Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
16.10.2024 - Nr. 2081

ACHTUNG:

Die nächste tagesaktuelle Ausgabe erfolgt am Donnerstag, 24. Oktober 2024.


Guten Tag!

Nr. 2081 - 16. Oktober 2024



U.a. die WELT, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und FAZ zitieren aus Dokumenten der Hamas, die der "New York Times" und der "Washington Post" zugespielt wurden. Aus den Papieren geht hervor, dass die Hamas den 7. Oktober mindestens seit 2022 vorbereitete. Ebenso wird deutlich, dass der Iran in die Pläne eingeweiht war und sie mitfinanziert hat. Zur Taktik der Hamas gehörte es ebenfalls, in dieser Zeit gegenüber Israel bewußt eine relative Friedfertigkeit vorzutäuschen. In der FAZ heißt es dazu:
"In einem Dokument aus dem Mai 2023, also gut ein Jahr später, heißt es mit Blick auf die anderen im Gazastreifen aktiven Milizen: 'Wir müssen das Verhalten des Islamischen Dschihads und weiterer Gruppen kontrollieren, damit es nicht zu Provokationen kommt, die unser Projekt ruinieren würden.' Die Hamas werde versuchen den Eindruck zu erzeugen, dass 'Gaza Leben und wirtschaftliches Wachstum will'."
Laut den Unterlagen war der Hamas-Führung auch bewußt, dass der geplante Anschlag brutale Folgen für die eigene Bevölkerung nach sich ziehen könnten, wie in der WELT zu lesen ist:
"In Sitzungsprotokollen ist laut „New York Times“ festgehalten, dass sich der damalige Hamas-Chef im Gaza-Streifen, Yahya Sinwar, und seine Mitstreiter über die Konsequenzen bewusst waren. Ein größerer israelischer Gegenangriff sei der Preis, den die Menschen für die Freiheit zahlen müssten, hieß es demnach."

Eszter Koranyi und Rana Salman stehen an der Spitze der israelisch-palästinensischen Friedensorganisation "Combatants for Peace". Rana Salman (40)ist die palästinensische Kodirektorin von Combatants for Peace und lebt in Bethlehem. Eszter Koranyi (40) lebt in Jerusalem und ist jüdisch-israelische Kodirektorin der israelisch-palästinensischen NGO.  Seit mehreren Jahren engagieren sie sich gemeinsam für Dialog, für das Durchbrechen der ewigen Gewaltzyklen. Und dann kam der 7. Oktober. Maria Sterkl erzählt im STANDARD, wie die beiden Frauen damit umgegangen sind und was sie noch immer antreibt.
"Wir Palästinenser gehen nicht weg, und auch die Israelis gehen nirgendwo hin", sagt Rana. "Also müssen wir einen Weg finden, zusammen zu leben und dafür zu kämpfen, dass beide Gesellschaften in Sicherheit, Würde und Gerechtigkeit leben können."

Die Links dazu in der Rubrik
ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Zwar hat Israel in den vergangenen Wochen einige wichtige militärische Erfolge erzielt, doch Beobachter in den USA und auch in Israel selbst kritisieren, dass es der Regierung an Plänen fehle, diese in diplomatische Erfolge umzumünzen. In einem Beitrag für DEUTSCHE WELLE widmet sich Felix Tamsut vor diesem Hintergrund der Frage: "Hat Israel eine Strategie für die Zeit nach dem Krieg?"

Israel führt in der Folge des Hamas-Massakers am 7. Oktober einen Krieg, der immer mehr Fronten und Gegner hat: gegen die Hamas im Gaza-Streifen, die Hisbollah im Libanon, hinzu kommen Angriffe aus dem Jemen und dem Iran. In Anbetracht des immensen Leids, den die Kämpfe auf allen Seiten fordern, tritt eine anderer, gleichwohl wichtiger Aspekt in den Hintergrund: die Verteidigung kostet das Land immense Summen und schwächt gleichzeitig die Wirtschaft des Landes. Julian Vulturius hat in einem interessanten Beitrag für ZDF HEUTE die Kriegskosten und die wirtschaftliche Verfasstheit des Landes in Zeiten des Krieges näher analysiert: "Das bezahlt Israel für den Krieg".

