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Am 13. September diesen Jahres ist es 30 Jahre her, dass es 1993 zum Handschlag zwischen dem israelischen Premierminister Jitzchak Rabin und dem PLO-Chef Jassir Arafat kam und damit das Osloer Abkommen besiegelt wurde. Weithin wurde das Abkommen als entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern gefeiert. In einem Beitrag für die TAZ erinnert Stephan Grigat, Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, an das Zustandekommen des Osloer Vertrags und skizziert die Gründe seines Scheiterns, die u.a. auch in der eigentlichen Intention Arafats bei dem Abkommen zu sehen sei:
"Arafat stellte klar, dass er das Abkommen mit Israel ganz im Sinne jener schon von Mohammed mit einem verfeindeten Stamm geschlossenen zehnjährigen Hudna verstehe, also einer zeitlich begrenzten Waffenruhe, die nicht auf Frieden abzielt, sondern der Konsolidierung der eigenen Kräfte dient, um den bewaffneten Kampf gegen den Feind erneut aufzunehmen. 1996 huldigte Arafat dem Chefbombenbauer der Hamas, Yahya Ayyash, und die von der Fatah kontrollierten Medien verbreiteten die gesamten 1990er Jahre hindurch antisemitische Propaganda, die mit Ausbruch der Zweiten Intifada nochmals intensiviert wurde und jener der Hamas und anderer Islamisten in fast nichts nachstand."
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Nathan Brown, Professor für Internationale Beziehungen an der George Washington University in den USA, konstatiert 30 Jahre nach dem Oslo-Abkommen in einem Beitrag für die ZEIT einen Wandel im politischen Diskurs über Israel: Abschied von einer realtitätsfernen Zwei-Staatenrethorik und Hinwendung zur Anerkennung einer de facto Einstaatenrealität. Brown begrüßt diesen Diskurswandel ausdrücklich, da er den festgefahrenen diplomatischen Diskurs aufbrechen könnte und mithin einen Fortschritt insoweit darstellt, als dass "überhaupt wieder über die Realität gesprochen wird". Mit diesem Wandel gehe insbesondere in den USA auch und gerade in der jüdischen Community ein Wandel der eigenen jüdischen Identität und der Rolle Israels dabei einher:
"Jüngere, nicht orthodoxe US-amerikanische Juden haben einen deutlich kritischeren Blick auf Israel. So wächst die Unterstützung für die BDS-Bewegung in der jüdischen Community (und das Momentum für BDS geht wohl ebenso von der jüdischen wie von der palästinensischen Community aus). Es ist nicht nur die zunehmende Kritik an Israel, es ist die Art, wie es betrachtet wird: Für viele jüngere Juden aus dem linken Spektrum – und das ist die Mehrheit – spielen Fragen der sozialen Gerechtigkeit heute eine weitaus größere Rolle als solche der Sicherheit. An der Universität erlebe ich, wie manche meiner jüdischen Studierenden damit ringen, ihre jüdische Identität und politische Haltung zusammenzubringen, wobei deutlich wird, dass sie Israel eben nicht mehr als Kern ihrer jüdischen Identität erachten."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
Nach dem hessischen Gießen und dem norwegischen Bergen kam es nun auch in Israel zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Migranten aus Eritrea, bei den mehr als 150 Verletzte, unter ihnen auch Polizisten, zu verzeichnen waren. Gegner und Unterstützer des Regimes in Eritrea hatten sich wegen einer Veranstaltung der eritreischen Botschaft anlässlich des eritreischen Unabhängigkeitskrieges am Samstag im Süden Tel Avivs heftige Kämpfe geliefert. „Wir wollen harte Maßnahmen gegen die Randalierer“, sagte Netanjahu bei einer Sondersitzung am Sonntag. Sein Kabinett solle zudem einen Plan zur Ausweisung „aller anderen illegalen Eindringlinge“ ausarbeiten. Zudem nutzte Netanjahu die Vorfälle für "Kritik am Obersten Gerichtshof, dessen Kompetenzen seine Koalition massiv einschränken will. Das Gericht habe in der Vergangenheit wiederholt 'Vorschläge' der Regierung, Migranten zur Ausreise zu bewegen, blockiert", berichtet Felix Wellsch für die TAZ. In einem Kommentar für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erläutert Simon Hehli die politischen Hintergründe der Auseinandersetzungen, mahnt im Blick auf die eritreischen Migranten zur Differenzierung und plädiert gleichwohl jene Eritreer, die als Handlanger und Spione des eritreischen Diktators und seines Regimes bekannt sind, auszuweisen: "Wer den Diktator so toll findet, dem kann auch eine Rückkehr in dessen Reich zugemutet werden."
Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.
Zutiefst beunruhigt über die politische und gesellschaftlich Verfassung Israels zeigt sich der israelischer Diplomat Ilan Mor, unter anderem von 2004 bis 2009 als Gesandter in Berlin, von 2011 bis 2016 als Botschafter in Budapest und von 2018 bis 2022 als Botschafter in Zagreb: "Da diese Regierung scheinbar ihre eigenen Bürger angreift und Unruhen verursacht, die Familien, Freunde sowie zivile und militärische Institutionen auseinanderzureißen drohen, ist nicht nur die Demokratie in Gefahr, sondern auch die Seele des Landes", schreibt Mor in einem Essay für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und rekapituliert noch einmal die wesentlichen Konflikte und diversen Konfliktparteien, die seit Amtsantritt der jetztigen Regierung und deren Pläne zum Vorschein gekommen sind. "Überrumpelt von extremistischen Strategien, denen es an jeglichem Konsens fehlt" habe die Regierung den unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag, "der auf der Stärke, Unparteilichkeit und dem Schutz der israelischen Justiz beruht", gebrochen. Hoffnung, so Mor, machten ihm jedoch der große und wachsende Widerstand in der Bevölkerung:
"Aber diese Regierung scheint auf die falsche Generation gestoßen zu sein. Ihre Entschlossenheit wird auf die Entschlossenheit Hunderttausender israelischer Demonstranten treffen. Es hat sich ein großes liberal-demokratisches Lager gebildet, das nicht bereit ist, seine Zukunft und die seiner Kinder und Enkel aufzugeben."
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Laut einer Umfrage wollen 28 Prozent der Israelis das Land verlassen, weil die jüngsten politischen Entwicklungen ihnen Angst machen. Weil die rechtsreligiöse Regierung in Israel liberale Werte zunehmend beschneidet, überlegen immer mehr Menschen, auszuwandern – auch nach Österreich. Das berichtet Mareike Enghusen für den österreichischen STANDARD und hat mit einigen von ihnen gesprochen, die kurz davor stehen, die Koffer zu packen: "Viele Israelis wollen ihr Land wegen der aktuellen Regierung verlassen".
Der Link zum Bericht in der Rubrik ISRAEL INTERN.
In Aachen ist am Freitagabend der Aachener Friedenspreis verliehen worden. Die Auszeichnung geht seit 1988 an Menschen und Organisationen, die sich gegen Gewalt, Krieg und Rassismus engagieren. Preisträger in diesem Jahr sind die feministische Antikriegsinitiative FAR (Feminist Anti-War Resistance), die sich als Reaktion auf den Angriffskrieg auf die Ukraine gegründet hat und das israelische Anwalts-Netzwerk HRDF (Human Rights Defenders Fund). WDR, DOMRADIO und DEUTSCHE WELLE berichten von der Preisverleihung und stellen die Preisträger näher vor: "Mit viel Mut und Zivilcourage gegen Unrecht".
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Im vergangenen September hat Lisa Paus (Grüne) mit der damaligen israelischen Bildungsministerin Yifat Shasha-Biton den Aufbau eines deutsch-israelischen Jugendwerks vereinbart, um die Kooperation „auf eine neue Stufe zu heben“. Die neue Stufe: Es soll die Erinnerung an den Holocaust wachhalten, wenn es bald keine Zeitzeugen mehr gibt, und zugleich aktuellen Themen der Jugend – darunter etwa der Klimawandel – Raum geben. Ein Jahr später ist nun neben der Finanzierung auch noch der künftige Standort umstritten, berichtet Stephan-Andreas Casdorff im TAGESSPIEGEL. Mehrere Städte kommen infrage: Wittenberg, Weimar und München. Die Auswahl wird schwierig, inhaltlich wie politisch: "Deutsch-israelisches Jugendwerk – ein Werk für die Zukunft : Die Staatsräson mit Leben füllen".
