Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
09.06.2015 - Nr. 1581

ACHTUNG

Die nächste Tagesausgabe erfolgt am Donnerstag, 11. Juni 2015.



Guten Tag!

Nr. 1581 - 09. Juni 2015



Hebron - bis in die neunziger Jahre eine Stadt mit typisch arabischem Alltag. Unzählige Läden und Markstände, der orientalische Geruch von Kaffe, Gewürzen und gegrilltem Fleisch lag in der Luft, allseits Gedränge und Lärm in den Gassen. Heute jedoch ist Hebron tot, die Straßen leer, die Läden verwaist, die Türen der Wohnhäuser versiegelt. "Es sieht aus wie nach dem Abwurf einer Neutronenbombe: Die Mauern sind noch da, aber die Menschen verschwunden", schreibt David Signer in seiner Reportage für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Was ist passiert? Signer versucht eine Antwort auf diese Frage zu geben: "Besuch in einer Geisterstadt".
Der Link dazu in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Seit Jahrhunderten sind die Straßen und Häuser in weiten Teilen Palästinas nicht mit Namen und Hausnummern versehen, was ihren Bewohnern stets eine schützende Anonymität verlieg. Damit ist es nun vorbei, denn die Behören wollen dies nun ändern. Aber nicht alle begrüßen diese Modernisierungsmaßnahme, wie Gil Yaron in seiner Reportage für die WELT erläutert: "Auch Palästinenser bekommen nun Adressen".
Der Link zur Reportage in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

In einer großflächigen Zeitungsanzeige haben Israelis ein Ende der Besatzung und einen Boykott der Produkte aus den Siedlungen gefordert. Zu den Unterzeichnern gehören u.a. der israelische Dramatiker Joshua Sobol, der Bildhauer Dani Karavan, acht Preisträger des Israelpreises, Intellektuelle, Diplomaten und Politiker. Das sorgt naturgemäß für aufgeregte Diskussionen, berichtet Susanne Knaul für die TAZ: "Appell gegen die Besatzung".
Der Link zum Bericht in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Seit Jahrtausenden spekulieren die Menschen darüber, wie Sprache entstanden ist. In zwei israelischen Dörfern haben taube Menschen abgeschnitten von der Außenwelt ihre eigene Sprache entwickelt. Die Gebärdensprache, die sie nutzen, gibt es nur an diesem Ort. Kfar Qasim liegt im Zentrum Israels, an der Grenze zum Westjordanland. Es ist eine Sprachinsel, entstanden durch einen Gendefekt, der Menschen taub macht. Forscher entschlüsseln hier den Ursprung unserer Kommunikation, berichtet Kai Kupferschmidt in einer Reportage für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Das verbotene Experiment".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Welchen Platz nimmt der Krieg in der bundesdeutschen Erinnerung im Jahre 2015 ein? Jan Plamper, Professor für Geschichte in Goldsmiths, University of London, und derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, meint in einem Essay für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG eine Verschiebung vom Täter- zum Opferstatus zu beobachten, die als Begleiterscheinung eines Generationenwechsels zu sehen ist: "Die Deutschen als Opfer".
Der Link zu seinem Essay in der Rubrik VERGANGENHEIT...

"Welche Netzwerke bestanden auch nach dem Zweiten Weltkrieg in den Sicherheitsbehörden der jungen Bundesrepublik Deutschland fort? Welche Auswirkungen hatten diese Netzwerke bei der Wiedereinstellung von im Dritten Reich belasteten Personen? Welche Ziele verfolgten diese Personen? Wie beeinflusste dies die Entwicklung von Politik, Polizei und Kriminalitätsbekämpfung?"
Solche durchaus interessanten Fragen standen auf der Agenda eines Symposiums, das von Niedersachsens Landeskriminalamt veranstaltet wurde und der Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit dienen sollte. Doch die Öffentlichkeit war von dem Symposium strikt ausgeschlossen. Warum? Das fragen sich verärgert Stefan Aust und Charlotte Krüger in ihrem Beitrag für die WELT: "NS-Aufarbeitung hinter verschlossenen Türen".
Der Link dazu in der Rubrik VERGANGENHEIT...

