Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
06.12.2023 - Nr. 2051

ACHTUNG:

Am Donnerstag, 14. Dezember 2023, verabschiedet sich COMPASS mit ONLINE-EXTRA Nr. 343 in die Winterpause.

Von Montag 18. Dezember 2023 bis einschließlich 17. Januar 2023 erscheint KEIN COMPASS!


Guten Tag!

Nr. 2051 - 06. Dezember 2023



In einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG stellt sich der Publizist Hannes Stein im Blick auf den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober die naheliegende, aber gleichwohl nicht einfach zu beantwortende Frage: "Wozu die Grausamkeit?". In seinen Überlegungen geht Stein auch auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Gräueltaten der Nazis, etwa der Einsatzgruppen, und der Hamas ein. So habe die Hamas mit ihren Taten nichts erfunden, die Wahl ihrer Mittel sei "durchaus unoriginell und traditionell" gewesen, allein, dass sie die Bilder der ermordeten Juden in Echtzeit auf Instagram gepostet habe, sei neu gewesen. Stein kommt auch auf jene jüdische Stimmen zu sprechen, die in der Debatte um das Attentat die Meinung teilen, dass das Attentat im Grunde als Reaktion auf das politische Verhalten Israels betrachtet werden müsse, Israel also letztlich die politische Verantwortung für diese grausamen Taten trage. Dazu schreibt er:
"Es gibt Juden, die sehen das genauso. Sie leiden unter etwas, was dem «battered wife syndrome» furchtbar ähnlich sieht: Sie glauben also, dass sie an der Gewalt schuld seien, die gegen sie ausgeübt werde, und dass sie durch ihr Verhalten den Gewalttäter dazu bringen könnten, etwas weniger brutal zu sein (wie eine Ehefrau, die glaubt, dass sie den Schlägen entgeht, wenn sie ihrem Ehemann mit gesenktem Haupt die Filzpantoffeln bringt)."

Der israelische Konfliktforscher Yuval Kremnitzer unterrichtet Philosophie an der Universität Tel Aviv und forscht am Franz Rosenzweig Minerva Center. In einem Essay, den die TAZ publiziert, denkt er darüber nach, wie "der zerstörte Status quo zu einem friedlichen 'Danach' führen" könne, wie mithin die "Hassdynamiken" umzukehren seien. Ideen und Konzepte des "conflict managment" scheinen nicht mehr tauglich, zumal diese vor allem von der israelischen Linken getragen wurden, die wiederum selbst von der Terrorattacke am 7. Oktober besonders getroffen wurde, waren doch viele Kibbutzim in den betroffenen Orten Anhänger der Friedensbewegung. Ganz zu schweigen davon, dass die Hamas-Pogrome sich jeglichem "conflict management" auf gewaltloser Basis verweigern. Hinzu komme:
"Während die Trauer noch in den Anfängen steckt, werden wir weltweit mit entsetzlichen Reaktionen konfrontiert - viele davon von selbsternannten Progressiven -, die von der Leugnung der an israelischen Zivilisten begangenen Gräueltaten bis hin zu deren Rechtfertigung reichen."
Kremnitzer kritisiert die "postkoloniale Unterstützung" für die Palästinenser, die
"nicht nur Gewalt gegen Israelis und Juden weltweit, sondern auch die Ängste der Israelis und ihr Gefühl der Isolation befördert - was wiederum dazu führt, die Palästinenser einer unerbittlichen Gewalt und Wut von israelischer Seite auszusetzen". Und er fordert: "Sowohl aus moralischen als auch aus praktischen politischen Gründen kann die Unterstützung der Palästinenser nur mit einer absoluten Ablehnung der von der Hamas begangenen Gräueltaten einhergehen."

An diese Forderung, die Palästinenser müssten endlich auf deutliche Weise der Hamas und ihrer unerbittlichen Gewalt widersprechen, knüpft in gewisser Weise die israelische Schriftstellerin Mirna Funk in einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG an. Sie stellt die eigentlich naheliegende, aber kaum expliziti gestellte Frage, warum die Palästinenser nicht gegen die Hamas, deren Opfer sie letztlich ebenso wie die Israelis seien, aufbegehren? Die einfache Antwort, so Mirna Funk, weil sie es gar nicht wollen. Statistiken des Arab World for Research and Development belegen, argumentiert Funk, dass ein Großteil der Palästinenser die Hamas und ihre Ziele unterstützt:
"Wenn in Gaza mehr als zwei Drittel der Bevölkerung die Hamas unterstützen und an keiner Zweistaatenlösung interessiert sind, erklärt das möglicherweise auch das fehlende Aufbegehren gegen die Hamas. Aber selbst die 20 beziehungsweise 22 Prozent, die sich in Gaza gegen das Massaker der Hamas oder für eine Zweistaatenlösung aussprechen, haben eine persönliche Verantwortung in der Diktatur. Sie sind wenige, aber sie sind nicht ohne Stimme. Sie sind die Opposition, die es braucht, die es in der Geschichte der Menschheit in jeder Diktatur immer gegeben hat. Ein aktuelles Beispiel ist Iran, wo unter Todesandrohungen seit Jahren mutige Männer und Frauen auf die Strasse gehen. Der Umstand, dass die Menschen in Gaza nun unter den Entscheidungen ihrer Regierung leiden, ändert nichts an der persönlichen Verantwortung, die jedes Individuum innehat. Auch in einer Diktatur. Besonders in einer Diktatur."

