ACHTUNG:
Guten Tag!
Das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge steht massiv in der Kritik: Mitarbeiter der UNRWA sollen sich am Hamas-Massaker beteiligt haben oder Mitglieder von Terrororganisationen sein. Nun hat eine unabhängige Expertenkommission unter Führung der ehemaligen französischen Aussenministerin Catherine Colonna keine Belege für eine Beteiligung von Mitarbeitern des UN-Palästinenserhilfswerks an terroristischen Aktionen gefunden. Israel reagiert mit scharfer Kritik. Und tatsächlich gibt es auch berechtigte Zweifel, wie sie neben der FAZ auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG formulieren. Im Blick auf die an der Untersuchung beteiligten Institute heißt es:
"So äusserte sich ein leitender Forscher des dänischen Instituts für Menschenrechte im Januar zum Prozess des Internationalen Gerichtshofs, in dem Israel vorgeworfen wird, einen Genozid in Gaza zu begehen. Er nannte den Prozess einen «Durchbruch» und einen «wichtigen Fortschritt für das humanitäre Völkerrecht». Das ebenfalls an der Untersuchung beteiligte Chr.-Michelsen-Institut aus Norwegen publizierte im Jahr 2022 einen Bericht über die UNRWA. Darin hielt es fest, dass die Vorwürfe gegen das Hilfswerk, es trage zur Radikalisierung der Palästinenser durch ihre Schulbücher bei, haltlos seien – obwohl der nun veröffentlichte Bericht der Untersuchungskommission zu einem anderen Schluss kommt."
Clemens Wergin führt in seinem Beitrag für DIE WELT diese und viele weitere Aspekte auf, die eine Menge Fragezeichen hinter den Untersuchungsbericht setzen. Sein Fazit:
"Eine Untersuchung, die schlicht ignoriert, dass es sich hier nicht allein um ein Problem bürokratischer Mechanismen, sondern der politischen Kultur und einer mangelnden Distanz zur Hamas an der Spitze handelt, muss sich tatsächlich vorwerfen lassen, Weißwaschung der führenden UN-Kader zu betreiben."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG beurteilt Jonas Roth den Bericht ebenfalls sehr kritisch:
"Denn der Colonna-Bericht zielt am Kern der Sache vorbei: Die UNRWA ist ein Teil des Problems im Nahen Osten, ein Anachronismus, der allen Konfliktparteien dazu dient, eine unhaltbare Lage zu perpetuieren."
Unterdessen teilte die Bundesregierung heute mit, dass sie auf Grundlage des Untersuchungsberichts ihre Hilfe für das Palästinenser-Hilfswerk UNRWA wieder aufnimmt.
Wieso mordete die Hamas 1200 Israeli, wenn sie wusste, dass die Vergeltung katastrophal ausfallen würde? Wieso schleuderte Iran 330 Bombenträger Richtung Israel, das Land mit der mächtigsten, atomar gerüsteten Armee? Mit diesen Fragen beginnend konstatiert Josef Joffe, Distinguished Fellow in Stanford, wo er Internationale und Sicherheitspolitik lehrt, zunächst nüchtern:
"Solche blutrünstigen Schachzüge können Europäer nicht verstehen. Nach Europas längster Friedenszeit passt das Dauergemetzel zwischen Levante und Golf nicht mehr ins Denkschema. Wir sind gezähmt und geläutert. Wir schachern, aber schiessen nicht."
Sodann analysiert er in seinem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG die "bizarre Logik", die dem Handeln des Iran und der Hamas inne ist. In diesem Zusammenhang räumt er dabei auch mit einem anderen Vorurteil auf:
"Löse diesen Endloskonflikt, und Frieden wird sein. Tatsächlich hat kein arabischer Krieg gegen Israel mit palästinensischer Staatlichkeit zu tun. Den fünf arabischen Armeen, die pünktlich zu seiner Geburt in Israel einfielen, ging es nicht um Palästina, sondern um die Beute: Wer kriegt was und wie viel? Drei Kriege zwischen Ägypten und Israel (1956, 1967, 1973) waren klassische Duelle zwischen machtheischenden Staaten. Diverse Libanon-Kriege zwischen 1981 und 2006 wurden ebenfalls der Vorherrschaft wegen ausgefochten."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG bekennt der israelische Schriftsteller Etgar Keret, er fürchte sich weniger vor den Raketen, die über seine Heimat fliegen, als vor der teifen Spaltung in Nahost. Dabei hält er eine Lösung des Konflikts für durchaus möglich, nämlich wenn beide Seiten eine neue Führung erhalten. Denn sowohl die Hamas als auch die Regierung in Israel blockieren einen möglichen Frieden:
"Netanjahu benutzt die Hamas, um zu legitimieren, dass er den Palästinensern ihr Recht auf einen Staat abspricht. Tatsächlich haben aber die Hamas und die Ultrarechten in der israelischen Regierung keine diametral verschiedene Weltanschauung. Die beiden Parteien sind sich einig, dass in diesem Land nur Platz für eine Nation ist; ihr einziger Streitpunkt ist: für welche? Netanjahu und seine extremistischen Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich bevorzugen die Hamas sogar. Sie ist ihnen lieber als jeder andere palästinensische Feind, der, zwar ebenso grausam und entschlossen wie die Hamas, bereit wäre, sich auf eine Zweistaatenlösung einzulassen. Ich habe nicht vor, meine Heimat in nächster Zeit freiwillig zu verlassen, ebenso wenig meine palästinensischen Nachbarn."
Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.
Bereits im Dezember 2023 wurde deutlich, dass das israelische Militär von den Angriffsplänen der Hamas wusste, sie aber nicht ernst nahm. Es war die New York Times, die seinerzeit von einem Papier mit dem Decknamen "Jericho-Mauer" berichtete, das den israelischen Sicherheitsbehörden bekannt war und Hinweise auf den Anschlag enthielt. Das hat jetzt erste personelle Konsequenzen: Aharon Haliva, der Direktor des israelischen Militärgeheimdienstes, tritt zurück. "Ich trage diesen schwarzen Tag seither mit mir, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Ich werde den Schmerz für immer mit mir tragen," schrieb Haliva in seiner Rücktrittserklärung. Um die Fehler aufzuklären, fordert er selbst einen staatlichen Untersuchungsausschuss. Die bisherigen Ergebnisse eines militärischen - nicht politischen! - Untersuchungsausschuss schildert in diesem Zusammenhang Judith Poppe in ihrem Bericht für die TAZ: "Der Erste zieht Konsequenzen".
Montagabend begann Pessach, dem Fest, an dem man der Befreiung der Juden aus ägyptischer Versklavung gedenkt. In diesem Jahr freilich ist in Israel den Wenigsten nach Feiern zumute. Der 7. Oktober, der Gaza-Krieg und vor allem die toten und noch immer in der Hand der Terroristen befindlichen Geiseln. Viele Stühle bleiben diesmal bei den Pessach-Feiern leer. Wie den Angehörigen der Geiseln zumute ist, schildert u.a. Sabine Brandes in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG:
"Kurz vor dem Beginn der Proeste hatten Angehörige der Geiseln einen Brief an die Mitglieder des Kriegskabinetts geschickt, in dem sie ein dringendes Treffen mit ihnen forderten – noch vor dem Sederabend. Sie schrieben: »In diesem Jahr wird der Feiertag der Freiheit im Staat Israel nicht gefeiert, da wahre Freiheit unmöglich ist, wenn 133 unserer Leute weiterhin von der Hamas gefangen gehalten werden. Die Freiheit wurde nicht nur ihnen, sondern auch uns, ihren Familien, entrissen – und zudem Millionen von Israelis, die sich dauerhaft quälen und nicht verstehen können, wie der Staat seine Bürger am 7. Oktober im Stich ließ und die Geiseln anschließend mehr als ein halbes Jahr lang vernachlässigt.«"
Beim iranischen Angriff auf Israel gab es dank der international koordinierten und von Haus aus hervorragenden Luftverteidigungssysteme der Israelis kaum Schäden, keine Tote und nur ein schwer verletztes Opfer: ein siebenjähriges Mädchen. Zufall und Unglück, dass das Mädchen ein Beduinenmädchen war? Schon beim Massaker der Hamas am 7. Oktober traf es die Beduinen deutlich: 19 von ihnen wurden ermordet und sechs als Geiseln genommen. Insgesamt leben rund 300 000 Beduinen im jüdischen Staat. Die Nachfahren von Halbnomaden sind arabische Muslime und israelische Staatsbürger. Seitdem die Spannungen im Nahen Osten zunehmen, geraten sie immer öfter zwischen die Fronten. Woran liegt das? Rewert Hoffer hat für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG die Angehörigen des verletzten Beduinenmädchens, das noch immer in Lebensgefahr schwebt, besucht und musste sich bittere Klagen der Beduinen anhören: «Die Juden haben mehr Respekt für Hunde als für uns»
Der Link zum Beitrag in der Rubrik ISRAEL INTERN
Neuer Ärger zwischen den USA und Israel: die amerikanische Regierung plant offenbar Schritte gegen ein israelisches Militärbataillon – wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen. Premier Benjamin Netanjahu erklärte im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter: "In einer Zeit, in der unsere Soldaten gegen terroristische Monster kämpfen, erscheint die Absicht, eine IDF-Einheit mit Sanktionen zu bestrafen, als Höhepunkt der Absurdität und als moralischer Tiefpunkt." Mit dem Gaza-Krieg haben die Pläne allerdings nicht zu tun: Es geht vor allem um einen Vorfall im Jahr 2022 und es um eine ganz bestimmte militärische Einheit: das Netzah-Yehuda-Bataillon. Dieses stand schon mehrfach in den Schlazeilen, wie Tomas Avenarius in seinem ausführlichen Hintergrundbericht für die SÜDDEUTSCHE ZETUNG erläutert:
"In der Einheit dienen vor allem religiöse Männer, sogenannte Haredim. Sie weigern sich aus Glaubensgründen, ihren Militärdienst in den üblichen gemischtgeschlechtlichen Wehrdiensteinheiten zu leisten und folgen zudem besonders strengen Speisevorschriften. Besonderer Beliebtheit erfreut sich das Netzah-Yehuda-Bataillon, das aus Freiwilligen besteht, offenbar auch bei häufig rechtsradikal orientierten nationalreligiösen Siedlern, die immer wieder palästinensisches Weide- und Farmland besetzen und illegal Siedlungen bauen. 2023 wurde das Bataillon aus dem Westjordanland auf die von Israel völkerrechtswidrig annektierten Golanhöhen verlegt. Es wurde im aktuellen Krieg laut der Times of Israel auch in Gaza eingesetzt."
