Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
07.09.2017 - Nr. 1734

Präsident Rivlin und Bundespräsident Steinmeier besuchen KZ-Gedenkstätte Dachau





Gemeinsames Gedenken



Von Katrin Diehl | Präsident Rivlin und Bundespräsident Steinmeier besuchen KZ-Gedenkstätte ...

Gesten der Freundschaft und des Gedenkens



Von Viktoria Großmann und Helmut Zeller |  Als erster israelischer Staatspräsident besucht Reuven Rivlin gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die KZ-Gedenkstätte Dachau...

So starb Hitlers wahnsinniger „Stellvertreter“



Von Sven Felix Kellerhoff | Am 17. August 1987 beging der ehemalige „Stellvertreter des Führers“ im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis Selbstmord. Stoff für Verschwörungstheorien, wie sein berühmt-berüchtigter England-Flug 1941...

In Iasi begann Rumänien seinen Holocaust



Von Antonia Kleikamp | Die Jewish Claims Conference und die Bundesregierung haben sich auf Zahlungen an die Überlebenden eines Pogroms geeinigt, das Ende Juni 1941 in Iasi stattfand. Den Befehl gab Rumäniens Diktator Antonescu....

KZ-Arzt Josef Mengele entkam dem Mossad mindestens zwei Mal



90-jähriger Eichmann-Jäger Rafi Eitan schildert im israelischen Radio die Mossad-Jagd nach Mengele...

Wie die Nazis ihre Kinder nannten



Von Matthias Heine | Es war nicht alles Horst. Auch andere germanische Namen wie Armin, Edda oder Edelgard florierten in den Jahren 1934–1945. Die Größen des NS-Regimes machten es bei ihren eigenen Kindern vor...




„Mit freundlichen Grüßen und Hitler-Heil!“

[DIE WELT]
Von Sven Felix Kellerhoff | Der Streit über die Dienstvilla des Bundespräsidenten geht weiter: War Waldemar Gerber, der das Grundstück 1933 einem Juden unter Wert abkaufte, ein Nazi oder nicht? Eine Recherche im Bundesarchiv...

Das Schicksal des Vorbesitzers der Bundespräsidenten-Villa



Von Michael Wildt | Die Dienstvilla des Bundespräsidenten in Berlin-Dahlem gehörte einst einem jüdischen Kaufmann. Wer war Hugo Heymann?...

Schienen in den Tod



Von Alexia Weiss | Wien. Heute wird auf dem Gelände des ehemaligen Aspangbahnhofs das Denkmal für die von dort in der NS-Zeit rund 47.000 Deportierten eröffnet...


Deportation in den Tod



Von Heike Lachnit | Die letzte Deportation aus Hadamar jährt sich zum 75. Mal. Dem ging ein systematischer ökonomischer Prozess der Enteignung und Ausplünderung voraus, um Menschen jüdischer Herkunft alles zu nehmen, was sie hatten...

Großer Knall statt leiser Töne



Herxheim am Berg in der Pfalz steht seit Wochen wegen des Streits um eine Kirchenglocke mit NS-Inschrift im öffentlichen Fokus. Nach umstrittenen Äußerungen in einem Fernsehbeitrag wirft nun der dortige Bürgermeister hin...



Zu Gast bei ...


Original-Beitrag



Nachfolgend lesen Sie einen Original-Beitrag des Publizisten Gabriel Berger.
Der studierte Physiker und Philosoph ist bereits mit mehreren Texten auf COMPASS vertreten, siehe:
ONLINE-EXTRA

COMPASS dankt dem Autor für die Genehmigung zur Wiedergabe seines Berichts an dieser Stelle.