Gänzlich anders als Kremnitzer oder Funk sieht Andreas Ernst die Hauptlast der Verantwortung für den derzeitigen Kreislauf der Gewalt auf Seiten Israels. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG vertritt er die Meinung, das Narrativ, es gehe bei dem Angriff der Hamas auf Israel um Israels Existenz, sei falsch:
"Denn die Existenz des Landes war nie wirklich infrage gestellt, weder an dem schwarzen 7. Oktober noch seither. Dieses Narrativ ist vielmehr ein Erfolg für die Hamas, weil es ihr Bedrohungspotenzial überhöht. Damit wächst ihr symbolisches Kapital - und davon profitieren Terrororganisationen mehr noch als von Sprengstoff und Raketen."
Daher solle Israel statt die ganze Hamas vom Erdboden tilgen zu wollen lieber "zur Strategie der begrenzten Anti-Terror-Operationen zurückkehren". Ein dauerhafter Kriegszustand nütze Israel nämlich nicht: "Israel sollte von seiner Strategie der Vergeltung abrücken."

Die meisten der Bilder, die man in der Berichterstattung über den Krieg im Gaza-Streifen zu sehen bekommt, stammen vom katarischen Sender Al Jazeera. Allerdings gehört Katar wiederum bekanntermaßen  zu den Unterstützern der Hamas, und das sei auch an den Bildern, die Al Jazeera liefere, spürbar, so  Mohamed Amjahid in der TAZ:
"Al Jazeera ist pro-palästinensisch, oft gegen die alten Regime im Nahen Osten und Nordafrika gerichtet, die teilweise eng mit dem Westen kooperieren wie beim Thema Abwehr von Flüchtenden. Der Sender zeigt sich kritisch gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, reiche Länder, zu denen Katar in direkter, teils feindseliger Konkurrenz steht. Bei Al Jazeera sucht man vergeblich Berichte zur Rolle des Emirats in der Welt oder zu seiner politischen Nähe zur Hamas."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

In einem Bericht für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, für den es durchaus gute Nerven braucht, schildert Karin A. Wenger von den enormen Schwierigkeiten, den Horror der Vergewaltigungen durch die Hamas am 7. Oktober gerichtsfest zu dokumentieren. Das Problem liege u.a. auch daran, dass die Hamas vermutlich fast alle Opfer von sexuellen Übergriffen getötet hat. Dabei komme für die Ermittlungen erschwerend hinzu,
"dass die israelische Polizei nach dem 7. Oktober nicht explizit Beweise für sexualisierte Gewalt gesammelt hat. Die Priorität lag auf der Identifizierung der Leichen, nicht der Todesursachen. Die Arbeit des Forensikteams ist so schwierig, dass dessen Leiterin Michal Evin-Eldad sagte: «Wir sind froh, wenn wir ausnahmsweise ganze Körper zu Gesicht bekommen.» Oft erhielten sie Überreste oder komplett verkohlte Leichen, was es ihnen verunmöglichte, Spuren von Vergewaltigungen nachzuweisen."

Der 1987 in Haifa geborene und in Berlin lebende israelische Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus, der sich der israelischen Linken zurechnet, zeigt sich im Interview sehr skeptisch im Blick auf den aktuellen Versuch Israels, die Hamas mit militärischen Mitteln zu besiegen:
"Klar, die Hamas muss weg. Das ist auch bei der israelischen Linken Konsens. Keinen Konsens aber gibt es bei der Frage, ob die Maßnahmen der israelischen Regierung dafür die richtigen sind. Ich habe in meinem Leben mehrere Bombardierungen des Gazastreifens mitbekommen und danach wurde die Hamas nur noch stärker. Jedes Kind im Gaza, das seine Familie bei israelischen Angriffen verloren hat, wird sich bereitwillig von der Hamas rekrutieren lassen. Die Liebe zu Israel wächst durch die Bomben ganz sicher nicht."
Auch warnt er eindringlich vor Netanjahu, von dem noch immer eine große Gefahr für die Demokratie ausgehe, was man auch in Deutschland nicht verdrängen solle:
"Ich finde es merkwürdig, wenn es von deutscher Seite immer nur heißt: We stand with Israel. Mit welchem Israel denn? Man weiß zur Zeit doch gar nicht, was die Natur dieses Staates ist. Das Israel nach dem Krieg wird auf jeden Fall ein anderes sein als vor dem Krieg. Steht Deutschland noch zu Israel, wenn es ein autokratischer, autoritärer Staat sein wird? Und wenn dann die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Regierung ist - wie ja auch schon zur Zeit -, wen unterstützt Deutschland dann? Den Nationalstaat Israel oder die israelischen Bürgerinnen und Bürger? Darüber muss sich die deutsche Regierung jetzt schon Gedanken machen. Eine Staatsräson sollte sich an Werten orientieren und nicht an Staaten, denn Staaten ändern sich."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas spaltet rechte Medien in den USA, so berichtet Marc Neumann für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Konkret geht es zum einen um die trumptreue schwarze Aktivistin Candace Owens und den nicht minder trumptreuen jüdisch-orthodoxen Publizisten Ben Shapiro, die nicht nur beide für das 2015 gegründete, rechtskonservative Medienunternehmen «The Daily Wire» arbeiten, sondern außerdem noch zu den bekanntesten Figuren der Trump-freundlichen Medien gehören. Jetzt haben sich die beiden zerstritten in ihrer Sicht auf den israelischen Krieg gegen die Hamas. Das Schisma, so Neumann, offenbart Gräben in der Republikanischen Partei: «Keine Regierung hat ein Recht auf Genozid»

