


Online-Extra Nr. 78


Von Dr. Sammet (Thomas Mann) bis
Dr. Semig (Uwe Johnson)


Das Scheitern der deutsch-jüdischen Assimilation im Spiegel
literarischer Arztfiguren


PETER VOSWINCKEL



Nicht spielerische Neugier und intellektuelle Lust am wechselvollen Feuilleton gaben den Anstoß zu dieser Arbeit, auch nicht ein primär germanistisch-literarhistorisches Interesse, noch weniger ein dem Zeitgeist verpflichteter philosemitischer Profilierungswunsch; auch geht es nicht um eine wohlfeile Pflichtübung im aktuellen Diskurs über die ”Erinnerungskultur” – obgleich dieser Beitrag sehr wohl im Zusammenhang damit gesehen werden kann. Nein, Anstoß bildeten allein die Ratlosigkeit und innere Not des Verfassers; eines Medizinhistorikers, der angetreten ist, ein biographisches Lexikon aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zu bearbeiten, jenes weltweit verbreitete ”Biographische Lexikon hervorragender Ärzte”, wie es zuletzt am Vorabend des ”Dritten Reiches” 1932/33 unter der Autorschaft von Isidor Fischer in Wien erschien.1 Ein Lexikon, in dem jede 6. Biographie (in Deutschland jede 5., in Polen jede 3., in Österreich nahezu jede 2.) die eines Wissenschaftlers ist, der kurze Zeit später, mit dem Stigma des ”Juden” behaftet, aus der ”Scientific Community” ausgestoßen wurde.2 

Bis heute hat die wissenschaftliche Biographik keine Antwort darauf gefunden, wie mit diesen ”abgebrochenen Lebensläufen” umzugehen sei.3 Lange Zeit begnügten sich medizingeschichtliche Darstellungen mit dem Verweis auf das ”Unsagbare”, ”Unbegreiflliche”, (”ein angesichts seiner Unmenschlichkeit nur schwer zu beschreibender Abschnitt der Geschichte der Medizin”4). Mittlerweile hat die allgemeine Geschichtswissenschaft Unmengen an Informationen über die Zeit des Nationalsozialismus zusammengetragen, doch blieb die Biographik in auffallender Weise defizitär.5 Offensichtlich sprengte jener ”Zivilisationsbruch”6 auch alle Vorstellungen von ”Biographie”, wie sie sich in der Neuzeit unter dem bürgerlichen Ideal zivilisatorischen Fortschrittsdenkens herausgebildet haben. Der Versuch, jeder Einzelbiographie qua Wissenschaft eine innere Konsistenz, Logik und Sinnhaftigkeit zu geben, muß zwangsläufig mißlingen, und es scheint, als hätten wir eine Grenze der sprachlichen Verständigung erreicht. ”Wer vom Holocaust spricht, muß daher zugleich das Scheitern jedes adäquaten Begreifens und Vermittelns seines Gegenstands mitdenken”7: Ein heutiger Biograph sieht sich mit bisher nicht dagewesenen Gegebenheiten konfrontiert, als da sind: die Gefahr der erneuten Stigmatisierung der Opfer durch Zuweisung zu einer Opfergruppe, deren Definition alles andere als eindeutig ist; dann das für einen Nachgeborenen der Tätergesellschaft schier unlösbare Problem, tausendfach erlittenes fremdes Leid angemessen darzustellen, ”ohne eine – sentimentale oder kaltschnäuzige – Identifizierung mit der Opferperspektive anzunehmen”8; umgekehrt die Aufgabe, Kategorien zu finden, welche Opfern und Tätern gerecht werden, ohne zugleich der Mode permanenter Schuldzuweisung an ”die” Deutschen zu verfallen. Dabei müßten wir uns in allen Fällen den Unterschied zwischen wissenschaftlicher und literarischer Aussage gegenwärtig halten.


Die Frage nach den Radieschen oder: Wider die Diskretion des Unkonkreten

Wissenschaftliche Rede über Einzelpersonen, wie sie sich in ungezählten ”Who’s Who” oder Nationalbiographien (ADB, NDB, DBE) präsentiert, ist gekennzeichnet von dem Bemühen um Objektivität und Knappheit der Darstellung. Name, Geburtstag und Todesdatum bilden die Eckdaten, zwischen denen die wichtigsten Stationen aufgereiht sind, bei Ärzten in der Regel Studium, Habilitation, Emeritierung, Publikationen, Auszeichnungen etc. Für jüdische Wissenschaftler hat diese kanonisierte Abfolge eine Erweiterung erfahren. So, wie Heuer und Wolf9 im Entzug der Lehrbefugnis den entscheidenden Wendepunkt sehen, so kaprizieren sich andere Autoren auf den Verlust der ärztlichen Approbation [1938], den Zeitpunkt von Emigration oder Deportation. Sind diese Kategorien aber hinreichend? Und hat es einen Sinn, die immer gleiche Abfolge von Daten (mit nur leichten Abweichungen) immer neu zu beschwören? Verleihen diese nicht, tausendfach wiederholt, dem Ungeheuerlichen eine Scheinlegitimität und suggerieren Erklärung für etwas, das sich dem Erklären entzieht? ”Wegen seiner jüdischen Herkunft emigrierte x im Jahre y”. Diese oft anzutreffende Formulierung10 würde ich geradezu für einen Mißbrauch der Kausal-Präposition halten. Denn das eigentlich haftbar zu machende historische Subjekt, das dem Diskreditierten ein bestimmtes Verhalten aufnötigt, kommt in dieser Wendung gar nicht mehr zur Sprache, vielmehr wird ihm, dem Opfer, auch noch die Verantwortung für den Lauf der Dinge aufgebürdet. Von einer Freiheit der Entscheidung konnte ja doch längst keine Rede mehr sein!

Eine weitere sprachliche Klippe: ”Gestorben am 26. April 1943 in Dresden”, markiert sachlich korrekt das Lebensende von Prof. Heinrich CONRADI (evang.), Bakteriologe an der TH Dresden seit 1913. Durch Zufall erfahren wir aber aus den jüngst zum Bestseller avancierten Tagebüchern Viktor Klemperers, daß der ”Volljude” CONRADI (laut Definition der Nürnberger Gesetze) beim Kauf eines Bundes Radieschen verhaftet wurde und in Gestapo-Gewahrsam am Ostermontag 1943 Suizid beging.

Radieschen galten laut ”Gesetz über Abgabe von Lebensmitteln an Juden” vom 31.5.1942 als Mangelware; ihr Kauf war Juden untersagt; außerdem verbot eine Verordnung vom 1.6.1942 den Juden das Betreten der Markthallen Antonsplatz und Dresden-Neustadt.

