Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
13.02.2025 - Nr. 2095

ACHTUNG:

Am Mittwoch, 19. Februar 2024, erscheint ONLINE-EXTRA Nr. 361 mit einem Text des katholischen Theolgoen Norbert Reck: "Kein jüdisches Problem. Beobachtungen zum Verhältnis von Judentum und Homosexualität".


Guten Tag!

Nr. 2095 - 13. Februar 2025



In der FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentieren der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, und der israelische Historiker Moshe Zimmermann den Vorschlag Trumps, den Gazastreifen zu übernehmen und die Palästinenser umzusiedeln. Dabei üben sie auch Kritik an der EU und den arabischen Staaten:
"Für die liberalen Demokratien wie auch für die arabische Welt ist Trumps Vorstoß jedoch eine ernstzunehmende Provokation. Es ist aber klar: Zu dieser „Vision“ konnte er nur deshalb greifen, weil bislang kein Alternativvorschlag für die Zukunft Gazas vorliegt. Es geht nämlich nicht nur um die Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023, sondern auch um die Zeit davor, und um den Israel-Palästina-Konflikt überhaupt: Die Welt schaut seit langem nur tatenlos zu. Ja, viele Staaten, darunter die EU oder auch die arabische Liga, beteuern immer wieder, dass sie an der Zweistaatenlösung festhalten, taten aber bislang nichts, außer diese Lösung als Mantra zu beschwören."
Und zugleich appellieren Sie an die Verantwortung der EU und Weltgemeinschaft:
"Wie ernst ist es Trump mit seinem Vorstoß? Was, wenn Trump, nach seiner Manier, es nicht allzu ernst mit dem Gaza-Plan meint, und zur nächsten Überraschung übergehen möchte (z.B. zum Thema Ukraine)? Dann drängt sich die Frage auf: Wer übernimmt dann die Aufgabe, für eine Lösung des Gaza-Problems, ja der Palästina-Frage zu sorgen? Somit wird der Punkt erreicht, wo sich die internationale Gemeinschaft konstruktiv einschalten müsste, um einen Ausweg zu finden, mit oder ohne Trump. Sollte Trumps Amerika sich desinteressiert zeigen, so wäre es die Aufgabe der EU, die Initiative zu ergreifen."

Ganz entgegen der nahezu einhelligen Zurückweisung und Verurteilung von Trumps Gaza-Vorschlag in Politik und Öffentlichkeit wagt die deutsch-jüdische Schriftstellerin und Publizistin Mirna Funk in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ein starkes Plädoyer für Trumps Idee. Wer seinen "Gazastreifen-Riviera"-Vorschlag ablehne, "akzeptiert die diktatorische Herrschaft der Hamas". Denn:
"Der radikale Islam will die Weltherrschaft und die Vernichtung der Juden. Trumps Tabula-rasa-Vorschlag wäre ein Versuch, eine von Ideologie durchseuchte Gesellschaft zu erneuern."

In einem Beitrag für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kritisiert der deutsch-israelische Autor Chaim Noll die Nahostpolitik der amerikanischen Demokraten unter Obama und Biden mit scharfen Worten. Er sieht in der verfehlten Nahostpolitik von Obama und Biden gar eine der Ursachen, die zum Horroranschlag vom 7. Oktober 2023 geführt habe. Die völlige Verkennung der Lage im Nahen Osten seitens Obama und Biden illustriert Noll exemplarisch anhand der Kairoer Rede Obamas im Jahre 2009, in der Obama die Präsenz amerikanischer Streitkräfte im Nahen Osten sowie den Nahostkonflikt als Ursache für die Spannungen in der Region nannte. Chaim Noll kommentiert dies:
"Kein Wort über islamischen Terrorismus und Gewalt, kein Appell an die Diktatoren, Könige, Scheichs, Emire, Militärgouverneure und Scheinparlamente der Region, in ihren Ländern mit demokratischen Reformen zu beginnen, um zig Millionen von Menschen endlich ein Dasein in Freiheit und Würde und Wohlstand zu ermöglichen. Die Bevölkerungen der muslimischen Länder des Nahen Ostens straften diese Ignoranz schon im Jahr darauf Lügen, als 2010 die große arabische Revolte in Ägypten, Tunesien, Libyen, Syrien und anderswo ausbrach, allesamt Volksaufstände gegen die eigenen korrupten Regime."

