Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
09.03.2015 - Nr. 1557

Das Ende einer Epoche, Jiddisch ist out, gefolgt von Deutsch



Das Ende einer Epoche, Jiddisch ist out, gefolgt von Deutsch


Die Tel Aviver Stadtbibliothek hat in einer zweitägigen Aktion ihre gesamte jiddische Bibliothek, 5000 Bücher abräumen lassen. Die Öffentlichkeit war eingeladen, durch die Kellerräume zu gehen, wohin die Bibliothek schon vor Jahren gebracht worden war, und sich mitzunehmen, was gefällt. Was mit dem Rest geschah, ist unklar.

Der Grund, es gibt nicht mehr genügend Leser, die jiddische Bücher ausleihen. Dafür eine ganze Bibliothek zu erhalten, zahlt sich nicht aus, so die Bibliotheksleitung. Das meiste war sowieso unzugänglich in Kisten verpackt und auch auf den Regalen herrschte fortgeschrittene Verwesung. Wie auf einem Friedhof toter Bücher, sagte einer der Besucher nach einem Bericht in der Zeitung Haaretz von Donnerstag.

Die Epoche, in der Jiddisch eine lebendige Sprache war, sei zu Ende. Jiddisch wird in ultraorthodoxen Kreisen in Mea Schearim und in Bne Brak noch als alltägliche Sprache gesprochen. Diese Leute kommen aber nicht in eine Stadtbibliothek, und die meisten Bücher, die sie hier finden würden, sind ihnen sowieso von ihren Rabbinern verboten. Jiddisch spricht man, aber liest es nicht. Man liest nur Heilige Schriften, und das in Hebräisch.

Als nächstes sollen deutsche und spanische Bücher rankommen, ausgemistet zu werden. Auch dafür gäbe es kein Bedarf mehr. Die Kinder der Jeckes lesen keine Bücher in Deutsch, genausowenig wie die Kinder der aus Argentinien gekommenen Einwanderer Spanisch lesen. Man brauche mehr Platz für Bücher in Französisch und Russisch. Das sind lebendige Sprachen in Israel.

(COPYRIGHT: Michael Krupp, epd)


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