Heiner Roetz, emeritierter Professor für Geschichte und Philosophie Chinas, der sich schon lange intensiv mit dem Nahost-Konflikt befasst, kritisiert in einem Essay für die FRANKFURTER RUNDSCHAU die deutsche Diskussion, "die Solidarität mit den Juden letztlich immer mit zwanghaftem Leisetreten gegenüber der israelischen Politik" verknüpft. Zudem seien die wohlgemerkt jüdischen Argumente gegen den Zionismus weitestgehend tabuisiert. Und so gehe es den Deutschen seit der Gründung Israels nur um eine "Entlastung von Schuld". Roetz schreibt:
"Wäre es um etwas anderes gegangen, nämlich um ein moralisches Anliegen, dann hätte man nicht billigend in Kauf genommen, sondern ein Problem damit gehabt, dass die arabischen Bewohner Palästinas mit ihrem Land den Großteil der deutschen Rechnung zahlten. Und man hätte möglicherweise auch erkannt, dass es eben zu Israels Sicherheit erforderlich sein könnte, die Stimme zu erheben, wenn seine Politik seine Existenzgrundlagen unterhöhlt. Dann wäre es nicht so weit gekommen, dass die sogenannten 'Freunde Israels', so schrieb Isaak Deutscher, 'ihm tatsächlich bei einem ruinösen Kurs beigestanden haben'. Es führt eine Linie des Antisemitismus direkt in die deutsche Staatsräson, und sie zeigt sich an ihrem Verhältnis zu den Palästinensern. Dass auch deren Los mit der deutschen Geschichte zu tun hat und damit auch ihnen gegenüber eine Schuld besteht, hat, soweit mir bekannt ist, nie Eingang in Deutschlands Überlegungen zu seinem Selbstverständnis gefunden."

Für den Schauspieler und Autor Edgar Selge ist die Bedeutung und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ebenfalls ein wichtiger Bezugspunkt, wenn es um unser Verhältnis zu Juden und Israel geht. Selge schlägt jedoch eine ganz andere Richtung ein als der hier zuvor erwähnte Heiner Roetz. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG denkt Selge zunächst über das Schweigen in Deutschland nach, das von den Eltern an die Kinder weitergegeben worden sei:
"Die Geschichte meiner Eltern ist von ihren Fehlentscheidungen während der Nazizeit und dem anschließenden Schweigen darüber geprägt. Allerdings schließt meine Liebe zu ihnen dieses Schweigen mit ein, das sie an mich weitergegeben haben. Ich habe dabei lange etwas verwechselt: Sie waren nicht unfähig zu trauern, sondern sie waren unfähig, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, und dadurch war die Trauer in ihnen selbst nicht als humane, tröstliche Form vorhanden, sondern als ein selbstzerstörerischer, bitterer Schmerz."
Dieses Schweigen setzt Selge in Verbindung zu der
"Kälte einer 'Ja-aber-Debatte', die ... viele andere zu Recht beklagen, die jede Wärme der Zuwendung im Keim erstickt".
In einer sehr persönlich gehaltenen Reflektion, der man die Betroffenheit über die diskutierten Zusammenhänge deutlich anmerkt, schlussfolgert er:
"Ich habe keine Identität in diesem Land, wenn jüdisches Leben hier nicht geschützt ist. Wenn Juden in Israel nicht sicher leben können, dann sollten sie umso mehr hier bei uns sicher sein. Hier bei uns Deutschen muss der sicherste Ort überhaupt für sie sein."

Auch unter den Schriftstellern hierzulande rumort es weiter, wenn es um die Haltung zu Israel geht. So etwa in der erst 2022 gegründeten Schriftstellervereinigung PEN Berlin, die vor einer Zerreißprobe steht. Vor einigen Tagen erst ist der Historiker und frühere Verleger Ernst Piper aus dem Verband ausgetreten. Als Grund nannte er das durch Susan Neiman und Eva Menasse geprägte israelkritische Gesicht der Autorenvereinigung: „Die selbstherrliche Verachtung, mit der beide über Israel sprechen, fand ich schon immer schwer zu ertragen.“ Erst am 20. November war die Generalsekretärin von PEN International, Regula Venske, aus Protest gegen die mangelnde Unterstützung der Organisation für Israel zurückgetreten. Und nun hat der Schriftsteller Stephan Wackwitz seine Kolleginnen und Kollegen im PEN zu einem deutlichen Bekenntnis zu Israel aufgefordert, wie die BERLINER ZEITUNG berichtet.

Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

**********************

Mehr als die Hälfte der deutschen Ärzte gehörten im Nationalsozialismus einer Nazi-Organisation an. Viele von ihnen sind "von Heiler zu Mördern" geworden, haben abscheuliche Experimente durchgeführt und systematisch mehr als 230.000 Menschen mit Behinderung getötet. Das NS-Regime ist eines der extremsten, am besten organisierten und am besten dokumentierten Beispiele für die aktive Beteiligung der Medizin an den Gräueltaten gegen die Menschlichkeit während des Nationalsozialismus. Ärztinnen und Ärzte nahmen demnach eine Schlüsselrolle bei der Planung und der Umsetzung unmenschlicher Praktiken ein. Dies ist das Ergebnis eines jüngst erschienenen Berichts  eines internationalen Forscherteams, der kürzlich im angesehen Fachjournal "The Lancet" publiziert wrude (online zugänglich hier: https://www.thelancet.com/commissions/medicine-and-the-holocaust). Der Bericht zeigt gestützt auf an die 900 einschlägigen Quellen erstmals umfassend, wie Politik, Ideologie und Wissenschaft damals einander zuarbeiteten, um Vernichtung von "lebensunwertem Leben" zu legitimieren. Dass Ärztinnen und Ärzte demnach eine Schlüsselrolle bei der Planung und der Umsetzung unmenschlicher Praktiken einnahmen, geht aus den Ergebnissen des Berichts unzweideutig hervor. KATHPRESS, DEUTSCHLANDRADIO und das ÄRZTEBLATT informieren über die bislang umfassendste, quellengestützte Studie zum Thema Medizin, Nationalsozialismus und Holocaust: "Wie stark Ärzte an NS-Verbrechen beteiligt waren".