Ein Jahr nach dem Massaker in Israel hält die Hamas noch immer 97 Verschleppte fest. Wie übersteht man Hunger, Missbrauch und Todesangst? Um zu verstehen, was die Geiseln erlebt haben, sprachen Andrea Spalinger und Flurin Clalüna mit Entführten, Verwandten, Ärzten und Psychologen und sahen sich Stellungnahmen an, die die Betroffenen gegenüber der israelischen Regierung und Medien abgegeben haben. Entstanden sind dabei vier Geschichten: von Aviva, die ihren Körper nicht mehr spürt; von Andrei, der sich nicht mehr an das Gesicht seiner Mutter erinnert; von Emily, die nur noch flüstert; von Amit, die von ihrem Wächter missbraucht wird. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG sind ihre nahezu unerträglichen Geschichten zu lesen: «Ich dachte: Warum weine ich nicht?»

Die Schulterklappen auf seiner Kampfmontur weisen ihn als Oberstleutnant der Israel Defense Forces aus: Amos Davidowitz, der einer alten europäischen Rabbinerfamilie entstammt. Im Zivilberuf war er Tourguide, vor genau einem Jahr wurde er zum Armeedienst eingezogen. Allerdings: mit 66 Jahren dient er nun freiwillig. Die ZEIT sprach mit ihm über das Kämpfenmüssen – und was er viel lieber täte, zum Beispiel "im Weinberg sitzen und den Ruhestand genießen". Auf die Frage, warum er das nicht einfach tue, antwortet er:
"Weil fast meine ganze Familie im Holocaust ausgelöscht wurde. Sie stammten aus Ungarn, Rumänien, Polen. Ihre Asche ist verstreut über Deutschlands Felder. Ich habe geschworen, so etwas passiert nie wieder. Wenn ich mit meiner Erfahrung nur einem unserer Soldaten helfe zu überleben, hat es sich gelohnt. Die Geschichte lehrt: Wir Juden können uns auf niemanden verlassen. Es kommt keiner, um uns zu retten. Wir müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Sie sehen ja: Die EU oder die UN werden uns nicht helfen. Ich vertraue niemandem."  
 
Die Links zum Thema in der Rubrik ISRAEL INTERN.

Über Monate sollen Robert Habeck und Annalena Baerbock laut einer Recherche der BILD-ZEITUNG die Lieferung von Kriegswaffen an Israel blockiert haben. Union und FDP haben Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, ihre Position bei Waffenlieferungen an Israel zu erklären. Für den Fall, dass die Grünen-Minister Waffenexporte verhindert haben, fordert FDP-Vize Wolfgang Kubicki gar deren Rücktritt. Hintergrund: Wie BILD AM SONNTAG unter Berufung auf Quellen aus allen Ampelparteien berichtete, forderten die Grünen-Minister schriftliche Garantien, dass Israel die Waffen nicht zu einem Völkermord einsetzt. Nach Informationen des TAGESSPIEGELS soll es bei der schriftlichen Zusicherung freilich "nur" um eine Garantie für die Einhaltung des Völkerrechts beim Einsatz der deutschen Waffen gehandelt haben. Der TAGESSPIEGEL weist zugleich auch darauf hin, dass es
"offenbar keine vergleichbaren Bedenken gegen deutsche Waffenexporte in Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien zur selben Zeit (gab). An Saudi-Arabien wurden Ende 2023 Kampfjet-Raketen geliefert und die Türkei erhielt im September Waffenexporte im Wert von 336 Millionen Euro, trotz ihres massiven Vorgehens gegen die Kurden in der Türkei und Syrien."
In seiner Analyse der Vorgänge für die ZEIT kommt Mark Schieritz zu dem Schluss:
"Damit verweist der Streit um Waffenlieferungen auf das große Dilemma der deutschen Israelpolitik: Die Bundesregierung sieht sich im Einklang mit der Doktrin der Staatsräson an der Seite Israels, setzt sich aber auch für die Einhaltung des Völkerrechts ein. Wenn die beiden Prinzipien – Völkerrecht und Staatsräson – in Konflikt zueinander geraten, wird es problematisch."
In der FAZ wiederum positioniert sich Nikolas Busse in seinem Kommentar sehr entschieden und kritisiert insbesonder die Grünen:
"Israel steht im Krieg, da sollte es bei Waffenlieferungen keine Verzögerungen geben. Die Grünen fassen die „Zeitenwende“ und die deutsche Geschichte falsch auf. Es wundert einen nicht, dass Baerbock und Habeck dafür verantwortlich sein sollen. Die Grünen haben die „Zeitenwende“ weniger als eine strategische Frage aufgefasst als eine des Bekenntnisses. Dass es ihnen im Fall der Ukraine leichter fällt als in dem Israels, ist nicht nur wegen der Geschichte Deutschlands bedenklich, sondern auch wegen seiner Zukunft."

