ACHTUNG:
Guten Tag!
Vor dem Hintergrund anhaltender Spannungen und gewaltsamer Auseinandersetzungen im Westjordanland haben sich bei Gesprächen im ägyptischen Scharm el Scheich israelische und palästinensische Vertreter auf ein einen Mechanismus zur Eindämmung der Gewalt geeinigt. Er soll in dieser Woche mit Beginn des für Muslime heiligen Monats Ramadan greifen. Teil der Vereinberungen sehen die Verpflichtung Israel vor, vier Monate lang nicht über neue Siedlungsbaupläne zu sprechen. Zudem darf die Regierung über einen Zeitraum von sechs Monaten keine Außenposten legalisieren: "Maßnahmen zur Deeskalation".
Links zu Berichten über die Einigung in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
In einer lesenswerten Analyse für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schildert Edmund Ratka, seines Zeichens Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jordanien, die schwierige Lage seines Gastlandes im Nahost-Konflikt. Ratka macht deutlich, dass israels neue rechte Regierung zunehmend die bisher als Stablitätsfaktor wirkende Regierung Jordaniens in die Enge bringt:
"Die kompromisslose Politik der Netanyahu-Regierung gegenüber den Palästinensern – Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und Verweigerung jeglicher palästinensischen Staatlichkeit – lässt den jordanischen König mit nur schlechten Optionen zurück. Ein konfrontativer Kurs gegenüber Israel wäre für Jordanien schon allein wegen der Abhängigkeit von westlicher und allen voran amerikanischer Unterstützung riskant. Ausserdem bliebe das Potenzial wirtschaftlicher Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer ungenutzt. Zeitigt der moderate und Dialog-orientierte Kurs des Königs gegenüber Israel aber keine Erfolge, gefährdet er seine Glaubwürdigkeit und den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung..."
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In Israel regiert die rechteste Regierung in der Geschichte des Staates. In Tel Aviv gehen täglich Menschen auf die Straße, im Westjordanland kommt es zu immer gewaltvolleren Zusammenstößen zwischen Palästinensern, Armee und Siedlern. Was bewegt junge Palästinenser im Westjordanland unter israelischer Militärbesatzung? Wie blicken sie angesichts der jüngsten Entwicklungen in die Zukunft? Alena Jabarine hat für die ZEIT mit drei von ihnen gesprochen und deren Blickwinkel aufgezeichnet: mit Basel, 26, aus Hebron, der Jura studiert hat und als Aktivist und Journalist arbeitet, mit Somood, 20, die im Dschenin-Flüchtlingscamp lebt und Internationale Beziehungen in Bir Zait studiert sowie mit Amira, 28, aus dem Balata-Flüchtlingscamp in Nablus, die als Anwältin in Ramallah arbeitet: "Wir sollen verschwinden".
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Nach massiven Protesten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Modifizierung der geplanten Justizreform angekündigt, die im Wesentlich aus einer Vergrößerung des Gremiums zur Ernennung von Richtern besteht. Das kommt jedoch weder bei Befürwortern noch bei Gegnern gut an. Oppositionsführer Jair Lapid bezeichnete es als „Lüge“, dass die neue Fassung der umstrittenen Reform einen Kompromiss darstelle. Maria Sterkl kommentiert im österreichischen STANDARD lapidar: "Die Regierung, der seit Monaten breiter Protest entgegenschlägt, hat ganz einfach nüchtern kalkuliert, wie sie es anstellen könnte, auf die Kritik zu reagieren, ohne auf sie eingehen zu müssen." Zuvor waren am Wochenende zum elften Mal in Folge Hunderttausende auf die Straße gegangen, um erneut gegen die Justizreform zu protestieren. Auf Protestschildern war unter anderem zu lesen: "Nein zur Diktatur" oder "Israel ist noch nicht Iran". In seinem Bericht für den österreichischen Rundfunk ORF schreibt Guido Tiefenthaler, dass als Ausdruck des Frusts und der Radikalisierung in manchen israelischen Kommentaren mittlerweile von einer sozusagen innerisraelischen Zweistaatenlösung die Rede sei, sollte der Kampf um den Justizumbau nicht doch noch durch einen Kompromiss beigelegt werden: der Teilung des jüdischen Staates in einen 'Medinat Tel Aviv' (Staat Tel Aviv) und einen 'Medinat Jeruschalajim' (Staat Jerusalem)." Auch Präsident Herzog warnte erneut vor einem "Bruderkrieg", was Sina-Maria Schweikle in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit den Worten kommentiert:
"Wenn schon der Staatspräsident vor einem "Bruderkrieg" warnt, stellt sich die Frage, wie viel innenpolitischen Druck ein Land ertragen kann, das von so vielen Gegnern umgeben ist wie Israel. Viele Militäroffiziere, Piloten und Reservisten drohen inzwischen damit, den Dienst zu verweigern, wenn die umstrittene Justizreform umgesetzt wird. Das ist besonders bemerkenswert, gilt doch das israelische Militär als Garant für die Sicherheit des Landes und als einende Institution für alle Teile des jüdischen Staates."