In der TAZ sind zwei Essays zu lesen, in denen sehr unterschiedliche Positionen in punkto Solidarität mit Israel vertreten werden. Zum einen kritisiert Charlotte Wiedemann in postkolonialer Manier: "Deutschland ist auf die abschüssige Bahn eines falsch verstandenen Exzeptionalismus geraten: Indem die Verantwortung für den Holocaust und die daraus folgenden außergewöhnlichen Verpflichtungen verengt wurden auf ein Bekenntnis zur israelischen Staatsverfasstheit und Politik. Und indem wir anderen vorschreiben, wie sie zu Israel zu denken haben, wenn sie deutschen Boden betreten." Ähnlich wie der Philosoph Omri Boehm rät sie den Israelis stattdessen doch gemeinsam mit den Palästinensern in einem Staat zu leben basierend "auf der Anerkennung, dass beide Völker ein Heimatgefühl 'from the river to the sea' haben. Warum denken wir das nicht aktiv mit?". Ganz anders Ambros Waibel, der eine geboten kritische Solidarität mit Israel nicht für eine Neurose hält, die einem mißverstandenen Holocaust-Gedenken geschuldet sei. Diese Solidarität sei vielmehr eine Errungenschaft der Linken und fuße auf spezifischen historischen Erfahrungen der Bundesrepublik Deutschland. Und: Wäre es nicht an der Zeit, fragt er, "die Internationale der Hamas-Nichterwähner:innen erklärte uns 'konkret und kohärent', wie sie sich eine Zukunft in der Region mit diesen Leuten in verantwortlicher Position denken? Soll der 7. Oktober der Nationalfeiertag eines Staats 'from the river to the sea' werden? Was wird man den Kindern zum Anlass der Party sagen? Heute feiern wir, dass Zivilisten abgeschlachtet, gedemütigt, missbraucht und entführt wurden?"
Ebenfalls in der TAZ ein Interview mit Alexander Schwarz, stellvertretender Programmleiter beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Des Zentrum hat Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht, mit dem Ziel, die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen für Waffenlieferungen nach Israel aufzuheben. Schwarz betont, dabei gehe es allein um Bodeninvasionswaffen, nicht um Abwehrwaffen gegen Luftangriffe. U.a. erläutert Schwarz:
"Menschenrechte mit juristischen Mitteln durchzusetzen steht im Zentrum unserer Arbeit als Menschenrechtsorganisation. Dazu gehört es, grundlegende Rechtsprinzipien wie die Achtung des humanitären Völkerrechts juristisch zu verteidigen. Viele unserer palästinensischen Kollegen in Gaza haben Familienangehörige und Freunde durch die israelische Kriegsführung verloren, darunter viele Kinder. Nach den brutalen Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober und den israelischen Reaktionen wurde für uns deshalb schnell deutlich, dass die Einhaltung des internationalen Rechts im Gazakrieg juristisch verteidigt werden muss."
Wie man das internationale Recht freilich auch mal gegen den Iran, die Hamas oder Hizbollah verteidigen könne, ist leider nicht Gegenstand des Gesprächs.
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Zwar ist die Vielfalt des jüdischen Widerstands in der Zeit des Nationalsozialismus inzwischen gut erforscht, aber in der deutschen Erinnerungskultur ist er kaum präsent, so die Politikwissenschaftlerin Sarah Stemmler von der Anne Frank Bildungststätte in Frankfurt. In einem Beitrag für die FRANKFURTER RUNDSCHAU fordert sie mehr Sichtbarkeit und erklärt:
"Laut Achim Doerfer hängt das damit zusammen, dass die Erinnerung an Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit von einer Opfer-Ikonografie geprägt ist. Der Jurist und Philosoph beschreibt, dass vor allem die Bilder von Kranken, Verhungernden und Sterbenden im kollektiven Gedächtnis verankert sind, nicht aber die Bilder von Partisan:innen oder jüdischen Soldat:innen in den Armeen der Alliierten. Stattdessen erinnern wir uns vor allem an nichtjüdische Widerständler:innen, wie die Studierendengruppe 'Die Weiße Rose'. Das ist zwar wichtig, vermittelt aber ein schiefes Bild: von einzelnen widerständigen Deutschen und passiven Opfern. Proportional betrachtet war der jüdische Widerstand viel zahlreicher. Es gibt Stimmen, die sich für einen Feiertag am 19. April aussprechen, der dem Aufstand im Warschauer Ghetto gewidmet ist."