In der JÜDISCHEN ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG kritisiert Maria Ossowski die Israel-Berichterstattung vieler deutscher Medien. Als einen wahren Meister der Täter-Oper-Umkehr klat sie u.a. den SPIEGEL an. Noch fassungsloser zeigt sie sich jedoch im Blick auf die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen, insbesondere "Tagesschau" und "Tagesthemen". Zwar sei es eine schöne Geste gewesen, dass die "Tagesthemen" zum Jahrestag der Hamas-Pogrome aus Israel gesendet wurden. Danach freilich folgte eine 44-minütige Dokumentation zum 7. Oktober, "an der sich die subtile Israelfeindlichkeit besonders deutlich erkennen lässt. Nur sieben Minuten widmen die Autoren dem Massaker – am Jahrestag des schlimmsten Pogroms seit der Schoa." Insgesamt präsentierte die Doku mal wieder vor allem Israel als den Schuldigen:
"Subtext der Doku über den 7. Oktober: Die Israelis sind Täter, nicht Opfer. Und Netanjahu ist schuld, dass die Geiseln nicht nach Hause kommen. Damit bewegt sich diese Dokumentation im Mainstream der Wahrnehmungen einer zunehmend israelfeindlichen Gesellschaft. Sie ist nur ein Beispiel von vielen. 'Israel droht mit Selbstverteidigung', diese Focus-Schlagzeile bringt alle Doppelzüngigkeit in der Nahost-Berichterstattung auf den Punkt. Es grenzt an Desinformation - bewusste oder unbewusste."

In der WELT gibt die Schriftstellerin Mirna Funk einen bewegenden Einblick in ihr Leben in Tel Aviv inmitten des Krieges. So erzählt sie beispielsweise von einem Tag, an dem sie und ihre kleine Tochter im Keller vor den iranischen Raketen Schutz suchte, während zur gleichen Zeit auf der Straße palästinensischen Attentäter herumliefen, die sieben Menschen umbrachten. Sei es da nicht einfacher, wieder in Berlin zu leben, fragt sie sich. Wohl eher nicht, meint sie:
"Ich weiß nicht, ob irgendjemand - außer die Juden in der Diaspora - verstehen können, was seit einem Jahr in uns vorgeht. Wie schwer es ist, nicht zu wissen, wohin man soll und wo man eigentlich sicher ist. Denn sicher ist es nicht, in einer Stadt zu leben, in der Tausende tagtäglich seit einem Jahr 'Intifada, Intifada' brüllen dürfen, ohne dass jemand einschreitet. Denn Intifada ist das, was nur wenige Minuten vor dem Raketenangriff, wenige Meter von meiner Wohnung entfernt, passiert war. Intifada ist sieben Menschen in einer Tram und an einer Haltestelle zu erschießen und zwölf zu verwunden."

Die Links zu den Themen in der Rubrik
ISRAEL, DEUTSCHLAND, EUROPA UND DIE WELT.

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Am 9. Oktober jährte sich der Todestag von Oskar Schindler zum fünfzigsten Mal. Während des Zweiten Weltkriegs rettete der sudetendeutsche Geschäftsmann gemeinsam mit seiner Frau Emilie 1.200 Juden vor der Deportation nach Auschwitz. Aus diesem Anlass gab es im Hessischen Landtag eine Gedenkstunde, bei der der Publizist Michel Friedmann, dessen Eltern zu den von Schindler geretteten Juden gehörte, eine Rede hielt, in der er u.a. scharf mit der AfD abrechnete. Dabei kam es auch zu einem Eklat: ein AfD-Abegordneter schmierte sich auf seinem Platz eine weiße Substanz - vermutlich Creme - ins Gesicht. Das sollte offenbar eine Anspielung auf Friedmans Kokainkonsum vor mehr als 20 Jahren sein. Der Publizist selbst bezeichnet den Konsum als Fehler, den er sich nicht verzeihe. Dem AfD-Mann droht nach seiner Aktion Ärger. Die Landtagsverwaltung prüft, ein Ordnungsgeld gegen den AfD-Abgeordneten zu verhängen: "Vor 50 Jahren starb Oskar Schindler – ein Hedonist und Held der Weltgeschichte".