Daran also dürfte CONRADI sterben”.11 Wo aber finden diese «Radieschen» in biographischen Kompendien ihren Platz? Ist es zulässig, um wissenschaftlicher Kürze willen dieses Detail fallenzulassen und damit aus dem zukünftigen Wissensbestand zu eliminieren? Sind es nicht gerade diese konkreten Details, die die ganze Absurdität und Wahnhaftigkeit jener Zeit erst vor Augen führen? Mut zum Detail, zum Bruchstück, fordert Horst Bienek in seinem Gedicht ”Sagen Schweigen Sagen”: ”Ohne das Sagen gibt es nichts/ wenn ich nicht das/ was geschehen ist/ sage erzähle oder beschreibe/ ist das Geschehen/ überhaupt nicht geschehen [...]/ Bruchstück für Bruchstück/ niemals wird es das Ganze sein”.12 Ermutigung auch aus einer anderen Richtung, welche die Grenzen, die uns Heutigen gezogen sind, durchaus anerkennt und daraus Schlußfolgerungen zieht: In der Erzählung ”Eine Reise” – nach Joachim Campe13 das wohl bedeutendste epische Werk, das in deutscher Sprache über Deportation und Lager geschrieben worden ist – läßt H[ans] G[ünther] Adler14 den Erzähler sagen: ”Verstehen muß man nicht. Es gibt nichts zu verstehen. Wissen muß man es, weil es gewesen ist“.15


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Wirklichkeit, Wahn und Wissenschaft

Die Hauptperson in H.G. Adlers 1950/51 niedergeschriebener Erzählung ist der praktische Arzt Dr. Leopold LUSTIG, der mit seiner Familie ”abgeholt” und in ein Lager deportiert wird. Nur schattenhaft deutet Adler in ”Eine Reise” die Umrisse der Wirklichkeit an. Durch seinen unkonventionellen, geradezu lyrischen Stil des Erzählens entsteht eine Atmosphäre alptraumhafter Unwirklichkeit, gemäß dem an mehreren Stellen wiederholten Schlüsselsatz: ”Das ist alles nicht wahr”. Anders als Rechtsanwälte oder Naturwissenschaftler, vermag der Mediziner den Krankheitsgehalt dieses Wirklichkeitsverlustes zu erkennen. Das Auseinanderfallen von Ratio und Lebenssinn, das ”Abreißen der Verständlichkeit”, macht nach dem Psychiater Kurt Schneider das Wesen der Psychose aus. Auch Dr. LUSTIG kann sich die Vorgänge nur erklären durch das Umsichgreifen eines wahnhaften Prozesses:

„Jetzt ist Leopold kein Arzt mehr. Die Welt, in die er mit seinem Fleiß und seiner Tüchtigkeit gestellt war, ist langsam erst erkrankt und dann gestorben. Es handelte sich um ein Leiden, das der Doktor zunächst kaum bemerkt und später nie vollkommen verstanden hat. Vor allem sah er nicht, daß man diesem Übel mit kräftigen Medizinen hätte zu Leibe rücken müssen, denn darüber stand nichts in seinen dicken Büchern, nichts in seinen Fachzeitschriften. [...] Das gehörte zur Psychiatrie, von der Leopold nie etwas gehalten hatte. [...]  Das Übel war schleichend gekommen, ohne Anzeichen voranzuschicken, die der medizinischen Welt bekannt geworden wären, aber plötzlich waren alle krank, es war die erste epidemische Geisteskrankheit, doch niemand hat es sofort bemerkt, niemand gespürt, die Patienten nicht und nicht die Ärzte. [...] Ja, hätten sie [die Psychiater] etwas getaugt, dann hätten sie warnen und die Fälle rechtzeitig mit eingehenden Krankengeschichten publizieren müssen, aber alle Pflichten wurden verabsäumt, die Verbreitung der Epidemie wurde  nicht verhütet, Meldungen an die Behörden wurden unterlassen, in den Ärztevereinen wurde nicht gewarnt, selbst die Professoren an den hohen Fakultäten haben geschwiegen. Niemand wußte Bescheid, sogar die sanitären Ämter, das Gesundheitsministerium voran, haben nicht das geringste getan, um dem drohenden Unheil entgegenzuwirken. [...] ”Total verrückt!” Aber das ist keine klinische Diagnose, sondern Laiengeschwätz, das die Würde der ernsten Medizin in Frage stellt, und traurig läßt die Hand das Stethoskop sinken.16 

Dr. LUSTIG hat stets nur für seine Praxis und die Patienten gelebt. Was jetzt geschieht, begreift er nicht mehr. Er spricht davon, daß er mit der Familie auf Reisen gehen muß. Auch im Lager lernt er nicht um, sondern klammert sich an die Vergangenheit: Innerlich lebt er weiter in der Welt der Zivilisation und der sinnvollen Ordnung. Und als er sich zur ”Tausendschaft der Greise” meldet, die den Unrat aus dem Lager fortschafft, redet er sich ein, daß er weiter seinem alten Anliegen diene: der Sauberkeit und der Hygiene, der Fürsorge für die Menschen. Schließlich stirbt er an Entkräftung.

Stetig wiederkehrend durchzieht die Diagnose eines psychopathologischen Geschehens die ärztlichen Äußerungen über das ”Dritte Reich” in der zeitgenössischen – schöngeistigen wie autobiographischen – Literatur. ”Woran dieses Volk leidet, Mann, das ist eine akute Erkrankung”, poltert der alte Geheimrat Lorenz in Feuchtwangers ”Geschwister Oppenheim” und bekundet damit in zorniger Konsequenz seine Solidarität mit dem entlassenen Laryngologen Edgar OPPENHEIM. ”Ärztlich betrachtet ist der Antisemitismus eine zyklische Psychose, an der manisch-depressive Völker von Zeit zu Zeit leiden” – bekundet die Stimme von Hofrat Nothnagel bei Franz Werfel. ”Mania halucinatoria epidemica”, diese Diagnose flicht auch der Arzt-Schriftsteller Friedrich Wolf in sein Drama ”Professor MAMLOCK” ein und läßt im Gegenzug die Kollegin Dr.med. Inge RUOFF ausführen: ”Das alles hat mit dem Verstand nichts mehr zu tun. Hier scheidet Tüchtigkeit, Disziplin, Schuld oder Nichtschuld aus, hier sprechen Blutskräfte, und Blut ist Schicksal”. Aus der Sicht seines New Yorker Exils notierte der Berliner Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert, dessen Bücher über Dunant und Hahnemann heute zum festen Repertoire der Medizingeschichte zählen:

„Was wir in Europa erleben, ist eine Form von Wahnsinn, eine Paranoia der Macht, die einen Kontinent mit ihrem Wahn angesteckt hat. Der Schock des Krieges wird möglicherweise die Psychose zum Stillstand bringen, aber der grundsätzliche Defekt wird bleiben.17

Es überrascht nicht, daß diese Art von Zuweisung eines krankhaften, ”grundsätzlichen” Defekts in der Nachkriegszeit auf taube Ohren stieß. Als H.G. Adlers ”Reise” 1962 erstmals auf dem Markt erschien, blieb das Buch in der Öffentlichkeit, auch in ärztlichen Kreisen, gänzlich unbemerkt und konnte sich nicht durchsetzen gegen bundesdeutsche "Vergangenheitsbewältigung". Die deutsche Ärzteschaft hatte in den ”Nürnberger Ärzteprozessen” ihre Schuldigen gefunden und ging mit aufgekrempelten Ärmeln zur Tagesordnung über. Diese selbstdefinierte Normalität war jedoch von Anfang an einseitig. Das eigentliche Schisma blieb bestehen: der Tatbestand nämlich, daß für Tausende von Familien die deutsche Kultur, die einst für Humanismus und Aufklärung gestanden hatte, de facto eine Quelle von Zerstörung und Selbstzerstörung geworden war. ”Ihre Heimat, ihr Deutschland, hat sich als Betrügerin erwiesen”, resümierte Feuchtwanger im Schlußkapitel der  ”Geschwister Oppenheim”, als der jüngste der Brüder in die Emigration aufbricht.