Der AfD-Politiker Björn Höcke steht derzeit vor Gericht, weil er die Parole der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) „Alles für Deutschland“ benutzt hat. Er habe das nicht gewußt, gibt der gelernte Geschichtslehrer zu seiner Verteidigung an. Aber ist der Gebrauch dieser NS-Parole tatsächlich verboten bzw. welche Formulierungen mit NS-Wurzeln sind denn überhaupt verboten? Und was ist erlaubt? Im VORWÄRTS gibt Kai Doering eine Übersicht juristisch problematischer Parolen und in der WELT diskutiert Sven Felix Kellerhoff das gleiche Problem etwas eingehender: "Wann „Alles für Deutschland“ oder „Jedem das Seine“ strafbar sind".
Als Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) im Februar den Entwurf eines „Rahmenkonzepts Erinnerungskultur“ veröffentlichte, schlugen die Gedenkstätten in Deutschland Alarm. Der Entwurf leite einen „geschichtspolitischen Paradigmenwechsel“ ein, hieß es von Seiten der Verantwortlichen in den Gedenkstätten und Erinnerungsorten. Roth hatte in ihrem Entwurf u.a. die Erweiterung der Erinnerungskultur um die Felder Kolonialismus, Migrations- und Demokratiegeschichte in den Raum gestellt. Die Befürchtung der Gedenkstätten: Nationalsozialistische Verbrechen drohten relativiert, SED-Unrecht bagatellisiert zu werden. Im Interview mit der TAZ kritisiert auch Elke Gryglewski, Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Claudia Roths Ideen zur Erinnerungspolitik. Deren Paradigmenwechsel sei kontraproduktiv. U.a. sagt sie noch sehr zurückhaltend:
"Unsere Kritik entzündete sich vor allem daran, dass dieser Entwurf kein Entwurf für eine Konzeption, ein Programm ist. Die Gedenkstättenkonzeption hat bis dato immer eine Analyse der Situation der Gedenkstätten beinhaltet und Herausforderungen benannt. Dieses Rahmenkonzept jetzt war eher eine Wunschliste, was man normativ machen wollte."
Schweres Geschütz hingegen fährt Claudia Schwartz in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG auf. Das Versagen von Claudia Roth, angemessen mit den diversen Antisemitismus-Skandalen (Documenta, Berlinale) umzugehen und in ihr "Rahmenkonzept Erinnerungskultur" seien keine Zufälle, "sondern Teil des Angriffs auf die deutsche Erinnerungskultur". Und Schwartz geht noch einen Schritt weiter, denn sie betrachtet diesen "Angriff auf die deutsche Erinnerungskultur" a la Claudia Roth nicht als Einzelfall, sondern Ausdruck eines verfehlten Geschichtsverständnisses der grünen Partei insgesamt. Dem entgegen mahnt sie:
"Wer die Erinnerungspolitik als überholt betrachtet, sollte sich gerade jetzt, wo die Sicherheit der jüdischen Bürger in Deutschland ein Dauerthema ist, nochmals vor Augen führen, gegen welche Widerstände das deutsche Bekenntnis zum Geschichtsbewusstsein eingefordert wurde. Denn erst die unbeirrten Vergangenheitsdebatten brachen das Schweigen auf und forderten das Schuldeingeständnis ein. In der «Hochpräsenz der Vergangenheit» (Norbert Frei) ab Mitte der neunziger Jahre verband sich schliesslich die Erinnerung an die Opfer und die Mahnung an die Täter unauflöslich mit der deutschen Identitätsfrage."
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Nachdem die New Yorker Polizei jüngst Ausschreitungen auf dem Campus der Columbia University in New York nicht in den Griff bekam, hat nun ein Rabbiner der Universität jüdischen Studenten empfohlen, nicht mehr in die Universität zu kommen, wie der SPIEGEL in einer kurzen Meldung berichtet. Auf Videos in den sozialen Medien seien zahlreiche Ausfälle von Pro-Hamas-Demonstranten zu sehen:
"In einem ist zu hören, wie Teilnehmer rufen: 'We say justice, you say how? Burn Tel Aviv to the ground' (deutsch: 'Wir sagen Gerechtigkeit, ihr sagt wie? Brennt Tel Aviv bis auf den Grund nieder'). In einer anderen Aufnahme werden die jüdischen Studierenden aufgefordert, zurück nach Polen zu gehen. Aus Sicht des Rabbis haben die Ereignisse deutlich gemacht, dass weder die Universität noch die Polizei für die Sicherheit jüdischer Studierender garantieren könnten."