Der Link zum Thema in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.
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Israels rechte Regierung will israelischen Medien zufolge aus politischen Gründen den Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad-Vashem Dani Dayan ablösen. Dagegen regt sich nun allerdings heftiger Widerstand, in Israel selbst und auch international, wie SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und der TAGESSPIEGEL berichten. Rückendeckung für Dayan kam aus Washington, wo die US-Sonderbotschafterin für Holocaust-Fragen, Ellen Germain, explizit seine Arbeit lobte und die "Wahrung der Unabhängigkeit" von Yad Vashem anmahnte. Ähnnlich auch 123 Holocaustforscher aus aller Welt, die am Wochenende in einem offenen Brief Stellung nahmen. „Mit großer Sorge beobachten wir die jüngsten Angriffe des israelischen Bildungsministers auf Dani Dayan“, schrieben sie. Dayan diene der Institution „auf herausragende Weise und ermöglicht es Yad Vashem damit, seinen unabhängigen und überparteilichen Charakter zu erhalten“.
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SS: das ist das Kürzel einer Organisation, die untrennbar mit der Ermordung der europäischen Juden und Jüdinnen verbunden ist. Für Menschen auf der ganzen Welt ist SS das Synonym für das Böse schlechthin. Oft wird die Herkunft des Kürzels auf das angeblich germanischen Ur-Alphabet und die sogenannten Runenzeichen zurückgeführt, hat jedoch einen anderen Ursprung: Es wurde vom deutschen Grafiker Walter Heck entworfen, der 1929 für das Design lediglich 2,50 Reichsmark bekam. Dennoch spielte der Germanenkult und insbesondere die Runen eine wichtige Rolle im NS-Universum. Schon Jahre vor der Gründung der NSDAP, um die Jahrhundertwende, wurden Runen nämlich völkisch aufgeladen. Der in Wien lebende völkische Schriftsteller, Judenhasser, Obskurant und Esoteriker Guido List, der sich selbst "Guido von List" nannte, erklärte Runen zu den Bewahrern der "alt-arischen Weltanschauung", wie er in seinem Buch "Das Geheimnis der Runen" schrieb. Er war einer jener Okkultisten, die den Nazis die Vorstellung vom arischen Übermenschen lieferten, und er war auch einer der Hauptanreger des Runenkults im Nationalsozialismus. Sie instrumentalisierten die Runenzeichen ganz bewusst für ihre eigene rechtsextremistische Symbolik, wie Markus Sturzbacher in seinem informativen Beitrag für den STANDARD erzählt: "Wie ein Obskurant aus Wien Runen zu Symbolen der Nazis machte".
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In einem Beitrag für das Portal GESCHICHTE DER GEGENWART analysiert Luca Di Blasi, Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Universität Bern, den für seine Generation typischen Versuch der Vergangenheitsbewältigung bei dem kürzlich verstorbenden Schriftsteller Martin Walser. Als Angehöriger der "skeptischen Generation" (Helmut Schelsky), einer Generation, die einersteits zu jung für drastische NS-Verbrechen war, aber vom Geist des Nationalsozialismus stark geprägt war, sieht Di Blasi in Walsers früh einsetzender Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ein bestimmtes Muster, das er anhand Walsers Essay "Unser Auschwitz" von 1965 wie folgt beschreibt:
"'Auschwitz' bekam hier erstmals die Funktion, eine deutsche Einheit (zwischen den Generationen ebenso wie zwischen West- und Ostdeutschen) aufrechtzuerhalten. Walser kann daher als der erste bezeichnet werden, der Ausschwitz für 'eine großdeutsche Sache' („Unser Auschwitz“) zu funktionalisieren versuchte. Das problematische Grundanliegen seines Essays liegt im Versuch der restlosen Bewahrung der deutschen Volks- als Schuldgemeinschaft einschließlich der Täter. Walser ist somit der Dichter einer deutschen Tätervolksgemeinschaft."