Adolf Hitler und Mitglieder seines engsten Führungszirkels als Hauptfiguren in den Mittelpunkt eines fiktionalen Kinofilms zu stellen ist immer noch ein Tabu in Deutschland. Aufstieg und Fall des deutschen Nationalsozialismus werden im Film eher aus der Opferperspektive wie Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ (1993), Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997) thematisiert. Eher selten fällt der Blick auf den Chefverbrecher und seine treuesten Vasallen – und deren Perspektive. Das änderte sich 2004 mit Oliver Hirschbiegels Kinofilm „Der Untergang“, der – mit Bruno Ganz als Hitler in der Hauptrolle – die letzten zwölf Tage bis zum Selbstmord Hitlers im sogenannten Führerbunker beschreibt. Und nun wagt es Joachim A. Lang, mit „Führer und Verführer“ in die Intimität und alltäglichen Reibereien der NS-Größen einzutauchen. Mit überraschenden Breaks schafft er es, die Massenmanipulationen eines Joseph Goebbels überzeugend darzustellen – und die Brücke zum Fake-News-Zeitalter zu schlagen, meint Thoralf Cleven, der die außergewöhnliche Filmproduktion in einem längeren, höchst interessanten Beitrag für das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND eingehend vorstellt und dessen Brisanz für die Gegenwart deutlich macht: "Verführer und Verführte – wie die Fake-News-Maschinerie im Dritten Reich lief"

Haben Sie den ersten Besuch auf einem Weihnachtsmarkt bereits hinter sich? Die stimmungsvollen Lichter, heißen Glühwein und weihnachtliches Gebäck genossen? Allein in Deutschland werden in der Vorweihnachtszeit im Schnitt immerhin zwischen 2.500 und 3.000 Weihnachtsmärkte veranstaltet. Und es gibt gar Bestrebungen, die deutschen Weihnachstmärkte, als deren erster der Dresdner Striezelmarkt des Jahres 1434 gilt, als immaterielles Welterbe auszuzeichnen. Aber wußten Sie auch, dass die Weihnachtsmärkte Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund einer Kampagne der innerstädtischen Geschäftsinhaber aus Konkurrenzgründen an die Ränder der Städte verdrängt wurden und dort ein ein kümmerliches Dasein fristeten? Und sich dies erst in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts änderte und die Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland wieder in die Stadtzentren zurückkehrten – mithilfe der Nationalsozialisten?! In einem informativen und lesenswerten Beitrag für NATIONAL GEOGRAPHIC schildert Amy McKeever die Geschichte des Weihnachtsmarktes in Deutschland und widmet sich dabei insbesondere diesem Kapitel der Wiedergeburt der Weihnachtsmärkte unter den Nationalsozialisten, die es verstanden, diese Tradition des Weihnachtsmarktes konsequent als Propagandainstrument für ihre Zwecke einzusetzen: "Weihnachtsmärkte in Deutschland: Helle Lichter, dunkle Geschichte".

Im Interview kritisiert der Autor Max Czollek die Instrumentalisierung der deutschen Erinnerungskultur zu einer reinen "Legitimationsfolie“ politischen Handelns und einer neu gestifteten nationalen Identität:
"Man muss sich vergegenwärtigen, welche Krise 1945 für das deutsche Selbstbild bedeutete. Man hatte schon wieder einen Weltkrieg verloren, war in Grund und Boden gebombt worden, hatte Millionen Menschen umgebracht. Nicht einfach, da wieder eine positive nationale Erzählung hinzubekommen... [...] Bei schätzungsweise 1,5 Millionen Täterinnen und Tätern kam es zu 17 500 Strafprozessen. Und weil man wahrscheinlich auch gar keine Lust hatte, die eigenen Eltern vors Gericht zu stellen, legte man sich im Westen eine andere Erzählung zurecht, nämlich die der schrittweisen Selbstläuterung einer Gesellschaft, die sich mit den eigenen beispiellosen Verbrechen konfrontiert. Am Ende, und das ist die verstörende Pointe dieser spezifisch deutschen Erinnerungskultur, wurde die Einmaligkeit der Shoah kontrastiert mit der Einmaligkeit der Aufarbeitung. Nach dem Motto: Niemand hat jemals in der Menschheitsgeschichte so große Verbrechen begangen wie wir. Aber auch niemand hat sie jemals so toll aufgearbeitet. Und so wird das Verbrechen über den Umweg der Erinnerungskultur zum Ausgangspunkt für eine Neuerfindung eines deutschen Selbstbildes."