Eine fast vergessene Episode des Holocaust:
Die Ermordung von „halbjüdischen“ christlichen Kindern


Zusammenfassung des Vortrags von Frau Dr. Annegret Ehmann
in der Berliner Zeitzeugen-börse am 15.06.2017



Eine der Aufgaben zeithistorischer Forschung ist die Bewahrung dramatischer Ereignisse und der mit ihnen verbundenen Personen vor dem Vergessen. Dieser Aufgabe hat sich Annegret Ehmann mit Erfolg gewidmet. Gemeinsam mit Christoph Kreutzmüller erforschte  sie die Schicksale von fünf Kindern die in der NS-Zeit aus dem „Haus Kinderschutz“ im heutigen Berlin Zehlendorf in das als „Erziehungsheim“ getarnte Mordinstitut Hadamar überführt und dort umgebracht wurden. Sie wurden bislang nicht im Gedenkbuch des Bundesarchivs „Opfer der Verfolgung der Juden unter der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutsch-land 1933-1945“ verzeichnet. Wie viele andere Opfer der NS-Verfolgung wurden sie vergessen.

Diese fünf Kinder waren als Christen getauft, galten aber in dem NS-Staat wegen eines jüdischen Elternteils als „Mischlinge“.  Jüdische „Mischlinge“, wurden wegen ihrer vermeintlichen  „rassischen Minderwertigkeit“ ausgegrenzt,  sie genossen aber, zumindest in Deutschland, gemäß der Nürnberger Rassengesetze  von 1935 gegenüber den „Volljuden“ das „Privileg“ nicht in Lager eingesperrt und ermordet zu werden. Das galt jedoch nicht für „Mischlingskinder“, die in irgendeiner Weise verhaltensauffällig geworden waren. Oft waren es Kinder von Eltern, die sich getrennt hatten, und sie wurden wegen akuter Erziehungsprobleme in ein Heim eingewiesen. Doch der vom Staat übernommene Erziehungsauftrag endete in diesen Fällen oft mit dem heimtückischen Töten der Schützlinge in dem „Erziehungsheim“ Hadamar. In der geheimen Tötungsanstalt im mittelhessischen Hadamar wurden zwischen Januar 1941 und März 1945, im Rahmen der sogenannten Aktion T4, etwa 14.500 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in einer Gaskammer, durch tödliche Injektionen und Medikationen sowie durch vorsätzliches Verhungern,  ermordet.   Gleiches Schicksal war den in die Mühle staatlicher „Fürsorge“ geratenen jüdischen „Mischlingskindern“ zugedacht. Den Eltern der in der als Erziehungsanstalt getarnten Tötungsanstalt ermordeten Kinder wurde eine Sterbeurkunde ausgehändigt, in die als Todesursache eine der üblichen Krankheiten eingetragen war. Meist wurden die Kinder als „Geistesschwach“ abgestempelt, auch wenn sie nachweislich über normale oder sogar überdurchschnittliche intellektuelle Begabungen verfügten. Und Geisteskrankheit war im NS-Staat selbst im Fall von „reinrassigen Deutschen“ ein hinreichender Tötungsgrund, um sich der unproduktiven, aber die Gesellschaft materiell belastenden Menschen zu entledigen. Laut Aussage der 1947 angeklagten Stationsschwester der Anstalt Hadamar Margarete Borowski, von Ausbildung Erzieherin, vor dem Landgericht Frankfurt waren einige der „jüdischen Mischlingskinder“ zwar abgemagert und im Wachstum, nicht jedoch geistig zurückgeblieben. Manche seien sogar sehr intelligent, gut entwickelt gewesen und hätten sich an den Hausarbeiten beteiligt. Der 1945 zum Tode verurteilte und hingerichtete Verwaltungsleiter Alfons Klein, den sie als „sehr kinderlieb“ schilderte, habe „zur Wahrung des Scheins“ den „Mischlingskindern“ noch bis kurz vor der Ermordung Unterricht erteilt. Die Behauptung Margarete Borowskis, keines der Kinder habe geahnt, dass es getötet werden sollte, ist allerdings widerlegt worden.

