ACHTUNG:

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Eine Untersuchung der amerikanisch-israelischen NGO Honest Reporting ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Behauptung der Hamas, 70 Prozent der Opfer in Gaza seien Frauen und Kinder, »völliger Unsinn« sei. Das berichtet die JÜDISCHE ALLGEMEINE WOCHENZEITUNG und beruft sich auf eine Studie der amerikanisch-israelischen NGO Honest Reporting. Insgesamt lassen die Terroristen beständig und stillschweigend Einträge auf ihren Listen angeblicher Todesopfer verschwinden, so Andrew Fox, der die Studie durchgeführt hat. Jüngstes Beispiel: In einer Aktualisierung der Opferzahlen für März 2025 hat die Hamas Tausende Einträge stillschweigend gelöscht: "Hamas-Opferzahlen 'völliger Unsinn'"
In einem wirklich langen Beitrag für die FAZ analysiert der israelische Philosoph Omri Boehm, der soeben auf Druck der israelischen Botschaft als Redner beim zentralen Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora am Sonntag wieder ausgeladen wurde (siehe Vergangenheit...), die in Israel geführte Debatte, inwieweit man im Kontext des Gazakriegs von Völkermord sprechen könne. U.a. setzt er sich dabei auch mit jüngsten Wortmeldungen von Jürgen Habermas und David Grossman auseinander. Böhm plädiert in seinem Beitrag insgesamt für einen vorsichtigsten Gebrauch des „moralisch aufgeladenen“ Begriffs "Genozid", weil er ablenken könne von der entscheidenden Frage: ob ein Krieg legal oder illegal geführt wird: "'Nie wieder' gilt längst".
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Zwei der engsten Berater Netanjahus sind im Fall "Katargate" am Montag festgenommen worden. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gerät in dem sich ausweitenden Skandal um Korruption und Einflussnahme unter Druck. Es geht um Bestechungsgelder, geheime Unterlagen und Kontakte zu feindlichem Staat – und dahinter steht ein noch tiefergehender Konflikt, wie ihn Peter Münch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zusammenfasst:
"Was sich da gerade zusammenbraut über dem Land, ist ein Krieg mit äußeren Feinden plus einer Staatskrise im Innern, wo die Regierung die Justiz zum Gegner erklärt hat. Mittendrin steht Netanjahu, für den es bei den Kämpfen im Äußeren ebenso wie im Innern vor allem ums eigene politische Überleben geht."
Auch der in Deutschland lebende Journalist Igal Avidan befasst sich in einem instruktiven Beitrag für das evangelische Magazin CHRISMON mit dem Bestreben Netanjahus, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Eindrucksvoll zeichnet er einige der wesentlichen Stationen bis hin zum jüngsten Akt, Inlandsgeheimchef Ronen Bar abzusetzen, nach, die den Kampf Netanjahus gegen die Justiz verdeutlichen - und weist darauf hin:
"Noch vor einem Jahr konnten die USA auf Netanjahu einwirken, damit er Recht und Gesetz achtet und die Demokratie nicht weiter abbaut. Damals war Joe Biden US-Präsident. Jetzt macht Trump jeden Tag selbst vor, dass ihm Recht und Gesetz egal sind, und höhlt die Demokratie aus. Wer soll da noch mäßigend auf Netanjahu einwirken? Die Demonstranten alleine werden es nicht retten können."
Im Interview mit der TAZ erläutert die Politologin Dahlia Scheindlin, die bei 9 israelischen und 15 ausländischen Wahlkämpfen als Beraterin gearbeitet hat, warum und wie sehr eine fehlende Verfassung in Israel ein Kernpunkt vieler Konflikte darstellt, nicht zuletzt auch in der Frage des Umgangs mit den Palästinensern. Durch Netanjahu und seine rechtsextremen Bündnispartner werde nun der Status in vielerlei Hinsicht noch labiler. Gleichwohl äußert sie sich am Ende des Gesprächs doch hoffnungsvoll:
"Es gibt das Potenzial und die Werkzeuge, um sich als Land in eine demokratischere Richtung zu entwickeln, um vielleicht sogar die Demokratie in Israel grundlegend wieder aufzubauen. Das größte Werkzeug dabei ist die Zivilgesellschaft, die seit dem 7. Oktober sehr aktiv gewesen ist. Aber ich sehe momentan nicht, wie dieser Prozess auf politischer Ebene in Gang gesetzt werden würde. Und die nächste Wahl soll erst Ende 2026 stattfinden. Fast zwei Jahre sind für mich zu weit im Voraus, um zu wissen, wie die Ergebnisse aussehen werden. Gleichzeitig heißt das Problem nicht nur Benjamin Netanjahu."