Dem Urteil der solchermaßen Exilierten und ”Betrogenen” ist Gewicht zuzumessen, ein Gewicht, das in den ersten Nachkriegsjahren systematisch ausgeklammert oder abqualifiziert wurde. – Die eben zitierte Wahnsinns-Diagnose aus der Feder Martin Gumperts wird an Wucht womöglich noch übertroffen von seiner weiterreichenden Prognose: Auf die Überlegung, ob er sich eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen könne, antwortet er:

„Für die nächsten hundert Jahre wird Europa ein Irrenhaus sein, seine Einwohner müssen wie Patienten behandelt werden. Was mich betrifft, so liegt mir nichts daran, unter Irren zu leben.18

Ähnlich äußerte sich auch der nach Stockholm ausgewanderte Arzt Max Hodann, als er sich nach dem Krieg weigerte, in die ”psychopathologisch verseuchte Umgebung” Deutschlands zurückzukehren19 (bekanntlich setzte Peter Weiss Hodann ein Denkmal in seinem dreibändigen Roman ”Ästhetik des Widerstands”).

Bisher sind gerade zwei Drittel der von Gumpert apostrophierten hundert Jahre vergangen. Nach einer ”irrwitzigen” Walser-Debatte und einem prolongierten Denkmalstreit ist der öffentliche Diskurs in Deutschland gegenwärtig geprägt von einem hilflosen Ringen um Gedenk–und Trauerrituale einerseits, von der Frage nach Entschädigungszahlungen und von der Abwehr rechtsradikaler Strömungen andererseits. Daneben stellt jede Tagesschau mit ihren Berichten aus Nahost unsere fragile Sympathie für das Land Israel auf die Probe und evoziert alte Vorurteile. Die Medizingeschichte, noch bevor sie die Schicksale der ausgegrenzten jüdischen Ärzte auch nur annähernd aufgearbeitet hat, ist von einengender Ökonomisierung gleichermaßen bedroht wie von inhaltlicher Umorientierung (in Richtung Bio-Ethik). Bei all diesen Verkrampftheiten unterliegt auch das Bild des ”jüdischen Arztes” der Gefahr, zu Stereotyp und Klischee zu verkommen. Im klinischen Bereich, in Publizistik und Wissenschaft begegnen wir Historisierung und Idealisierung ebenso wie Verzerrung, Gleichgültigkeit oder Überdruß. Beides verstellt den Blick auf die Wirklichkeit.


Literatur als Spiegel der Wirklichkeit

In dieser Situation mag es hilfreich sein, die zeitgenössische Literatur heranzuziehen und dabei speziell den Blick auf die Darstellung des jüdischen Arztes in Roman und Drama des 20. Jahrhunderts zu werfen. ”Literatur zeigt nicht nur die Wirklichkeit, wie sie ist: Sie zeigt die Spannung zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte und sein sollte”, formulierte Hilde Domin in einem Essay 1979.20 Im Unterschied zu historischen Darstellungen, die die Ereignisse zwangsläufig retrospektiv, d.h. mit dem Wissen um „Auschwitz" berichten, vermögen literarische Zeugnisse ein authentisches Stimmungsbild zu liefern, in denen zugleich Wünsche und Hoffnungen, aber auch Vorurteile, überlebte Borniertheiten und Illusionen festgehalten sind. Diese müssen vom rezipierenden Leser freilich erst zu einem Ganzen zusammengefügt werden, worauf Dietrich von Engelhardt hinwies: ”Literatur geht in der Wiedergabe der Wirklichkeit aber nicht auf und ist auch nicht Wissenschaft, sie stellt eine Welt für sich dar, mit eigener Tradition, eigenen Gesetzen und eigener Bedeutung”.21 Um wieviel mehr gilt dies für die einzigartig in Tradition verflochtene jüdische Welt, deren Bild seit Jahrhunderten mit dem der Diaspora verbunden war und deren Aufbruch in Emanzipation und Assimilation in Deutschland gerade erst begonnen hatte!22

Zweckmäßigerweise müßten bei unserer Betrachtung drei Zeitabschnitte voneinander unterschieden werden:


• Von der Jahrhundertwende bis 1933 – mit Beispielen praktizierter Assimilation (bei Fontane, Th. Mann, Schnitzler, A. u. St. Zweig u.a.).
• Die Phase unmittelbar nach 1933, als zahlreiche deutsche Schriftsteller in ihrem Exil zur Feder griffen (Bruckner, Wolf, Feuchtwanger, A. u. H. Döblin u.a.):
Jahre der Bedrohung und Neuorientierung.
• Die Nachkriegszeit nach Bekanntwerden der Shoah; eine Zeit, die von Apologetik (Goes, Zuckmayer, Kellermann) ebenso geprägt war wie von dem verzweifelten Bemühen, das Unsagbare von ”Auschwitz” und ”Holocaust” überhaupt erst in Worte zu fassen (Adler, Sylvanus, Johnson, Tabori).

Alle Autoren zusammen ermöglichen ein facettenreiches und differenziertes Bild des ”jüdischen Arztes” und seiner Stellung in der deutschen Gesellschaft. (Autobiographische Literatur wurde hier, mit Ausnahme der Tagebücher Viktor Klemperers, ausgeklammert). In einem ersten Durchgang fand ich 45 individuell gezeichnete und mit Namen benannte Arztfiguren; sie gehören sämtlich der gleichen Generation an, wie sie Isidor Fischers ”Biographisches Lexikon” präsentierte, nämlich den Geburtsjahrgängen zwischen 1860 und 1910 (Referenz siehe Übersicht in der Anlage am Schluß dieses Beitrags). Sicher ließe sich die Zahl der literarischen Beispiele mit Leichtigkeit erhöhen. (Insofern versteht sich meine Auflistung ebenso als Anregung zu Lektüre und Unterricht wie als Bitte um ergänzende Hinweise an den Verfasser.) Aus der Fülle der möglichen Untersuchungsgegenstände seien einige Beobachtungen herausgegriffen.











A. Scholz / C. P. Heidel (Hg.)
DAS BILD DES JÜDISCHEN ARZTES IN DER LITERATUR



Mabuse Verlag
Frankfurt/M. 2002
177 Seiten
Preis: EUR 8.95
(alter Preis: 18 EUR)
Rest-/Mängelexemplar 



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Dieses Buch setzt sich mit der Darstellung des jüdischen Arztes in Literatur, Theater und Film auseinander. Die intellektuelle Debatte um Ethik und Moral wird nachvollzogen, und es wird beschrieben, wie von der Literatur aus dem Judentum entlehnte Begriffe und Beschreibungen jüdischer Ärzte zur Beurteilung, Vermittlung und Durchsetzung sozialer Normen und Verhaltensweisen genutzt worden sind.