Im österreichischen STANDARD beschreibt Eric Frey den gefährlichen Verfassungskonflikt, der durch die Justizreform zu erwarten sei:
"Wenn die Justizgesetze wie geplant von der Knesset verabschiedet werden, kann in Zukunft jeder Beschluss des Höchstgerichts mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden. Voraussichtlich wird der Gerichtshof dieses Gesetz für verfassungswidrig erklären — und die knappe Regierungsmehrheit sich dann darüber hinwegsetzen. Dann gäbe es in Israel zwei Rechtsordnungen im offenen Konflikt miteinander und keine Instanz, die die Kluft überbrücken könnte."
Der Historiker und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Michael Brenner schildert in seinem Kommentar in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG zwar auch die drohenden Gefahren der aktuellen Lage in Israel, hat aber die Hoffnung auf einen guten Ausgang noch nicht aufgegeben. Er schreibt:
"Noch ist es nicht zu spät, um das Blatt zu wenden und aus der jetzigen Misere Lehren zu ziehen. ... Vielleicht sehen ja auch einige der heute Verantwortlichen eine Chance inmitten der heutigen Zerreißprobe. Benjamin Netanjahu könnte als ein Ministerpräsident in die Geschichte eingehen, der das Land vor der Spaltung bewahrt, wenn er sich dazu durchringt, die Interessen des ganzen Landes über seine persönlichen und die seiner radikalen Koalitionspartner zu stellen."
Sehr viel skeptischer fällt das Urteil von Etgar Keret aus, der zu den Superstars der israelischen Literaturszene gehört. Mit ihm sprach die DEUTSCHE WELLE. "Diese Protestbewegung braucht keine Schriftsteller, die die Welt erklären", so Keret im Interview. "Jeder liberale Demokrat versteht, dass ein Gerichtshof unter der Kontrolle des Ministerpräsidenten ein schwacher Gerichtshof ist." Gleiches gelte, wenn die Regierung einen "frauenfeindlichen, homophoben Rassisten" im Erziehungsministerium einstelle. "Dann lernt mein Sohn frauenfeindliche und homophobe Einstellungen. Um das zu verstehen, musst Du kein Genie sein. Das kapiert jeder." Beeindruck zeigt sich Keret freilich von der derzeitigen Protestbewegung im Land, die verschiedenste Menschen über alle Gräben hinweg vereinige. "Ich war mein Lebtag nicht auf Demonstrationen mit so vielen Menschen, mit denen ich fast nichts gemeinsam habe", berichtet der Schriftsteller. "Links von mir sind Hipsters mit einem Joint im Mund, rechts High Tech Unternehmer und hinter mir Kommunisten. Eine Spannbreite von Reichen und Armen, Leuten aus der Armee und Kriegsdienstverweigerern." Allen gemeinsam sei die Furcht vor dem Verlust der Demokratie.
Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.
Bundeskanzler Scholz hat sich beim Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu in Berlin besorgt über die geplante Justizreform in dessen Land geäußert. Die Unabhängigkeit der Justiz sei ein hohes demokratisches Gut, sagte Scholz. Er halte hier die Suche nach einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für wichtig und richtig. Netanjahu erwiderte, Israel bleibe auch mit der geplanten Justizreform eine liberale Demokratie. War die Kritik von Scholz deutlich genug? Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Kommentatoren hierzulande. Jan-Christoph Kitzeler zeigt sich im DEUTSCHLANDRADIO enttäuscht:
"Viele Israelis hätten sich ein klares Zeichen von Deutschland gewünscht – ein Stoppschild. [...} Wem der Staat Israel als lebendige Demokratie am Herzen liegt, sollte sich mit denen, die für den Rechtsstaat kämpfen, solidarisieren. In Berlin hat die Bundesregierung das offenbar noch nicht begriffen. Freundschaft zu Israel geht in diesen Zeiten anders."