In einem Beitrag für das Schweizer Nachrichtenportal WATSON schildert Nico Conzetti zudem weitere Hintergründe und berichtet über Reaktionen in der amerikanischen Politik: "Juden sollen zu Hause bleiben – der bedenkliche Fall der Columbia University in 5 Punkten".
Fassungslos kommentiert Jennifer Wilton die Vorfälle in der WELT und fordert auch für den deutschen akademischen Betrieb Konsequenzen, da das, was "nun in Amerika eskaliert, ... in Deutschland in seinen Anfängen längst zu beobachten" sei. Dass sich ein "totalitärer Diskurs" an den Universitäten etablieren konnte, habe auch mit den Institutionen und Lehrenden zu tun:
"Einige wenige Stimmen machen in den USA seit Jahren darauf aufmerksam, dass Pluralität unter den Lehrenden gerade in den renommiertesten Bildungseinrichtungen immer geringer wird, dass sich bestimmte Narrative zu einer Mastererzählung entwickelt haben - in der, nebenbei, antiisraelische und antizionistische Motive ihren Platz haben - gegen die immer weniger Widerspruch geduldet wird. Sie warnen davor, dass Aktivismus und Lehre verknüpft werden, ohne dass man sich daran sehr stören würde. Es sollte aber ein deutliches Störgefühl geben, wenn nicht mehr gelehrt, sondern indoktriniert wird."
Forschung zu Antisemitismus im Online-Bereich gibt es erst seit einigen Jahren. Umso wichtiger sind die Ergebnisse des interdisziplinären und transnationalen Forschungsprojekts „Decoding Antisemitism: An AI-driven Study on Hate Speech and Imagery Online“, die nun Einblicke in die dynamische Entwicklung des öffentlichen Diskurses ermöglichen. Ein internationales Team von 20 Wissenschaftlern unter Leitung des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin untersuchte von 2020 bis 2024, wo und wie Antisemitismus in den Kommentarbereichen von Mainstream-Medien in den Ländern Großbritannien, Frankreich und Deutschland auftritt. Die Studie wurde vergangene Woche vorgestellt. Dabei untersuchten sie die Kommentarspalten der Online-Auftritte von u.a. The Guardian, Le Monde oder DIE ZEIT sowie deren Accounts auf sozialen Medienplattformen wie Facebook, YouTube, Twitter (jetzt X), Instagram und TikTok. Die Beobachtungen erfolgten jeweils zu Diskursereignissen wie dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, aber auch bei den international viel beachteten Äußerungen von Rapper Kanye West oder Millionär Elon Musk, die online hohe Wellen von Antisemitismus auslösten. Insgesamt führte das Team 27 Fallstudien durch, sowohl länderspezifisch als auch -übergreifend, und analysierte insgesamt 130.000 Userkommentare im Detail. Genauere Auskunft gibt eine Pressemeldung der TU Berlin sowie ein ausführliches Interview mit dem Projektleiter Matthias Becker. Und natürlich gibt es die Studie selbst zum Download (in engl. Sprache). In der BERLINER ZEITUNG fasst Torsten Harmsen die wichtigsten Ergebnisse und Einsichten zusammen und schreibt u.a.:
"Die bisherigen antisemitischen Stereotype seien am Tag selbst und in der Woche danach in eine offene Glorifizierung von Gewalt und Mord gegen Juden umgeschlagen, mit Kommentaren wie: 'Ist richtig so', 'Das sollte jetzt jeden Tag passieren', 'Die weiblichen Opfer verdienen das.' 'Auf der britischen Seite waren das teils mehr als 50 Prozent der Kommentare, auf französischer Seite manchmal sogar 60 Prozent und in Deutschland bis zu 25 Prozent.' Als schockierend empfinden die Forscher die Verbindung von 'dehumanisierenden Äußerungen' mit Sexismus und pornografischen Inhalten."
"Der 7. Oktober war kein Terroranschlag. Er war der Beginn eines neuen globalen antisemitischen Krieges, in dem alle Jüdinnen und Juden sich angegriffen fühlen, weil sie alle angegriffen werden", schreibt Esther Schapira in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG. Man habe Israel im Moment des Schocks nach dem 7. Oktober zwar das "Recht eines jeden Staates, sich gegen die Ermordung seiner Bürger zu wehren" zuerkannt, aber es dauerte nicht lange und es hagelte nur noch "Warnungen, Verurteilungen und Belehrungen". Schapira kommentiert dies:
"Das theoretische Recht beinhaltete offenbar nicht das Recht zur praktischen Umsetzung desselben. Niemand nämlich weiß bis heute eine Antwort auf die Frage, wie Israel die militärische Fähigkeit der Hamas grundlegend so reduzieren kann, dass eine Wiederholung des 7. Oktober ausgeschlossen ist, ohne zugleich den Tod vieler Unschuldiger in Kauf zu nehmen."