Die Herausgeber:

Albrecht Scholz, geb. 1940, ist Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin an der Technischen Universität Dresden.

Caris-Petra Heidel, geb. 1954, ist Medizinhistorikerin an der Technischen Universität Dresden.



Professionalität und Erfolg

Ein für alle porträtierten jüdischen Ärzte charakteristischer Wesenszug, der dem unbefangenen Leser nicht verborgen bleiben kann, ist deren hohe Professionalität und ausgeprägte Weltzugewandtheit. Sei es der Universitätsprofessor oder Krebsforscher, der städtische Chef–oder (in Österreich:) Primararzt oder der praktizierende Landarzt: Beruflicher Erfolg, innovative Entdeckungen, bahnbrechende Lehrbücher, Anerkennung und fachliche Wertschätzung gelten als durchgängige Attribute, gepaart mit einer außergewöhnlichen Hingabe an die medizinische Wissenschaft. Ihr ”Jude-Sein” spielt im beruflichen Alltag keinerlei Rolle, jegliche Hinweise auf jüdische Traditionen, auf alttestamentarische und religiöse Bräuche sind sekundär, d.h. gehen auf antisemitische Provokationen von außen zurück (beginnend bei "Prof. BERNHARDI") oder auf naive Zuschreibungen von seiten nichtjüdischen Autoren (z.B. Goes).23 Nur ein einziges Mal wird ein Arzt, der linksorientierte Dr. HOMLINSKI (Graf), explizit als "streng jüdisch-orthodox" dargestellt ("Wenn er auch überzeugter Sozialist war, ganz gehörte er nirgends hin. Vielleicht aus diesem Bewußtsein der Einsamkeit heraus [...] blieb er streng orthodox jüdisch")24. Für alle aber gilt das Credo, wie es Feuchtwanger seinem Dr. OPPENHEIM in den Mund legt: ”Es gibt keine deutsche Medizin, es gibt keine jüdische Medizin, es gibt Wissenschaft, und sonst nichts.”

Er [Dr. Oppenheim] war nicht Jude, nicht Christ, nicht Semit, nicht Arier, er war Laryngologe, Wissenschaftler, und gehörte zu den zehn öder zwölf deutschen Ärzten von Weltruf.“25
Ähnlich Professor MAMLOCK bei wiederholten Szenen in seinem Operationssaal:
Hier in meiner Klinik endet die Politik, hier herrscht die Wissenschaft. [...] Bei unserer Arbeit gibt es nur Ärzte und Kranke, Ärzte und Kranke, sonst nichts!“26
Weitere Beispiele:
[BENDA] „Er fühlte sich als Arzt, als Österreicher, als Wiener, fühlte sich als Jude nur zuallerletzt: Universitätsprofessor und Hofrat Dr. Heinrich von Benda, der weltberühmte Chirurg und Spezialist für die Erkrankungen der Nieren und Harnwege, Vorstand der nach ihm benannten Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. [...]  Seine zweibändige Arbeit ‘Nephrosklerose’ war an allen Hochschulen das maßgebende Lehrbuch der modernen Urologie.“27
[KIRSCHBAUM]  „Er war eine regelrechte Berühmtheit mit Stempel und Unterschrift und tausend Ehrungen, Chef eines Krakauer Krankenhauses, gesuchter Herzspezialist. Vorträge an Universitäten in aller Welt, fließend Französisch, Spanisch und Deutsch, er soll mit Albert Schweitzer in lockerem Briefwechsel gestanden haben.“28
[FAHLE] „Er war Internist und Röntgenologe im städtischen Krankenhaus, ein ausgezeichneter Arzt und als Röntgenspezialist eine internationale Kapazität. In seinen Gasträumen hatten schon englische Lords, Nobelpreisträger, Mitglieder der französischen Akademie wiederholt viele Tage und Wochen gewohnt.29
[ARZT VON WIEN] „Ich hab’ viele Tausende behandelt, Könige, Millionäre, Schnorrer, Christen, Juden, Maharadschas und sogar Nazis. Vor Gott und dem Arzt sind alle Menschen gleich...30 

Inwieweit all diese großartigen Leistungen durch die Außenseiterrolle des Juden befördert wurden, thematisierte erstmals Thomas Mann (damit zugleich seine Wesensverwandtschaft mit dem künstlerischen Außenseiter zum Ausdruck bringend), indem er den jungen Doktor SAMMET auf die Frage des Großherzogs, ob er als Jude beruflich benachteiligt sei, antworten läßt:

Kein gleichstellendes Prinzip, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, wird je verhindern können, daß sich inmitten des gemeinsamen Lebens Ausnahmen und Sonderformen erhalten, die in einem erhabenen oder anrüchigen Sinn vor der bürgerlichen Norm ausgezeichnet sind. Der Einzelne wird guttun, nicht nach der Art seiner Sonderstellung zu fragen, sondern in der Auszeichnung das Wesentliche zu sehen und jedenfalls eine außerordentliche Verpflichtung daraus abzuleiten. Man ist gegen die regelrechte und darum bequeme Mehrzahl nicht im Nachteil, sondern im Vorteil, wenn man eine Veranlassung mehr, als sie, [sic!] zu ungewöhnlichen Leistungen hat. Ja, ja.“31

Nicht von ungefähr wies Ruth Klüger darauf hin, daß Dr. SAMMET neben allen Leo Naphtas, Fitelbergs, Rosenstiels und anderen jüdischen Gestalten die einzige sympathische im Werke Thomas Manns ist (abgesehen von seinen biblischen ”Joseph”-Figuren): Zum Zeitpunkt der Niederschrift des Romans "Königliche Hoheit" herrschte in den bürgerlich-intellektuellen Kreisen noch der Optimismus vor, daß vollständige Assimilation die baldige ”Lösung der Judenfrage”32 herbeiführen könne: ”Endlich Volldeutscher, endlich Vollfranzose, endlich Vollengländer zu werden, und wenn es auch nur Vollkameruner ist, nur nicht dieser jüdische Schatten”.33 


Deutsch, deutsch, deutsch

Das Bekenntnis zur deutschen Kultur ist denn auch das zweite, immer wiederkehrende Leitmotiv. Sei es der explizite Rekurs auf die deutschen Klassiker, auf die Monarchie und deren Nachfolger (MAMLOCK ist Mitglied des ”Hindenburg-Komitees”) oder auf den Frontdienst im Ersten Weltkrieg als den wahren Prüfstein nationaler Gesinnung. Der Hinweis auf das "Eiserne Kreuz" ist ein immer wiederkehrender Topos – wenn auch bisweilen versteckt und in Nebenszenen gekleidet – und korrespondiert aufs treffendste mit jenem elementaren "Kriegserlebnis", das nach Kurt Sontheimer für das Selbstbild einer ganzen Akademiker-Generation konstitutiv war.34 