Die Bibliothek der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, gegründet 1872 und 1942 von den Nazis geschlossen und geplündert, besaß gut 60.000 Bände, aber nur 5.000 davon konnten bis heute geortet werden, verstreut über die halbe Welt. Wo sind die übrigen 55.000 Werke? Das herauszufinden ist Ziel eines gemeinsamen Citizen-Science-Projekts der Leo-Baeck- Institute von Jerusalem und London. Je mehr Menschen dabei mitmachen, umso höher ist die Chance, bei dieser Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen auch fündig zu werden, so die Überlegung. Und zugleich ist die Initiative mit dem Namen „Library of Lost Books“ auch der Versuch, junge Menschen mit den modernen Mitteln des Internets an Geschichte heranzuführen. Und was wäre dafür geeigneter als die Jagd nach verborgenen Schätzen, die einst von den Nazis geraubt worden sind? Klaus Hillenbrand stellt das Projekt in der TAZ näher vor: "Jüdische Bibliothek: Bücher suchen, Geschichte schreiben".

Geboren 1937 in Den Haag, wird Emmie Arbel mit ihrer jüdischen Familie 1942 von den Nazis deportiert. Sie überlebt als Kind die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Als der Krieg vorbei ist, ist sie acht Jahre alt. Ihre Eltern und Großeltern sind im Holocaust ermordet worden. Mit ihren Brüdern wird Emmie von einer Pflegefamilie adoptiert und lebt in den Niederlanden. Doch die Rettung stellt sich dort gleichzeitig als neuer Leidensweg für das traumatisierte Kind heraus. 1949 wandert die Familie nach Israel aus. Im Kibbuz fühlt Emmie sich isoliert und nirgends zugehörig. Bis sie als junge Frau ihr Leben in die eigenen Hände nimmt. Emmie Arbel lebt heute nahe Haifa. Immer wieder reist sie nach Deutschland, um als Zeitzeugin zu sprechen. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von Gewalt, Missbrauch, Sprachlosigkeit und Einsamkeit. Sie blickt aber auch zurück auf ein Leben voller Rebellion, Selbstermächtigung und Humor. Auf Basis persönlicher Begegnungen und zahlreicher intensiver Gespräche mit Emmie Arbel schafft Barbara Yelin eindringliche Erinnerungsliteratur, die zugleich eine Reflexion über das Erinnern selbst ist. Die Graphic Novel "Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung" entstand im Rahmen des internationalen Projekts "Visual Storytelling and Graphic Art in Genocide & Human Rights Education" der Universität Victoria, Kanada. Ausführlich stellt Lars von Törne den Band selbst, aber auch seine besondere Entstehungsgeschichte und die bemerkenswerte künstlerische Umsetzung im TAGESSPIEGEL vor. Ein "herausragendes Stück Erinnerungsliteratur" urteilt er: "Comic-Biografie 'Emmie Arbel': So lange wir noch leben".

Alle Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

**********************

In der TAZ schidert Günther Jikeli, Professor für Jüdische Studien an der Indiana University Bloomington, die antisemitischen Proteste gegen Israel an amerikanischen Eliteuniversitäten und zieht eine Parallele zu der "antizionistischen Propagandakampagne der Sowjetunion zwischen 1967 und ca. 1988 [...] Die Slogans, die heute auf antiisraelischen Demos zu hören sind, sind denen von damals frappierend ähnlich, nur dass sie heute im Westen an Eliteunis und in Massendemonstrationen und nicht nur in linken Splittergruppen propagiert werden." Mitverantwortlich für die gegenwärtige Situation sei außerdem der "milliardenschwere Einfluss arabischer Investoren" auf die Nahoststudien:
"Ein antizionistisches Weltbild, in dem es nur Unterdrücker und Unterdrückte gibt ... scheint bei einigen Studierenden und auch in Teilen der Professorenschaft so weit verbreitet und tief verwurzelt zu sein, dass selbst ein so barbarisches und brutales Pogrom wie das vom 7. Oktober dieses Weltbild nicht aufbrechen kann."

In der BERLINER ZEITUNG weist Ulrich Seidler darauf hin, wie wichtig es ist, in der aufgeheizten Debatte um den Nahostkonflikt Klarheit über die Definitionen von Begriffen wie etwa Pogrom oder Genozid herzustellen. Ein Twitter-Statement von Amnesty-International lässt ihn freilich fassungslos werden:
"Die NGO möchte im Zusammenhang mit dem 7. Oktober lieber nicht von 'Terrorismus' sprechen, wie sie kürzlich per X mitteilte. Es gebe für den Begriff keine rechtsgültige Definition. Die X-Community hat das widerlegt und verweist auf eine UN-Resolution (UNSCR 1566) von 2004 zur Terrorismusbekämpfung, die eine völkerrechtsverbindliche Terrorismus-Definition enthält. Aber auch ohne dies ist nicht verständlich, aus welchen Gründen sich jemand ziert, das Offensichtliche beim Namen zu nennen. Etwas nicht auszusprechen kann auch eine Form sein, sich in einer ideologisch umkämpften Debatte zu positionieren. Ein bisschen näher bei der Hamas-Propaganda eben."

Apropos Hamas-Propaganda. In einem Beitrag für RBB schildern Daniel Donath, Daniel Laufer und Chris Humbs, wie die Hamas von Beginn an ihren Krieg gegen Israel auch über die sozialen Medien führten. Anhand einer Reihe von Beispielen zeigen die Autoren, dass die Hamas dabei auch Unterstützung von Influencern aus Deutschland erhalten: "Die erfolgreiche Propaganda der Hamas auf Tiktok".

