Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
23.04.2015 - Nr. 1570

ACHTUNG

In der kommenden Woche von 27. bis 30. April 2015 wird keine Tagesausgabe erfolgen können. Am Dienstag, 28. April 2015, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 222 mit einem Beitrag von Adele Reinhartz unter dem Titel "Rabbi Jesus im Johannesevangelium".

Die nächste Tagesausgabe erfolgt dann wieder am Montag, den 04. Mai 2015. 


Guten Tag!

Nr. 1570 - 23. April 2015



Ein besonderer Doppelfeiertag, der die Israelis jedes Jahr in Bann schlägt: Innerhalb von 48 Stunden gilt es ein Wechselbad der Gefühle zu überstehen. Am Dienstagabend begann zunächst der Gedenktag für die gefallenen Soldaten und Terroropfer - und 24 Stunden später setzten die ausgelassenen Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag ein. Über beide Ereignisse berichten auch einige deutschsprachige Medien, unter denen die WELT mit einer besonderen Geschichte über eine arabische Israelin aufwartet, die am Unabhängigkeitstag die höchste zivile Auszeichnung Israels erhält, wie Gil Yaron erzählt:
"Just in diesen Tagen, in denen der Graben zwischen Juden und Arabern tiefer ist als sonst, versucht Israels Establishment einen Brückenschlag. Das Komitee für die offizielle staatliche Unabhängigkeitsfeier auf dem Herzl-Berg – dem Pantheon des Zionismus – verlieh einer arabischen Israelin die höchste zivile Auszeichnung. Lucy Aharish darf bei der Zeremonie in Jerusalem eine Fackel "zur Ehre des Staates" anzünden. Arabische und israelische Nationalisten sind entsetzt, Liberale entzückt".
Die Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Die Linkspartei bringt heute einen Antrag auf sofortige Anerkennung Palästinas in den Bundestag ein - und folgt damit einem Beispiel, das bereits London, Paris, Madrid und Rom hinter sich hat. Ein Sakrileg? Eine Provokation? Nein, meint Alon Liel, ehemaliger israelischer Diplomat, von 1992 bis 1994 Botschafter Israels in Südafrika und von 2000 bis 2001 Generaldirektor des israelischen Außenministeriums. In einem Beitrag für den TAGESSPIEGEL legt er ein fulminantes Plädoyer für ein Votum des Deutschen Bundestages zugunsten der Anerkennung Palästinas vor:
"Wenn Deutschland gegen einen palästinensischen Staat stimmt, werden alle zwölf vorangehenden Abstimmungen über die Angelegenheit in Europa bedeutungslos. Wenn aber der Bundestag, trotz aller Komplexitäten und Empfindlichkeiten, seiner Verantwortung zur Gründung Palästinas gerecht wird, wird dieser Staat auch entstehen. Nur die Gründung Palästinas wird es dem Staat Israel, der Millionen von Deutschen so teuer und wichtig ist, ermöglichen, seinen Charakter als jüdischen und demokratischen Staat zu wahren."
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

Dani Kranz ist Sozialanthropologin an der Bergischen Universität Wuppertal. Gemeinsam mit einem Forscherteam der Hebräischen Universität in Jerusalem erforscht sie bereits seit 1990 die Immigration von Israelis nach Deutschland. Die TAZ hat sie nun zu ihren Forschungsergebnissen und aktuellen Tendenzen befragt. Auf die Frage, ob die wachsende Einwanderung von Israelis nach Deutschland damit zusammenhänge, dass Deutschland von manchen Juden inzwischen als liberaler wahrgenommen werde als Israel, antwortet sie:
"Ja. Ich hatte etwa einen Interviewpartner, der in Jerusalem geboren und aufgewachsen ist und aus einer Jecke-Familie kommt. Für ihn ist Berlin jetzt die liberale Stadt, aus der seine Großeltern kamen, während Jerusalem aus seiner Sicht "immer schwärzer" wird. Und "schwarz" ist das Codewort für: immer orthodoxer."
Der Link zum Interview in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

