ONLINE-EXTRA Nr. 98
© 2009 Copyright bei Autor und Redaktion der "KuI"
Die vatikanische Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte, die Einladung des Vatikans an die Piusbrüder, inkl. des Holocaustleugners Williamson, in den Schoß der Kirche zurückzukehren bis hin zu den heftigen Reaktionen deutscher Bischöfe auf die Erklärung des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken "Nein zur Judenmission - Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen" - läßt man diese diversen Konflikte und Debatten der jüngsten Vergangenheit noch einmal Revue passieren, könnte man den Eindruck gewinnen, dass nicht nur mühsam erarbeitete und als sicher geglaubte theologische Fortschritte im christlich-jüdischen Dialog erneut zur Disposition gestellt werden, sondern auch, dass eine Missionierung der Juden aus katholischer Sicht das drängendste Problem christlicher Existenz in der Gegenwart darstellt. Nimmt man noch beispielsweise den Skandal um die Aberkennung des Hessischen Friedenspreises an den Muslim Nevad Kermani hinzu, die auf Betreiben der Mitausgezeichneten Kardinal Lehmann und des evangelischen Theologen Peter Steinacker erfolgte, mag sich der Eindruck noch verstärken, dass die christlichen Kirchen nach einer durchaus überzeugend erscheinenden Phase der Beschwörung des interreligiösen Dialogs eine Kehrtwende vollziehen, in der durch verstärkte Abgrenzung gegenüber nicht-christlichen Religionen und eine neuerliche Betonung missionarischen Denkens eine Stärkung des eigenen Profils erzielt werden soll.
Der vorliegende Beitrag von Rabbiner Prof. Dr. David Berger bietet nun die seltene Möglichkeit, eine fundiert theologische Reflexion aus modern-orthodox jüdischer Sicht zur Problematik der Missionierung im Judentum wie im Christentum kennenzulernen. Berger, Mitglied im Rabbinical Council of America, der offiziellen Organisation, die moderne orthodoxe Rabbiner vertritt, gehört zu den bekanntesten Experten im interreligiösen Dialog und gilt als exzellenter Kenner insbesondere der mittelalterlichen jüdisch-christlichen Debatte. In seinem Essay reflektiert er historisch differenzierte Positionen zur Frage der Missionierung, arbeitet vier theologische Positionen heraus, die auf Grundlage der christlichen Erlösungslehre unterschiedliche Modelle der Missionierung repräsentieren, und erläutert unter Bezugnahme auf jüdische Quellen und Traditionen die Haltung und Reaktion jüdischerseits auf diese Modelle. Mit Nachdruck plädiert er u.a. dafür, auf christlicher Seite hierbei auch stets die Gewaltgeschichte gegenüber dem jüdischen Volk zu berücksichtigen und die persönlichen wie auch gesellschaftlichen Probleme zu beachten, die aus den Bekehrungsabsichten erwachsen können.
Rabbiner Bergers Beitrag erschien in einer von Edna Brocke besorgten Übersetzung ins Deutsche in gedruckter Fassung in Heft 2/2008 der Zeitschrift "Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift" (KuI).
COMPASS dankt dem Autor, der Redaktion von KuI und der Übersetzerin Edna Brocke für die freundliche Genehmigung zur Online-Wiedergabe von Bergers Text an dieser Stelle!
online exklusiv für ONLINE-EXTRA
Online-Extra Nr. 97
Abgesehen von Auseinandersetzungen um den Staat Israel gibt es kein sensibleres Thema in Kreisen des jüdisch-christlichen Gesprächs als die christlichen Missionierungsbestrebungen. Die Gründe hierfür scheinen klar zu sein, und sie sind es auch im Wesentlichen, gleichwohl sind sie in hohem Maß komplex und sollten überprüft werden, insbesondere im Licht der Kontroverse, die nach der Wiedereinführung der revidierten Tridentinischen Messe durch Papst Benedikt XVI. ausgebrochen ist, sowie in Folge einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times, in der prominente evangelikale Christen die gezielte Missionierung unter Juden befürworteten.1 Noch komplizierter wird es, wenn die Anforderungen der Noachidischen Gebote dem Christentum gegenüber betrachtet werden. David Novak hält das Christentum – überzeugend – für eine vollständige Erfüllung dieser Gebote, da es nicht nur den obligatorischen moralischen Rahmen herstellt, sondern auch den Anforderungen des Maimonides an die Nichtjuden entspricht, dass Nichtjuden die Noachidischen Geboten aus der Überzeugung beachten, dass sie ein Ergebnis göttlicher Offenbarung sind.5 Gleichwohl kollidiert diese Position mit einem theologischen Argument, das für die jüdische mittelalterliche Seele besonders wichtig war, nämlich die göttliche Verehrung Jesu von Nazareth als einer Hypostase des dreieinigen Gottes. Fast alle mittelalterlichen Juden betrachteten dies als eine Form von awodah sarah oder als Anbetung einer anderen Entität als Gott, was auf den ersten Blick eine Übertretung eines der sieben Noachidischen Gebote darstellt. Während der Pariser Disputation von 1240 äußerte R. Jehiel von Paris6 erhebliches Unbehagen, als er mehr oder weniger dazu gezwungen wurde, auf eine direkte Frage hin in seine Antwort mit einzubeziehen, dass Christen auf Grund ihres eigenen Glaubens gerettet werden können. Andere mittelalterliche Juden beantworteten diese Frage, ohne Zögern, negativ.7