In der TAZ informiert Klaus Hillenbrand über ein neues Verfahren für die Rückgabe von Raubkunst an die Nachfahren jüdischer Besitzer. Die nun erzielte Einigung konnte nach jahrelangem Hin und Her unter den Beteiligten getroffen werden:
"Kernpunkt der Reform ist die Einrichtung eines Schiedsgerichts, das künftig darüber entscheidet, ob ein im Besitz der öffentlichen Hand befindliches Kunstwerk den Nachfahren zurückgegeben wird. Dieses Gremium löst die bisherige Beratende Kommission ab. Diese litt unter dem Geburtsfehler, dass sie nur dann tätig werden konnte, wenn alle Beteiligten dem Verfahren zustimmten. Es war also möglich, dass eine öffentliche Einrichtung wie ein Museum mit der Behauptung, das betreffende Kunstwerk sei kein NS-Raubgut, dafür sorgte, dass eine Untersuchung dieser Frage nicht stattfand."

Ein Osnabrücker Forschungsteam hat sich einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen, aber sehr spannenden Frage gewidmet: gibt es eine Korrelation zwischen der Zahl der Kriegstoten des Ersten Weltkriegs in deutschen Landkreisen und deren spätere Bereitschaft, die Nazis zu wählen? Herausgekommen sind sehr interessante Ergebnissen, die der Soziologe Alexander De Juan im Gespräch mit der TAZ näher erläutert:
"In der Weimarer Republik wurde in Landkreisen mit mehr Gefallenen des Ersten Weltkriegs im Durchschnitt häufiger NSDAP gewählt. Wir können also sagen: Die Konfrontation mit Tod im Kontext zwischenstaatlicher Kriege beförderte in diesem Fall die Unterstützung für nationalistische Parteien. Wir haben uns außerdem Beitrittszeitpunkte zur NSDAP und zur HJ sowie die Darstellung des Kriegs in Briefen von NSDAP-Mitgliedern zu ihrer Motivation angeschaut. Alle Quellen deuten in die gleiche Richtung: dass es vor allem die Gruppe der Zivilisten ist, die den Krieg nicht direkt vor Ort erlebt haben. Und dass deren Konfrontation mit dem Verlust von Familie, Freunden, Bekannten die nationalistische Ausrichtung wesentlich befördert."

Ebenfalls in der TAZ erinnert Rosa Budde an den viel zu sehr vergessenen Historiker und Holocaustüberlebenden Joseph Wulf, der ein Pionier der Holocaustforschung war. Seine Bücher über verschiedene Aspekte des Holocaust und über die NS-Täter gehörten mit zu den ersten Untersuchungen, die im frühen Nachkriegsdeutschland erschienen sind, zu einer Zeit, als die Täter noch oder schon wieder in Amt und Würden waren:
"In seinen Werken ließ der historiografische Autodidakt häufig Originalquellen von Tätern unkommentiert für sich sprechen. Er hatte bei seiner Arbeit stets auch zukünftige Generationen im Sinn und schrieb nicht nur für die Forschung, sondern auch für die breite Gesellschaft. Diese interessierte sich allerdings nicht sonderlich für seine Werke. Im Gegenteil, da in Wulfs Veröffentlichungen auch Namen vieler noch nicht bestrafter Täter genannt wurden, stieß er immer wieder auf Gegenwind. Trotz einer teils prekären finanziellen Lage schrieb Wulf unermüdlich gegen die stumpfsinnige, vom Unrecht nichts wissen wollende deutsche Normalität an. Er kämpfte gegen das - sich bis heute haltende - Narrativ von den angeblich passiven Juden, die sich 'wie Schafe zur Schlachtbank' führen ließen, und veröffentlichte Bücher zum jüdischen Widerstand."
Wulf nahm sich am 10. Oktober 1974 das Leben. Budde zitiert am Ende ihres Beitrages aus Wulfs letztem Brief an seinen Sohn David:
„Du kannst dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.“