Annegret Ehrmann verwies in ihrem Vortrag darauf, dass die rassenideologische Terminologie und Praxis des  Nationalsozialismus ihren Ursprung und ihr Vorbild im europäischen Kolonialismus hatte. Die besonders in den afrikanischen Kolonien den Einheimischen, sowie den von weißen Kolonisten mit Einheimischen gezeugten Kindern geltende Wertung als „rassisch minderwertig“ , wurde in die NS-Ideologie und in die Nürnberger Rassengesetze übernommen und auf Juden, Sinti und Roma übertragen. Gemäß der pseudowissenschaftlichen Ideenwelt der Nationalsozialisten sollten die Rassengesetze das deutsche Volk vor  „Verbastardung“ durch Vermischung mit „minderwertigen fremden Rassen“  und damit vor vermeintlicher Verschlechterung schützen, wobei Kreuzungen von Menschen unterschiedlicher „Rassen“ analog zu Züchtungen von Nutztieren mit ihren Vor- und Nachteilen betrachtet wurden.  In diesem Sinne galten „jüdische Mischlinge“ oder „Zigeunermischlinge“ als Minderwertig und als für den „deutschen Volkskörper“ gefährlich. Sexuelle Kontakte von Deutschen mit Juden oder „Zigeunern“ galten demzufolge auf des Basis der Nürnberger Rassengesetze von 1935 als juristisch zu ahndende Rassenschande. Das Leben der Abkömmlinge aus solchen verbotenen und gesellschaftlich geächteten Verhältnissen war von der Gnade nationalsozialistischer Behörden abhängig.

Seit 1943 gab es in dem „Erziehungsheim“ Hadamar eine Sonderstation für „jüdische Mischlingskinder“. Von insgesamt 39 Kindern, die als „jüdische Mischlinge“ aus verschiedenen Fürsorgeerziehungsheimen des Reiches nach Hadamar überstellt worden sind, fielen 34 der Mordaktion zum Opfer. Die von Annegret Ehmann erzählte Geschichte von fünf Kindern aus dem „Haus Kinderschutz“ berührte mich persönlich, weil ich einer jüdischen Familie entstamme und am 27.03.1944 im deutsch besetzten Frankreich geboren wurde, exakt an dem Tag, an dem Rudolf Langen, einer der Insassen des Hauses, wegen seiner jüdischen Mutter im Alter von dreizehn Jahren in Hadamar ermordet wurde. 

Das „Haus Kinderschutz“ in Zehlendorf hatte ursprünglich eine durchaus anerkennenswerte Geschichte. Es wurde von den Mäzenen James Simon und Franz von Mendelssohn gestiftet, die die Einrichtung einem 1899 gegründeten „Verein zum Schutze der Kinder vor Ausnutzung und Misshandlung“ übertrugen. Seit 1906 wurden Kinder aus verwahrlosten Familien in dem Haus aufgenommen, wo sie nach einem reformpädagogischen Konzept erzogen wurden, die Schule besuchten und handwerkliche Fertigkeiten erwarben. In der NS-Zeit konnte allerdings diese Erziehungsanstalt nicht für alle Kinder die Fürsorgepflicht erfüllen. So hat der Heimleiter Hans Böhme nicht verhindert, dass 1936/37 dreißig Insassen des Heims auf Grund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ angezeigt und unfruchtbar gemacht wurden. Und er hat nicht verhindert, dass fünf seiner Schützlinge als „jüdische Mischlinge“ 1944 nach Hadamar  verlegt wurden, wobei allerdings unklar ist, ob es ihm  bekannt war, dass es sich in Hadamar nicht um eine Erziehungs- sondern um eine Tötungsanstalt handelte.