[MAMLOCK/ Schwester Hedwig] „Nichts Etappe! Der Herr Professor hat mehr Pulverdampf geschmeckt als Chloroform, der stand die vier Jahre vorn bei der Truppe, bekam schon 1916 das EK I, nach der Schlacht an der Somme.35
[KARTHAUS] „K.u. k. Oberarzt Dr. R. Karthaus, Wien, der in Galizien, Mazedonien, am Isonzo und schließlich mit den schweren österreichischen Mörsern vor Verdun Dienst tat.36
[KORCZAK] Erster Schauspieler: „Das Eiserne Kreuz...“
Zweiter Schauspieler: „Erster Klasse. Ja, es befindet sich auch unter den Auszeichnungen.“
Erster Schauspieler: “Das ist nicht möglich! Sie haben es sich ergaunert!37
[LARSEN] „Unsere Brüder Hermann und Jakob deckt in Flandern die Erde.38
[HOMLINSKI] „Als junger Medizinstudent rückte er 1914 ins Feld für sein Vaterland...“39
[SEMIG] „Mochte Dr. Semig doch zu Kaisers Geburtstag seine Kriegsauszeichnungen durch die Stadtstraße tragen...40
[Frau von KAMMER] „Wer behauptet, ein Jude könne kein guter deutscher Patriot sein, der ist ahnungslos, oder er lügt.“41

Analog ist es bei Schnitzler [1912] der Schmiß im Gesicht, der für den konvertierten Dr. SCHREIMANN das höchste Gütesiegel nationaler Gesinnung darstellt und ihn sogar die jüdische Loyalität zu dem bedrängten Prof. BERNHARDI aufkündigen läßt.


Attribute der Assimilation

Große Aufmerksamkeit finden – insbesondere bei als jüdisch geltenden Autoren – weitere phänotypische Ausprägungen der scheinbar geglückten Assimilation: Die christliche Taufe (häufig verbunden mit einem Namenswechsel), das Eingehen einer ”Mischehe” mit arisch-nordischen Ehefrauen und das großbürgerliche Ambiente als äußeres Zeichen des Erfolges (häufig kontrastiert durch Betonung der ostjüdischen Herkunft). Charakteristisch etwa die Bühnenbild-Anweisung, mit der Hugo Döblin, der ältere Bruder von Alfred Döblin, in seinem Drama „Goliath erschlägt David“ die Wohnung seines Protagonisten, des erfolgreichen Berliner Krebsforschers LARSEN, ausstattet, der – wie wir aus einem Aperçu der Tochter wissen – wohl ebenfalls aus dem Osten zugezogen ist ("Du vergißt, daß deines Vaters Wiege nicht in Potsdam gestanden hat"42).

Elegantes Herrenzimmer: Ein breiter Klubsessel steht vor einem mächtigen Schreibtisch. An den dunkeltapezierten Wänden goldumrahmt zwei Ölgemälde: Professor Georg Larsen im Gehrock, Frau Anne-Marie in schwarzem Seidenkleid, die rechte Hand hält einen Fächer. Smyrna und Perserbrücken heben jedes Echo auf. Eine kleine Ecke mit einem runden Tisch, Stehlampe und Klubsessel, ladet ein zum Plaudern. Klassiker, Wissenschaftler, Philosophen füllen die offene Bibliothek. Westminsterglockenschläge geben die Zeit. Breites Kerzenlicht aus dem Speisezimmer nebenan glitzert durch die bunten Glasscheiben der hohen Schiebetüren. Die lange weiße Tafel im festlichen Schmuck trägt die Tischkarten der geladenen Gäste.“43 

Für das Fest seines 60. Geburtstags liefert die Stadtküche von Kempinski das Menü („Kaviar mit Toast,  Schildkrötensuppe, Forelle à la reine, Poularde garniert, Eisbombe44).

Das Vorliegen einer ”Mischehe” findet vielfältige, oftmals detailreiche Be–und Umschreibungen (bei LARSEN kommt sie z. B. erst durch Äußerungen der mißgünstigen Schwägerin ans Licht). Aus erzähltechnischen bzw. dramaturgischen Gründen werden aufbrechende Konflikte häufig in die Generation der Kinder verlagert, wobei schon deren Namen Programm bedeuten, etwa "Rolf", "Günther", ”Siegfried” versus "Ruth". Allein in drei Arzt-Familien (MAMLOCK, LARSEN, OPPENHEIM) begegnen wir einer Tochter mit dem biblischen Namen Ruth, welche dann zu ihren Brüdern kämpferische Gegenposition bezieht (reformjüdisch/ zionistisch; zionistisch/ völkisch-national [Larsen jun.] oder kommunistisch [Mamlock jun.]). Die Eltern wähnen sich – mehr oder weniger ausgesprochen – bereits vollständig assimiliert und werden erst 1933 traumatisch mit ihrer Herkunft konfrontiert.

Bei einer Großzahl der jüdischen Ärzte fungierte die christliche Taufe, wie Heinrich Heine einst formuliert hat, als ”Entree-Billett” in die bürgerliche Gesellschaft. Namensänderungen gehen jedoch nicht nur in eine Richtung (Laserson-LARSEN; Davidsohn-WIDSON; Cohn-CONRADI): Larsens Tochter Helga beharrt nach den Ereignissen von 1933 wieder auf dem Namen "Ruth". (So übrigens auch der Name der Oberin des Kinderheims in der Warschauer Krochmalnastraße bei KORCZAK bzw. Sylvanus.)

Das breite Spektrum jüdisch-deutsch assimilierter Identität mit seinen z.T. gegenläufigen Interessen und Gepflogenheiten illustrierte bereits Arthur Schnitzler an dem zwölfköpfigen Kollegenkreis um den Wiener Professor BERNHARDI. In der Regel wurden jedoch solche Spannungen nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Nach außen dominierte bis 1933, wie bei allen anderen Ärzten auch, der Typ des unpolitischen Wissenschaftlers, der allein für seinen Beruf lebte und die daraus erwachsende gesellschaftliche Anerkennung zu akzeptieren und zu genießen verstand.


Und doch...

Obwohl keiner der Ärzte aus unserer literarischen Klientel irgendwelche Extrempositionen vertritt (etwa in Richtung Orthodoxie oder Zionismus), welche noch am ehesten Vorbehalt und Widerspruch auf den Plan rufen könnten, es sich vielmehr durchweg um "anständige", assimilierte Mitbürger handelt (im Sinne der entlarvenden Bemerkung von BERNHARDIs Kollegen, dem Gynäkologen Dr. FILITZ: "Gegenüber anständigen Juden gibt es keinen Antisemitismus") – ist doch allen Darstellungen eine merkwürdige Ambivalenz eigen: die zwischen Anerkennung und Beliebtheit des jüdischen Arztes auf der einen Seite und tiefsitzenden Vorbehalten und Resten einer grundsätzlichen Fremdheit auf der andern. Gerade die Schilderung alltäglicher Begebenheiten auf persönlich-nachbarschaftlicher Ebene – fern von lautstarken Naziparolen – erscheint uns als besonders eindrucksvoll, gibt sie doch Anlaß, unser Verhalten in der heutigen "multikulturellen" Gesellschaft zu überdenken. So legt etwa der alte Papenbrock stets Wert darauf, es in seinen Beziehungen zu Arthur SEMIG beim Geschäftlichen bewenden zu lassen:

