Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
25.01.2013 - Nr. 1393

ACHTUNG:

Am kommenden Montag, 28. Januar 2013, erscheint KEIN COMPASS!

Die nächste Tagesausgabe erfolgt am Dienstag, 29. Januar 2013.


Guten Tag!

Nr. 1393 - 25. Januar 2013


Israel hat gewählt - und alle Welt wundert sich..., dass Israel eine Demokratie ist. Und Demokratien sind immer für Überraschungen gut, im Gegenteil zu Diktaturen allemal. Während die Auguren vor der Wahl alle von einem weiteren Ruck nach Rechts ausgingen, sehen die meisten Kommentatoren die Ergebnisse der Wahl als einen "Ruck in die Mitte", der eher hoffnungsvoll stimme. Jörg Lau kann sich diesem Optimismus in der ZEIT nicht ganz anschließen und meint:
"Ich würde mich freuen, von der Ereignissen eines besseren belehrt zu werden. Aber dieses Wahlergebnis verstärkt meinen Pessimismus. Eine TV-Celebrity ohne die geringste politische Erfahrung kommt im Stand von Null auf 19 Knesset-Sitze: Das spricht für großen Frust angesichts der etablierten Parteien. Und darüber hinaus erst einmal für: nichts. Für Netanjahu muss das nicht schlecht sein. Die Nachrufe scheinen mir verfrüht. Er ist der letzte erfahrene Politiker auf der Bühne, weder  Lapid noch Bennett können ihm das Wasser reichen."
Dennoch, der Überraschungssieg für Jair Lapid, den ehemaligen Fernsehmann, den es als Verkörperung des säkularen Mittelstandes in die Politik verschlagen hat, dieser Überraschungssieg wirbelt die politische Arithmetik in Israel erfrischend durcheinander. Viele Printmedien widmen ihm Porträts und versuchen, sein politisches Profil herauszuarbeiten. Beispielhaft die Überschrift von Inge Günthers Porträt des Wahlsiegers in der BERLINER ZEITUNG: "Jair Lapid - antireligiös, liberal, charmant".  Noam Zadoff wiederum, Inhaber des Ben-Gurion-Gastlehrstuhls für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, betont in seinem Kommentar für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG, die "eindeutigen Gewinner dieser Wahlen sind die Vertreter einer jüngeren Generation von Israelis, die alternative Erfolgsmodelle zu den »alten« Politikern sucht". Und der israelische Journalist Emanuel Rosen zieht in einem Kommentar für YNET, der in deutscher Übersetzung auf HAGALIL zu lesen ist, das Fazit:
"Die nächste Knesset wird voraussichtlich nicht lange bestehen, doch trotzdem steht sie für die Hoffnung auf einen Wandel. Der Ball liegt jetzt im Feld derer, die unter ihren Wählern den Eindruck erweckt haben, dass sie für eine andere Art der Politik und andere Werte stehen. Yair Lapid und Naftali Bennett – und in gewissem Maß auch Shelly Yachimovich – werden den hohen Erwartungen gerecht werden müssen, die sie selbst geweckt haben. Ihre Prüfung waren nicht die Wahlen, ihre Prüfung hat am Tag nach den Wahlen begonnen."
Die Links zu den erwähnten Beiträgen sowie vielen weiteren Kommentaren und Interviews zum Ausgang der israelischen Wahlen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST AKTUELL sowie ISRAEL INTERN.

Gudrung Harrer berichtet im österreichischen STANDARD von einem Treffen amerikanischer Senatoren unter der Leitung von John McCain mit dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi. Demnach hätten die US-Besucher Morsi "eine Gelegenheit" geboten zu erläutern, was er denn damit gemeint hätte, als er sagte, dass seine antisemitischen Äußerungen im Jahre 2010 "aus dem Kontext genommen" wurden. Morsi hatte damals in einer Rede dieses typische Gemisch von antiisraelischen Tiraden mit hard-core antisemitischem Schmutz von sich gegeben: Juden seien "Blutsauger, die Palästinenser attackieren", und sie seien "die Nachkommen von Affen und Schweinen". Harrer nimmt das Treffen mit den amerikanischen Senatoren zum Anlass für eine eigene Analyse: "Ägyptens Präsident und die Juden".
Der Link zu ihrem Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Das Leben Theodor Eschenburgs umspannte fast das gesamte vorige Jahrhundert, einschließlich dreier politischer Systemwechsel. Während des Kaiserreichs am 24. Oktober 1904 in Kiel geboren, durchlebte er während der Weimarer Republik seine Studien- und erste Berufsjahre in Tübingen und Berlin, die Zeit der NS-Diktatur verbrachte er als in einem mittelständischen Industrieverband ebenfalls in Berlin und fungierte nach der Befreiung zunächst als Ministerialbeamter, danach als Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft in Karlsruhe - und wurde als solcher im Nachriegsdeutschland zu einem der angesehensten Politologen, gerühmt und  mit höchsten Orden ausgezeichnet. Am 10. Juli 1999 starb er. Kürzlich allerdings kam er bei einem deutschlandweiten Kongress seiner Fachkollegen in Verruf. Anlass ist ein Aktenfund im Bundesarchiv, der für das Jahr 1938 seine Beteiligung als Wirtschaftsvertreter an einem „Arisierungsverfahren“ belegt. Anlaß für Hans-Joachim Lang in einem sehr umfangreichen Essay für das SCHWÄBISCHE TAGBLAT dem Leben und Werk Eschenburgs nachzugehen und die jüngsten Vorwürfe zu untersuchen: "Eschenburg, das Dritte Reich und die Juden".
Der Link zum Essay in der RubrikVERGANGENHEIT...