Seit rund 35 Jahren lebt und arbeitet der Aachener Priester Manfred Deselaers am katholischen Zentrum für Dialog und Gebet in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz.  Dort setzt er sich für die Versöhnungsarbeit ein und hat ein offenes Ohr für Besucher. Mit KATHOLISCH.de sprach er bei einem Aufenthalt in Nürnberg über Erfahrungen und Eindrücke, die er in seiner jahrzehntelangen Arbeit vor Ort gewonnen hat und über die Frage, was Auschwitz mit dem Hamas-Angriff auf Israel zu tun hat: "Am Anfang steht immer das Erschrecken".

Die Links zu den Themen in der Rubrik VERGANGENHEIT...

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Seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs verzeichnet Deutschland einen deutlichen Anstieg anti-israelischer Protestaktionen. Der angemessene Umgang mit israelkritischen Positionen auf Demonstrationen, in den sozialen Medien und in der öffentlichen Debatte spaltet dabei die deutsche Bevölkerung. Die Mannheimer Professoren Dr. Marc Helbling und Dr. Richard Traunmüller haben nun untersucht, in welchen Gesellschaftsschichten Antisemitismus, Antizionismus und pro-palästinensische Einstellungen verbreitet sind. Dafür haben die Forscher im Januar dieses Jahres 3.702 Bürger unterschiedlichen Alters, politischer Einstellung und unterschiedlicher Bildungsabschlüsse in Deutschland befragt. Eines der überraschendsten Ergebnisse dabei: junge, linksorientierte Menschen haben tatsächlich oft eine ausgeprägte pro-palästinensische Haltung. Diese sei aber nicht aus traditioneller Judenfeindlichkeit gespeist. Hier gebe es statistisch keinerlei Korrelation. „Tatsächlich handelt es sich um die am wenigsten antisemitisch eingestellte Gruppe in Deutschland“, heißt es in der Studie, die freilich auf unterschiedliche Resonanz stößt: "Linke Studenten – für die Palästinenser, aber nicht judenfeindlich?"

In der FAZ berichtet Frauke Steffens, dass sich die "propalästinensischen" Protestgruppen an der Columbia Universität in New York und anderen amerikanischen Unis immer mehr radikalisieren:
"Der Ableger von 'Jewish Voice for Peace' (JVP) an der Hochschule, der zeitweise suspendiert wurde, teilte am Jahrestag des 7. Oktober einen Post von Autor Dan Cohen bei X, in dem es hieß, dass im Oktober 1944 hunderte Juden im Vernichtungslager Auschwitz den Aufstand gewagt hatten und dass 'die Palästinenser' 79 Jahre später 'eine ähnliche Attacke gegen ihre zionistischen Unterdrücker' unternommen hätten. Um den Jahrestag des Hamas-Massakers veranstaltete JVP gemeinsam mit 'Students for Justice in Palestine' (SJP) eine 'Mahnwache für unsere Märtyrer, die von der zionistischen Einheit massakriert wurden.' SJP schrieb dazu bei X, man gedenke auch des Jahrestags der 'historischen Al-Aksa-Flut-Operation' - das ist die Bezeichnung der Hamas für das Massaker an israelischen Juden."

Ebenfalls in der TAZ ist eine Reportage von Leon Holly zu lesen, der "propalästinensische" und antiisraelische Szene in New York besucht hat. Dort traf er unter anderem Arielle Angel, Chefredakteurin der israelkritischen jüdischen Zeitschrift "Jewish Currents":
"Angel sagt, sie identifiziere sich mittlerweile als Antizionistin, obwohl sie dafür lange gebraucht habe. 'Ich glaube, was mich wirklich dazu bewogen hat, war die Einsicht, dass selbst wenn es zwei Staaten Seite an Seite geben würde, Israel ein Staat wäre, der auf Vorherrschaft gegründet wäre', sagt sie in einem Podcast von Jewish Currents. Angel will keine Staatsidee unterstützten, die auf der demografischen Mehrheit einer Volksgruppe gründet. Nun ist Israel damit unter den Nationalstaaten keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Doch was viele linke Jüdinnen und Juden in ihrer Opposition antreibt, ist die Vorstellung, dass Israel als selbsterklärter 'Nationalstaat des jüdischen Volkes' auch in ihrem Namen handelt."