Aus alledem zieht sie sieben Lehren, deren wichtigste und letzte wie folgt lautet:
"Der 7. Oktober 2023 und die Reaktion darauf – der Verrat der globalen Linken und des Feminismus und die moralische Bankrotterklärung der Völkergemeinschaft, die jüdisches Leid marginalisiert, leugnet oder achselzuckend hinnimmt – hat Juden weltweit bewusst gemacht, was es heißt, als jüdische Minderheit auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen zu sein."
Alljährlich zeichnet eine niederländische Stiftung das weltbeste Pressephoto - "World Press Photo" - aus. Das in diesem Jahr prämierte Pressefoto zeigt eine trauernde Frau, die ihr totes Kind in einem Leichentuch im Arm hält - und es handelt sich dabei, wenig überraschend, um eine Szene aus Gaza. In der WELT kritisiert Thomas Schmid daraufhin den Preis als "die Indienstnahme eines Moments großer Trauer für eine im Grunde politische Aussage", mithin also eine Instrumentalisierung palästinensischen Leids, um Hass auf Israel zu schüren. Und weiter schreibt er:
"Zu einem Skandal wird die diesjährige World-Press-Photo-Award-Veranstaltung aber durch ein Fehlen, eine Unterlassung, eine Leerstelle. Es passierte im vergangenen Jahr viel Furchtbares, das durch Fotografien festgehalten werden sollte. Zu diesem Furchtbaren gehörte auch die Hamas-Mordaktion vom 7. Oktober 2023. ... Und anders als beim Holocaust waren die Täter keineswegs bemüht, ihr Morden vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Sie wollten die Welt teilhaben lassen an ihrem Wüten. Sie filmten, sie dokumentierten ihre Taten und stellten sie ins Netz. Noch Tage wie Wochen später waren die Spuren dieser Mordaktion zu sehen und zu besichtigen: Blut, Leichenteile, zerstörte Wohnungen, verwaiste Dreiräder. Viele Fotografen haben sie dokumentiert. Doch die Stiftung 'World Press Photo' hielt keine dieser Aufnahmen einer Anerkennung für würdig. Die Hamas-Morde kommen in dieser ästhetisierenden parteiischen Foto-Welt einfach nicht vor."
Die deutsch-jüdische Journalistin Sarah Cohen-Fantl entscheidet sich, mit ihrer Familie Berlin den Rücken zu kehren und nach Israel zurückzukehren. Doch ihre Entscheidung stößt auf Unverständnis und Sorge bei vielen, die den Umzug in ein scheinbar unsicheres Gebiet hinterfragen. Für Sarah Cohen-Fantl ist der Schritt eine Rückkehr zu ihren Wurzeln und vor allem eine Flucht vor wachsendem Antisemitismus. In einem sehr persönlichen Bericht, der auf den Seiten der FRIEDRICH-NAUMANN-STIFTUNG zu lesen ist, teilt sie ihre Gedanken, Ängste und Hoffnungen. Gegen Ende ihres Beitrages schreibt sie:
"Ich habe mir geschworen, dass ich nicht zu spät gehen werde. Ich werde nicht abwarten und auf das Gute hoffen und ich kann nicht darauf vertrauen, dass die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland sich schützend vor die jüdische Gemeinschaft stellt. Das haben mich meine Familiengeschichte aber auch die vergangenen 5 Monate gelehrt."
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Kennen Sie Daniel Dennett? Nein? Vielleicht ein Versäumnis, denn immerhin gilt er als einer der einflussreichsten Philosophen weltweit. Vor wenigen Tagen, am 19. April 2024, starb er im Alter von 82 Jahren. Dennett galt als führender Vertreter der Philosophie des Geistes. Er war Professor für Philosophie und Direktor des Zentrums für Kognitionswissenschaft an der Tufts University bei Boston. Und er war Atheist, Darwinist und Materialist. Für ihn waren wir Menschen nicht mehr als ein komplexes Stück Materie, den Naturgesetzen unterworfen. Auf die die Gottesfrage beispielsweise hatte der Meisterdenker eine verblüffend einfache Antwort: Wir können tatsächlich niemals sicher sein, dass es Gott nicht gibt. Aber wir können auch nicht sicher sein, dass es keine Kobolde, Elfen und Feen gibt. Dennoch sollten wir nicht an sie glauben. Was ihn sonst noch ausmachte und seine Philosophie kennzeichnete skizzieren Yves Bossart einem Beitrag für den SCHWEIZER RUNDFUND und FERNSEHEN (SRF) und Thomas Ribi für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Daniel Dennett war ein Gott für Atheisten".