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik ISRAEL UND NAHOST HINTERGRUND.

Die Idee des US-Präsidenten, die zwei Millionen Palästinenser des Gazastreifens umzusiedeln, stieß in der EU und den arabischen Staaten auf einhellige, teils entsetzte Ablehnung. Wie aber sieht die Reaktion auf Trumps Pläne in Israel selbst aus? Natürlich begrüßte, ja bejubelte die auch in der Regierung vertretene extreme Rechte die Pläne, allerdings nicht nur dort, wie Jonas Roth für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG berichtet:
"Trumps Gaza-Pläne finden in Israel allerdings bis tief in die politische Mitte hinein Sympathien. Benny Gantz, ein erbitterter politischer Gegner Netanyahus, sagte am Mittwoch, Trump habe «kreative, originelle und interessante Gedanken» präsentiert, die geprüft werden müssten. Der zentristische Politiker Yair Lapid sprach derweil von einer «guten Pressekonferenz für den Staat Israel». Nun müsse man die Details des Plans genau studieren. Auf resolute Ablehnung stossen die Vorschläge des amerikanischen Präsidenten eigentlich nur im linken Lager, das allerdings nur rund zehn Prozent der Bevölkerung repräsentiert."

Mit einer zynischen Inszenierung hat die Hamas am vergangenen Wochenende drei weitere Geiseln an Israel übergeben. Einer von Ihnen, Ohad Ben Ami, hat neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der sichtbar schlechte Gesundheitszustand der Männer, die extrem unterernährt waren und mehrfache Organschäden aufwiesen, hat in Israel zu einem Aufschrei geführt. Auch der israelische Präsident Isaac Herzog zeigte sich schockiert über die körperliche Verfassung der freigelassenen Männer: »So sieht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus«. Den Höhepunkt der zynischen Inszenierung der Hamas gibt Frederik Schindler in der WELT wie folgt wieder:
"Eli Sharabi musste auf der Bühne der Hamas sagen, dass er sehr glücklich sei, zu seiner Frau und seinen Töchtern zurückzukehren. „Ich kann es kaum erwarten, sie bald wiederzusehen“, sagte der 52-Jährige am 491. und letzten Tag seiner Geiselhaft. Die Hamas hatte Lianne (48), Noiya (16) und Yahel (13) aber am 7. Oktober ermordet, im Kibbutz Be’eri. Eli Sharabi erfuhr es erst, als seine Mutter und Schwester ihn in Empfang nahmen. Vermutlich hatte ihn die Liebe zu seiner Familie in den Tunneln der Hamas am Leben gehalten. Wie grausam kann man sein?"
Wie Gabriella Colarusso in einer Reportage für die WELT berichtet, haben die freigelassenen Geiseln inzwischen bestätigt,
"dass sie lange Zeit nichts zu essen bekamen, nur alle paar Tage eine verfaulte Pita, die sie mit anderen teilen mussten. Sie wurden verhört und gefoltert, mit dem Kopf nach unten hängend gefesselt und mit Tüchern geknebelt, bis sie fast erstickten. Ihre Körper sind mit Brandflecken übersät."
Vor diesem Hintergrund gerät auch Netanyahu erneut unter Druck, wie Jonas Roth in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schreibt:
"Derweil sagten anonyme Militärbeamte gegenüber Medien, dass der schlechte Zustand der Geiseln Netanyahu nicht überraschen dürfe. Man habe den Ministerpräsidenten schon lange davor gewarnt. Ähnlich äusserte sich der von Netanyahu geschasste Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant. Israel habe seit einiger Zeit gewusst, wie schlecht es den Geiseln gehe. 'Dies ist ein weiterer Beweis für den Weg, den wir einschlagen müssen – die Rückkehr aller Geiseln.'"

Die Links zu den Themen in der Rubrik ISRAEL INTERN.