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund stellt Ahmad Mansour in der TAZ fest: "Seit dem 7. Oktober herrscht eine neue, eine weitere Zeitenwende. Erst jetzt, erst seit es hunderte von Kundgebungen gegen Israel und für Palästinenser gibt, wachen manche in Europa auf. Jetzt erst erkennen einige Europäer, dass der radikale Islam auch auf ihrem Kontinent ein ernstes Problem darstellt." Mansour konstatiert eine Allianz zwischen Islamisten und der postkolonialen Linken und fragt sich, ob Politik und Medien bewusst die Augen vor Antisemitismus in muslimischen Communitys verschließen:
"Radikale Muslime und verbohrte Linke mobilisieren zum Druck auf europäische Regierungen - ein Paradebeispiel für Unterwanderung. Solche Taktiken beschreiben bereits die Schriften der Gründerväter der Muslimbruderschaft. Sie inspirieren ihre Anhänger, wie die Hamas, auch in der Gegenwart. Umso erschreckender, wenn diese Dynamik auch Einfluss auf Mainstream-Politik und akademische Milieus ausübt. Teils werden Islam-Fundamentalisten nicht nur toleriert, sondern sogar als Partner gesehen, mit öffentlichen Geldern unterstützt und vor Kritik auch aus der muslimischen Gemeinschaft geschützt. Die jüdische Gemeinschaft und Israel werden sich der veränderten Weltlage bewusst. Noch haben sie die Unterstützung der USA und anderer europäischer Länder. Der Westen muss sich aber enorm viel mehr Klarheit verschaffen über die Milieus, die vom demokratischen Weg abgekommen sind, in der Politik wie im Bildungssystem, in der Wissenschaft und in Thinktanks."

In einem sehr persönlichen, ungemein intensiven Text für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erzählt der deutsch-russisch-jüdische Autor Boris Schumatsky von seiner Identitätsfindung als Jude, davon, wie er Mitte der Neunziger Jahre im Palästinenser-Tuch in Kreuzberg herumlief, nachdem er in jungen Jahren noch erlebte, wie der Antisemitismus in der Sowjetunion ganz praktisch funktionierte. Schumatsky spricht auch einen anderen "Kontext" des 7. Oktober an, den er in den Reaktionen einer antisemitisch gestimmten, post-kolonialen Linken und Personen wie Judith Butler oder Greta Thunberg erkennt, und die ihm klarmachen, dass der einstige Pali-Tuch-Träger, der er war, nichts anderes war als ein "nützlicher Idiot". Im Rückblick auf diese Zeit schreibt er selbstkritisch:
"Wir haben Israel zum Juden unter den Staaten gemacht, und wir nannten das «Israelkritik». Wir behaupteten, man dürfe Israel ja nicht kritisieren, und heute verurteilt der Uno-Menschenrechtsrat den jüdischen Staat häufiger als alle anderen Länder zusammen. ... Bald lebten wir in einer alternativen Realität, in der das kleine unterdrückte Volk der Palästinenser einen Befreiungskampf gegen den übermächtigen, bis an die Zähne bewaffneten israelischen Aggressor führte."
Dem stellt er heute den Terror der Hamas entgegen:
"Immer wieder werden die Zaka-Helfer auf die verkohlte Leiche eines Babys angesprochen, die sie in einem Backofen gefunden hatten. Das sei doch noch nicht das Schlimmste, antworten sie. Das Schlimmste sei, mit anzusehen, was deinem Kind angetan werde. Sie fragen sich, wer von der Familie im Kibbuz Beeri länger am Leben gelassen wurde. Ob die Eltern zusehen mussten, wie ihren Kindern die Finger abgeschnitten wurden, oder ob die Mörder beide Kinder zusehen liessen, wie sie einem der Elternteile ein Auge aushackten. Oder mussten alle zusehen?"
Die linke Verharmlosung des Hamas-Terrors und die Beschuldigung Israels, es betreibe an den Palästinenensern einen Genozid, habe freilich dazu beigetragen, dass es den Hamas-Mördern so leicht machte, ihre Videos mit ihren Schlächtereien stolz zu präsentieren:
"Die Terroristen wissen: Es gibt keine Brutalität, die ihre Unterstützer und Versteher nicht erklären, kontextualisieren, differenziert betrachten können."

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG klagt Birgit Schmid, dass linke Aktivistinnen und Frauenrechtsorganisationen bis heute auf die sexualisierte Gewalt der Hamas nur mit Schweigen reagiert haben. Mehr noch, anhand einiger erschreckender Beispiele belegt sie, dass post-koloniale, linke Persönlichkeiten und Organisationen der Frauenbewegung selbst davor nicht zurückschrecken, die sexualisierte Gewalt der Hamas rundweg anzuzweifeln. Verständnislos hält sie fest:
"Man soll das Leid der Palästinenserinnen nicht ausblenden, aber für diese Linken scheint das Leid der israelischen Frauen inexistent. Dabei wäre es naheliegend und würde so wenig kosten, neben den Iranerinnen, Afghaninnen, Palästinenserinnen oder Mexikanerinnen am Frauentag auch an die Israelinnen zu erinnern, die gefoltert und ermordet wurden oder sich als Geiseln in Gaza befinden."