In der FAZ verweist Nikolaus Busse auf die im Deutschen Bundestag gegen die Stimmen der Opposition soeben durchgesetzte Wahlrechtsreform und bemerkt vor diesem Hintergrund zur Scholz-Kritik an Netanyahu:
"Im israelischen Streit über die Justizreform unterstützt der Kanzler Netanjahus Kritiker. Beim deutschen Wahlrecht steht Scholz aber selbst nicht für breiten politischen Konsens. Aber dass der Kanzler der Ampel, die gerade mit einer Wahlrechtsänderung im Hauruckverfahren zwei Oppositionsparteien den Zugang zum Bundestag erschweren will, als Fürsprecher breiter politischer Konsensbildung auftritt, ist nicht überzeugend."
Kersten Augustin wiederum greift in der TAZ den im Vorfeld zu hörenden Vorschlag auf, Netanyahu erst gar nicht zu empfangen:
"Scholz hätte Netanjahu den Besuch verweigern können, so wie die US-Regierung die Einladung an ihn hinauszögert. Deutschland hat eine Verantwortung gegenüber Israel, aber nicht gegenüber den PR-Interessen ihres Regierungschefs. Je weiter sich Israel in Richtung einer „theokratischen Diktatur“ entwickelt, wie manche befürchten, desto klarer muss Deutschland sich entscheiden, ob seine Solidarität den Jüdinnen und Juden gilt oder einer Regierung, die nicht nur für Palästinenser, sondern auch für liberale und säkulare Israelis, ja für die israelische Demokratie eine Bedrohung darstellt."
Sein Fazit ist deutlich:
"Auch wenn das in Deutschland manchen schwerfällt: Wer seine Solidarität mit der israelischen Demokratie zeigen will, muss diese Regierung international isolieren."
Im österreichischen STANDARD schildert schließlich Maria Sterkl, dass auch in Israel selbst der Besuch Netanyahus in Deutschland sehr kritisch begleitet wurde. Sie zitiert einen der schärfsten Kritiker Deutschlands, den israelischen Intellektuellen und langjährigen Politiker Avraham Burg, der einst Vorsitzender der Knesset war. Burg wirft Deutschland, aber auch Österreich vor, "in den Fängen der Dämonen seiner Vergangenheit" zu stecken. Anstatt sich ehrlich mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen, gehe man den einfachen Weg: "Man sagt: Verbünden wir uns mit dem Opfer, also den Juden. Und ganz egal, was das Opfer tut – wir rechtfertigen es." Dieser Grundsatz präge die heutige Israelpolitik in Deutschland und Österreich, sagt Burg, und dies sei der falsche Weg.
Mit ähnlicher Stoßrichtung argumentiert auch Charlotte Wiedemann in der TAZ. In Anbetracht der lauen Kritik gegenüber Netanyahu an den Vorgängen in Israel fragt sie sich: "Lähmt uns richtigerweise ein Schuldgefühl, bindet es Deutschen die Hände – oder ist das nur eine billige Ausrede?". Und ihre Antwort lautet:
"Die deutsche Politik steckt in einem hausgemachten Dilemma fest: schon zu lange Schoah-Verantwortung und die Haltung zu israelischem Regierungshandeln nicht getrennt zu haben. Darauf ist der ganze Apparat, die gesamte Diplomatie geeicht."
Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.
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Fast genau vor 80 Jahren, ab dem 15. März 1943, begannen die Todeszüge von Saloniki nach Auschwitz zu rollen. Saloniki - "Mutter Israels" - wie die griechische Stadt genannt wurde, weil weil sie sich als Einzugsgebiet der sephardischen Juden im Mittelalter zu einem Zentrum der jüdischen Gelehrsamkeit in Europa entwickelt hatte. Sie hatten ihre Sprache Ladino bewahrt und eine blühende Handelsstadt mit reichem kulturellem und religiösem Leben aufgebaut. Nun blickte die "Mutter Israels" dem Tod in die Augen - vergeblich stellten sich einzelne Griechen dagegen. Und nach 1945 ging der Massenmord vergessen, wie Jürgen Pelzer in seinem eindrücklichen Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schildert: "Im Holocaust wurde fast die gesamte jüdische Bevölkerung Griechenlands ermordet."