Dieses Muster illustriert Di Blasi anhang einiger zentraler Debatten, in denen Walser involviert war - die Debatte um die US-Serie "Holocaust", der Historikerstreit, Diskussion um das Mahnmal zur Erinnerung an den Holocaust - und zeigt die inneren Widersprüche wie auch letztlich das Scheitern dieses Musters im Umgang mit der Vergangenheit auf: "Volksgemeinschaft der Täter. Martin Walsers Identitätspolitik der Schuld".
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Im Mai 1939 vermeldet die österreichische Wochenzeitung «Neue Warte am Inn» einen Wunsch des Führers. Angeblich möchte Adolf Hitler, dass in sein Geburtshaus in Braunau NS-Verwaltungsbüros einziehen. Daraus wurde nichts. Sechsundachtzig Jahre später könnte ausgerechnet dieser Wunsch Hitlers in Erfüllung gehen, denn nach den neuesten Plänen soll in Hitlers Geburtshaus in Braunau eine Polizeistation eingerichtet werden. Das halten manche für ein falsches Signal, nun regt sich Protest, wie Paul Jandl in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schidert: "Hitlers Geburtshaus in Braunau soll zu einer Polizeistation umgebaut werden".
Der Link zum Bericht in der Rubrik VERGANGENHEIT...
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In der FRANKFURTER RUNDSCHAU spricht der Historiker und ehemalige Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz im Interview über Unterschiede zwischen linkem und rechtem Antisemitismus, zur Rolle des migrantischen Antisemitismus, aber vor allem über das Verhältnis von Deutschen zu Israel und den BDS-Boykott. Der deutschen Außenpolitik wirft er im Umgang mit Israel vor, zu wenig mit "israelische(n) Bürger(n) oder Wissenschaftler(n)" zu sprechen, sondern hauptsächlich mit den "Kollegen im israelischen Außenministerium":
"Das führt zu einem allgemeinen Drang zu äußerstem Wohlverhalten, dass Bürgermeister und Kommunen kritischen Wissenschaftlern keine öffentlichen Räume mehr zur Verfügung stellen, dass Auftrittsverbote ausgesprochen werden. Wir wollen aus dem Gewand der Bösewichte in das der Musterknaben schlüpfen und komme, was wolle, möchten wir die besten Freunde der Juden sein, die es überhaupt gibt, die nichts Kritisches äußern. Die Empathie für den Staat Israel als deutsche Staatsräson ist so selbstverständlich geboten, wie die Solidarität angesichts feindlicher Bedrohung des Landes. Kritik an politischen Handlungen ist aber auch Freundespflicht, wie einst Bundespräsident Johannes Rau mahnte."
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Vor dem Hintergrund des Eklats um das Flugblatt aus dem Umfeld von Hubert Aiwanger aus dessen Schulzeit diskutiert man hierzulande erneut über den Umgang mit Antisemitismus in der Schule. So hat etwa der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, seine Forderung erneuert, eine bundesweite Pflicht zur Meldung antisemitischer Fälle an allen Schulen einzuführen. In Bayern wie in anderen Bundesländern gibt es diese zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch wie steht es um den Antisemitismus an deutschen Schulen? Und welche Konsequenzen gibt es heute, wenn es einen Vorfall gibt? Und was würde eine Meldepflicht bringen? Diesen Fragen ist für das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND Geraldine Oetken nachgegangen: "Antisemitische Vorfälle an Schulen: Was bringt eine Meldepflicht?"
Der Link zu den Ergebnissen ihrer Recherchen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Wird einem vorgeworfen, antisemitisches Gedankengut geteilt zu haben, gerät man in Erklärungsnot. Der Fall Aiwanger belegt dies aktuell auf spektakuläre Weise. Doch wie geht man mit ähnlich gelagerten Vorwürfen arbeitsrechtlich um? Kann man wegen antisemitischer Äußerungen fristlos gekündigt werden? Wie die Gerichte in solchen Fällen bislang entschieden haben, schildert und diskutiert Carina Blumenroth in einem Beitrag für die FRANKFURTER NEUE PRESSE: "Jobverlust: Droht eine fristlose Kündigung wegen antisemitischer Aussagen?".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ANTISEMITISMUS.