In der TAZ stellen Stefan Reinecke und Christian Semler die Bände 3 und 5 der ambitionierten Quellenedition zur "Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden" vor. Gleichermaßen beeindruckt von dem Werk wie auch einmal mehr erschrocken über seinen Inhalt schreiben sie u.a.:
"Wenn man diese Dokumente liest, das ratlose Entsetzen der Vertriebenen, die Hetze der Nazi-Propaganda, die kalte Sprache der Verwaltung, die immer neue Schikanen für die Juden erfindet, die wenigen erhaltene Dokumente aus Sicht der Opfer, die Massaker bezeugen, enthüllt sich ein Maß an Schrecken, die das Schicksal von Einzelnen bedeutungslos erscheinen lassen. Was wiegt der Selbstmord der 72-jährigen Rica Neuburger, die nicht aushält, "was man uns antut", gegen das, was an zwei sonnigen Tagen in den Hügeln vor Kamjanez-Podilskyj geschah? Wer sich in diese Quellen vertieft, dem zerrinnt der Versuch, eine angemessene Haltung zu dem Geschehen zu finden, zwischen den Fingern. Man wird immer wieder in den Modus der Fassungslosigkeit zurückgeworfen."
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Von undifferenzierter Israelkritik ist es nur ein kurzer Weg zu antisemitischen Verirrungen. Doch wie erklärt man deutschen Schülern die aktuelle Debatte? Gunnar Heinsohn, Gründer des Raphael-Lemkin-Institut für Xenophobie- und Genozidforschung an der Universität in Bremen, versuch in der WELT hierzu eine Anleitung zu geben. Exemplarisch buchstabiert er dabei einige der gängisten Vorwürfe gegenüber Israel durch, die einen antisemitischen Unterton aufweisen. Den Grund für die "rastlose Suche nach schuldigen Juden", die er in Antisemitismus und Israelkritik erkennt, markiert er schließlich in einem Zitat von Thomas Hobbes, der schon 1651 in seinem "Leviathan" geschrieben habe: "Wer jemandem mehr Schaden zugefügt hat, als er wiedergutmachen kann, wird sein Opfer hassen."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Seit wenigen Wochen wird eine erregte Debatte geführt, weil in Kinderbüchern von Astrid Lindgren und Otfried Preußler rassistische Begriffe ausgetauscht werden sollen. Nun tauchen auch Vorwürfe gegen einen weiteren Klassiker der Kinderliteratur aus der Feder von Christine Nöstlinger auf: Gibt es in ihrem Buch „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ antisemitische Untertöne? Christine Nöstlingers 1973 erschienener Roman „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ wurde mehrfach für den Deutschunterricht aufbereitet und liegt als Hörbuch vor. Kinder- und Jugendliteratur-Portale ermuntern zu seiner Lektüre, Amazon-Kundenrezensionen beschreiben die zeitlose Freude, die der Text bereitet. Aber der Lyriker und Germanist Lothar Quinkenstein zeigt nun in einem Beitrag für den TAGESSPIEGEL auf, dass es mit dem Namen des Gurkenkönigs „Kumi-Ori“ seine ganz besondere Bewandtnis hat, denn dieser Name "ist kein Produkt der Fantasie, sondern ein Zitat. Es handelt sich um zwei Imperative des Hebräischen: „Erhebe dich“ und „Leuchte“. Mit diesen Worten beginnt der Vers Jesaja 60, 1." Welche bedenklichen Folgen diese Erkenntnis hat, belegt er in seinem Beitrag: "Ein Gemüsedirektor namens Jerusalem".
Der Link dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

"Amor vincit omnia" (Die Liebe überwindet alles) ist der Titel eines kleinen Büchleins, das im Blick Verlag Erfurt erschienen ist. Es erzählt die Geschichte des jüdischen Kaufmannes Kalman, der einst in der thüringischen Handelsstadt wohnte, sich dort verliebte - aber sein Glück nicht leben durfte, denn die Auserwählte war eine Christin. Blanka Weber stellt im DEUTSCHLANDRADIO das Buch näher vor, in dem das mittelalterliche Erfurt zum Schauplatz einer jüdisch-christlichen Liebesbeziehung wird: "Die Geschichte von Kalman und Jutta".
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