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Deutsche Gedenkstätten haben einen Bildatlas der Deportation aus dem Deutschen Reich erarbeitet. Unter www.lastseen.org sind die gesammelten Fotodokumente von Deportationen jüdischer Mitbürger unter den Nazis zu sehen. In der TAZ stellt Klaus Hillenbrand die Datenbank näher vor. Auffallend sei, so Hillenbrand, dass die Bilder aus kleineren Orten überwiegen, während etwa aus Berlin oder Hamburg bislang kein einziges Deportationsfoto existiere. Akim Jah von den Arolsen Archives erklärt, warum das so ist: 'Deportationen waren kleinstädtische Sensationen.' Und Hillenbrand erläutert: "Hier gab es keine Stapoleitstelle, stattdessen halfen Mitarbeiter vom Rathaus und vom Landratsamt aus, ganz zu schweigen von Ordnungspolizisten, Lkw-Besitzern und Eisenbahnbediensteten. Fotografieren war dabei zwar nicht ausdrücklich verboten, aber jedem Zeitgenossen war doch klar, dass man da vorsichtig sein musste. Das erklärt, warum manche der Bilder verwackelt sind und offenbar aus der Hüfte geschossen wurden."
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20.606 Personen haben im vorigen Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen. Das sind 27,4 Prozent mehr als 2021. Gegenüber dem Jahr 2019 hat sich die Zahl fast verdoppelt. Was ist da los? Die Antwort ist einfach und komplex zugleich. Fast die Hälfte der neuen Bürger sind ehemalige NS-Opfer oder deren Nachkommen. Zurück geht diese Entwicklung auf ein Gesetz im September 2020, das ein Recht auf Einbürgerung für Nachfahren vertriebner Opfer des NS-Terrors vorsieht, auch wenn die Betroffenen nicht in Österreich lebten. Bestehende andere Staatsbürgerschaften müssen nicht aufgegeben werden. Paul Jandl beschreibt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG die Hintergründe und Folgen dieses Gesetzes mit grosser Wirkung: "Mir gebührt die österreichische Staatsbürgerschaft. Man hat sie mir weggenommen. Ich will sie zurück".
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Wohl nie waren so viele berühmte Schriftsteller und Reporterinnen aus aller Welt unter einem Dach versammelt wie 1946 bei den Nürnberger Prozessen: Erich Kästner war in Nürnberg und Erika Mann, John Dos Passos und Martha Gellhorn, Willy Brandt und Markus Wolf, Augusto Roa Bastos kam aus Paraguay, Xiao Qian aus China. Sie kamen, um zu berichten: von den Gräueln des Krieges und des Holocaust, die dort vor Gericht verhandelt wurden. Sie wohnten und schrieben auf Schloss Faber-Castell, diskutierten, tanzten, verzweifelten, tranken. Uwe Neumahr erzählt ihre Geschichte in seinem bewegenden Buch "Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg '46. Treffen am Abgrund". Christian Schröder stellt das Buch im TAGESSPIEGEL näher vor: „Das Schloss der Schriftsteller“.
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In den Vereinigten Staaten von Amerika wächst ein antisemitisches Netzwerk, das als Goyim Defense League (GDL) bekannt ist. Angeführt wird es von dem früheren Rapper Jon Minadeo. Mit den anderen Mitgliedern hebt er vor allem in Florida den Judenhass auf eine neue, noch gefährlichere Ebene. Die GDL scheut dabei auch vor einer direkten Konfrontation mit Juden nicht zurück und beschimpft diese in aller Öffentlichkeit, wie Imanuel Marcus für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG berichtet: "Die nächste Dimension des Judenhasses".
Der Link dazu in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Konzerte des englischen Rockmusiker Roger Waters hat die FRANKFURTER NEUE PRESSE mit Meron Mendel, dem Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, über - wie Mendel sagt - unsinnige Verbote, die Gereiztheit in der Israel-Debatte und einmal mehr über den Unterschied zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus gesprochen. Auf die Frage, ob man nicht Rücksicht darauf nehmen müsse, wenn wie bei Waters oder der documenta jüdische Gemeinden sagen, derlei Kränkungen und Diffamierungen seien Juden nicht zuzumuten, antwortet Mendel:
"Ich würde die Frage abstrahieren. Wenn Menschen einer Minderheit sagen, dass ihre Gefühle verletzt sind, wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Es ist zweifellos ein wichtiges Ziel, Minderheiten vor Verletzungen zu schützen. Andererseits darf die Debatte nicht so subjektiv geführt werden, dass es nur noch um Gefühle geht. Am Ende brauchen wir feste Kriterien, alles andere wäre Willkür. Und weil Sie gerade jüdische Befindlichkeiten ansprechen: Ein grundlegender Irrtum hierzulande besteht ja auch darin, dass es zu allen möglichen Themen immer nur eine jüdische Position, ein jüdisches Empfinden gäbe. Wie jede Minderheit haben Juden untereinander unterschiedliche Wahrnehmungen, was sie als antisemitisch empfinden."