Im Blick auf das antisemitische Aiwanger-Flugblatt weist Eberhard Seidel in der TAZ darauf hin, dass es hier nicht nur um Urhebberschaft und persönliche Schuld gehe, sondern auch der gesellschaftspolitische Kontext zu beachten sei, in dem das Flugblatt entstanden ist. Nur so könne auch verstanden werden, warum Aiwanger damals offenbar glaubte, mit einem solchen Flugblatt oder seinen Hitler-Parodien auf erheiternde Reaktionen hoffen zu können. Anhand einer Reihe von Beispielen zeigt Seidel dann, dass die End-Achtziger und frühen Neunziger Jahre eben "eine dunkelbraune Zeit" waren, "in der eine rechtsextreme Jugendkultur entstand". Er erinnert daran, dass 1989 in Westberlin 20 Prozent der männnlichen Erstwähler die Republikaner wählten, die wiederum im gleichen Jahr in Bayern 14,9 Prozent bei der Europawahl erhielten:
"Auch hier wählen überdurchschnittlich viele Junge die Partei. Am 20. April 1989 feiern in ganz Deutschland tausende von Jugendlichen und jungen Erwachsenen den 100. Geburtstag von Adolf Hitler. Neonazis kündigen an diesem Tag an, Einwanderer aus der Türkei anzugreifen. In Berlin und anderen Einwandererstädten bleiben an diesem Tag mehr als die Hälfte der Kinder aus Angst vor Übergriffen dem Unterricht fern."
Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Klimas lautet für Seidel das Fazit:
"Der Aiwanger, der das Flugblatt verfasst hat und der Aiwanger, der Hitlerreden imitierte, waren nicht jung und naiv, sondern, zumindest temporär, Teil eines Trends, der nach dem Mauerfall in eine völkische Revolte mündete".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik RECHTSEXTREMISMUS.
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Die Professur für Judaistik ist in der Universität Luzern an der Theologischen Fakultät angesiedelt, zur auch das 1971 gegründete Institut für Jüdisch-Christliche Forschung gehört. Zur Aufgabe dieses Instituts gehört es, den christlich-jüdischen Dialog zu fördern – und damit auch antisemitische Tendenzen zu erkennen und zu bekämpfen, die nicht zuletzt Teil der Kirchengeschichte waren und es mitunter immer noch sind. Bemerkenswert: die theologische Fakultät in Luzern ist laut den Verantwortlichen die einzige im deutschsprachigen Raum, die den Besuch von Judaistik-Vorlesungen für die Studierenden zur Pflicht erklärt hat. Nun sucht die Uni Luzern einen neuen Judaistikprofessor, aber der muss Katholik und darf kein Jude sein, was nach einer entsprechenden Stellenausschreibung für reichlich Wirbel sorgt. Dass für eine solche Aufgabe kein Jude als Hauptverantwortlicher infrage kommt, hat formalrechtlich durchaus stichhaltige Gründe, widerspricht aber konzeptionell dem Geist gerade des christlich-jüdischen Instituts. Simon Hehli berichtet für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG über den Stand der Disskussion und eine mögliche Lösung des Problems: "Die Uni Luzern sucht einen Judaistikprofessor – aber es darf kein Jude sein".
Der Link dazu in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
Dialog mit Christen und Muslimen? Das wäre für den St. Galler Rabbiner Shlomo Tikochinski in der Kindheit undenkbar gewesen: Er wuchs auf in einer ultraorthodoxen Familie in Israel. Der promovierte Historiker studierte Geschichte, Philosophie und Theologie – und dabei auch das Christentum und den Islam. Er war Rabbiner in Jerusalem und von 2020 bis 2022 in Dresden. Er lehrte und forschte in verschiedenen akademischen Positionen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Neben seiner Tätigkeit in St. Gallen hat er weiterhin einen Lehrauftrag in Jerusalem. Er hat vier Kinder und ist inzwischen vierfacher Grossvater. Seit einem Jahr ist er Rabbiner der Jüdischen Gemeinde St. Gallen. Im Gespräch mit PFARREIFORUM, des Pfarrblatts des Bistums St. Gallen, spricht er über seine Erfahrungen und seine Sicht zum Miteinander der Religionen: «Es braucht mehr Menschen, die Fragen stellen».