Im vergangenen Jahr 2014 ist in Deutschland die Zahl der Straf- und Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund deutlich gestiegen. Dies zeigen aktuelle Daten der Bundesregierung, so berichet Christian Böhme im TAGESSPIEGEL:
"Wurden 2013 insgesamt 1275 Fälle registriert, waren es im vergangenen Jahr 1596 – ein Anstieg um mehr als ein Viertel. Noch eklatanter ist die Zunahme antiisraelischer Straftaten, die von den Behörden unter dem Begriff "Israel-Palästinenser-Konflikt" aufgelistet werden: 2013 gab es 41 solcher Vorfälle – 2014 waren es 575."
Den erschreckenden Zahlen stellt der TAGESSPIEGEL des Weiteren den Brandbrief einer Berliner Jüdin und Lehrerin in Charlottenburg-Wilmersdorf zur Seite, die über ihre Erfahrungen an der Schule und mit Kolleginnen und Kollegen schildert. U.a. schreibt sie:
"Den Deutschen, das ist mein Eindruck nach einem 35-jährigen Leben in Deutschland, sind Juden egal. Hauptsache, wir erinnern sie nicht an diese schlimme Sache damals. Hauptsache, wir sind schön unsichtbar. Hassen, nein, hassen tun sie uns nicht. Das übernehmen in diesem Land und in Europa die Araber, oder jedenfalls eine bedrohliche Vielzahl von ihnen. Und das deutsche Volk schaut zu."
In einem Interview - ebenfalls im TAGESSPIEGEL - versucht schließlich der Psychologe und Islamismus-Experte Ahmad Mansour die Ursachen des Antisemitismus zu benennen und fordert neue pädagogische Konzepte und offene Debatten im Klassenraum: "Wir sprechen viel zu wenig über politische Themen".
Die Links zum Thema in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

Wie kommt man mit Religionslosen und Atheisten ins Gespräch? Eine Frage, die sich die Kirchen inzwischen häufiger stellen müssen, denn die Zahl der konfessionslosen Menschen wächst. Eine Gruppe in Leipzig versucht, Spiritualität für Religionslose zu praktizieren. Wie solcherlei Spiritualität für Religionslose aussieht, hat Josefine Janert für DEUTSCHLANDRADIO erkundet: "Bei uns hat niemand recht".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Unter evangelischen Theologen ist ein Streit entbrannt, der hohe Wellen schlägt: Gehört das Alte Testament zur verbindlichen Sammlung biblischer Schriften, die unaufgebbare Richtschnur für den christlichen Glauben sind? Nein, meint der Berliner Professor Notger Slenczka in einem Aufsatz von 2013. Im April 2015 reagierte der Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hierauf mit Kritik, ebenso zahlreiche Professoren-Kollegen Slenczkas. Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm widersprach ihm. Im SONNTAGSBLATT kann man nun einen Text von Notger Slenczka lesen, in dem er seine Meinung verteidigt. Diese Debatte um das Alte Testament war auch Gegenstand auf dem gerade beendeten evangelischen Kirchentag in Stuttgart. KATH.NET berichtet, dass der hannoversche Landesbischof Ralf Meister die Äußerungen des Berliner Theologieprofessors Slenczka heftig kritisiert hat. Er habe damit, so Meister, im jüdisch-christlichen Dialog „unglaublich viel zerstört. ... Er hat nicht nur ein Glas vom Tisch gestoßen, sondern gleich das ganze Tischtuch weggerissen“, sagte Meister in einer Veranstaltung zur Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs. Und schließlich kann man im Online-Journal des Internationalen Rates der Juden und Christen - JCRelations.net - einen neuerlichen Beitrag zum Thema von Friedhelm Pieper lesen, dem evangelischen Präsidenten des Deutschen Koordinierungsrates, der mit seiner Stellungnahme die ganze Debatte vor einigen Wochen ausgelöst hat: "Streit um den christlichen Kanon".
Die Links zum Thema in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Ein weiteres der zu erwartenden Streitthemen auf dem soeben beendeten evangelischen Kirchentag war die Rolle und Bedeutung der sogenannten "Messianischen Juden" (siehe ONLINE-EXTRA Nr. 224). Dass die messianischen Juden vom Kirchentagspräsidium nicht zum Markt der Möglichkeiten eingeladen worden waren, hat insbesondere die Pietisten verärgert. Beim Podiumsgespräch „Was heißt Messianisches Judentum?“ in der Liederhalle in Stuttgart gab es viele Antworten auf noch mehr Fragen – aber kein Ergebnis, so Markus Brauer in seinem Bericht für die STUTTGARTER NACHRICHTEN. An der Podiumsdiskussion nahmen Micha Brumlik vom Zentrum Jüdische Studien der Jüdischen Gemeinde in Berlin, der evangelische Landesbischof aus Hannover Ralf Meister und der jüdisch-messianische Theologe Richard Harvey (London) als Vertreter der Messianischen Juden teil: "Ein Streitgespräch ohne Ergebnisse".
Links zum Thema in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