Aktuelle Diskurse zu diesem Thema gehen in der Regel wie selbstverständlich davon aus, dass das Judentum es grundsätzlich meidet, andere zu bekehren. In der Tat instruiert ein locus classicus im Talmud Juden, die einem Übertrittswilligen Nichtjuden begegnen, dem potenziellen Konvertiten dringend zu empfehlen, einen Psychiater aufzusuchen. Weshalb sollte sich jemand, der bei klarem Verstand ist, einem besiegten und verfolgten Volk anschließen wollen? Nur wer dieser Entmutigung widersteht, ist berechtigt, das Ziel, Jude zu werden, weiter zu verfolgen.2
Allerdings wird dieser talmudische Text nicht von allen als Ausdruck einer prinzipiellen Ablehnung der Missionierung angesehen, sondern als eine Reaktion von Juden, die den Wettbewerb um pagane Anhänger und Anhängerinnen verloren hatten und aus der Niederlage eine Tugend machen wollten. Die Meinung, dass es in der griechisch-römischen Welt weitreichende jüdische Bemühungen gab, Konvertiten anzuziehen, gründet darauf, dass es in jener Welt „gottesfürchtige“ Halbproselyten gab, ebenso wie auf ausdrücklichen oder beiläufigen Behauptungen (von jüdischen Bemühungen um Proselyten) in verschiedenen Texten. Der wichtigste Text, der diese Behauptung stützt, findet sich bei Matthäus (23,15): „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr Meer und Land durchzieht, um einen einzigen Proselyten zu gewinnen.“ Obwohl die Frage nach einer jüdischen Missionierung in der Antike ein lebendiger Streitpunkt bleibt, ist es sinnvoll, das Offensichtliche zu beachten. Ob man die von einigen Historikern bevorzugte Pluralform „Judentümer“ befürwortet oder nicht, ist es offensichtlich, dass es im frühen Judentum gegenüber einer Vielzahl von religiösen Fragen ein sehr breites Spektrum von Meinungen gab. Darum stellen Hinweise auf die Befürwortung einer jüdischen Missionierung wie ihre Ablehnung oder eine Haltung der Indifferenz in dieser Frage keinen rätselhaften Widerspruch dar. Sofern es nicht eigene Gründe für den Schluss gibt, dass gegensätzliche Äußerungen zu diesem Thema eine historische Entwicklung bezeugen, können diese Belege leicht als Reflex sehr unterschiedlicher Missionierungs-Ansätze gelesen werden, die unter Juden in hellenistischrömisch- rabbinischer Zeit koexistierten.3
Im Judentum des Mittelalters hatte ein explizit rabbinischer Text offensichtlich mehr Gewicht als ein Text von Matthäus oder griechisch-römische Artefakte bzw. Literatur. Die jüdische Abneigung, andere zu missionieren, wurde natürlich nachhaltig verstärkt durch die allgegenwärtigen Gefahren, die diese Anstrengungen in der christlichen wie in der muslimischen Welt in sich bargen. Darüber hinaus legte die einfache Tatsache, dass Juden eine kleine, relativ machtlose Minderheit waren, den Gedanken nahe, dass der Gewinn einer großen Zahl von Konvertiten unrealistisch war.
Außerdem lässt sich m. E. noch eine faszinierende Dialektik in der jüdischen Seele beobachten. Jude zu werden bedeutet, sich einem Volk anzuschließen, nicht nur einem Glauben. Das Konzept der jüdischen Erwählung, der besonderen Heiligkeit des Volkes Israel als Kollektiv, ließ das Ziel einer Massenbekehrung zum Judentum fraglich erscheinen. Selbst im Eschaton, wenn alle Nationen gemeinsam, mit klarer Stimme, Gott anrufen werden (Zeph 3,9), bleiben die Völker jedoch separate Nationen. Nach jüdischem Verständnis würden diese Völker vermutlich die Noachidischen Gebote befolgen, die sowohl in der historischen Zeit als auch am Ende der Tage als verbindlich zu betrachten sind und Gottes Erwartungen an Nicht-Juden definieren, die auch weiterhin von Israel getrennt bleiben. Da die Einhaltung der Noachidischen Gebote ihre nicht-jüdischen Anhänger mit ewiger Glückseligkeit ausstattet, wurde der Drang, Heiden zum Judentum konvertieren zu wollen, noch geringer.
Gleichzeitig ist es keineswegs erwiesen, dass die mittelalterlichen Juden, nur weil sie für die Heiden einen anderen Weg zur Erlösung sahen, oder ob sie vor allem deshalb auf Missionierung verzichteten. Angesichts der Realität jüdischer mittelalterlicher Lebensumstände haben viele Juden ihre Verfolger so tief abgelehnt, dass sie kein Interesse an deren Erlösung hatten, sondern vielmehr deren Verdammnis erhofften. Hitler bezieht eine derart einzigartige Stellung in der Geschichte der Judaeophobie, dass Analogien gefährlich, ja sogar verletzend sein können; dennoch ist es lehrreich zu erwägen, wie Juden in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs auf die Aussicht auf einen plötzlich reuigen Hitler reagiert hätten, der durch seine Umkehr die zukünftige Welt als ein Gerechter betreten hätte. So widerwärtig diese Analogie auch ist, beschreibt sie drastisch die Psychologie von Menschen, die auf jenen Moment warteten, da Gott ihre Unterdrücker vernichtet und sie der Verdammnis anheim gibt.4
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Juden in der christlichen Welt auf Grund einer außerordentlich komplexen Konstellation von theologischen, historischen und psychologischen Überlegungen, die nicht immer miteinander im Einklang waren, auf Missionierung verzichtet haben. Das jüdische Volk sollte seine Einzigartigkeit auch im Eschaton wahren; Nichtjuden haben einen Weg zur Erlösung, ohne sich diesem Volk anzuschließen (wenn auch dieser Weg wahrscheinlich nicht das Christentum ist); Missionierung war gefährlich; ihre Erfolgschancen waren minimal, und die Verfolger Israels sollten für all das, was sie getan hatten, ihre gerechte Strafe erhalten.