Mochte Dr. Semig doch zwei Diplome an der Wand haben und zu Kaisers Geburtstag seine Kriegsauszeichnungen durch die Stadtstraße tragen. Papenbrock hielt es für ausreichend, Semig seine Rechnungen zu bezahlen, und zwar postwendend. [...] Semig ging noch vor Ende des Kaffeetrinkens [...], und bei Bothmers wie bei Papenbrocks galt sein Verhalten noch lange als erstaunlich taktvoll für einen Juden.“45 

Krasser noch die Schilderung bei Ernst Weiss:

Meine Eltern ließen ihn [Dr. Kaiser] zwar immer sofort kommen, wenn er notwendig war, aber sie nannten ihn ein notwendiges Übel. Manchmal waren sie in ihrer Geringschätzung sogar so weit gegangen, nach seinem Fortgehen die Fenster aufzumachen und den Raum zu lüften. Nicht etwa, weil der Arzt einen unangenehmen Geruch verbreitete, sondern weil er Jude war. Meiner Mutter war jeder Jude ”zuwider”, obwohl sie von keinem etwas wirklich Tadelnswertes wußte.“46

Solches Verhalten wurde zum Boden, auf dem antisemitische Propaganda jederzeit fruchtbar werden konnte. Was auch immer Juden taten, lastete man ihnen an und verkehrte es zu Anklage, Verurteilung und Verfolgung – wie es der konsternierte Professor BENDA seinem Sohn im Gespräch entwickelt:

Schlichen sie sich an der Wand entlang, waren sie feig, traten sie aus dem Schatten, waren sie unverschämt; knauserten sie mit ihren Mitteln, waren sie geizig, gingen sie mit dem Geld großzügig um, trumpften sie auf; strebten sie vorwärts, waren sie von Ehrgeiz zerfressen, gaben sie sich bescheiden, fehlte es ihnen an Mut; kämpften sie, geschah es, um Ehren einzuheimsen, kämpften sie nicht, waren sie ehrlos.“47

Auf ihren nackten Kern reduziert, blieb schließlich jene hilflos-trotzige Argumentation übrig, mit der sich Assistenzarzt Dr. HELLPACH (in: „Professor Mamlock“) – und mit ihm die Mehrheit der "deutschblütigen” Ärzteschaft – von dem jüdischen Kollegen und Vorgesetzten abgrenzt:
Dr. HELLPACH: „Jude bleibt Jude! Er wird nie mehr Gelegenheit haben, über einem Deutschen zu stehn!“
MAMLOCK: „Aha, also Furcht, also Furcht vor dem Wettkampf? Also, man wird uns verbieten, auf den Universitäten zu studieren nach unseren Kräften, man will uns verbieten, zu arbeiten, zu denken, zu dichten, öffentlich zu musizieren, man wird unsere Erfindungen nicht anerkennen... aber werden wir Juden dadurch schlechter und werdet ihr andren dadurch besser? Unter sechzig Millionen Deutschen gibt es ganze sechshunderttausend Juden, also gerade ein Prozent, und gegen dieses eine Prozent bietet ihr Himmel und Hölle auf, mit dem einen Prozent werdet ihr nicht fertig, dieses eine Prozent könnt ihr nicht assimilieren?“
Dr. HELLPACH: „Weil wir nicht wollen! Denn unser Volk hat entschieden, und die Entscheidung lautet: "Juden ‘raus!"
48

Das Ende ist bekannt und findet, wie erwähnt, auch in der medizinischen Biographik seinen Niederschlag. Aber ertappen wir uns nicht beim Lesen der Übersicht, wie ich sie im folgenden versucht habe, bei der fatalen Gewohnheit, daß wir die Begriffe ”Schutzhaft”, ”Deportation”, ”Emigration”, wo es um jüdisches Schicksal geht, als selbstverständlich hinnehmen? Um solcher Gedankenlosigkeit und Gefühlsblindheit entgegenzuwirken, sei hier das anfängliche Erleben eines einzelnen Kollegen, des Urologen H. von BENDA (in der Schilderung von Hans Habe), vor Augen geführt, das nicht einer makabren Komik entbehrt:

Der Professor wurde um sechs Uhr morgens von SA-Männern aus dem Bett geholt und in das Polizeigefängnis auf der Rossauer Lände gebracht. Seine Verhaftung überraschte ihn mehr, als sie ihn erschreckte, und sei es auch nur, daß er sich in der Rolle, die zu spielen ihm nun auferlegt war, so fremd fühlte, als hätte man ihm ein Karnevalsgewand umgeworfen. [...] Hätte man ihn mit Strolchen, Mördern, Dieben zusammengesperrt: er hätte vielleicht schneller begriffen, daß das Gesetz nicht mehr galt, weder das Gesetz des Landes noch sein eigenes Lebensgesetz. [...] Das beinahe Komische der Situation – denn so, vorerst, empfand sie Professor von Benda – wurde durch das Verhalten seiner Mitgefangenen noch deutlicher gemacht und unterstrichen. Armin Silberstein, der Vorsteher der Jüdischen Kultusgemeinde, übernahm es, die Herren miteinander bekannt zu machen, und er tat es – ”Herr Rechtsanwalt Dr. Schönglas, Herr Professor Hofrat von Benda”, ”Herr Theaterdirektor Grünwald, Herr Professor Doktor von Benda” – mit so viel zeremonieller Höflichkeit, als befände man sich im Foyer der Staatsoper. Auch die Aufteilung der Betten – je zwei Pritschen standen, übereinandergetakelt, an den Wänden – vollzog sich nach den Regeln äußerster Politesse: ”Nein, Herr Professor, Sie schlafen selbstverständlich unten”, ”Bitte, Herr Doktor, verfügen Sie über mein Kissen”, ”Ich kann die Decke wirklich entbehren, Herr Rechtsanwalt”. [...] “Erst beim Mittagessen – vier Blechnäpfe waren von einem Wärter hereingeschoben worden –  begann sich vor den Augen Heinrich von Bendas die Mattscheibe, durch die er die Ereignisse bisher gesehen hatte, allmählich zu klären.“49

Als BENDA (hinter dem wir den Wiener Otologen Heinrich Neumann, 1873-1939, zu sehen haben) kurze Zeit später, Juli 1938, zur Konferenz von Evian delegiert wurde – dies die zugrundeliegende wahre Begebenheit in Habes Roman ”Die Mission” – las er im ”Völkischen Beobachter” unter dem Titel ”Wohin mit den Juden?” den Aufreißer des deutschen Chefideologen Alfred Rosenberg:
In Palästina wird überfallen, gestreikt, geschossen und gehängt. Unterdes wächst die Erkenntnis der Nichtassimilierbarkeit der Juden in der ganzen Welt. Das deutsche Volk ist fest entschlossen, dieses Problem seiner einzig folgerichtigen Lösung entgegenzuführen...“50

Bleibt dem Biographen nur, anzumerken, daß der „echte“ Professor Heinrich Neumann 1939 in New York verstorben ist und nicht im Eisenbahnabteil an der Schweizer Grenze, wie im Roman imaginiert.51 Und der letzte überlebende Emigrant aus dem ”Biographischen Lexikon hervorragender Ärzte”, Dr. George Löwenstein, starb 1998 in Florida und hinterließ eine Tochter „Ruth“ (heute ansässig in Pelham/Massachusetts). Auch Löwenstein mußte 1933 – wie er uns berichtete – aus einem Blechnapf essen: auf allen vieren, über das Pflaster getrieben, auf dem Wühlischplatz in Berlin. Aber damit befinden wir uns bereits wieder in der historischen Wirklichkeit und überschreiten die Grenze unseres Themas.