Der Link zum Interview in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
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Wer in der Schweiz Kopftuch, Kippa oder Turban trägt, fällt auf – und erlebt oft Diskriminierung. Jacqueline Grigo hat ihre Doktorarbeit zum Thema religiöse Kleidung geschrieben und ist der Frage nachgegangen, warum religiöse Kleidung gerade in Gesellschaften irritiert, die sich selbst als säkular sehen. Nicole Freudiger hat für das SCHWEIZER FERNSEHEN UND RUNDFUNK mit Grigo gesprochen und berichtet ihrer Eindrücke: "Warum irritieren Kruzifix, Kippa und Co.?"
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
Die "Alle-Kinder-Bibel" von Andrea Karimé ist gerade neu erschienen. Sie soll einen weltoffenen Glauben vermitteln, der die Vielfalt der Menschen vermittelt. Was diese Bibel anders macht als andere und wie sie dabei rassismus- und diversitätssensibel, einfühlsam und kindgerecht vorgeht, erläutert Sarah Vecera im Interview mit DOMRADIO. Sie hatte die Idee für dieses Projekt: "Geschichten nicht neu erfunden".
Der Link zum Interview in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
"Meet a Jew" ist ein Projekt des Zentralrats der Juden und wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" In persönlichen Begegnungen wollen Jüdinnen und Juden Einblicke in das jüdische Leben in Deutschland geben. Die Begegnungen können über die Internetseite https://www.meetajew.de/ angefragt werden und sind kostenlos. Eine solche Begegnung fand nun kürzlich auch in einer 11. Berufsschulklasse in Darmstadt statt, die aus christlichern und muslimischen Schülern und Schülerinnen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren besteht. Zu Besuch war dort die Jüdin Neala - und Julian Moering hat die Begegnung für den HESSISCHEN RUNDFUNK beobachtet: "Begegnung auf Bestellung - Jüdin trifft muslimisch-christliche Berufsschulklasse"
Der Link zum Bericht in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
Seit mehr als 150 Jahren ist der Kölner Domchor – ein Knabenchor, der mit Herrenstimmen verstärkt wird – wesentlicher Bestandteil des liturgischen Lebens in Köln. Darüber hinaus hat sich der 1863 wiedergegründete Domchor durch Konzerte im Dom selbst, in der Philharmonie oder der Oper weit über Köln hinaus einen Namen gemacht. Aktuell befindet sich der Domchor auf Israel-Reise, der ersten nach fast 20 Jahren. Anlass ist die Einladung der Jerusalemer Dormitio-Abtei, bei der Wiedereröffnung nach anderthalbjährigen Restaurierungsarbeiten zu singen. Anschließend sind noch weitere Konzerte in Bethlehem und Tel Aviv geplant, wie Beatrice Tomasetti für DOMRADIO berichtet: "Konzerte und Besuch der Wirkungsstätten Jesu".
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
Der Islamic Fatwa Council hat eine Fatwa gegen die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas ausgesprochen. Damit hat zum ersten Mal ein islamischer Rat entschieden, dass die Hamas keine religiöse Legitimität besitzt. Von dem bemerkenswerten Vorgang, der in den Medien hierzulande bislang keine Beachtung fand, berichtet Clemens Lintschinger ausführlich für den HUMANISTISCHEN PRESSEDIENST. Der Islamic Fatwa Council komme in seiner Fatwa zu dem Schluss, dass nach dem gesichteten Videomaterial die Palästinenserorganisation Hamas verantwortlich ist für eine "Herrschaft der Korruption und des Terrors gegen die palästinensische Zivilbevölkerung innerhalb des Gazastreifens". Den gläubigen Muslimen wird verboten, für die Hamas zu beten, sich ihr anzuschließen, sie zu unterstützen, sie zu finanzieren oder für sie zu kämpfen. Die Besonderheit dieser Fatwa besteht insbesondere auch darin, dass seine Rechtsgelehrten aus allen islamischen Strömungen stammen. Dieser quasi-ökumenische Ansatz ist es, der dem Islamic Fatwa Council eine besondere Autorität verleihen soll: "Fatwa gegen die Hamas ausgesprochen".