Das Haus der Religionen im Schweizer Bern, 2014 eröffnet, vereint acht Weltreligionen unter einem Dach. Die Institution versteht sich als Ort der Begegnung und als Kompetenzzentrum für interreligiösen Dialog betrachtet sich nach eigenem Bekunden als «europaweit einzigartig». Wie aber geht nun eine solche Institution damit um, wenn sich Grausamkeiten und Kriege auch entlang der Grenzen von Religionsgemeinschaften abspielen? Das Haus der Religionen war nach dem 7. Oktober 2023 gezwungen, sich dieser Frage zu stellen. Vor diesem Hintergrund fand im Haus der Religionen kürzlich ein öffentliches Gespräch zwischen Gaby Knoch-Mund von der Jüdischen Gemeinde Bern und Muveid Memeti, dem Präsidenten des Muslimischen Vereins Bern, statt. Jana Schmid berichtet nun darüber auf dem Lokal-Portal HAUPTSTADT, das von unabhängigen Journalisten betrieben wird: «Unsere Beziehung hat sich nicht verändert»
150 flach übereinandergelegte Engel-Elemente aus Stahl verbergen sich in der über 3 Meter hohen Friedenssäule für Jerusalem, die am 23. April vor dem Landtag in Düsseldorf eingeweiht wird. Jeder einzelne Engel steht symbolisch für eine interkulturelle und interreligiöse Mitmach-Kunstaktion in einer deutschen oder europäischen Stadt. Katja Eifler erzählt für EVANGELISCH.de, wie es zu dem Projekt kam, wer es umgesetzt hat und welche Idee dahinter steht: "Aus gefallenen Engeln wächst Frieden".
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Der Angriff auf Israel durch die Terrororganisation Hamas am 7.10.2023 markiert für die jüdische und israelische Community in Deutschland einen tiefen Einschnitt. Jüdinnen und Juden stehen vor der Aufgabe, die traumatischen Folgen des tödlichen Angriffs und der damit einhergehenden antisemitischen Bedrohung zu bewältigen. Die Sozialforscherinnen Friederike Lorenz-Sinai und Marina Chernivsky führen nun eine Studie zu den "Auswirkungen des 7. Oktober auf die jüdische und israelische Community" durch. Vielen sei "Indifferenz bis hin zur Billigung der Gewalt" entgegengekommen, sagt Chernivsky im Gespräch mit der TAZ:
"Ihnen begegnet emotionale Kälte, wenn es darum geht, die Wirkung des Terrors und die eindringliche Präsenz der Bedrohung anzuerkennen. Interviewpartner*innen nehmen auch den scharfen Kontrast zur erlebten Solidarität mit der Ukraine wahr. Einige haben Familien, die gleichzeitig von zwei Kriegen in der Ukraine und in Israel betroffenen sind. Manche beschäftigt die Verleugnung sexualisierter Gewalt im Zuge des Angriffs und der Geiselnahmen."
In diesem Jahr wird anlässlich des 300. Geburtstages des großen Philosophen Immanuel Kant aus vielerlei Perspektive an seine Person, sein Werk und dessen Wirkung erinnert. Einer der interessantesten Aspekte ist dabei auch Kants Verhältnis zu Juden und Judentum sowie seine Wirkung in der jüdischen Geistesgeschichte. In einem lesenswerten Beitrag widmet sich Christoph Schulte, Professor für Philosophie und Jüdische Studien an der Universität Potsdam, genau diesem Aspekt. Und er tut dies ganz in Anbetracht einer zunächst paradox anmutenden Feststellung, denn obwohl Kants Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet, wie Schulte in seinem Beitrag für die JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG erläutert: "Aufklärer mit Ressentiments".
In einem ebenso lesens- wie bedenkenswerten Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erläutern der Journalist Nikolai Klimeniouk und die Holocaust-Historikerin Ksenia Krimer in mentalitätsgeschichtlicher Perspektive, wie es zur Ausprägung eines jüdischen Widerstandsgeistes gekommen ist. Ihr Ausgangspunkt ist ein sehr akutelles Paradox, nämlich dass unter Ausblendung etwa der vom Iran oder der Hamas programmatisch explizit formulierten Vernichtungsphantasien gegenüber Israel, es Israel selbst ist, "dem man immer wieder genozidale Absichten unterstellt". Tatsächlich spiele der Genozid für die israelische Gesellschaft "eine besondere Rolle, nämlich als ständige Bedrohung. Die Erwartung eines Genozids strukturiert die moralischen und politischen Konflikte Israels und die Wahrnehmung seiner Geschichte." Die Gefahr der physischen Vernichtung und die Angst davor seien freilich sehr viel älter als der Staat Israel und mithin setzte auch die "Militarisierung der jüdischen Gesellschaft lange vor der Gründung des Staates Israel (ein). Die Erfahrung, immer wieder Opfer zu sein, und mit der Erwartung von Gewalt zu leben, brachte ein kämpferisches Ethos und eine Obsession mit körperlicher Stärke hervor." Diese Entwicklung beschreiben die Autoren in ihrem Beitrag und zwar vom "Muskeljuden" eines Max Nordau (1898) über jüdische Studenten, die sich gegen Antisemitien duellierten bis hin zum heutigen Staat Israel: "Israel in ständiger Erwartung des Genozids".