Diese Geschichten, eingegangen in unsere Geschichte, – sage niemand, sie gingen uns nichts mehr an!


wenn noch etwas zu sagen ist
werden wir nicht aufhören dürfen
zu sagen was zu sagen ist52



Anlage :
Jüdische Arztfiguren in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts:
Übersicht
(pdf-Datei)



ANMERKUNGEN



1 Der erste Band des Ergänzungswerkes (Aba-Kom) ist 2002 erschienen beim Olms-Verlag, Hildesheim und umfaßt LXXIII (dt./engl.) + 882 S. (dt.); die  Fertigstellung des zweiten Bandes (Kon-Zweig) ist mangels Finanzierung unterbrochen.

2 Vgl. auch: Fischer, I.: Jews in Modern Medicine. Medical Leaves 3 (1940) S. 30-35.

3 Vgl. Voswinckel, P.: Das Vermächtnis Isidor Fischers. Chancen und Dilemma der aktuellen Medizin-Biographik. In Bröer, R., Hrsg.: Eine Wissenschaft emanzipiert sich. Pfaffenweiler 1999, S.  21-37

4 Murken, A.H.: Geschichte der Medizin von Erwin H. Ackerknecht. 7. Aufl. Stuttgart 1992, S. 171.

5 Noch in der jüngst (2001) erschienenen „Biographischen Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner“ sind mehr als ein Dutzend Verzweiflungs-Suizide von jüdischen Wissenschaftlern nicht als solche kenntlich gemacht, nicht einmal der Tatbestand der vorangegangenen rassistischen Verfolgung ist ersichtlich (so etwa bei H. Bechhold, I. Boas, C. Bruck, O. Frankl, W. Hausmann, F. Lust, M. Neu). Auch ein Großteil der in der Enzyklopädie aufgeführten Emigranten ging offenbar „aus freien Stücken“ (vielleicht aus Karrieregründen?), ohne daß vorherige Entlassungen und Drangsalierungen von deutscher Seite klar benannt werden. Vgl. Engelhardt, D.v. (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner, 2 Bde, München 2001.

6 Vgl. den Sammelband unter dem gleichlautenden Titel: Diner, D. (Hrsg.): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz. Frankfurt 1988.

7 Strümpel, J.: Vorstellungen vom Holocaust. Georg Taboris Erinnerungs-Spiele. Göttingen 2000, S. 9.

8 Hofmann, M.: Dr.med.vet. Arthur Semig: ein Jude in Jerichow. Ztschr Dtsch Phil 114 (1995) (Sonderheft), S. 65-84, hier S. 66.

9 Heuer R, Wolf S. Die Juden der Frankfurter Universität, Frankfurt 1997, S. 503.

10 Z.B. mehr als zwanzig Nennungen in der „Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner“ (wie Anm.5), (vgl.  O. Fehr, L. Halberstädter, L. Michaelis, C. Neuberg, M. Neuburger L. Teleky u. a.); über den Neurologen Kurt Goldtsein heißt es dort: „Wegen seiner jüdischen Abstammung 1933 kurzzeitig in Haft, emigrierte er...“

11 Klemperer, V.: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten: Tagebücher [1995] (vgl. Übersicht: «Dr. Conradi»), hier zitiert nach der Ausgabe Darmstadt 1997, Bd. 2, S. 359.

12 Bienek, H.: Gleiwitzer Kindheit. Gedichte aus zwanzig Jahren. München 1976, S. 107.

13 Campe, J.: Der Standpunkt der Verfolgten. In Hubmann, H., Lanz, A.O., Hrsg.: Zu Hause im Exil. Zu Werk und Person H.G. Adlers. Stuttgart 1987, S. 80-88.

14 H. G. Adler legte seinen Vornamen Hans Günther demonstrativ ab, weil Adolf Eichmanns Vertreter für das tschechische Protektorat ebenso hieß. Vgl. W. Killys Literaturlexikon, Bd. 1, 1988, S. 50.

15 Adler, H.G. Eine Reise [1962], hier zitiert nach der Ausgabe Wien 1999, S. 264, vgl. auch Loewy, H. (Hrsg).: Holocaust: Die Grenzen des Verstehens. Eine Debatte über die Besetzung der Geschichte. Reinbeck 1992.

16 Adler 1962 (wie Anm. 15), S. 78-80.

17 Gumpert 1941, zit. nach Witte, B.: Nachwort. In: Gumpert M. Der Geburtstag. Frankfurt 1985, S. 111-120, hier S. 118.

18 Ebenda, S. 118-119.

19 Zit. nach Schönfeld, M.: Max Hodann. In: 1945: Jetzt wohin? Exil und Rückkehr nach Berlin? [Ausstellungskatalog] Berlin: Verein Aktives Museum 1995, S. 68-69, hier S. 68.

20 Domin, H.: Literatur im Vorratsschrank. In: Gesammelte Essays. Frankfurt 1993, S. 256-261, hier S. 258.

21 Engelhardt, D. v.: Medizin in der Literatur der Neuzeit. Bd. 1. Hürtgenwald 1991, S. 1.

22 Vgl.. an weiterführender Literatur: Benz, W., Neiss, M., Hrsg.: Deutsch-jüdisches Exil: das Ende der Assimilation? Berlin 1994; Feinberg, A.: Wiedergutmachung im Programm. Jüdisches Schicksal im deutschen Nachkriegsdrama. Köln 1988;; Frank, M.: Das Bild des Juden in der deutschen Literatur im Wandel der Zeitgeschichte. Freiburg 1987; Klüger, R.: Katastrophen. Über deutsche Literatur. Göttingen 1997; Kümmel, W.F.: Jüdische Ärzte in Deutschland zwischen Emanzipation und ”Ausschaltung”. In Preiser, G. (Hrsg.): Richard Koch und die ärztliche Diagnose. Hildesheim: Olms 1988, S. 15-47; Schmelzkopf, C.: Zur Gestaltung jüdischer Figuren in der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Hildesheim 1983

23 In der Erzählung «Begegnung in Ungarn», niedergeschrieben 1945, schildert der Theologe Albrecht Goes die Einquartierung des Lazarettpfarrers in dem vornehmen Haus eines jüdischen Arztes: ”Die beiden Ärzte kommen herein. Der Vater, siebzigjährig, wie man denken möchte, doch von der zähen Rüstigkeit seiner Rasse; große, dunkle, schmerzlich verschleierte Augen. [...] Mir fällt ein, daß hierzulande Judesein immer zugleich auch Israelitsein bedeutet, Gliedschaft im Alten Bund und Gesetz. Mose, denke ich, David, Jeremia.” Am Schluß stimmt der Pfarrer das ”Schema Jisrael” an. (Goes, A.: Begegnung in Ungarn. In: Ders.: Erfüllter Augenblick. Frankfurt 1955, S. 31-35., hier S. 33., vgl. auch Müller, H.M.: Die Judendarstellung in der deutschsprachigen Erzählprosa (1945-1981) 2. Aufl. Königstein 1986, hier S. 79).