Der Link zum Bericht in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
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Ein zweitägiges Mini-Festival mit Lesungen, Gesprächen und Musik in Potsdam widmete sich kürzlich einem bislang unbesprochenen Kapitel deutscher Gegenwart: "Jüdische Ossis". Das Festival setzte vier Schwerpunkte: »Die Rückkehrer«, »Von denen, die gingen«, »Von denen, die blieben« und »Die Gegenwart«. Alicia Rust hat das Festival für die JÜDISCHE ALLEMEINE WOCHENZEITUNG begleigtet: "Die anderen Juden?".
Ob es nun spezifisch "jüdische Ossis" gab oder gibt, konnte das Festival wohl nicht wirklich klären, unbestritten aber lebten Juden und Jüdinnen nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR. Im Winter 1952/1953 allerdings kam es zu einem bemerkenswerten Exodus: fünf von acht jüdischen Gemeindevorsitzenden flüchteten zusammen mit mehreren Hundert anderen Juden. Darunter befanden sich auch hochrangige SED-Funktionäre. Genaue Zahlen haben Historiker bis heute nicht ermittelt: Es geht um ein Viertel oder gar ein Drittel aller Juden in der DDR, so wird geschätzt. In Ostdeutschland totgeschwiegen, geriet der Exodus auch im Westen bald in Vergessenheit. Zum 70. Jahrestag erinnern neue Forschungen an die Ereignisse, über die DEUTSCHLANDRADIO berichtet: "Warum es 1953 zur Massenflucht aus der DDR kam".
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Am 20. März wäre der Schriftsteller und Gesellschaftskritiker Ralph Giordano 100 Jahre alt geworden. Im gesellschaftspolitischen Nachkriegsdeutschland sind seine Romane und Fernsehdokumentationen nicht wegzudenken, seine Stimme als "Mahner und Warner" war stets präsent. Er war ein antitotalitärer Linker, der den Relativierern immer Paroli geboten hat. 1923 in Hamburg als Sohn eines italienischen Vaters und einer jüdischen Deutschen geboren, hatte Giordano schon als Schüler erfahren müssen, wie sich ein vermeintlich erwachendes Deutschland abkehrte von westlicher Zivilisation und für ihn und seinen Bruder Rocco zu einem Land der Ausgrenzung und Demütigung wurde. Später musste die gesamte Familie untertauchen und taumelte dann am 4. Mai 1945 in Hamburg-Alsterdorf aus einem Kellerloch, in dem sie die Verfolgung überlebt hatten. Anlässlich seines 100. Geburtstages erinnert sein Freund Marko Martin in zwei eindrücklichen Artikeln in der WELT und der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG an seinen Freund und dessen Verdienste: »Lieber Ralph, wir vermissen dich«
Die Links dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
1959 wurde Hannah Arendt nach Hamburg eingeladen, um den Lessing-Preis entgegenzunehmen. Das war kurz vor dem Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961 und den Auschwitzprozessen in Frankfurt 1963 als Arendts Interventionen geachtet, wenn nicht sogar berüchtigt waren. In ihrer Rede, die sie in Hamburg hielt, ging es Arendt um sehr viel. Es geht um eine neue Aufklärung, um intellektuelle und reale Bewegungsfreiheit, es geht auch um Mitleid und Freundschaft als Grundlage für Politik. Es geht um die Grenzen der Solidarität. Und es geht um jüdische Identität. Natan Sznaider, Professor emeritus für Soziologie an der Akademischen Hochschule von Tel Aviv und aktuell Senior Fellow in Wien, widmet sich dieser Rede in einem längeren Beitrag für den ORF: "Der Besuch der jüdischen Dame".