Gleichwohl fehlte die Erwartung in der mittelalterlichen jüdischen Seele nicht, dass Christen die Wahrheit erkennen mögen. Mitglieder einer Minderheit, die regelmäßig für ihren religiösen Irrtum verhöhnt und in regelmäßigen Abständen unter Druck gesetzt wurden, diesen zu widerrufen, erfuhren ein Gefühl der Wertschätzung sowie große Genugtuung, wenn Anhänger des Mehrheitsglaubens ihren eigenen Irrtum erkannten. Während dies ein Aspekt ist, dessen psychologische Gültigkeit sinnfällig ist, sei hier ein Text aus Nizzahon Vetus8 zitiert, einer nordeuropäischen Polemik des späten 13. Jahrhunderts, den ich vor einigen Jahrzehnten ediert habe, der dies deutlich werden lässt:
Im Hinblick auf ihre Frage an uns, ob es Proselyten unter uns gäbe, stellen sie diese Frage zu ihrer Schande und zur Schande ihres Glaubens. Im Grunde sollte man über die schlechten Taten eines bösen Juden, der zu einem Apostaten wurde, nicht überrascht sein, denn seine Motive sind klar; er kann alles essen, was sein Herz begehrt, körperlichen Freuden mit Wein und Unzucht nachgehen, das Joch des Königreichs des Himmels entfernen, keinerlei Ehrfurcht empfinden, um sich von allen Geboten zu befreien, sich der Sünde und allen weltlichen Freuden hingeben. Anders verhält es sich mit Konvertiten zum Judentum, die aus freiem Willen von Freiheit zur Sklaverei, vom Licht ins Dunkel wechselten. Handelt es sich beim Konvertiten um einen Mann, weiß er, dass er sich selbst – durch die Beschneidung – verletzen muss, dass er sich von Ort zu Ort exilieren muss, dass er auf weltliche Begierden seines Herzen verzichten und um sein Leben fürchten muss wegen der äußeren Bedrohung, durch die Unbeschnittenen getötet zu werden. Auch eine weibliche Konvertitin trennt sich von allen Freuden des Lebens. Trotzdem fliehen sie unter die Fittiche der göttlichen Gegenwart. Sie würden dies nicht tun ohne die Gewissheit, dass ihr Glaube ohne Grundlage ist, sondern alles eine Lüge, Eitelkeit und Leere. Daher sollte man sich schämen, das Thema der Proselyten zu erwähnen.9
In diesem Umfeld, zitiert ein klassischer Kommentar zum Talmud die Auslegung eines mittelalterlichen französischen Proselyten zu einem rabbinischen Text. Dort heißt es, dass Konvertiten für Israel so schädlich sind wie eine schwere Erkrankung. Der Grund dafür sei, so der Proselyt, dass Konvertiten die Torah so streng einhalten, dass sie geborene Juden dadurch beschämen.10
Es ist nicht von geringem Interesse, dass in der Frage, ob es zulässig sei, Nicht- Juden Torah zu lehren, Maimonides eine strenge Position hinsichtlich der Muslime einnahm – auch wenn er sie als beispielhafte Monotheisten ansah –, während er im Hinblick auf Christen eine milde Position einnahm, obwohl er sie als Verehrer von awodah sarah einordnete. Seine Begründung: Die Muslime bezeichneten den Text der hebräischen Bibel als unzuverlässig, die Christen hingegen akzeptierten die Richtigkeit des Textes, weshalb sie dem wahren Glauben gegenüber aufgeschlossener waren, wenn ihnen nur die richtige Bedeutung der Bibel verständlich gemacht werde.11 Ich will nicht behaupten, dass Maimonides eine jüdische Missionierung an Christen befürwortete, aber er hoffte, dass sporadisch, auf Grund von persönlichen Begegnungen, Juden die Überlegenheit ihres Glaubens demonstrieren könnten.