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Exakt 80 Jahre ist es her, dass Dresden von britischen Bommern in ein Inferno von Feuer und Tod verwandelt wurde. Etwa 25.000 Menschen kamen ums Leben. Der Angriff gilt vielfach als Höhepunkt des Luftkrieges gegen deutsche Städte. Warum aber wurde gerade Dresden so heftig ins Kreuzfeuer genommen? Dieser Frage geht Sven-Felix Kellerhoff in einem Beitrag für die WELT nach und liefert als Antwort vor allem zwei militärische Motive, die für die Briten entscheidend waren: "Warum die Briten ausgerechnet Dresden bombardierten."
Und wie sieht man das heute in Großbrittanien? Während man dort Jahrzehnte lang intensiv über den Bombenkrieg gegen deutsche Städte gestritten hat, scheint ausgerechnet zum 80. Jahrestag des verheerenden Bombenangriffs weitgehend Schweigen zu herrschen, berichtet Sebastian Borger für den österreichischen STANDARD: "Britisches Schweigen über einen nationalen Schuldkomplex".

Dass weite Teile der NS-Führungsriege einen starken okkultistischen Hang innehatten und keine Entscheidung trafen, ohne vorher ein Horoskop erstellen zu lassen, ist eine erstaunlich weit verbreitete Annahme. Beispielhaft wird etwa stets auf Rudolf Heß verwiesen, der vor seinem eigenmächtigen Flug nach England zum Zwecke der Beendigung des Weltkriegs ein Horoskop einholte. Tatsächlich aber war es nur eine kleine Gruppe innerhalb der NS-Führung, die okkultistischen Überzeugungen anhingen. Ihnen gegenüber standen jedoch jene, den den Okkultismus und jeglich Esoterik strikt ablehnten. In einem Beitrag für den HUMANISTISCHEN PRESSEDIENST schildert Michael Scholz die Auseinandersetzungen um Okkultismus und Esoterik innerhalb der NS-Elite: "Als die Nazis Okkultisten verhafteten."

"Endlösung", "Selektion" oder "entartet" ... Begriffe, die jeder sofort als Bestandteile des nationalsozialistischen Vokabulars erkennt. Wie aber sieht es mit einem Spruch wie "Jedem das Seine" aus? Oder solch harmlos anmutenden Wörtern wie "Kulturschaffende", "entrümpeln", "betreuen" oder "Groschengrab"? Wie sehr es sich auch bei solchen Begriffen, die wir zum Teil auch heute noch benutzen, ebenfalls um nationalsozialistische Wortschöpfungen oder umgedeuteter NS-Prägung handelt, thematisiert Katja Eifler in einem Beitrag für EVANGELISCH.de. Deutlich wird dabei ebenfalls, dass sich Sprache der "Unmenschen" nicht selten auch aus der Religion bediente: "Warum entrümpeln grausam war".

Konnte man sich als guter, gar überragender Schriftsteller mit dem nationalsozialistischen Regime arrangieren? Was hielt Autoren wie Erich Kästner oder Hans Fallada davon ab, nach der Machtübernahme Hitlers zu emigrieren? Welche Haltung entwickelten sie dem Nationalsozialismus gegenüber in ihrem Schreiben, Denken und Empfinden? Wie ist es möglich, dass gestandene Geistesgrößen sich nicht unmittelbar distanzierten, sondern vielleicht sogar mit dem Regime sympathisierten oder einfach wegschauten? – Angeregt von Anatol Regniers gleichnamigen Buch (2020), unternimmt der Filmemacher Dominik Graf mit Dokumentarfilm „Jeder schreibt für sich allein“ (2023) den Versuch, sich einigen der zwischen 1933 und 1945 in Deutschland gebliebenen Schriftstellern und Schriftstellerinnen zu nähern. Der knapp dreistündige Dokumentarfilm über das Leben und Wirken von Schriftstellern während der NS-Zeit, die nicht emigrierten, zeigt Arte am 17. Februar ab 22.45 Uhr. Lukas Foerster hat ihn sich bereits für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG angesehen: "Ein faszinierendes Monster von einem Film".

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VERGANGENHEIT...