Und noch ein bemerkenswerter Beitrag in der TAZ, in dem die queere und schwarze Aktivistin Michaela Dudley schildert, dass bei vielen Schwarzen die Solidarität mit den "propalästinensischen" Studenten im Schwinden begriffen sei - "Black Lives Matter" hatte den 7. Oktober noch euphorisch gefeiert. Inzwischen empfänden viele Schwarze die Araber auf dem Campus als rassistisch:
"Die Hinrichtung zweier Tansanier durch die Hamas am 7. Oktober 2023 wirkt auch nach. Einer der beiden, Joshua Mollel, ein Agrar-Praktikant aus dem Kibbuz Nahal Oz, wurde sogar vor laufender Kamera rassistisch schikaniert, ehe seine Entführer ihn erschossen. So hatte der KKK den Schwarzen Aktivisten James Earl Chaney 1964 in Mississippi gelyncht, und seine weißen jüdischen Kollegen Andrew Goodman und Michael Schwerner waren mit ermordet worden. Solche historischen Bezugspunkte veranlassen viele Afroamerikaner:innen über jene Zeiten nachzudenken, in denen jüdische Menschen ihr Leben riskierten, um Schwarzen in den Südstaaten bei der Wahrnehmung des Wahlrechtes zu helfen."

Kürzlich gab der amerikanische Intellektuelle Ta-Nehisi Coates dem Sender CBS ein Interview, in dem er darüber spekulierte, ob Archäologen, "die in Israel Artefakte aus der biblischen Zeit zutage gefördert haben, diese gefälscht haben", schreibt Hannes Stein in der WELT. Der zum Judentum übergetretene Interviewer Tony Dokoupil widersprach:
"Er nannte die Meinungen von Ta-Nehisi Coates extremistisch und fragte ihn, ob Israel seiner Meinung nach überhaupt ein Lebensrecht habe. (...) Das CBS-Interview hatte ein interessantes Nachspiel: Tony Dokoupil musste sich einem hochnotpeinlichen Sensitivitätstraining unterziehen. Bei einer Konferenz, so heißt es, habe er Reuetränen vergießen müssen, um seinen Job zu behalten. CBS entschuldigte sich im Nachhinein für das Interview: Es habe nicht den Standards des Fernsehsenders entsprochen. Worin genau nun eigentlich Dokoupils Vergehen bestand, wurde in dem Statement aber nicht ausgeführt."

Nicholas Potter hat für die TAZ das Berliner Medienportal "Red" genauer untersucht, das sich bei vielen linken Aktivisten großen Zuspruch erlebt. Besonders charakteristisch für Red sind vor allem die heftig anti-israelischen Videos, Red's Redeakteure waren auch bei Uni-Besetzungen "propalästinensischer" Aktivisten zugegen und feierten den 7. Oktober als "prisonbreak" - einen Ausbruch aus dem Gefängnis. Zudem scheint klar, dass das Portal von Russland finanziert wird:
"Die undurchsichtige Finanzstruktur von Red hat wohl auch Gründe: 'Russland betreibt eine Vielzahl 'verdeckt unterstützter Medien' und Red scheint auf den ersten Blick eine davon zu sein', sagt Florian Töpfl der taz. Er ist Professor an der Universität Passau und forscht zur ausländischen Medienstrategie Russlands. Seit Jahren versucht der Kreml, alles zu verstärken, was die liberale, westliche Demokratie destabilisiert. Im September analysierte die taz interne Papiere der russischen Propagandafabrik SDA, die mit Desinformation die deutsche Öffentlichkeit beeinflussen will. Teils seien solche Medien sogar mehrsprachig, sagt Töpfl. Dazu gehört auch das Portal Red, das inzwischen auch Artikel auf Spanisch oder Türkisch veröffentlicht."
Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Im Haus der Religionen in Bern feiern Aleviten, Buddhisten, Christen, Hindus und Muslime in eigenen Räumen ihre religiösen Zeremonien. Die jüdische Gemeinschaft, Bahá’í und Sikhs beteiligen sich zudem am Programm. Dieses enthält kulturelle Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Vorträge, Ausstellungen sowie Bildungsangebote vor allem für Schulen und verschiedene Berufsgruppen. In diesem Jahr feiert das Haus sein zehnjähriges Jubiläum, wie Sylvia Stam für das PFARREIBLATT LUZERN berichtet: "Dialog nach innen und aussen".