In gleicher Weise bin ich davon überzeugt, dass in den Straßen des mittelalterlichen christlichen Europas einige Juden ihre christlichen Nachbarn mit Argumenten herausforderten, um die Wahrheit des Judentums zu beweisen, auch wenn diese Kontakte keine jüdische Missionierung darstellen oder als missionsähnlich zu sehen sind. Ihr Motiv war primär, der Stärkung der jüdischen Moral zu dienen, und nicht um eine Gruppe von Proselyten zu schaffen.12 Dieses Motiv mildert auch meine früher gemachten Beobachtungen zum Wunsch einiger mittelalterlichen Juden zur Verdammnis und Vernichtung ihrer Unterdrücker ab. Ein solcher Wunsch steht im Gegensatz zur Hoffnung auf eschatologische Rechtfertigung, einer Hoffnung, die erst dann ihre psychologische Wirkung voll entfalten kann, wenn die Gegner der Judentums ihre Fehler am Ende der Tage erkennen und dann mit den Worten der Liturgie der Hohen Feiertage verkünden: „Der Gott Israels ist König, und sein Königtum herrscht über allem.“13
Jacob Katz14 behauptete, dass die mittelalterliche jüdische Selbstbehauptung gegenüber dem Christentum, besonders in Nord-Europa im 16. Jahrhundert, zu schwinden begann, ein Wandel der auch die Haltung gegenüber Konvertiten und Konversion beeinflusste. Die jüdische Gemeinschaft kehrte sich nach innen und versuchte nicht länger, die christliche Welt mit der Fähigkeit, Außenseiter anzuziehen, zu beeindrucken. Doch als die Juden sich in Richtung Moderne bewegten, traten andere Erwägungen in den Vordergrund. Wichtige jüdische Autoritäten begannen zu bestätigen, dass das Christentum dann nicht als awodah sarah betrachtet werden müsse, wenn es von Nicht-Juden praktiziert wird. So wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass Christen das Heil erlangen könnten, exponentiell. Für Moses Mendelssohn wurde religiöse Toleranz zu einem fast transzendenten Ideal. Bekanntlich erklärte er ein Unbehagen im Hinblick auf die Überzeugung von Maimonides, dass das Einhalten der Noachidischen Gebote nur denjenigen Nicht-Juden Heil vermitteln könne, die sie als Offenbarung anerkennen.15 R. Israel Lipschütz, ein wichtiger Ausleger der Mischnah im 19. Jahrhundert, erklärte zu einer nahezu selbstverständlichen Wahrheit, dass Gott es nicht versäumen würde, Johannes Reuchlin eine himmlische Belohnung zu verleihen für seine Verteidigung der jüdischen Bücher gegen diejenigen, die sie vernichten wollten.16
Wenn Christen als Christen Erlösung erlangen können, verringert sich die Motivation für eine jüdische Mission deutlich. Heute wird dies häufig als der Grund dafür angenommen, dass Juden auf Missionierung verzichten. Mit anderen Worten: jüdische Ablehnung von Mission sei eine Funktion eines grundlegenden Prinzips der Anerkennung der Heilsfähigkeit anderer Religionen. Wie wir gesehen haben, ist die Geschichte der jüdischen Einstellungen in dieser Frage viel komplexer, gleichwohl gibt es ein Moment von Wahrheit in dieser Behauptung, selbst im Blick auf die Vormoderne. Wie Allen Friedman es mündlich festhielt, erwarteten mittelalterliche Christen und Muslime, niemand anderen als ihre eigenen Glaubensgenossen im Himmel anzutreffen; Juden jedoch, sogar wenn sie eine restriktive Auffassung von Heil hatten, erwarteten dort einige Gerechte aus den Völkern anzutreffen.
Bisher habe ich Ansichten von Juden einer traditionellen Gesellschaft und ihrer orthodoxen Nachfolger in der Moderne beschrieben. Es versteht sich von selbst, dass fast alle nicht-orthodoxen Juden meinen, dass das Christentum seine Anhänger mit der Fähigkeit versieht, Gunst in den Augen Gottes finden zu können. Nicht-orthodoxe Juden, sofern sie an ein Leben nach dem Tode glauben, meinen daher, dass gute Christen Anteil an der zukünftigen Welt haben. Für diese Juden ist Mission ein Symptom einer intoleranten, ja unmoralischen Theologie der Ausgrenzung. Nach intensiver Gewissensprüfung bestätigt das Reform-Judentum den Wunsch, mit Nicht-Juden in Kontakt zu treten in der Hoffnung, sie für das Judentum zu gewinnen. Diese Bemühungen gelten allerdings nur für kirchlich ungebundene Menschen oder – zuweilen und nur gelegentlich – für Christen, die bereits mit einem jüdischen Partner verheiratet sind oder die einen jüdischen Partner zu heiraten planen. In ihrer eigenen Gemeinschaft engagierte Christen bleiben außerhalb solcher Initiativen, und dies nicht allein aus Gründen des Pragmatismus, sondern aus Prinzip.
Bevor wir einen möglichen Einfluss jüdischer Haltungen zur Frage der Missionierung auf die aktuellen Beziehungen von Christen und Juden bewerten, müssen zunächst – in aller Kürze – die historischen christlichen Ansätze zur Missionierung von Juden betrachtet werden. Es muss wohl kaum erwähnt werden, dass das klassische Christentum darum bemüht war, die gute Nachricht zu verbreiten, wobei Juden als Objekte dieser Bemühungen nicht ausgeschlossen waren. Gleichzeitig entstand eine Theologie, die gegenüber Juden eine besondere, ja einzigartige Toleranz ausdrückte, weil man in ihnen Zeugen der Wahrheit des Christentums sah, und zweitens weil Römer 11 (wie auch immer man das Kapitel versteht) von der fortdauernden separaten Existenz der Juden spricht, wenn die Vollzahl der Völker eingegangen ist.17 Obwohl es zweifellos für einzelne Juden begehrenswert war, sich durch Konversion zu retten, waren systematische Anstrengungen für die Konvertierung großer Zahlen von Juden vor dem 13. Jahrhundert selten. Ein Artikel über jüdische Konversionen im 13. Jahrhundert in England, der vor Kurzem in einer Ausgabe der Zeitschrift „Speculum“ erschienen ist, behauptet, dass sogar zu diesem relativ späten Zeitpunkt, Robert Grosseteste „jüdische Konversion eher als eine Folge des Endes der Geschichte statt als eine aktuelle Möglichkeit oder gar Wunsch“ ansah.18