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Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ist trotz eines internationalen Haftbefehls in Ungarn eingetroffen. Netanjahu landete gestern am Flughafen von Budapest. Orban hatte im Vorfeld zugesichert, Netanjahu nicht festzunehmen. Es ist die erste Reise Netanjahus nach Europa, seit der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im vergangenen November wegen des Vorgehens im Gazakrieg einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hat. Die EU-Partner hielten sich mit Kommentaren zu der geplanten Reise zurück. Vor diesem Hintergrund erhält auch Friedrich Merz' Aussage im Januar, er würde Mittel und Wege finden, Netanjahu eine Ein- und Ausreise ohne Festnahme zu ermöglichen, neue Brisanz. So fordert der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich den wahrscheinlichen künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) zur Einhaltung internationalen Rechts beim Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf. »Friedrich Merz muss endlich klarstellen, dass Deutschland den Haftbefehl gegen Netanjahu vollziehen würde, sollte der israelische Ministerpräsident unser Land besuchen wollen«, sagte der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende.
In einem Essay für den SPIEGEL setzen sich der ehemalige deutsche Botschafter Israels Shimon Stein und der israelisch-deutsche Historiker Moshe Zimmermann grundsätzlich mit einer künftigen deutschen Politik unter einem Kanzler Merz gegenüber Israel auseinander. Vor dem Hintergrund des aktuellen Besuchs von Netanjahu in Ungarn, warnen die Beiden Friedrich Merz davor, bei einem Besuch Netanjahus in Deutschland internationales Recht zu ignorieren. Dies führe zur "Schädigung der Glaubhaftigkeit der Bundesrepublik und in letzter Konsequenz gar zum Abschied der Bundesrepublik von einer regelbasierten Völkerrechtsordnung". Auch mahnen die Autoren eine künftige deutsche Regierung dringend darüber nachzudenken, "ob das, was bislang in Deutschland unter »Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson« verstanden wurde, noch in Einklang mit den Interessen Deutschlands zu bringen ist." Sie schreiben:
"Jeder denkende Mensch erkennt die große Diskrepanz zwischen Netanyahus Auffassung von Israels Sicherheit und der Sichtweise der Deutschen, der Europäer und der gegen Netanyahu demonstrierenden Israelis. Nicht zu vergessen: Solidarität mit Israel, mit Israels Zivilgesellschaft, ist nicht mit der Unterstützung der israelischen rechtsradikalen Regierung zu verwechseln. Die israelische Gesellschaft ist im Endeffekt eine Geisel der extremen und zynischen Politik Netanyahus, dessen politisches Überleben für ihn im Mittelpunkt steht."
Insbesondere im Blick auf die völkerrechtswidrigen Handlungen und Pläne Netanjahus und Trumps bezüglich einer palästinensischen Entvölkerung des Gaza-Streifens sowie die Aushöhlung demokratischer Prinzipien in Israel und den USA appellieren sie an Merz:
"Wenn Friedrich Merz es mit einer Brandmauer gegen die undemokratischen Kräfte in Deutschland ernst gemeint hat, müsste er auch für eine Brandmauer gegen den Versuch der Netanyahu-Regierung sein, die israelische Demokratie zu unterwandern. Netanyahu und seine Regierung befinden sich seit Januar 2023, und erst recht seit zwei Monaten, seitdem Trump Netanyahu praktisch freie Hand gegeben hat, um alle Gatekeeper der Demokratie zu entfernen, in einem Rausch der Gesetzgebung. Sie wird am sehr nahen Ende dazu führen, dass Israel als liberale Demokratie abgeschafft wird."
Der 69 Jahre alte gebürtige Kalifornier ist seit Jahrzehnten in der israelischen Start-up-Welt aktiv. Die „Jerusalem Post“ zählte Medved vor einigen Jahren zu den 50 einflussreichsten jüdischen Innovatoren und nannte ihn den „Guru der Start-up-Nation“ Israel. In einem ebenso launigen wie interessanten Gespräch mit der FAZ wird recht anschaulich deutlich, wie die Verzahnung von israelischer Mentalität, High-Tech und Militär einer der Erfolgsfaktoren für Israels wirtschaftliche und militärische Stärke ist. Auch für Deutschland hat der israelische Investor ermutigende Worte parat und rät:
"Stehen Sie zu Ihrer eigenen Kultur. Deutschland hat phantastische Ressourcen, menschliche, kulturelle. Israelis sind zum Beispiel legendär schlecht in der Planung. Ein langfristiger Plan ist einer für die nächste Woche. Wenn Sie das besser machen wollen, holen Sie sich Japaner, wenn Sie es am besten machen wollen, holen Sie sich Deutsche. Und gibt es noch irgendwen, der die Deutschen hasst? Die Israelis jedenfalls nicht. Deutschland hat eine tolle Marke, die für Qualität steht. Wenn sich diese Marke für Technologie und Innovation öffnet und auch internationale Projekte entstehen, die die Stärke von zwei oder drei Ländern zusammenbringen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, kann etwas Phänomenales entstehen."
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Gerhard Wiese ist der letzte noch lebende Staatsanwalt der Frankfurter Auschwitzprozesse. Der jetzt 96-jährige Zeitzeuge geht bis heute an Schulen und erzählt vor allem vom Frankfurter Auschwitzprozess, dem bis heute wichtigsten Justiz-Verfahren der Bundesrepublik. Am 20. Dezember 1963 begann er im Römer, mit seinen 183 Verhandlungstagen bis August 1965, in deren Verlauf 360 Zeug:innen aus aller Welt vernommen wurden. Kürzlich berichtete er davon im Frankfurter Lessing-Gymnasium. Kathrin Rosendorff hat ihn für die FRANKFURTER RUNDSCHAU begleitet: „Die Angeklagten zeigten kein Anzeichen von Reue“.