Der Link zum Essay in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Heute vor hundert Jahren, am 22. März 1923 wurde Marcel Mangel in Straßburg geboren, als Sohn eines jüdischen Metzgers. Schon früh begeisterte er sich für die Stummfilmgrößen Charly Chaplin oder Buster Keaton und imitierte sie. Schauspieler wollte er werden, doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs durchkreuzte den Plan. Die Familie musste fliehen, der Vater wurde denunziert, von der Gestapo verhaftet und in Auschwitz ermordet. Sein Sohn schloss sich in Frankreich dem Widerstand an und nannte sich fortan »Marcel Marceau«, jener Name, unter der er Jahre später als Weltklasse-Pantomime weltberühmt wurde. Barbara Just erinnert an ihn in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "Schauspieler der Stille".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT
Und heute Abend ist im Fernsehen eine sehenswerte Dokumentation über Marceau und dessen Rettungstaten für jüdische Kinder während des Zweiten Weltkriegs zu sehen: "Der Pantomime: Marcel Marceau".
Mehr dazu in den FERNSEH-TIPPS.
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Wenn Megan Phelps-Roper in der Öffentlichkeit über ihre Vergangenheit spricht, und das tut sie oft, gibt es meist vorab eine Trigger-Warnung: Was sie erzählt, könne besonders Homosexuelle, Juden und Angehörige verstorbener US-Soldaten verstören und verletzen. Sie selber sagt: «Ich wurde geboren, um zu hassen.» Phelps-Roper wuchs in der Westboro Baptist Church in den USA auf, deren Mitglieder sich als auserwählt betrachten. Bereits mit fünf Jahren streckte sie auf Demonstrationen ein «Gott hasst Schwuchteln»-Schild in die Höhe. Wie sie als junge Erwachsene anfing zu zweifeln und warum ausgerechnet Twitter ihr dabei half, sich von der Sekte zu lösen, schildert sie in ihrer 2019 erschienenen Autobiografie. Nadine A. Brügger porträtiert Megan Phelps-Roper und deren "Reise vom Hass zur Hoffnung" in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: «Ich war ein Monster»
Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
In einem interessanten Interview mit dem in Münstern lehrenden Professor für Dogmatik und Dogmatikgeschichte Michael Seewald geht es um einen spannenden Widerspruch in der kathholischen Theologie und Kirchengeschichte. Einerseits ist da das Dogma, das seiner Definition gemäß eine ewige unveränderbare Wahrheit verkündet, andererseits sind vor allem von Päpsten initiierte Fortschritte und Innovationen in der christlichen Lehre zu verzeichnen. Dieser Widerspruch zwischen ewiger Wahrheit und innovativem Wandel werde mit Hilfe von "Kontinuitätsfäden" und "Innvoationsverschleierung" verdeckt. Ein Beispiel:
"Etwa die Haltung der katholischen Kirche zur Religions- und Gewissensfreiheit. Papst Gregor XVI. hielt die Menschenrechte für "Wahnsinn" und die Gewissensfreiheit für einen "pestilenzartigen Irrtum". Das war im 19. Jahrhundert. Im Laufe der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts zeichnete sich dann langsam eine Tendenz zur Veränderung ab. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das von 1962 bis 1965 stattfand, zeigten sich Papst und Bischöfe auf einmal als große Fans der Religions- und Gewissensfreiheit. Sie lehrten, dass diese Freiheit aus der Würde der menschlichen Person folge und sie mit der Offenbarung in vollem Einklang stehe. Liest man das entsprechende Dokument des Konzils, bekommt man den Eindruck, die Religionsfreiheit sei eigentlich eine Erfindung der Kirche. Dass diese Freiheit nicht wegen, sondern trotz der Kirche durchgesetzt wurde, wird nicht thematisiert. Man hat also eine Kehrtwende vollzogen, beanspruchte aber zugleich Kontinuität in Fragen der Lehre."
Der Link zum Interview in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Einfühlsam, lebendig und in leichtem, humorvollem Ton, erzählt der Literatur-Nobelpreisträger von 2021 Abdulrazak Gurnah in seinem Rroman »Das verlorene Paradies« die Geschichte des jungen Yusuf im Sultanat Sansibar, angelehnt an die Josef-Figur aus Bibel und Koran - und gibt dabei faszinierende Einblicke vom Erwachsenwerden in Zeiten des kolonialen Umbruchs. Im Original 1994 erschienen, stand der Roman u.a. auf der Shortlist des Booker Prize und stellte für Gurnah den Durchbruch als Schriftsteller dar. Nun liegt der Roman in Deutsch vor und Jérôme Cholet hat ihn für das SONNTAGSBLATT gelesen: "Eine Geschichte, die an Bibel und Koran angelehnt ist".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
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