KIRCHE UND ISRAEL
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Neukirchener Theologische Zeitschrift
Herausgegeben von
Edna Brocke, Hans Hermann Henrix, Rolf Rendtorff, Ekkehard W. Stegemann und Wolfgang Stegemann, Hans-Joachim Sander (für Österreich) und Gabriele Oberhänsli-Widmer (für die Schweiz) sowie namhafter Fachgelehrter
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Obwohl die Vision einer jüdischen Konversion am Ende der Tage fortbestand, wuchsen im 13. Jahrhundert die Bemühungen, große Massen von Juden zu missionieren, exponentiell an. Mit der Zeit entwickelte sich auch eine eschatologische Perspektive, die mit der Überzeugung verbunden war, dass eine Konversion der Juden vor dem Ende der Tage geschehen müsse. Andere wollten ein einheitliches christliches Europa gründen. Die Tatsache, dass frühere Konversionsprogramme fehlten, lässt nicht auf ein großes Interesse am Wohlergehen der jüdischen Seelen schließen. Ich erkenne auch kein Anzeichen dafür, dass ein primäres Motiv der neuen Politik eine plötzliche Sorge um das Schicksal der Juden war, die ansonsten zum Höllenfeuer verurteilt wären, obwohl einige Missionare zweifellos Befriedigung aus dem Nutzen zogen, den sie über die Adressaten ihres Dienstes brachten. Die Behandlung von neuen Christen in dieser Welt ließ gewiss viel zu wünschen übrig. Sie wurden zuweilen ihres Eigentums beraubt, die Bedingungen in den „Gästehäusern“ für Konvertiten waren oft beklagenswert, die Betreuung der Einzelpersonen, die von ihren Familien entfernt wurden, war selten und die Unterstützungssysteme waren in der Regel unangemessen.19 - Juden, wie alle Nicht-Christen, sind zum ewigen Höllenfeuer verurteilt. Sogar die beiden letzten Positionen schließen Missionierung nicht von vornherein aus, da die Verbreitung der guten Nachricht (auf Grund ihres inhärenten Werts der ultimativen Wahrheit) wünschenswert oder gar zwingend erscheint – ohne Bezug auf das ewige Schicksal der Nicht-Christen. Dennoch: Die ersten beiden Positionen, und vor allem die striktere der beiden, stärken deutlich das Argument für eine aktive Mission. Aus dem Amerikanischen von Edna Brocke Der englischsprachige Originaltext ist erschienen in:
Wenn im späten Mittelalter und in der frühen Moderne auf der iberischen Halbinsel Konvertiten des Judaisierens verdächtigt wurden, waren die Folgen schlimm. Hier begegnet man der Logik, die darin liegt, den eigenen Glauben einem Anderen, der ihn ablehnt, aufzuzwingen, in ihrer akutesten Form. Schließlich wurden die Foltern der Inquisition, zumindest teilweise, wegen der unsterblichen Seelen der unglücklichen Judaisierer angeordnet. Aber die Seelen von Juden, die nicht zum Christentum konvertierten, waren vermutlich ebenso zur Verdammnis bestimmt wie die jener, die unaufrichtig zum Christentum übertraten, so dass gemäß einer kalten Logik die Politik der Inquisition genauso gut auch auf die erstgenannten angewandt werden könnte. Doch sie wurde es nicht. Die Tradition der Toleranz, selbst in Zeiten der Vertreibungen und des intensiven missionarischen Drucks, bewahrte einige Körnchen ihrer ursprünglichen Haltung.20
Und damit kehren wir zur Moderne und zu unserer Gegenwart zurück. Die Frage nach der Angemessenheit einer auf die Juden gerichteten christlichen Mission hängt in erster Linie von der zugrunde liegenden Theologie der Erlösung der jeweiligen christlichen Gruppe ab. Diese Theologien decken ein breites Spektrum ab:
- Nicht-Christen, einschließlich Juden, haben einen deutlichen Nachteil im Ringen um das Heil, auch wenn deren Erlösung nicht ausgeschlossen ist.21
- Juden, einzigartig unter den Anhängern der nicht-christlichen Religionen, können nicht weniger leicht erlöst werden als Christen, weil sie bereits beim Vater sind.
- Erlösung ist leicht zugänglich für alle guten Menschen, unabhängig von der Religion.
Wie reagiert ein Jude auf dieses Argument, wie reagiere ich? Bereits 1983 habe ich jüdischen Bemühungen widersprochen, Christen darüber zu instruieren, was sie hinsichtlich ihrer eigenen Religion glauben sollten, ein Standpunkt, den ich wiederholt einnahm. Ich machte allerdings das Zugeständnis, dass in Bezug auf Missionierung „sogar Juden, die deutlich zögern, sich in die inneren Angelegenheiten des Christentums einzumischen, gewisse gemischte Gefühle haben“. Ich fuhr fort, dass „der jüdische Auftrag, Juden vor einer Konvertierung zu schützen, nicht weniger eine religiöse Pflicht ist als jeder christliche Auftrag, sie zu bekehren. Und obwohl meine grundsätzlichen Sympathien bei den ‚Nicht-Interventionisten‘ liegen, meine ich, dass im Falle aggressiver Missionierung, die speziell auf Juden zielt, das übergreifende Prinzip von pikkuach nefesh22, also der Verhütung von Lebensgefahr (spirituelles Leben eingeschlossen), die Oberhand gewinnen soll.“23 Kurz gesagt, wenn ich einem Christen begegnete, der hinsichtlich der Mission an Juden unsicher ist, und ihn überzeugen könnte, dass der richtige christliche Glaube die Erlösung von Juden, die nicht konvertiert sind, einschließt, würde ich versuchen, dies zu tun.