Der Link zum Interview in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
Die Frage, wie Muslime, die in Österreich leben, ihre Einstellung gegenüber anderen Religionen und Andersgläubigen gestalten und wie sie sich in Gesellschaften mit religiöser Vielfalt positionieren, ist seit langem ein kontroverses Thema in den österreichischen Medien sowie Gegenstand politischer Diskussionen. Darin stehen oftmals Themen wie muslimische Parallelgesellschaften, politischer Islam, Salafismus, religiöser Extremismus und Radikalisierung im Vordergrund. Politische Parteien und gängige Stereotype unterstellen dabei gerne, dass religiös pluralistische Meinungen unter Muslime Seltenheitswert hätten. Aber wie verhalten sich Muslime mit Nichtmuslimen im Alltag wirklich? Aufschluss über die Positionen österreichischer Muslime gegenüber anderen Religionen und Andersgläubigen bietet eine empirische Studie von Ednan Aslan, Jonas Kolb und Erol Yildiz mit dem Titel „Muslimische Diversität“ (2017). Jonas Kolb, Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Innsbruck, erläutert für ISLAMIQ die Studienergebnisse und kommt dabei zu mitunter überraschenden Schlussfolgerungen: "Muslime in Österreich und das religiös Andere".
Der Link zum Beitrag in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.
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In der Berliner Jüdischen Gemeinde gibt es einmal mehr heftigen Streit, deren Gegenstand die am Sonntag abgeschlossenen Wahlen zur Repräsentantenversammlung der Gemeinde sind. Die Wahl wurde nämlich durchgeführt, obwohl das Gericht beim Zentralrat den Stopp angeordnet hatte. Nun will der Zentralrat die Wahlergebnisse nicht anerkennen - und auch innerhalb der Gemeinde gibt es Widerstand gegen die stattgefundenen Wahlen. Bei der Wahl selbst sind ausschließlich Kandidaten des Bündnisses um den bisherigen Vorsitzenden Gideon Joffe gewählt worden. Der 51-Jährige selbst erhielt dabei die meisten Stimmen. Ein Oppositionsbündnis hatte die Abstimmung wegen des Streits über die Wahlordnung boykottiert. Neu in der Wahlordnung waren eine Altersbegrenzung für Kandidatinnen und Kandidaten von 70 Jahren, eine verlängerte Amtsperiode und erstmals eine Briefwahl. Dagegen geklagt hatte Joffes Vorgängerin Lala Süsskind, die 77 Jahre alt ist. Gemeindechef Joffe icht das alles nicht an, er erkennt die Entscheidung des zuständigen Gerichts beim Zentralrat nicht an. Droht nun der zeitweise Ausschluss der Gemeinde aus dem Zentralrat?
Links zum Thema in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
In Deutschland gibt es derzeit etwa 100 aktive Synagogen. Vor 1938 waren es im Deutschen Reich 2.800 Synagogen und Betstuben. Etwa 900 Gebäude soll es noch geben, die früher als Synagogen genutzt wurden und später umgewidmet wurden. Ihnen ist Alex Jacobowitz, bekannt eigentlich als musikalischer Zauberer auf dem Marimbaphon, auf der Spur. Er reist zur Zeit durch Deutschland, um Synagogen zu fotografieren für ein Buch, das nächstes Frühjahr in den Handel kommen soll, sein Titel: „100 Synagogen in Deutschland“. Für den Verlag soll es der erste „deutschlandweite Synagogenführer“ sein, für Jacobowitz die Chance, die Vielfalt des jüdischen Lebens darzustellen. Thomas Gerlach hat Jacobowitz einige Tage auf seiner Reise begeleitet und schildert in einer längeren, eindrucksvollen Reportage für die TAZ seine Eindrücke: "Es gibt kein Buch über Synagogen".