"Meine Sprache ist Deutsch!", das sagten viele jüdische Deutsche aus tiefster Überzeugung - bis zum Holocaust. Wie schwer freilich für jüdische Gelehrte der Zugang zu den Geisteswissenschaften im 19. Jahrhundert war - und wie sehr sie dennoch mit ihrem Denken und Schreiben Wirkung erziehlten. beschreibt Christian Forberg in einem Beitrag für DEUTSCHLANDRADIO: "In deutscher Sprache - Der Einfluss jüdischer Gelehrter auf die Geisteswissenschaften".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, dem 27. Januar, werden wieder die Fahnen an Ministerien und öffentlichen Einrichtungen auf Halbmast wehen. Kränze werden an Mahnmalen niedergelegt, die Namen von Toten werden verlesen, Politiker halten Reden und Zeitzeugen erinnern sich. Bundeweit wird in Lesungen, Gottesdiensten oder Theateraufführungen versucht, die Erinnerung an die Schrecken der NS-Herrschaft wachzuhalten. Welchen Stellenwert aber hat dieser Gedenktag eigentlich für junge Juden in Deutschland? Dieser Frage gingen Evgenij Krasovskij und Fabian Wolff für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG näher nach: "Wichtiger Tag".
Der Link zu ihrem Bericht in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Die 1897 gegründete Zeitung «Forward» ist die vielleicht bekannteste jüdische Publikation Amerikas, die urprünglich eine jiddische sozialistische Tageszeitung mit dem Namen «Forverts» war und für die unter anderem Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer arbeitete. Vor allem unter der Leitung des legendären Abraham Cahan, der mehr als 40 Jahre die Forward-Mediengruppe leitete, entwickelte sich die Zeitung zu einer politisch einflussreichen Publikation. In den späten zwanziger, frühen dreissiger Jahren hatte der «Forward» eine tägliche Auflage von mehr als 275.000 Exemplaren, was ihn zur führenden Tageszeitung Amerikas machte, und das, obwohl man auf Jiddisch, nicht auf Englisch publizierte. Ab 1983 wurde aus der Tageszeitung ein Wochenblatt, das eine englische Beilage hatte, und seit 1990 gibt es zwei verschiedene Wochenzeitungen, eine in englischer, die andere in jiddischer Sprache, mit jeweils unabhängigen Redaktionen. Seit jedoch der Supersturm "Sandy" in Manhattan sein Zerstörungswerk verrichtete, steht es auch um die Büroräume des "Forward" alles andere als gut, wie Julian Voloj in seiner Reportage für die schweizer jüdische Wochenzeitung TACHLES schilder: "Stürmische Zeiten".
Der Link zur Reportage in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Nach Ansicht ihrer eigenen Mitglieder befindet sich die katholische Kirche in einer „desolaten Verfassung“. Vor allem die Missbrauchsfälle und die Unfähigkeit der Kirchenoberen, das Thema aufzuarbeiten, haben die Glaubwürdigkeit der Kirche „massiv“ erschüttert – gerade auch unter den treuesten Anhängern im konservativen Milieu. Die Empörung unter Katholiken über ihre Kirche ist in allen gesellschaftlichen Schichten groß. Man findet sich nicht mehr ab mit Missständen, sondern kritisiert sie offen. Das sind Ergebnisse der neuen Sinus-Milieu-Studie, die im Auftrag der katholischen Kirche untersucht hat, woran die eigenen Mitglieder glauben und wie sie die Kirche sehen. TAGESSPIEGEL, WELT und BERLINER ZEITUNG berichten Einzelheiten aus der Studie und auf den Seiten von KATHOLISCH.DE versucht der Religionssoziologe Michael N. Ebertz im Interview eine erste Einschätzung zu geben: "Schrei nach Reformen".
Die Links zum Thema in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

In der Nähe vom Savignyplatz in Charlottenburg befindet sich die Synagoge Pestalozzistraße. Kein irgendwie gearteter Prunk deutet auf ihre Bestimmung hin. Es gibt auch keine Objektschützer, nur wer das Gebäude betritt, muss einen Metalldetektor passieren. Gleichwohl ist ihre Geschichte vielsagend für die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Berlin und Deutschland, wie Esther Slevogt in ihrer Publikation "Die Synagoge Pestalozzistraße" beschreibt. Deutlich wird dabei nämlich, dass etwa die Reformation des jüdischen Gottesdienstes nicht nur eine kirchliche, sondern vor allem eine politische Entscheidung war. Andreas Hartmann stellt in der TAZ das Slevogts Buch und ihre Ergebnisse näher vor: "Die Orgel in der Synagoge".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag, ein schönes Wochenende und Gut Schabbes wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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