Gleichwohl betrachte ich ehrliche Verfechter von Missionierung, die an der strengsten Position bezüglich der Erlösung von Juden festhalten, nicht in irgendeinem Sinn als böse. Folglich sehe ich jemanden, der mir und meinem Volk den Krieg erklärt hat, dennoch als eine feine Person an, die ich in anderen Zusammenhängen als Freund behandeln kann. In dieser Position besteht natürlich eine emotionale Spannung, und ich frage mich, ob eine Ausnahme für das Judentum, die die christliche Lehre nicht beeinträchtigt, formuliert werden kann. Ich halte die Bejahung dieser Frage für möglich. Christen in der modernen Welt, einschließlich jener, die einer ausschließenden Vorstellung von Erlösung anhängen, lehnen Zwangsmaßnahmen – ob physische oder ökonomische – zur Durchsetzung einer Übereinstimmung mit dem christlichen Glauben und seiner Praxis definitiv ab. Sie tun dies nicht nur, weil solche Methoden erfolglos wären, sondern weil sie sie grundsätzlich verabscheuen. Dies scheint zu bedeuten, dass selbst die Rettung der Seele eines anderen nicht schwerer wiegt als alle anderen konkurrierenden Erwägungen. Wer auf religiöse Nötigung verzichtet, erkennt, dass der scheinbare transzendente Vorteil den entstehenden moralischen Schaden bei sich selbst, in seinem Kollektiv, gar in der Zivilgesellschaft insgesamt, nicht aufwiegt, vom unmittelbaren Leid, das dem angeblichen Nutznießer beigefügt wird, ganz zu schweigen.
Im Lichte dieser Überlegungen lässt sich nun fragen, ob eine Missionierung ohne Zwang einen moralischen Schaden anrichtet. Zweifellos kann dadurch Schaden für die Beziehungen zwischen Gruppen entstehen, ja sie sogar vergiften und einen respektvollen Dialog über religiöse Fragen nahezu unmöglich machen. Diese Bedenken gelten für Missionierungsabsichten, auf welche Gruppe immer sie sich auch richten. Die Frage ist, ob diese Bedenken ernsthaft genug sind, um auf den heilsgeschichtlichen Vorteil einer Konversion zum Christentum zu verzichten. Zumindest können sie jene Christen, die die Erlösung des Anderen nicht auf dem Spiel stehend sehen, von einer aktiven Missionierung abhalten.
Im Umgang mit Juden nehmen die moralischen Einwände gegen Missionierungsbemühungen exponentiell zu. Erstens: Auch in einer offenen Gesellschaft, bleibt ein Hauch von Druck, wenn nicht gar von echter Nötigung, wenn Mitglieder der Mehrheitsreligion nachhaltige Kampagnen durchführen, um die Minderheit von ihrem Glauben zu überzeugen. Im Jahr 1988 wurde in der New York Times ein Brief veröffentlicht, in dem ich den Abdruck einer Anzeige von „Jews for Jesus“24 kritisierte, in der alttestamentliche Texte für die christliche Lehre angeführt wurden. Sieht man einmal ab von dem weithin bekannten ethisch verwerflichen Missbrauch jüdischer Symbole, so machte ich in dem Schreiben geltend, dass die Veröffentlichung solcher religiösen Polemik Juden, die darauf reagieren, in eine unhaltbare Position drängt. Sie wären entweder dazu gezwungen, mittels einer Gegen-Anzeige zu erklären, weshalb diese Verse legitimerweise nicht christologisch verstanden werden können, was „die Atmosphäre der interreligiösen Beziehungen belasten und konkrete Gefahren für die jüdische Minderheit hervorrufen würde“. Oder: sie wären zum Schweigen verurteilt, womit sie „einen quasi-mittelalterlichen Standpunkt“ annehmen müssten, „in dem ihr Glaube in öffentlichen Attacken bombardiert würde, ohne dass sie die Chance zu einer offenen und ehrlichen Antwort hätten.“25
Zweitens: Die Geschichte des christlichen Umgangs mit Juden ist genuiner Teil der moralischen Erwägungen. Die jüdische Gemeinschaft reagiert auf christlich missionarische Versuche durch das Prisma von Kreuzzügen, Inquisition, Ritualmordlegenden, Hostienschändungslegenden, dem Vorwurf von Brunnenvergiftung und Darstellungen, die die Juden als Instrumente des Teufels beschreiben und einer Reihe von Massakern. Diese Reaktion ist nicht nur verständlich, sie ist durchaus legitim. Das jüdische Volk hat diese religiös motivierten Bemühungen, es zu zerstören, überlebt. Zeitgenössische Bemühungen, das jüdische Volk mittels freundlicherer Methoden auszulöschen, sind durch diese Geschichte befleckt. Ob angenehm oder nicht: Christliche Missionierung gegenüber Juden ist die Fortsetzung des Werks von Graf Emicho, Vincent Ferrer, Torquemada und Chmielnicki. „Jews for Jesus“ können so laut und so oft sie wollen behaupten, dass diese Verfolger der Juden keine Christen waren, doch lässt sich die Tatsache nicht übersehen, dass sie im Namen des Christentums handelten und als solche auch wahrgenommen wurden. Auch wenn eine Missionierung anderer Gruppen angemessen ist, ist die Missionierung von Juden dies wohl nicht.
Lassen Sie mich etwas milder schließen und zu meiner anti-interventionistischen Haltung zurückkehren. In einem zeitgenössischen Kontext ist es eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit zu erkennen, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen einem Glaube an eschatologischer Verifizierung und Mission. Ich habe dieses Argument bereits in mehreren Essays vorgetragen, aber es verdiente an dieser Stelle eine Wiederholung.
Teilnehmer am Dialog behaupten häufig, dass sogar eine Bestätigung des eigenen Glaubens am Ende der Tage einen moralisch verwerflichen Triumphalismus darstellt. Ich halte diese Position selbst für moralisch unzulässig. Sowohl Juden als auch Christen haben das Recht zu glauben, dass ihre jeweilige Religion in einem tiefen Sinn wahr und kompromisslos ist, und dass diese Wahrheit der ganzen Welt in der Fülle der Zeit sichtbar werden wird.