Eingeladen zur Podiumsdiskussion hatte das Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) der Universität Luzern. Das brisante Thema: «Der 7. Oktober – ein Jahr danach. Auswirkungen auf den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen.» Auf dem Podium saßen Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Amir Dziri, Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Fribourg, und Karma Ben-Johanan, Professorin für modernes Christentum und jüdisch-christliche Beziehungen am Institut für Komparative Religionswissenschaft an der Hebräischen Universität Jerusalem. Thomas Schaffner hat für CHRIST UND WELT beobachtet, was die über hundert Interessierten an dem Abend hörten: "Eine gefallene Welt erlösen".

Wie fühlen sich aktuell die Christen im Heiligen Land? Mitten in diesem Krieg, zwischen den Fronten? Pater Elias, Geistlicher Leiter des Pilgerhauses in Tabgha am See Genezareth, sagt: Sie haben viele Rollen. Sie sind "Anwälte für den Frieden" oder werden benutzt. Man erwarte, dass sie sich positionieren. Warum Pater Elias die Türen zum Pilgerhaus Tabgha trotz Krieg ganz bewusst offen hält, und wieso er und seine Mitbrüder dabei wirtschaftlich an ihre Grenzen kommen, erklärt er im Interview mit KATHOLISCH.de. Auf die Frage, welche Rolle Christen in dem aktuellen Konflikt einnehmen, antwortet er:
"Der Konflikt mit Hisbollah und Hamas ist sehr jüdisch-muslimisch geprägt. Wir Christen sind da eher so dazwischen. Wir werden manchmal zwischen dem Konflikt zerrieben, zwischen Mühlsteinen zermahlen. Das zeigt sich zum Beispiel jetzt auch im Blick auf die libanesische Grenze und auf den Konflikt mit der Hisbollah. Die Hisbollah, die ja schiitisch-muslimisch ist, hat oft christliche Dörfer genommen, um von dort aus Raketen nach Israel zu schicken. Und Israel hat natürlich seine Raketen dahin zurückgeschickt, wo die Raketen herkamen, und hat dann christliche Dörfer auch getroffen. Christen sind oft so etwas wie ein Spielball, wie ein kleines Korn im Mühlstein dieses großen Konfliktes."

Der Benediktiner Nikodemus Schnabel (45) leitet die Dormitio-Abtei in Jerusalem. Ein Jahr nach dem Hamas-Angriff auf Israel erzählt er im Gespräch mit KATH.ch (Schweiz), wie er und seine Mitbrüder mit den Raketenangriffen umgehen, was ihm Angst macht und was ihn besonders beschäftigt. Dabei zeigt er sich weniger besorgt vor den Raketenangriffen, da seine beiden Klöster - in Tabgha und Jerusalem - nicht das primäre Ziel der Raketenangriffe seien. Was ihn viel mehr besorge, formuliert er so:
"In Jerusalem gibt es Menschen, die uns hassen. Und zwar, weil wir Christen sind, weil wir Mönche sind. Es ist in diesem Fall eine kleine Gruppe  jüdischer Extremisten. Wir erleben Spuckattacken, wenn wir vor die Tür gehen, verbale Attacken, aber auch bewusste Anrempeleien. Wir erleben immer wieder unschöne Dinge – und dies fast jeden Tag. Es gibt Videos von Leuten, die in unserer Kirche sind, und sagen, dass sie das alles zerstören wollen. Das ist viel bedrohlicher für uns als die Raketen. Denn es gibt Menschen, die uns gezielt hassen und die diesen Hass konkret formulieren."

Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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Das King David Garden Hotel ist das erste und einzige »komplett koscheren Hotel in Deutschland«, wie sein Besitzer Ilan Oraizers stolz erzählt. Es erinnert mit seinem Namen an den weltberühmten Namensvetter in Jerusalem, das fünf-Sterne-Hotel King David. Das hier ist deutlich kleiner, hat zehn Zimmer und liegt in einer ruhigen Seitenstraße im Südwesten Berlins. Nina Schmedding hat es für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG besucht und mit seinem Besitzer gesprochen: "Zu Besuch in Deutschlands einzigem koscheren Hotel".