Der Link zur Reisereportage in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Das schweizer Bergdorf Davos gilt als die inoffizielle jüdische Sommerhauptstadt Europas – und das schon seit vielen Jahren. Die ersten jüdischen Gäste gelangten ab 1870 als Lungenpatienten nach Davos, um dort die gute und saubere Höhenluft zu atmen: Um die Jahrhundertwende entstanden orthodox geführte Pensionen, 1911 öffnete das Etania, eine jüdische Heilstätte. Traditionell kommen seitdem auch viele orthodoxe Juden jeden Sommer in das Städtchen. Die Beziehung zwischen den orthodoxen Feriengästen, anderen Touristen und den Einheimischen in den Schweizer Bergen war dabei nie eine einfache. Doch jetzt ist das Ganze aus dem Ruder gelaufen, obwohl es zwischen dem Tourismusverband und dem Schweizer Jüdischen Gemeindebund (SIG) ein gemeinsames Tourismusprojekt gab, das zwischen Einheimischen und orthodoxen Touristen vermitteln sollte. Nun aber hat der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Reto Branschi das Projekt für gescheitert erklärt, die orthodoxen Gäste nähmen die Vermittler ohnehin nicht ernst. Der Generalsekretär des SIG Jonathan Kreutner wies Branschis Aussagen scharf zurück – und spricht von gezielter Stimmungsmache gegen jüdische Touristen: "Ist in Davos bald kein Platz mehr für orthodoxe Juden?".
Links zum Thema in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
Ein Sommer zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem. Wie jedes Jahr verbringt die fünfzehnjährige Margarita ihre Ferien bei den Großeltern in den USA. Viel lieber will sie aber zurück nach Deutschland, zu ihren Freunden und ihrem Vater, der in einer Synagoge die Gebete leitet. Die Mutter hat die beiden verlassen, als Margarita noch in den Kindergarten ging. Höchste Zeit, beschließt der Familienrat, dass sie einander besser kennenlernen. Und so wird Margarita in ein Flugzeug nach Israel gesetzt, wo ihr Vater aufgewachsen ist und ihre Mutter seit Kurzem lebt. Dana Vowinckel erzählt in ihrem Romandebüt "Gewässer im Ziplock" die Geschichte des jüdischen Teenagers Margarita, ein differenziertes Familiendrama, das sich um Fragen der jüdischen Identität und deutschem "Gedächtnistheater" dreht. Gunda Bartels hat den Roman für den TAGESSPIEGEL gelesen: "Deutschland, dein Ernst?".
Der Link dazu in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
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Sind Sie katholisch? Wünschen Sie sich eine Kirche, in der Frauen zu Priesterinnen geweiht werden können? In der Priester und Priesterinnen heiraten dürfen? Eine Kirche, die die Sakramente auch für Wiederverheiratete vorsieht und homosexuellen Paaren den Segen spendet? Sie brauchen sich dies alles nicht länger zu wünschen, denn das gibt es schon! Was bei den römischen Katholiken heiß diskutiert wird, ist nämlich bei den Alt-Katholiken längst Realität. Jetzt feiern sie den 150. Geburtstag ihrer Kirche. Christoph Arens stellt sie in KATHOLISCH näher vor: "Aus Protest entstanden".
Der Link dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Gute Nachrichten sind selten eine Meldung wert – auch nicht, wenn sie in diesen Tagen aus Israel kommen. Dabei gibt es sie, und sie sind nachzulesen in einem Buch des israelischen Journalisten und Autors Igal Avidan. Er berichtet, entgegen der üblichen Fernsehbilder, aus einer bewegten Gesellschaft, in der Juden und Araber längst ein Zusammenleben gefunden haben, das den Vorstellungen von ewigem Hass (von Politikern auf beiden Seiten gern geschürt) nicht entspricht. Eine friedliche und zugleich brüchige Co-Existenz auf dem Vulkan – davon erfährt man in diesen Reportagen aus dem Alltagsleben in Israel. Klaus Hillenbrand hat sie für die TAZ gelesen: "Zusammenleben ohne Hass".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
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