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»Ich liebe Hitler. Was meint Ihr dazu?« ... »Ich bin ein Nazi«. Mit derlei Posts jüngst auf X (vormals Twitter) hat der US-Rapper Ye (vormals Kanye West) einmal mehr heftige Empörung ausgelöst. Auch veröffentlichte er eine Aussage, die offenbar an seine früheren Werbepartner gerichtet war: »Ich liebe es, wenn jüdische Menschen zu mir kommen und sagen, dass sie nicht mehr mit mir arbeiten können. Dies sind meine Lieblings-Momente.« Das American Jewish Committee warnte unterdessenr, die „Hasstiraden“ zu unterschätzen: „Besonders in sozialen Medien, in denen ein großer Teil des heutigen Antisemitismus gedeiht, üben sie einen gefährlichen Einfluss auf Millionen seiner Anhänger aus.“ In der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG weist der Publizist Ruben Gerczikow darauf hin, dass die antisemitischen Tiraden des Rappers nicht in einem luftleeren Raum stattfinden, sondern in einem Amerika, das seit geraumer Zeit einen bedenklichen Anstieg an Judenfeindschaft zu verzeichnen habe. Und er gibt Donald Trump an alledem eine gewisse Mitschuld:
"Der alte und neue Präsident der Vereinigten Staaten gibt sich gerne als Freund Israels, doch seine Verstrickungen mit der rechtsextremen »Alt-Right«-Bewegung und seine Sympathien für antisemitische Verschwörungserzählungen sprechen eine andere Sprache. Im November 2022 traf er etwa den Holocaustleugner Nick Fuentes auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago zum Abendessen, das wiederum auf Initiative von Kanye West zustande gekommen sein soll."

Francesca Albanese ist "UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas" - und für ihre scharfen antiisraelischen Positionen bekannt. Aus diesem Grund wurde erst jüngst eine Veranstaltung mit ihr an der Uni München abgesagt. Nun aber ist ein Vortrag Albaneses an der Freien Universität Berlin für den 19. Februar angekündigt. Titel der Veranstaltung: "Conditions of Life Calculated to Destroy - Legal and Forensic Perspectives on the Ongoing Gaza Genocide" ("Lebensbedingungen, die auf Zerstörung abzielen - Rechtliche und forensische Perspektiven auf den anhaltenden Völkermord im Gazastreifen"). Nun hat die deutsch-jüdische "Werteinitiative" in einem offenen Brief Protest gegen die Veranstaltung eingelegt, wie die WELT berichtet. Und die JÜDISCHE ALLGEMEINE zitiert in gleicher Angelegenheit Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), der im Blick auf die FU Berlin sagt: "Hamaskritik wird beschränkt, Hamasverharmloser erhalten eine Bühne." Unterdessen ist in der BILD-ZEITUNG zu lesen, dass sich Albanese im Rahmen ihrer Vortragsreise aktuell in Norwegen befindet und dort von Greta Thunberg begleitet wird: "Greta verbündet sich mit Israel-Hass-Promi."
Und soeben, kurz vor Fertigstellung dieser COMPASS-Ausgabe, teilt die BERLINER ZEITUNG mit:
"Der geplante Besuch einer umstrittenen Funktionärin und Juristin an der Freien Universität (FU) in Dahlem in der kommenden Woche fällt offenbar aus. Die Veranstaltung soll stattdessen ausschließlich online stattfinden. Wie die Berliner Zeitung aus Wissenschaftskreisen erfuhr, hat FU-Präsident Günther M. Ziegler dies am Mittwoch im akademischen Senat der Universität angekündigt. Weitere Quellen bestätigen dies."

Wie konnte es nach dem Massaker der Hamas, bei dem sexualisierte Gewalt eine elementare Rolle spielge, zu der paradoxen Allianz zwischen feministischen Gruppen und der Hamas kommen? Einer islamistischen Terrororganisation, die schon jenseits den Massakers vom 7. Oktober, Frauen- und LGTBIQ-Rechte mit Füßen tritt? Dieser Frage widmet sich die österreichische Philosophin und Kulturwissenschaftlerin Cordula Trunk in einem instrukiven Essay im STANDARD. Dabei nähert sie sich einer Antwort in drei Schritten, nämlich "aus der individuellen, der theoretischen und der bewegungspolitischen Perspektive" heraus. In ihrem Fazit heißt es schließlich u.a.:
"Die problematische Allianz zwischen einigen Feministinnen und der Hamas ist das Ergebnis eines ideologisch verzerrten Weltbildes, das Antisemitismus verharmlost und Gewalt relativiert. Die fehlende individuelle Reflexion verinnerlichter Antisemitismen, die theoretische Leerstelle von postkolonialer Theorie in Bezug auf Antisemitismus und Organisationen wie BDS tragen dazu bei, antisemitische Narrative in feministische Bewegungen zu integrieren. Indem diese Strukturen unkritisch übernommen werden, entsteht in Teilen eine erschreckende Identifikation mit einer Terrororganisation, die Menschenrechte und feministische Ideale fundamental ablehnt."