Am morgigen Freitag wird der Bundestag über einen Antrag von CDU/CSU und SPD abstimmen, in dem die "Deportation" und Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern erstmals von einer deutschen Regierung als "Völkermord" bezeichnet wird. Die Wortwahl ist von eminent politischer Bedeutung, denn die Türkei will mit aller Macht verhindern, dass diese ein Jahrhundert alten Verbrechen als "Völkermord" oder "Genozid" bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund erzählt Matthias Heine in der WELT die Geschichte des Begriffs "Genozid", stellt dessen Schöpfer Raphael Lemkin vor und erläutert welche Rolle die UN dabei spielte: "Völkermord - eine deutsche Erfindung".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Anfang April versandte der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) ein Schreiben, in dem er auf einen bisher nicht bekannt gewordenen Skandal hinwies: »Theologieprofessor will das Alte Testament aus der Heiligen Schrift verbannen«, lautete die Überschrift. Im Text heißt es: »Mit nachfolgender Stellungnahme macht Friedhelm Pieper, evangelischer Präsident des DKR, einen theologischen Skandal im deutschen Pro-testantismus namhaft, der bislang beschä- menderweise ohne Kritik und Widerstand im protestantischen Raum schweigend geduldet oder ignoriert wurde. Der DKR hofft, mit dieser theologischen Stellungnahme diese Mauer des Schweigens durchbrechen und eine kritische Debatte in der evangelischen Kirche anregen zu können.« Micha Brumlik greift nun den Skandal in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG auf und erläutert die theologischen und wissenschaftlichen Hintergründe - und auf der Seite des Koordinierungsrates ist die erwähnte Stellungnahme selbst im Wortlaut zu lesen: "Antijudaismus im neuen Gewand?"
Die Links dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Immer wieder gibt es von verschiedenen Seiten Kritik an deutschen Hilfswerken in Israel, die sich an israelfeindlichen Aktivitäten beteiligen. Der Vorwurf: Hilfswerke wie etwa "Brot für die Welt" torpedierten mit dieser Finanzierung den israelisch-palästinensischen Dialog und beförderten mit anti-zionistischer Kritik antisemitische Einstellungen. Im DEUTSCHLANDRADIO greift Thomas Klatt das Problem auf und versucht einen Überblick zu schaffen: "Umstrittenes deutsches NGO-Engagement in Israel".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

In Deutschland werben Rechtsextreme bereits in Kindergärten für ihre Ideologie, einerseits als Eltern, andererseits auch als Pädagoginnen. Die Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan, Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus bei der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, erläutert im Gespräch mit dem österreichischen STANDARD die Strategien der Rechten und zeigt auf, welche Gegenmaßnahmen helfen können: "Nicht alle Neonazis behandeln ihre Kinder schlecht".
Der Link zum Interview in der Rubrik RECHTSEXTREMISMUS.

Michael Mertes lebte drei Jahre in Israel und arbeitete dort als Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel. Nun hat er gemeinsam mit seiner Frau seine Erfahrungen und Eindrücke als Buch publiziert. Das Kernproblem des israelisch-arabischen Konflikts sei der Mangel an wechselseitiger Empathie zwischen den Religionsgruppen, so erläuterte er nun im Interview mit dem DEUTSCHLANDRADIO - und macht zudem auf eine äußerst fragwürdige Verbannung des Begriffs "Israel" aus biblischen Texten aufmerksam, die von katholischen Gemeinden in Israel vorgenommen wurde:
"Das Problem ist im christlich-jüdischen Verhältnis in Jerusalem, dass es völlig überlagert wird vom Konflikt. Die Politik steht an allererster Stelle. Daher hört man eben auch von Christen - ich muss es zu meinem Bedauern sagen, darunter waren auch Freunde - immer wieder Äußerungen über die jüdische Seite, die von einem völligen Unverständnis zeugen. Das geht sogar so weit, dass die katholischen Christen in Jerusalem in ihrem neuen Gesangbuch das Wort "Israel", das in so vielen Psalmen, aber auch neutestamentlichen Texten vorkommt, nicht mehr verwenden und durch das Wort Jakob ersetzt haben. Der Erzvater Jakob trug ja auch den Beinamen Israel, deshalb auch Israeliten, also die Nachkommen Jakobs. Das ist einfach gestrichen worden aus einer Liturgie, die eine Tradition von 1900 Jahren hat. Das finde ich schlimm."
Der Link zum lesenswerten Interview in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der sich auf einer Rundreise in Israel und Palästina befindet, hat sich kürzlich beim katholischen Radiosender "Domradio" als „besorgt“ über die Situation der Palästinenser gezeigt. Seine Einschätzung gleicht jedoch propagandistischer Desinformation – und hat mit der tatsächlichen Lage vor Ort wenig gemeinsam, meint Nahost-Korrespondent Ulrich W. Sahm und analysiert für ISRAELNETZ den "eigenwilligen Blick" des Kardinals auf die Fakten: "Ein Kardinal sorgt sich um 'Palästina'".
Der Link zur Analyse in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Mehrere muslimische Intellektuelle in Deutschland haben mit der Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung eine neue Plattform für Muslime gegründet: das "Muslimische Forum Deutschland". Nach den Worten des kommissarischen Sprechers, ZDF-Journalist Abdul-Ahmad Rashid, will es eine Plattform für Muslime mit Spaß an der Debatte sein. Matthias Drobinski stellt das neue Forum und seine Ziele in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG näher vor: "Ansprechpartner im Namen Allahs".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