24 Graf, O.M.: [Der Abgrund, Roman, 1936] Neu aufgelegt unter dem Titel: Die gezählten Jahre. München 1976, S. 198-199.

25 Feuchtwanger, L.: [Die Geschwister Oppenheim, 1933] seit 1946 unter dem Titel Die Geschwister Oppermann, (vgl. Übersicht: «Dr. Oppenheim»), hier zitiert nach der Ausgabe Berlin: 71998 unter dem Titel „Die Geschwister Oppermann“, S. 45, 155.

26 Wolf, F.: Professor Mamlock [1933] (vgl. Übersicht: «Dr. Mamlock»), hier zitiert nach der Ausgabe Frankfurt: Röderberg 1972, S. 15, 19.

27 Habe, H.: Die Mission, München 1965 (vgl. Übersicht «Dr. Benda»), hier zitiert nach der Ausgabe Berlin: Aufbau 1966, S. 11, 18, 22.

28 Becker, J.: Jakob der Lügner [1969] (vgl. Übersicht: «Dr. Kirschbaum»), hier zitiert nach der Ausgabe Frankfurt: Suhrkamp 1982, S. 80.

29 Kellermann, B.: Totentanz [1948] (vgl. Übersicht: «Dr. Fahle»), hier zitiert nach der Ausgabe Berlin: Aufbau 21950, S. 63-64.

30 Werfel, F.: Der Arzt von Wien. Ein Monodrama. In Klarmann, A.D., Hrsg.: Erzählungen aus zwei Welten. Bd. 3, Frankfurt 1954, S. 40-44, hier S. 42.

31 Mann, Th. Königliche Hoheit [1909] (vgl. Übersicht: «Dr. Sammet»), hier zitiert nach der Ausgabe Frankfurt: Fischer 1960, S. 32.

32 Mit der These Dr. Sammets – daß Außenseitertum produktiver mache – griff Thomas Mann auf ein Voltaire-Zitat zurück, welches er bereits in seinem Beitrag zu «Die Lösung der Judenfrage. Eine Rundfrage» (veranstaltet 1907 von dem Arzt und späteren Reichstagsabgeordneten Dr. Julius Moses) zum Thema gemacht hatte: ”Übrigens ist es nicht schlecht, wenn man einen Fehler gutzumachen hat. Es verpflichtet zu großen Anstrengungen, um die Öffentlichkeit zur Achtung und Bewunderung zu nötigen” [Voltaire] (Vgl. Loewenstein, K.: Thomas Mann zur jüdischen Frage. Bull. Leo Baeck Inst. 10 (1967), S. 1-59, hier S. 24).

33 So persiflierte Alfred Döblin in einer beißenden Kritik 1934 den ”so plausiblen und herzlich begehrten Weg” der Westjuden. (Döblin, A.: Schicksal und Weg der Westjuden. In: Schriften zu jüdischen Fragen. München 1997, S. 89-97, hier S. 90).

34 Sontheimer, K.: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. 4. Aufl., München 1994, S. 93-111.

35 Wolf  1933 (wie Anm. 26), S. 10.

36 Zweig, A.: Traum ist teuer [1962] (vgl. Übersicht: «Dr. Karthaus»), hier ziert nach der Ausgabe Berlin: Aufbau 1962, S. 10.

37 Sylvanus, E.: Korczak und die Kinder [1957] (vgl. Übersicht: «Dr. Korczak»), hier zitiert nach der Ausgabe St. Gallen: Tschudy 1959, S. 44. Vgl. Feinberg, A.: Erwin Sylvanus and the theatre of the Holocaust. In Kluge, G., Hrsg.: Studien zur Dramatik in der BRD Deutschland. Amsterdam 1983, S. 163-175.

38 Döblin, H.: Goliath erschlägt David. Eine zeitlose Tragödie in 3 Akten. Typoskript. von ca. 1935/1938, Deutsches Literaturarchiv Marbach; Kopie beim Verfasser, kritische Edition in Vorbereitung (Institut für Medizin–u. Wissenschaftsgeschichte Lübeck)., S. 36.

39 Graf (wie Anm. 24), S. 198.

40 Johnson, U.: Jahrestage, 4 Bde, Frankfurt 1970-1983 (vgl. Übersicht: «Dr. Semig»), hier Bd. 1, S. 70.

41 Mann, K.: Der Vulkan. Roman unter Emigranten [1939] (vgl. Übersicht: «Dr. Kammer»), hier zitiert nach der Ausgabe München: Spangenberg 1991, S. 70.

42 Döblin, H. (wie Anm. 38), S. 5

43 Ebenda, S. 4.

44 Ebenda, S. 19.

45 Johnson (wie Anm. 40), S. 70, 115.

46 Weiss, E.: Ich – der Augenzeuge [1939] (vgl. Übersicht: «Dr. Kaiser»), hier zitiert nach der Ausgabe Frankfurt: Suhrkamp 1982, S. 16-17.

47 Habe (wie Anm. 27), S. 135.

48 Wolf (wie Anm. 26), S. 47-48.

49 Habe (wie Anm. 27), S. 26-27.

50 Ebenda, S. 84-85.

51 Vgl. Stern, E.: Heinrich Neumann von Hethars at the Evian Refugee Conference (1938). 13 (1998-99), S. 204-212.

52 Aus dem 21-zeiligen Gedicht «Sagen Schweigen Sagen» von Horst Bienek. (wie Anm. 12), S. 107.


Der Autor

PETER VOSWINCKEL

Dr. med., geboren 1951 in Soest/Westfalen. Abitur auf dem dortigen Archivgymnasium 1970.
Studium  in Konstanz, Münster, Essen und München. Approbation als Arzt 1981; Promotion 1982 mit der Arbeit: "Arzt und Auto. Das Auto und seine Welt im Spiegel des Deutschen Ärzteblattes 1907-1975."
Nach vierjähriger Tätigkeit als Assistenzarzt in München und Karlsruhe Wechsel in das Fach Medizingeschichte.

Habilitation 1990 in Aachen mit der Arbeit "Der Schwarze Urin. Vom Schrecknis zum Laborparameter" (Blackwell-Verlag 1993); apl. Professor 1997. Bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte in Lübeck mit den Schwerpunkten Ärztliche Biographik und Emigrationsforschung. Autor des Ergänzungswerkes zum "Biographischen Lexikon der hervorragenden Ärzte" von Isidor Fischer 1932/1933 (bisher erschien der Nachtragsband I [A-K] Hildesheim 2002.

Seit 2002 „freiberuflich“ tätig im Raum Lübeck / Hamburg.


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