Ebenfalls in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ein lesenswertes Gespräch über Antisemitismus in Deutschland zwischen dem deutsch-palästinensischen Comedian Abdul Kader Chahin und der jüdische Autorin Mirna Funk. zum Gespräch  geladen. Chahin, der Präventionsarbeit gegen Antisemitismus unter Muslimen leistet, konstatiert u.a.:
"Bei den Jugendlichen gibt es eine gewisse Toleranz für Extremismus. Aber sie sind nicht extremistisch. Unter den jungen Leuten in der Diaspora hat sich ein großer Frust aufgebaut. Sie fühlen sich nicht verstanden, nicht repräsentiert, und sie werden diskriminiert. Das führen sie auf die Nakba zurück. Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, ist der Nährboden, auf dem Extremismus gedeihen kann."
Mirna Funk zeigt sich vor allem entsetzt über das Verhalten von Nicht-Muslimen, die
"nur dann auf die Straße gehen, wenn Juden am Tod von Palästinensern beteiligt sind. (…) Als während des Bürgerkriegs in Syrien rund 4000 Palästinenser ermordet wurden, gab es keinen einzigen propalästinensischen Aufschrei aus der woken Ecke. Die Tatsache, dass über tausend Raketen von der Hamas und dem Islamischen Jihad in Gaza landen und zu Tod und Zerstörung führen, interessiert niemanden. Die Situation der Palästinenser in Libanon ist seit Jahrzehnten katastrophal. (…) Wir müssen uns die unangenehme Frage stellen, ob wir überhaupt von einer 'propalästinensischen' Position sprechen können, wenn es für Palästinenser außerhalb Israels keinen Funken Solidarität gibt."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

**********************

Weihnachten 2023: Natürlich feiern Muslime nicht im christlichen Sinne Weihnachten, aber einige stellen in ihren Wohnzimmern trotzdem Weihnachtsbäume auf. Warum? Und was sagt der Islam eigentlich über Jesus? Steht die Weihnachtsgeschichte auch im Koran? Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi beantworten in einem Beitrag für das SONNTAGSBLATT die wichtigsten Fragen: "Wie Muslime Jesus und das Fest sehen".

In der Schweiz gibt es drei jüdische Rabbinatsgerichte. Ihre Aufgabe ist es, über religiöse Fragen wie Koscher-Zertifikate und Konversionen, aber auch über «profane» Geldstreitigkeiten wie beispielsweise Immobilieninvestitionen zu entscheiden. Die Gültigkeit der Rabbinatsgerichte und ihrer Urteile wurde dabei erst kürzlich vom (weltlichen) Bundesgericht bestätigt, wie Sibilla Bondolfi für den SRF berichet: "Gefahr der Paralleljustiz? - Warum zum Rabbi und nicht an ein Gericht?"

Welche Rolle spielen eigentlich die Religionen im Nahostkonflikt? Dieser Frage geht Edwin Baumgartner in einem Beitrag für die WIENER ZEITUNG nach. Er analysiert dabei sowohl die Rolle etwa der Orthodoxie im jüdischen Staat Israel als auch die der Fundamentalisten im Gazastreifen. Dabei hält Baumgartner klar daran fest, dass der Konflikt im Kern eine politische Auseinandersetzung im wesentlichen um  territorialen Ansprüche ist, sieht aber auch ebenso deutlich, dass die Religionen in diesem Konflikt eine wachsende, den Konflikt verschärfende Rolle einnehmen, wie er in seinem Fazit zum Ausdruck bringt::
"Der Nahostkonflikt bestünde auch ohne Religion, wie die Vergangenheit leidvoll bewiesen hat. Doch die territorialen Ansprüche sind zunehmend deckungsgleich mit religiösen Vorstellungen. Und so bleibt am Schluss nur die bittere Erkenntnis, dass angesichts immer stärker religiös werdender Gesellschaften auf beiden Seiten die Religion ein wachsender Stolperstein auf dem Weg zu einer Lösung des Konflikts werden kann."

Schon öfter haben seit dem Hamas-Massaker an israelischen Juden am 7. Oktober und dem Beginn des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen  jüdische Kritiker dem Papst vorgeworfen, zu sehr auf die Notlage in Gaza konzentriert zu sein. Nun hat die "Washington Post" ein bislang geheim gehaltenes Telefonat zwischen dem israelischen Präsidenten Itzchak Herzog mit Papst Franziskus öffentlich gemacht, das Ende Oktober stattfand. Dieses Gespräch könnte Wasser auf die Mühlen jüdischer Papstkritiker und eine Belastung für den christlich-jüdischen Dialog darstellen, berichtet Andreas Mink für die schweizer-jüdische Wochenzeitung TACHLES: "Israel soll 'keinen Terror in Gaza verüben'"

Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT

**********************

Schmierereien, Beleidigungen, Drohungen: Jede dritte jüdische Gemeinde hat seit dem Hamas-Angriff auf Israel Anfeindungen erlebt. Das geht aus einem aktuellen Lagebild hervor, das der Zentralrat der Juden heute veröffentlicht hat, wie TAGESSCHAU.de und DOMRADIO berichten. Der Zentralrat hatte die Jüdischen Gemeinden in Deutschland vom 20. bis 30. November nach den Auswirkungen des israelischen Kriegs gegen die Terrororganisation Hamas nach deren Angriff vom 7. Oktober gefragt. Laut Zentralrat beteiligten sich Führungspersonen von 98 der 105 Gemeinden. Im Ergebnis kann man eine erhebliche Verunsicherung von Juden in Deutschland konstatieren: "Jüdisches Leben wird unsicherer"

Dieses wachsende Bedrohungsgefühl kennt man auch in der Jüdischen Gemeinde in Hanau, wie aus einer Reportage von Michael Bauer hervorgeht, die im MiGAZIN zu lesen ist. „Die Situation ist an vielen Stellen unerträglich“, sagt etwa Geschäftsführer Oliver Dainow. Er beobachtet aber auf der anderen Seite eine wachsende Solidarität aus der Bevölkerung, was ihm und anderen Juden Hoffnung mache: „Es gibt auch sehr viel Positives.“ Ähnliches berichtet das HAMBURGER ABENDBLATT, das die Situation der jüdischen Gemeinden in Ostdeutschland beschreibt und davon berichtet, wie die Rostocker Gemeinde versucht, in die Offensive zu gehen. Und die WELT schildert, wie sich die veränderte Situation seit den Anschlägen der Hamas und dem Militäreinsatz der Israelis auf die Arbeit des Jüdischen Museums in Rendsburg auswirkt. Seitdem ist die Expertise als außerschulischer Lernort mehr gefragt denn je.