2014 war ein Rekordjahr: Mehr als 7000 jüdische Einwanderer aus Frankreich sind nach Israel ausgewander. Im Jahr zuvor waren es 3200, 2012 lediglich 1800. Fast scheint es, als würden sich die Zahlen Jahr für Jahr mindestens verdoppeln. Viele verlassen ihre alte Heimat aus Angst – und tauschen ihr bekanntes Leben gegen nichts als Hoffnung, wie Martina Meister in ihrer Reportage für die WELT am Beispiel einer französischen Jüdin, die nun ebenfalls den Schritt nach Israel macht, illustriert: "Ich will zeigen, dass wir Juden noch da sind".
Der Link zur Reportage in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Ende März wurde bekannt, dass der Schweizer Historiker Raphael Gross das Jüdische Museum in Frankfurt verlassen wie auch seinen Posten als Leiter des Fritz Bauer Instituts aufgeben und an das Simon Dubnow Institut nach Leipzig wechseln wird [siehe Compass 30.03.2015]. In der FAZ zieht Jochanan Shelliem eine Bilanz und konzediert dem Schweiter, er habe viel bewegt in Frankfurt: "Die Ära Raphael Gross endet".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Ist es eine empfehlenswerte, ja, möglicherweise notwendige Maßnahme, jüdische Kleinkindert auch auf eine explizit jüdische Grundschule zu schicken? Ja, denn sie stiftet jüdische Identität, sagt Rivka Kibel, Reisejournalistin und Korrespondentin der Jüdischen Allgemeinen in Frankfurt am Main.  Nein, auch andere Einflüsse sind wichtig, meint wiederum Daniel Friedrich, Philosoph und als Lehrer an einer Schule in Berlin-Moabit. Ihr Pro und Contra haben sie gemeinsam in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG veröffentlicht: "Jüdische Grundschule – ein Muss?"
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Ruth Melcer wurde 1935 im polnischen Tomaszów Mazowiecki geboren, beide Eltern entstammten streng religiösen jüdischen Familien. Aus ihrem privaten Familienschatz entstand nun "Ruths Kochbuch", erschienen im Gerstenbergverlag. Die dort versammelten Familienrezepte sind für die Autorin dabei ein wichtiger Bestandteil ihrer eigenen Geschichte, die sie anhand der Rezepte erzählt. Julia Smilga stellt die Autorin und ihr Kochbuch für DEUTSCHLANDRADIO näher vor: "Das Kochbuch, das eine jüdische Familiengeschichte erzählt".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

In Polen haben sich 9.000 Jugendliche in der „Bewegung der reinen Herzen“ versammelt. Ihre Mission: Keuschheit, kein Sex vor der Ehe. Was motiviert diese jungen Menschen? Kaja Klapsa, selbst erst 18 Jahre alt und Mitglied der Jugendredaktion der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, hat die Motive der katholischen Jugendlichen in Polen zu ergründen versucht: "Enthaltsamkeit statt Sex".
Der Link zu ihrem Beitrag in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

"Endlich wieder ein wirklich lesenswertes Buch über israelisch-jüdische Beziehungen zu Deutschland und Deutschem. Endlich ein Buch, das der großen deutsch-jüdischen Geistestradition würdig ist und nicht nur nostalgisch an sie erinnert." Mit diesen enthusiastischen Worten leitet der deutsch-jüdische HIstoriker Michael Wolffsohn seine Rezension des Buches von Dan Diner "Rituelle Distanz. Israels deutsche Frage" in der FAZ ein. Dieser Autor, so Wolffsohn, "vertreibe den geistigen Mief des ewig Korrekten" und argumentiere bei allem "nie inkorrekt oder polemisch".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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