»Ein weiterer jüdischer Leuchtturm« entstehe in Frankfurt, so formulierte es Zentralratspräsident Josef Schuster. Gemeint war damit eines der ambitioniertesten Projekte der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland: die Jüdische Akademie. Nun feierte man kürzlich das Richtfest für den Neubau. Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt, der Jüdischen Gemeinde, des Architekturbüros Turkali und weiterer Institutionen haben sich versammelt, um gemeinsam diesen Meilenstein zu feiern, wie Eugen El für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG berichtet.

Seit Jahrhunderten dauert der Streit darüber an, ob der große Entdecker Christoph Kolumbus wirklich Italiener war, der im Auftrag der katholischen Spanier 1492 die Neue Welt entdeckte. Andere gingen davon aus, dass er Grieche, Baske oder Brite war. Portugal, zahlreiche spanische Regionen, aber auch Schweden, Norwegen, Frankreich, England, Schottland, Ungarn, Irland und Kroatien beanspruchten ihn ebenfalls für sich. Nun machten sich Wissenschaftler daran, mithilfe von Gen-Material das Rätsel endgültig zu lösen. Bereits vor 21 Jahren hatte man den Sarkophag mit den Überresten von Kolumbus in der Kathedrale von Sevilla geöffnet, aber man fand dortnur einen kleinen Haufen schlecht erhaltener Knochenfragmenten, mit wenig aussagekräftiger DNA. Am Ende half das Knochenmaterial seines Sohnes, der an seiner Seite bestattet ist. Dessen DNA erbrachte laut der Dokumentation zwei Nachweise: Dass gut zehn Prozent der sterblichen Überreste des Amerika-Entdeckers in der andalusischen Stadt ruhen und dass es Hinweise auf seine jüdische Herkunft gibt, wie die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und die FAZ berichten: "War Christoph Kolumbus ein Jude aus Valencia?"

Seine Stimme gehört zu den bekanntesten der Welt. Obwohl nicht einmal besonders ›schön‹, zieht Leonard Cohens Gesang weltweit Millionen von Fans in seinen Bann.Caspar Battegay geht der Faszination für Cohens einzigartige Stimme auf den Grund, deutet literarische und popkulturelle Hintergründe der Verbindung von Ton und Text und widmet sich Einflüssen der Politik - und legt ausführlich dar, wie sehr bei alledem sein ganz persönliches Ringen um seine jüdische Identität ein Dreh- und Angelpunkt darstellt. Rose-Maria Gropp schreibt in ihrer enthuasiastischen Kritik für die FAZ:
"In Cohens jüdischer Herkunft erkennt Battegay ein zentrales, nie abwesendes Moment seines Werks, das er im Buch einprägsam herausarbeitet. Dabei ist Cohens Jüdischsein kein affirmativer, sondern ein ständig befragter, von Zweifeln durchdrungener, immer wieder in Selbstironie bis hin zum Sarkasmus gebrochener Glaube, dem er zeit seines Lebens treu geblieben ist."

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT

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Immer mehr US-Promis konvertieren zum Katholizismus, berichtet Marie Kröger für EVANGELISCH.de. Das Besondere daran: die prominenten Konvertiten rechtfertigen ihre populistischen Meinungen im Blick auf beispielsweise Homophobie und Antisemitismus mit ihrem Bekenntnis zum Katholizismus. Der Trend ist vor allem in der rechten Szene zu beobachten. Kröger stellt in ihrem Beitrag einige Protagonisten aus der Szene vor: "Immer mehr US-Promis konvertieren zum Katholizismus".

Der Link zum Interview in der Rubrik
CHRISTLICHE WELT.

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Der völkermordende Überfall der Hamas auf die israelische Bevölkerung hat einen furchtbaren Krieg nach sich gezogen. Die Welt ist seitdem eine andere, auch das traditionell enge Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Die Historikerin Fania Oz-Salzberger, Tochter von Amos Oz, geht in ihrem Buch "Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober" dieser Veränderung nach und appelliert leidenschaftlich an die deutsche Öffentlichkeit, zu Israel zu stehen, aber dessen Politik zu kritisieren, wo immer es nötig ist. Leticia Witte stellt den Band in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG vor: "Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober."

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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