Von W. Daniel Wilson, der als Professor für Germanistik von 1983 bis 2005 in Berkeley und von 2006 bis 2019 an der Universität London lehrte, erschien vergangenes Jahr ein vielbeachtetes Buch über "Goethe und die Juden: Faszination und Feindschaft" (C.H. Beck Verlag), in dem er eigenen Aussagen zufolge aufgrund bisher ungenutzter Quellen die "schwierige Seite von Goethes Leben und Wirken", nämlich einen tief verankerten Antisemitismus Goethes, aufdeckte. In einem sehr interessanten Beitrag in der WELT von Jeremy Adler, seines Zeichens Professor Emeritus für Germanistik am Londoner King’s College und Sohn des Schriftstellers H.G. Adler, widerspricht dieser dem extremen Urteil Wilsons sehr deutlich. Adlers Fazit:
"Goethe spielt in der Geschichte des deutschen Antisemitismus keine Rolle. Doch Wilson will zeigen, dass auch Goethes Haltung zur Schoah führte. Er fragt, wie es zu Goethes „verwirrendem Knäuel an Haltungen gegenüber Juden“ kam. Diese Frage haben klassische Soziologen der Moderne wie Horkheimer und Adorno in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ längst beantwortet. Die Juden waren das Opfer, das man für die Modernisierung brauchte. Wilson will mit Goethe mehr erklären, als er beweisen kann."

Die Links zu den Themen in der Rubrik ANTISEMITISMUS.

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Die neue, Ende letzter Woche vorgestellte Ausgabe des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie verbreitet Verschwörungsglaube in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und den USA ist. Unter Verschwörungsglaube werden Einstellungen verstanden, denen zufolge angeblich geheime Organisationen den Politikbetrieb maßgeblich beeinflussten, vermeintlich unverbundene Ereignisse das Ergebnis geheimer Aktivitäten seien und der Staat die Bevölkerung überwache. Die Ergebnisse der Studie basieren auf den Daten des Religionsmonitors 2023 sowie auf einer Nacherhebung der Daten für Deutschland, die im September 2024 vorgenommen wurden. Die Ergebnisse zeigen nun, dass Verschwörungsglaube in Deutschland insgesamt leicht zurückgegangen ist, aber immer noch bleibt ein Fünftel bis zu fast einem Drittel der Bevölkerung ansprechbar für Verschwörungsnarrative. Um dem entgegen zu wirken betonen die Autoren, der beste Ansatz liege darin,
"das Vertrauen der Bevölkerung in den politischen Prozess zu stärken. Auch die Vermittlung von Wissen und Medienkompetenz können Wissenschaftsskepsis und Desinformation entgegenwirken. Schließlich sind Begegnungsorte wichtig, die Verständigung und Empathie fördern und dem Gefühl, im Stich gelassen zu werden, entgegenwirken. Eine besondere Bedeutung kommt nicht zuletzt dem Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften untereinander sowie nicht-religiösen Teilen der Gesellschaft zu, der im gegenseitigen Respekt Vertrauen aufbaut und verbindendes Engagement für das Gemeinwohl stärkt."
Die Studie mit allen Ergebnissen liegt zum Download bereit: "Verschwörungsglaube als Gefahr für Demokratie und Zusammenhalt. Erklärungsansätze und Prävention."

In den USA soll nach dem Willen von US-Präsident Trump eine neue Behörde im Justizministerium für die "Ausmerzung antichristlicher Vorurteile" (Eradicating Anti-Christian Bias)" sorgen. Entstehen sollen zudem eine neue Kommission für Religionsfreiheit sowie ein Glaubensbüro im Weißen Haus. Leiterin soll die TV-Predigerin Paula White werden, Trumps langjährige Beraterin für Religion, die der charismatischen Bewegung angehört. Die Rhetorik von Präsident Donald Trump ist dabei klar: Christians first – Christen zuerst. In einem Beitrag für den HUMANISTISCHEN PRESSEDIENST setzt sich Ralf Nestmeyer kritisch mit dieser Entwicklung auseinander und kommentiert:
"Mit dieser jüngsten Volte hat Trump die Religionsfreiheit auf den Kopf gestellt. Seine Wortwahl erinnert an das Zeitalter der Religionskriege, und man könnte fast befürchten, dass der amerikanische Präsident demnächst zu einem Feldzug gegen Ungläubige aufruft."