Studies in Christian-Jewish Relations, Volume 3, Issue 1 (2008)
http://escholarship.bc.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1140&context=scjr
ANMERKUNGEN
1 „New York Times” vom 28. März 2008, A15. Meine Reaktion auf den neuen Text der Messe siehe: „Let’s Clarify the Purpose of Interfaith Dialogue“, in: „The Jerusalem Post“, 16. Feb. 2008.
2 Babylonischer Talmud, Traktat Jewamot 47a.
3 Für eine umfassende Erörterung der Frage, mit dem Argument, dass Juden nicht vor dem 2. Jahrhundert d. Z. Proselyten machten, siehe Martin Goodman, Mission and Conversion in the Religious History of the Roman Empire, Oxford 1994.
4 Einige Strömungen im Christentum, zumindest heute, treten für Vergebung gegenüber Feinden ein, was für Juden ziemlich erschütternd sein kann. Während einer Pause bei einer internationalen Tagung in Lower Manhattan, an der katholischer Klerus, vor allem Kardinäle, und orthodoxe Juden teilnahmen (organisiert vom World Jewish Congress), ging die Gruppe zum Ground Zero, wo Kardinal Lustiger aus Frankreich spontan ein Gebet sprach. Ich war überrascht, als ich die Worte hörte, „Pardonnez les assassins“. Ich kann mir keinen Juden vorstellen, der diese Einschätzung teilt, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Mörder von 9/11 sich selbst keine Möglichkeit zur Umkehr ließen. Mein Unbehagen wuchs später am Tag weiter an, als ein anderer Kardinal davon sprach, was wir von einer jüdischen HolocaustÜberlebenden, die zum Katholizismus übergetreten ist, lernen können, die erklärte, dass sie diejenigen, die sie in den Lagern gequält haben, verzeiht.
5 „Mitsvah“ in: Christianity in Jewish Terms, hg. von Tikva Frymer-Kensky/ David Novak/ Peter Ochs/ David Fox Sandmel/ Michael Signer, Colorado und Oxford 2000, 118.
6 Anmerkung der Herausgeber: Jechiel ben Joseph von Paris (Jechiel von Paris) war ein großer Talmud-Gelehrter aus Nord-Frankreich. Er ist als der Verteidiger des Judentums in der Disputation von Paris 1240 am Hof von Louis IX. bekannt, gegen den Konvertiten Nicholas Donin. Obwohl das Judentum in der Disputation erfolgreich verteidigt wurde, wurde ein Dekret zur öffentlichen Verbrennung aller verfügbaren Manuskripte des Talmud verabschiedet, was am Freitag, den 17. Juni 1244 durchgeführt wurde. Im Jahre 1260 kam Rabbi Jechiel von Paris zusammen mit seinem Sohn und einer großen Gruppe von Anhängern im Land Israel an, sie ließen sich in Akko nieder. Dort gründete er die Talmudakademie Midrasch HaGadol d’Paris. Er wird angenommen, dass er zwischen 1265 und 1268 verstarb; er wurde in der Nähe von Haifa, auf dem Berg Carmel, begraben.
7 Siehe meine Diskussion in „Über das Bild und das Schicksal der Heiden in aschkenasischer polemischer Literatur“ (hebr.), in: Facing the Cross. The Persecutions of 1096 in History and Historiography, hg. von Yom Tov Assis u.a., Jerusalem 2000, 80-81.
8 Die christlich-jüdischen Disputationen konzentrierten sich zunächst auf biblische Gemeinsamkeiten. Später auch auf innerreligiöse (jüdische wie christliche) Fragen, auf den Talmud und die Evangelien. Zuweilen schlossen sie auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen ein, wobei zu den härtesten Vorwürfen die Ritualmordlegenden zählten. Das Buch „Nizzahon Vetus“ wurde von Juden im Rahmen der jüdisch-christlichen Debatten verfasst, vermutlich im frühen 14. Jahrhundert. Es umfasst antichristliche Argumente, die unter anderem aus dem Buch „Joseph der Neider“ (Mitte 13. Jahrhunderts) entnommen wurden. Im Wesentlichen besteht das Buch aus Erläuterungen der Verse der Torah und setzt sich mit den Vorwürfen der Christen zu jedem Vers auseinander (Anm. d. Herausgeber).
9 The Christian-Jewish debate in the High Middle Ages. A Critical Edition of the Vetus Nizzahon with an Introduction, Translation and Commentary, Philadelphia 1979 (s. auch eine weitere Edition: New Jersey und London 1996), 211, English section, 206-207. Ich kommentierte diesen Abschnitt in „Jacob Katz on Jews and Christians in the Middle Ages“, in: „The Pride of Jacob: Essays on Jacob Katz and his Work“, hg. von Jay M. Harris, Cambridge (Mass.) 2002, 52-54.
10 Tosafot zu Kiddushin 70b, s.v. qashim gerim.
11 Joshua Blau (Hg.), Teshuvot ha-Rambam, Jerusalem 1989, Nr. 149.
12 Siehe das Argument in meinem Aufsatz: Mission tot he Jews and Jewish-Christian Contacts in the Polemical Literature of the High Middle Ages, in: American Historical Review 91 (1986) 576-591.
13 Für eine Diskussion der wissenschaftlichen Debatte über diese Fragen s. meinen genannten Aufsatz (Anm. 8), 74-91. Mehrere Teilnehmer in dieser Debatte verweisen auch auf eine mittelalterliche Hymne in der Liturgie der Hohen Feiertage, die in wiederholter, festlicher Sprache beschreibt, wie sich die Bewohner der ganzen Welt in der Anbetung des wahren Gottes versammeln werden. Für eine englische Übersetzung dieser Hymne, siehe z. B.: The Complete Artscroll Machzor. Rosh Hashanah, New York 1986, 495,497.