»Nächstes Jahr in Jerusalem«: sicher einer der bekanntesten Sätze, der seinen Platz in der Mitte des Pessach-Festes hat, das am Montag-Abend begann. Wie sehr dieser Ausspruch mit dem messianischen Verständnis im Judentum zusammenhängt und welche theologische Ambiguität ihm inne ist, erläutert Alfred Bodenheimer in einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG. Dass Pessach in diesem Jahr unweigerlich unter dem schwarzen Stern des 7. Oktobers steht, wird zudem in mehreren Beiträgen deutlich, die von den Vorbereitungen und Feierlichkeiten in den jüdischen Gemeinden in Deutschland, Österreich und der Schweiz berichten. Exemplarisch gibt diese belastete Stimmung auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in seinem Leitartikel zum Pessach-Fest in der JÜDISCHEN ALLGMEINEN wieder. Dort heißt es u.a.:
"An jedem Sedertisch wird es in diesem Jahr einen Moment des Innehaltens für die Opfer des Terrors geben. Und wir sollten auch an jeden unschuldigen Toten denken, den es in Gaza zu beklagen gilt. Auf unseren Herzen lastet eine Schwere, die wir immer nur zeitweilig verbergen können. Nicht nur in Israel, sondern in den jüdischen Gemeinschaften weltweit und auch in Deutschland ist das Leben nach dem 7. Oktober nicht mehr, wie es war. Der Wunsch nach Frieden und Freiheit für uns Juden – ganz eng mit Pessach verknüpft – steht in einem anderen, einem trüberen Licht."
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT
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In der Karwoche trompetete der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social: «Let’s make America pray again». Damit warb er um seine «God Bless the USA»-Bibel, die zum stolzen Preis von 60 Dollar zu haben ist. Die Einnahmen sollten seinen maroden Kontostand in der Wahlkampf- und Gerichtskostenkasse aufbessern, was ihm auch gelang. Abertausende dieser "Trump"-Bibel gingen über die Ladentheke. Kein Wunder, gilt doch Trump als Ikone des christlichen Nationalismus. Dieser "Christian Nationalism" (CN) ist ein derzeit in den USA intensiv diskutiertes Thema, obwohl seine Bedeutung recht unklar ist. Manche sehen in ihm die Forderung nach einem Staat, der im Einklang mit christlichen Werten steht, andere das Drohszenario einer faschistischen Theokratie und wieder andere nur Apfelkuchen, weil Religion so uramerikanisch ist wie Baseball und «apple pie». Ist also die Ideologie des christlichen Nationalismus bloss so harmlos patriotisch wie Apfelkuchen? Dieser Frage geht Marc Neumann in einem informativen und nachdenklichen Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nach: "Mein Gott, Trump! Wie gefährlich sind die nationalistischen Christen, die in den USA auf dem Vormarsch sind?"
Bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg hat sich die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) im Februar klar gegen die AfD positioniert (siehe Compass XXX). Der Kirchenrechtler Thomas Schüller forderte deshalb zuletzt, die Erklärung mit rechtlichen Regelungen zu unterfüttern. Wer in juristisch nachvollziehbarer Form extremistische, fremdenfeindliche oder antisemitische Positionen vertrete, dürfe nicht haupt- oder ehrenamtlich für die Kirche tätig sein. Schüller sieht hier auch die katholischen Verbände in der Pflicht. Vor diesem Hintergrund hat KATHOLISCH.de bei großen katholischen Verbänden nachgefragt: Wie haben sie die Anti-AfD-Erklärung der Bischofskonferenz aufgenommen? Wie blicken sie selbst auf die Partei? Ist die Mitgliedschaft in ihrem Verband mit der gleichzeitigen Mitgliedschaft in der AfD vereinbar? Sind Satzungsänderungen geplant? U.a. haben auf die Anfragen geantwortet der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Bund Katholischer Unternehmer, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, der Katholischer Deutscher Frauenbund und das Kolpingwerk Deutschland: "Umfrage: Katholische Verbände distanzieren sich von AfD".
Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Mea Schearim, die Stadt der 100 Tore, ist ein Viertel von Jerusalem, das fast ausschließlich von ultraorthodoxen Juden bewohnt wird. Um diese unfassbar aufregende und fremde Welt und ihre Spiritualität erfassen und verständlich machen zu können, muss man dort gelebt haben – so wie Tuvia Tenenbom, der in Mea Schearim aufgewachsen ist und nach vielen Jahren in New York hierher zurückgekehrt ist, um sich seiner Vergangenheit zu stellen. In seinem jüngsten Buch schildert er seine Erfahrungen und Eindrücke - und dass der 7. Oktober 2023 auch dort eine Veränderung gebracht. Lukas Sarvari hat das Buch für die TAZ gelesen: "Es bleibt kompliziert".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)
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