Freilich hat sich die Bedrohungslage für jüdische Gemeinden seit dem 7. Oktober leider nicht nur in Deutschland verändert, sondern zum Beispiel auch in den USA. Wie die jüdischen Gemeinden dort damit umgehen, schildert Katja Ridderbusch in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG: "Sicherheit auf amerikanische Art"

Krieg in Israel und dem Gaza-Streifen, Krieg in der Ukraine, Krieg im kaukasischen Bergkarabach. Ständig schlechte Nachrichten. Dabei geraten die guten Nachrichten leicht ins Hintertreffen - wie die von der gelungenen Integration tausender ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland, vor allem tausender jüdischer Flüchtlinge. Die jüdischen Gemeinden haben den Flüchtlingen Unterkünfte vermittelt, Kita-Plätze zur Verfügung gestellt und sie auf Ukrainisch beraten. Sogar Juden, die aus Russland stammen, engagieren sich für die Schutzsuchenden. In einem Feature für den NDR hat Jens Rosbach die außerordentliche Leistung, wie jüdische Gemeinden in Deutschland tausende Kriegsflüchtlinge integriert haben, gewürdigt: "Schalom Ukrainzi".

In den Niederlanden und in Argentinien haben der Ausgang jüngster Wahlen für Unruhe gesorgt. In den Niederlanden sind es die enormen Stimmenzuwächse des Rechtspopulisten Geert Wilders, der das Image eines Israelfreundes pflegt, in Argentinien ist es der Sieg des „Anarchokapitalisten“ Javier Milei im Präsidentenwahlkampf, der als enger Freund Israels gilt und sogar die Tora studiert hat. Die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG berichtet über die innerjüdischen Reaktionen in den Niederlanden und ISRAELNETZ porträtiert den Argentinier Meilei: "Gut für die Juden?"

Der orthodoxe Geistliche Shmuel Havlin ist einer von derzeit sechs Militärrabbinern der Bundeswehr. Er nahm Anfang Oktober als erster Militärrabbiner in Hamburg seinen Dienst auf. Havlin ist für 60 Dienststellen in Norddeutschland zuständig. Der gebürtige Israeli hat seinen Dienstsitz an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Er lebt mit drei seiner fünf Kinder und seiner Ehefrau in Bremen. Seine Ausbildung absolvierte Havlin in Israel und New York. Ordiniert wurde er in Atlanta (Georgia). Im Interview mit dem Magazin HAMBURGER KLÖNSCHNACK spricht der in Israel geborene Geistliche über die Bedeutung der jüdischen Militärseelsorge und den Krieg in seinem Heimatland: „Ein Leben in zwei Welten“

Letzte Woche begann der weltweit mit großer Aufmerksamkeit und Erleichterung vernommene Austausch von Dutzenden der israelischen Geiseln gegen mehrere Hundert weibliche und jugendliche palästinensische Häftlinge, die in israelischen Gefängnissen saßen. Aber ist das verhältnismäßig? Wie stellt sich ein solcher Austausch von Gefangenen aus talmudischer Sicht dar? Dieser Frage widmet sich Rabbiner Raphael Evers in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG: "Der Wert des Lebens".

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT

**********************

In den USA gibt es seit den 1980er Jahren innerhalb des Protestantismus einen Trend hin zu gigantischen Gotteshäusern. Hier treffen sich Hunderte zum Gebet. Steven Thomsen hat für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG eine dieser Megakirchen besucht:  Die Saint Paul’s Baptist Church. Sie ist westlich von Richmond im Gliedstaat von Virgina, zählt mehr als 12.000 Mitglieder und es ist die Megakirche einer schwarzen Gemeinde: "Hier ist der Pastor ein Rockstar und der Gottesdienst ein Riesenspektakel".

Der Link dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

**********************

Der israelische Schriftsteller Dror Mishani ist spätestens seit seinem Bestseller "Drei" auch in Deutschland als Krimiautor eine literarische Größe. Seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt und sowohl für seine ›Avi-Avraham‹-Krimis als auch für ›Drei‹ sind internationale Verfilmungen in Vorbereitung. Nun ist sein bereits vor zehn Jahren im hebräischen Original erschienener Band "Die schwere Hand" in einer neuen Übersetzung ins Deutsche erschienen. Ein "großartig intensiver Kriminalroman", meint Sylvia Staude in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "In Tel Aviv auf den Regen warten".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



Abo-Hinweis

 Die Information, in welchem externen Medium Sie den vollständigen Text kostenfrei lesen können sowie einen Link dorthin ist angemeldeten Abonnenten vorbehalten!
Sie möchten die Information über die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link zum Artikel sehen und nutzen, um den angegebenen Artikel zu lesen?
Dann abonnieren Sie unsere Seiten oder testen Sie uns vorab mit einem kostenfreien Schnupper-Abonnement!
Abo bestellen

Sie sind bereits Abonnent?
Dann melden Sie sich bitte erst mit Ihrem Benutzernamen und Passwort an, um die Fundstelle inkl. Quellenangabe und Link sehen und nutzen zu können!

Anmeldung