14 Anm. d. Herausgeber: Yaacov Katz, 15. November 1904 in Magyargencs (West-Ungarn) – 20. Mai 1998, Jerusalem, Historiker, Pädagoge, und Soziologe. 1928 kam er nach Frankfurt an die Talmudakademie und setzte parallel dazu seine Studien an der Universität Frankfurt fort. Er schloss sie mit einer Dissertation über die „Assimilation der Deutschen Juden“ 1934 ab. 1936 wanderte er nach Israel ein und war dort Gymnasiallehrer, Lehrerseminarleiter, Mitglied in pädagogischen Kommissionen. 1959 wurde er zum ordentlichen Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem berufen. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und war bis zu seinem Tod 1998 in Jerusalem ein wacher Beobachter der Geschehnisse.
15 Für die Übersetzung und Diskussion der entsprechenden Passage siehe zum Beispiel Steven Schwarzchild, „Do Noachides Have to Believe in Revelation?“, in: The Pursuit of the Ideal, hg. von Menachem Keller, Albany 1990, 36.
16 Tif’eret Jissrael zu Avot 3:14 (Boas # 1).
17 Für eine detaillierte Analyse christlicher Interpretationen dieses schwierigen Kapitels siehe Jeremy Cohen, The Mystery of Israel’s Salvation. Romans 11,25-26 in: Patristic and Medieval Exegesis, Harvard Theological Review 98 (2005) 247-281.
18 Ruth Nisse, „Your name will no longer be Asenath”. Apocrypha, Antimartyrdom, and Jewish Conversion in Thirteenth-Century England, Speculum 81 (2006), 738-739.
19 Siehe (z. B.) Robert C. Stacey, The Conversion of Jews to Christianity in thirteenth-century England, Speculum 67 (1992), 263-83.
20 Für eine Diskussion der beiden Elemente, die die Spannungen in der kirchlichen Position konstituieren, siehe Kenneth Stow, Alienated Minority, Cambridge (Mass.)/London 1992, 242-273.
21 Dies ist die Position in dem umstrittenen katholischen Dokument Dominus Iesus. Siehe meine Analyse: Dominus Iesus and the Jews, in: America 185,7 (17. September 2001) 7-12, auch unter http://www.bc.edu/research/cjl/metaelements/texts/cjrelations/Ressourcen/articles/berger. htm. Wieder abgedruckt in: Sic et Non. Encountering Dominus Iesus, hg. von Stephen J. Papst und Charles C. Hefling, New York 2002, 39-46.
22 Anm. d. Herausgeber: Pikuach Nefesch bedeutet „Gefahr für das Leben eines Menschen“. Diskutiert wird dieser Begriff in der Mischnah, Traktat Joma (8,5). Dort war die Frage, ob es möglich sei, einem Menschen, der am Schabbat unter Steinen begraben wurde, zu helfen, indem man die Steine entfernt. Die Entscheidung lautete: " ????? ??? ???? ??? " = Gefährdung des Lebens eines Menschen überwiegt alle Schabbatgebote. Sehr bald wurde der Begriff aus diesem engen Kontext herausgelöst und mit Bezug auf Lev 18,5 („Darum sollt ihr meine Satzungen halten und meine Rechte. Denn der Mensch, der sie tut, wird durch sie leben; ich bin Adonaj“) zu einer allgemeinen Richtlinie im Judentum.
23 Jewish-Christian Relations. A Jewish Perspective, in: Journal of Ecumenical Studies 20 (1983) 17-18.
24 „Jews for Jesus“ ist eine Evangelikale Organisation, die eigens die Konvertierung von Juden zum Christentum zum Ziel hat. Ihre Mitglieder sind der Ansicht, selbst jüdisch zu sein. Die Beschreibung von „Jews for Jesus“ als einer jüdische Organisation wird jüdischerseits vehement von der überwiegenden Mehrheit der Juden unter Einschluss von säkularen jüdischen Gruppen abgelehnt. „Jews for Jesus“ hat seinen Hauptsitz in San Francisco, Kalifornien, USA. Ihr offizieller Auftrag ist, „die Messianität Jesu zu einer unübersehbaren Frage an Juden in der ganzen Welt“ zu machen. Sie versuchen auch, das Bewusstsein für das jüdische Erbe im christlichen Glauben zu fördern.
25 „Jews for Jesus Ad Poses Painful Choices”, The New York Times, 9. Januar 1988, 26.
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Der Autor
Professor Dr., ist Ruth and I. Lewis Gordon Professor of Jewish History an der Yeshiva University und Dekan der dortigen Bernard Revel Graduate School. Zu seinen Veröffentlichungen zählen: „The Rebbe the Messiah, and the Scandal of Orthodox Indifference” sowie „The Jewish Christian Debate in the High Middle Ages – A Critical Edition of the Nizzahon Vetus”. Er schrieb Kommentare zu Dominus Iesus, Nostra Aetate, und zu Rabbi Joseph Soloveitchik's „Confrontation“. Im Auftrag der „Union of Orthodox Jewish Congregations of America” schrieb er eine Antwort auf Dabru Emet, die als offizielle Stellungnahme der Organisation angenommen wurde.
Er ist Mitglied im Rabbinical Council of America, der offiziellen Organisation, die moderne orthodoxe Rabbiner vertritt. Er gehört zu den bekanntesten Experten im interreligiösen Dialog und der mittelalterlichen jüdisch-christlichen Debatte.