Der Schweizer Theologe und Experte in Sachen Religon und Literatur, Christoph Gellner, hat sich in der Gegenwartsliteratur umgesehen und stellt dabei eine Verschiebung von religiösen zu spirituellen Themen fest. Dies zeige sich vor allem in einer zunehmend individuellen Suche nach Spirituellem, die sich meist außerhalb institutionell vorgegebener Sinndeutungen verfasster Religionen bewegt, bei der sich die Grenzen zwischen Religiösem und Nicht-Religiösem auflösen. In einem Beitrag für FEINSCHWARZ illustriert er anhand unterschiedlicher literarischer Beispiele diese Dynamik: "Spirituelles in der Gegenwartsliteratur".

Legt man die Zahlen des Mikrozensus aus dem Jahr 2020 zugrunde, haben 21,9 Millionen Menschen und somit 26,7 % der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund. Darunter gibt es ca. 5,5 Millionen Muslime, was in etwa 6,5 Prozent der Gesamtbevölkerung von 83,1 Millionen entspricht. Von diesen wiederum dürften gut 1,5 Millionen am 23. Februar bei der Bundestagswahl wahlberechtigt sein, weil sie eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Eine durchaus beachtliche Größe. Bedenkt man noch dazu, wie sehr die Themen Migration und Islam wichtige Bestandteile einer mitunter hitzig geführten Debatte sind, liegt die Frage doch sehr nahe, warum es eigentlich keine relevante muslimische Partei gibt, die Chancen auf den Einzug in den Bundestag hätte. Welche Partei also wählen denn die Muslime in Deutschland? Und welche Partei sollte man als deutscher Muslim wählen? Mit diesen Fragen setzt sich in einem Beitrag für CHRISMON der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide auseinander: "Welche Partei wählen Muslime?".

Die Links zu den Themen in der Rubrik INTERRELIGIÖSE WELT.

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Das Vorgehen der Union in der Migrationsdebatte hat ein Erdbeben im Wahlkampf ausgelöst. Auch unter Jüdinnen und Juden. Über Sorgen und Forderungen vor der Bundestagswahl in der jüdischen Community - und ein "kleines Grüppchen" Juden in der AfD berichtet Leticia Witte für DOMRADIO: "Sorge und Wut".
Auch die jüdische Gemeinde in Frankfurt versucht kurz vor den Wahlen Orientierung zu gewinnen. Sie hatte unter dem Motto „Unsere Zukunft, unsere Wahl“ zu einer Befragung eingeladen mit den neun Bundestagskandidaten aus Frankfurt eingeladen. Rund 200 Gemeindemitglieder, unter ihnen viele Erstwähler, wollten mit den Politikern der CDU, FDP, SPD, den Grünen, der Linken und Volt diskutieren. Zwei Parteien sind ganz bewusst nicht eingeladen worden: die AfD und das BSW. Alexander Jürgs hat das für die FAZ beobachtet: "Ein jüdischer Wahl-O-Mat".
Ein eigenes Format zum gleichen Zweck hat wiederum der Zentralrat der Juden angeboten. Im neuen Talkformat »Tachles Pur« analysierten vier Berliner Hauptstadtjournalisten Positionen der Parteien und ihrer Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. »Wir haben uns dazu keine Parteifunktionäre eingeladen, denn wir wollen schonungslose Analysen«, so Josef Schuster zur Begründung dieses Formats. In der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG fasst Ralf Balke die Analysen und die Diskussion der Journalisten zusammen: »Die kommenden vier Jahre sind entscheidend«

Tja, und dann noch zwei große Interviews ebenfalls in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG. Zum einen mit dem (noch-)Wirtschaftsminister Robert Habeck von den GRÜNEN, der sich zur Kritik in der jüdischen Gemeinschaft an der grünen Außenministerin, Verzögerungen bei Waffenlieferungen an Israel und wachsenden Antisemitismus in Deutschland äußert: »Annalena Baerbock steht an der Seite Israels«. Und zum anderen mit dem (noch-)Oppositionsführer und Vorsitzenden der CDU Friedrich Merz, der über die Brandmauer zur AfD, den Schutz jüdischen Lebens und die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel spricht: »Es gab keine Zusammenarbeit mit der AfD«