Nachdem die jüdische Mutter des Ermordeten „Mischlingsjungen“ Rudolf Langen den Krieg und die Verfolgung überlebt hatte, stellte sie1953 in der Bundesrepublik einen Entschädigungsantrag. Darin musste sie beweisen, dass ihr Sohn nicht, wie laut Urkunde von Hadamar vom Amt angenommen, „geistig behindert“ gewesen sei und somit, wenn er nicht ermordet worden wäre, für sie hätte sorgen können. Dies tat sie unter Vorlage der für einen dreizehnjährigen Jungen stilistisch überragenden Briefe, die sie von ihrem Sohn erhalten hatte, und mit Hilfe der Aussagen von drei Nachbarinnen, die bezeugen konnten, dass Rudolf „ein besonders begabtes und aufgewecktes Kind“ gewesen sei. Erschütternd ist auch, dass manche der Kinder in Hadamar ahnten, dass sie dort der Tod erwartete. Obwohl sie christlich getauft waren, fanden sie in der Kirche nicht den Schutz vor der Mordgier des Nazi-Regimes. Ganz anders erging es meiner Schwester, die, obwohl nicht getauft, vor dem Zugriff durch die Gestapo zwei Jahre in einem südfranzösischen Kloster versteckt wurde und die Nazi-Herrschaft überlebte.

Annegret Ehrmann und Christoph Kreutzmüller haben durch ihre Forschung die fünf Jungen vom Haus Kinderschutz dem Vergessen entrissen. Ihrer Initiative ist auch zu verdanken, dass im März 2017 in Berlin-Zehlendorf für die Kinder fünf Stolperseine eingeweiht wurden. Zu bedauern ist allerdings, dass die fünf nicht in das Verzeichnis der Ermordeten in Yad Vashem aufgenommen wurden, weil sie dort wegen ihrer christlichen Taufe nicht als Juden gelten.

© Gabriel Berger




Kunsthalle Recklinghausen zeigt Arbeiten von Rosemarie Koczy

Recklinghausen - Die Kunsthalle Recklinghausen zeigt seit Sonntag (27.8.) eine Ausstellung mit Arbeiten der 1939 geborenen Künstlerin Rosemarie (richtig) Koczy. Zu sehen sind bis zum 19. November über 100 Werke der 2007 verstorbenen Künstlerin aus Recklinghausen. Im Zentrum der Schau stehen Tuschzeichnungen aus dem Zyklus "Ich webe Euch ein Leichentuch", mit dem die Künstlerin an die Opfer der Shoah in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert, so die Ausstellungsmacher am Freitag.

Darüber hinaus präsentiert die Kunsthalle Gemälde und Skulpturen, die allesamt als Schenkung in die Sammlung des Hauses kommen werden. Als Tochter jüdischer Eltern wurde Koczÿ 1942 deportiert. Sie überlebte, verblieb aber trotz Kriegsende und Befreiung noch bis 1951 in einem Lager für "Displaced Persons", hieß es vor dem Start der Schau. Als ihre Großeltern sie nach langer Suche ausfindig machten, kehrte sie noch einmal nach Recklinghausen zurück, wuchs aber schließlich in einem katholischen Waisenhaus nahe Münster auf.

Koczy studierte später an der École des Arts Décoratifs in Genf. Auf Anraten von Peggy Guggenheim zog sie nach New York. Mitte der 1970er Jahre rückten die Aufarbeitung ihrer Kindheitserlebnisse und der Holocaust ins Zentrum ihres künstlerischen Schaffens. Bis zum ihrem Tod entstanden über  12.000 Tuschzeichnungen, mit denen die Künstlerin der Opfer der Shoa gedachte. "Das Leichentuch ist das Strichgewebe, das jede meiner Gestalten umgibt, um sie in Würde zu beerdigen," sagte sie einmal.

Koczÿs Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland, der Schweiz, den USA, Japan und Israel gezeigt. Zudem finden sie sich in bedeutenden Sammlungen wie der des Solomon R. Guggenheim Museums, New York, der Peggy Guggenheim Collection, Venedig oder der Collection de l’Art Brut, Lausanne. Aber auch die Gedenkstätten Buchenwald und Yad Vashem in Jerusalem besitzen Arbeiten der Künstlerin.
 
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr geöffnet.
 
Internet:
http://www.kunsthalle-recklinghausen.com/index.php?id=278

(COPYRIGHT: Andreas Rehnolt,
Microtext-Journalistenbüro)




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