Moshe Navon ist der neue Landesrabbiner der liberalen Juden in Hamburg. Navon steht für Gleichberechtigung, Offenheit und flache Hierarchien, was freilich nicht jedem gefällt. Navons Leitspruch - "Was wir am Mitmenschen tun, ist Gottesdienst" - stammt von Leo Baeck, dem vielleicht berühmtesten Vertreter des liberalen Judentums in Deutschland, der das KZ Theresienstadt überlebte und später die "Weltunion für Progressives Judentum" gründete. Annette Langer porträtiert den neuen Landesrabbiner im SPIEGEL: "Der Nachsichtige".
Der Link zum Porträt in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

In den christlichen Kirchen gibt es in jüngerer Zeit kaum ein anderes Thema, das so leidenschaftlich wie umstritten diskutiert wird: Die Segnung homosexualler Paare. Aber auch in den jüdischen Gemeinden herrschen in dieser Frage durchaus unterschiedliche Ansichten. Ja, Ehen werden im Himmel gestiftet, meint etwa Rabbiner Schell. Nein, Homosexualität widerspricht der Tora, glaubt hingegen Rabbiner Wurmser. Beide begründen ihre Positionen in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "Chuppa auch für Homo-Paare?"
Der Link zum Disput in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Im jüdisch-christlichen Dialog setzte er wie kaum ein anderer wichtige Akzente und öffnete theologische Türen: Martin Buber. Tief verwurzelt in einem lebendigen Judentum hat er das Gespräch mit Nichtjuden gesucht und gefunden. Anlässlich seines 50. Todestages erinnert Rainer Clos an den Religionsphilosophen in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "Stimme des deuschen Judentums".
Der Link zur Würdigung in der Rubrik JÜDISCHE WELT.

Was hat er nun gebracht, der evangelische Kirchentag in Stuttgart? Die Kommentatoren zeigen sich skeptisch. Matthias Kamann stellt in der WELT einerseits fest, dass die protestantische Musik und Liturgie zwar lebendig sei, aber die vielfach zu hörenden politischen Floskeln niemanden mehr vom Hocker haue: "Die Protestanten brauchen dringend neue Themen". Noch schärfer in seiner Kritik ist Jan Feddersen von der TAZ, der das "endlose Gerede" beklagt, das sich stets in Wohlgefallen aufgelöst habe: "Applaus gab es für das Erwartbare". Und ähnlich auch Alexander Grau im CICERO, der einmal mehr die Chance vertan sieht, etwas theologisch Substantielles zu ergründen:  "Wer Substanz sucht, findet Realsatire".
Die Links zum Thema in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

Und noch einmal Martin Buber: Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde er zur geistigen Autorität des deutschen Judentums und begleitete es bis in die ersten Jahre des Naziregimes – bis er 1938 nach Palästina auswanderte. Martin Buber, 1878 in Wien geboren und am 13. Juni vor 50 Jahren in Jerusalem gestorben, verbrachte seine Kindheit in Galizien und in der Bukowina. Dort sah er die Spätform eines chassidischen Gemeindelebens, das seine ursprüngliche Kraft schon verloren hatte und ihn dennoch tief berührte. „Wohl ist die legendäre Größe der Ahnen in den Enkeln geschwunden“, schreibt er 1918 über seine Eindrücke, aber es „vermag das angeborene Leuchten ihrer Stirn nicht zu verdunkeln“. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist Bubers berühmte Sammlung chassidischer Erzählungen entstanden, die nun in einer Neuauflage vorliegen, die Jakob Hessing im TAGESSPIEGEL vorstellt: "Neuauflage von Martin Buber".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Abschließend noch der Hinweis auf ein außergewöhnliches Doku-Drama mit einem hochkarätigem Schauspielerensemble: "Aghet - ein Völkermord". Das Doku-Drama von Eric Fiedler handelt vom Genozid an den Armeniern, bei dem zwischen 1915 und 1918 bis zu 1,5 Millionen Menschen im Osmanischen Reich ermordet wurden. Dieser Völkermord wurde von Raphael Lemkin, dem Schöpfer der 1948 von der UN verabschiedeten Anti-Genozid-Konvention, als der erste systematisch ausgeführte Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Filmemacher Eric Friedler hat sich jahrelang mit den politischen Motiven beschäftigt. Er sprach mit internationalen Regierungschefs und der intellektuellen Elite der Türkei, befragte Historiker, Zeitzeugen und Wissenschaftler in der Türkei, Deutschland, USA, Frankreich, Syrien und Armenien sowie Vertreter der weltweiten armenischen Diaspora. Das filmisch beeindruckende Ergebnis seiner Recherchen ist heute Abend im Fernsehen  zu sehen.
Mehr dazu in den FERNSEH-TIPPS.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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