Als kürzlich Agam Berger, eine der israelischen Geiseln, jüngst nach seiner Freilassung aus dem Helikopter stieg, hielt er eine Tafel vor sich, auf der zu lesen war: »Ich wählte den Weg des Glaubens und durch den Weg des Glaubens kehrte ich zurück«. Wie ist es möglich, inmitten eines nicht vorstellbaren Horrors, eines grausamen Albtraums, zu G-tt zu finden, ja sogar sein Leben zu riskieren, um die jüdischen Gesetze zu achten? Wie kann G-tt dieses Leiden zulassen und warum trifft es ausgerechnet mich? Mit diesen Fragen setzt sich Chiara Lipp ein einem Beitrag für die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG auseinander, der ursprünglich in »Eda«, dem Magazin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, erschienen war: »Ich wählte den Weg des Glaubens«

Der deutsch-jüdischer Schriftsteller Jakob Wassermann (1873-1934) zählte zu den produktivsten und populärsten Erzählern seiner Zeit. Neben den Romanen schrieb Wassermann erfolgreiche Biographien (Christoph Columbus, 1929) und setzte seine Essayistik fort, in der er sich immer wieder auch mit der Existenzform des Juden in nichtjüdischer Umgebung befasste. Gleichzeitig mit der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland wurden seine Bücher verboten, obwohl er bis dahin einer der meistgelesenen Autoren gewesen war. Bereits Ende 1920 schrieb er sich seinen ganzen Frust über die mangelnde Anerkernnung als deutscher Autor und die mal offen, häufig versteckte feindseelige Verwiesenheit auf seine jüdische Herkunft von der Seele: "Mein Weg als Deutscher und Jude". Im Herbst letzten Jahres brachte der Wallstein-Verlag das Buch neu heraus, versehen mit einem Vorwort von Dierk Rodewald. "Das Ergebnis ist ein Dokument von so beklemmender Verzweiflung, dass einem bei der Lektüre mehrmals der Atem stockt", schreibt Tilman Krause, der das Buch und den Schriftsteller in der WELT näher vorstellt: „Die Juden, die Deutschen, diese Trennung der Begriffe wollte mir nicht in den Sinn“.

Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik
JÜDISCHE WELT.

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Arvo Pärt ist der meistaufgeführte lebende Komponist der Welt, eine Art Popstar der zeitgenössischen Musik. Charakteristisch für seine Musik sind sein unverwechselbarer Kompositionsstil namens „Tintinnabuli“ und die Allgegenwart seines christlich-orthodoxen Glaubens und seiner tiefen Spiritualität. Auf der Grundlage einer Analyse von Pärts Kompositionen und eines Rückblicks auf seine Kommentare zu seiner Musik und Biografie untersucht Dorothee Bauer in einem längeren, ebenso informativen wie anregenden Artikel für COMMUNIO die Dimension von Religion und Spiritualität in Pärts Musik. Bauer, die selbst ausgebildete Musikerin und Theologin ist, beleuchtet unter anderem die Bedeutung der Stille und der liturgischen, biblischen und spirituellen Worte für Pärts Musik, die als Sprache des Gebets erscheint. Im Hinblick auf den großen, auch kommerziellen Erfolg von Pärts Musik im säkularen Kontext versucht Bauer schließlich Impulse seiner Musik für die zeitgenössische Theologie fruchtbar zu machen: "Im Ein-Klang mit Gott. Wie der Komponist Arvo Pärt seinen Glauben in Töne fasst".

Der Link dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.

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Was seine literarische Darstellung von Juden betrifft, war Thomas Mann alles andere als frei von Vorurteilen (siehe auch: Compass Online-Extra Nr. 78). Interessanter Weise steht dazu ganz im Gegensatz sein Engagement für verfolgte Juden und die Gründung des Staates Israel. Das zeigt Kai Sina, Inhaber der Lichtenberg-Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Münster, in seinem viel gelobten Buch "Was gut ist und was böse: Thomas Mann als politischer Aktivist", wie Marc Reichwein in seiner Buchvorstellung in der WELT eindrucksvoll schildert: "Als Thomas Mann den Judenstaat forderte".

Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.

Dies alles und noch viel mehr wie üblich direkt verlinkt, ergänzt von aktuellen FERNSEH-TIPPS sowie einschlägigen ONLINE-REZENSIONEN im heutigen COMPASS.


Einen angenehmen Tag wünscht


Dr. Christoph Münz

COMPASS

redaktion@compass-infodienst.de

(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)



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