Vor fünfzig Jahren ist einer der vergessenen Helden der Schweizer Geschichte verstorben: Carl Lutz, der als Diplomat im Zweiten Weltkrieg mehr als 60’000 Jüdinnen und Juden gerettet hat. Zu Lebzeiten wurde ihm dafür nicht gedankt, erst später erhielt Lutz die Anerkennung für seine Zivilcourage. Auch dank seiner Stieftochter Agnes Hirschi, die bis heute dafür kämpft, dass das Andenken an Lutz nicht vergessen geht. Im Interview mit dem schweizer TAGES-ANZEIGER erinnert sie an ihren Stiefvater, an ihre eigene Kindheit und verdeutlicht, welchen Unterschied ein einzelner Mensch machen kann und wie sie die bedrohlichen Veränderungen der Gegenwart erlebt: «Ich hätte niemals gedacht, dass ich in meinem Leben noch einmal Angst vor einem Krieg haben könnte».
Nach dem Ende der NS-Diktatur machten frühere Nationalsozialisten oft problemlos weiter Karriere im bayerischen Justizapparat. Wie es dazu kommen konnte, zeigt eine Untersuchung, die das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) zum Umgang insbesondere des Justizministeriums mit seiner NS-Vergangenheit nach 1945 erstellt hat. Die Studie unter dem Titel „Landesjustiz und NS-Vergangenheit“ wurde Anfang der Woche im Münchner Justizpalast vorgestellt. Ein interessantes Fazit der Studie zeigt auf, dass die ungebrochenen Karrieren der Juristen nach dem Krieg nicht unbedingt aufgrund moralischer Gleichgültigkeit möglich waren, sondern vor allem, weil es an Personal mangelte, wie Johann Osel für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichet: "Als die Nazi-Vergangenheit bayerischer Beamter 'routinemäßig verwaltet' wurde".
Von Mitte März bis Juni 1940, mithin genau vor 85 Jahren, drehte der später wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagte – und am Ende freigesprochene – Regisseur Veit Harlan (1899-1964) den antisemitischen Spielfilm „Jud Süß“. Am 5. September 1940 wurde das Machwerk, das unter besonderer Aufsicht von Propagandaminister Joseph Goebbels stand, bei den Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt. Am 24. September war Premiere in Berlin – im Ufa-Palast am Zoo. Mehr als 20 Millionen Kinobesucher wurden damals später gezählt. In der WELT erinnert Gregor Tholl an die Entstehungsgeschichte und Wirkung des Films, der auch nach der Nazi-Zeit noch Zuspruch fand: "Der lange Schatten des schlimmsten Films der Geschichte".
Jahrelang hat die in Cambridge lehrende Anthropologin Esra Özyürek die deutsche Erinnerungskultur erforscht. Nun legt sie ein Ergebnis ihrer Studien vor unter dem Titel "Stellvertreter der Schuld: Erinnerungskultur und muslimische Zugehörigkeit in Deutschland". Ihre abenteuerlich anmutende These: Während sich Antisemitismus-Prävention lange Zeit auf ethnische Deutsche konzentrierte, wird die Schuld am Holocaust mittlerweile an muslimische Minderheiten ausgelagert. Thomas Thiel, der den Band in der FAZ vorstellt, findet wenige Gefallen daran und meint: "Daran ist so gut wie alles falsch."
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Mit Äxten und Knüppeln dringen Palästina-Aktivisten in die Freie Universität ein und machen Randale. Vier der mutmaßlichen Teilnehmer sollen jetzt Deutschland verlassen, kündigt Berlins Regierung an. Der Regierende Bürgermeister Wegner (CDU) erklärt das für „richtig und notwendig“. Im Bundestag kommt Zuspruch von Union und AfD. Die Linke rügt: Offenbar solle „Politik vor dem Recht stehen“. Und die Betroffenen klagen gegen die Ausweisung, ihr Anwalt ist empört, wie N-TV und die WELT berichten: "'Erstmals Exempel statuiert' – Berlin plant Ausweisung ausländischer Israel-Hasser". Berlins Bürgermeister prescht dabei gewissermaßen bei etwas vor, was aktuell auch Gegenstand der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene ist. Auch dort diskutiert man, ob künftig "Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten" der deutsche Pass entzogen werden könne - falls sie eine zweite Staatsangehörigkeit haben. So planen es CDU/CSU und SPD, wie die DEUTSCHE WELLE berichtet: "Ausbürgerung wegen Antisemitismus?".
In Österreich sind antisemitische Einstellungen nach wie vor weit verbreitet – mit besorgniserregenden neuen Entwicklungen. Dies zeigt die im Auftrag des österreichischen Parlaments vom Institut für empirische Sozialforschung IFES durchgeführte Erhebung, die nun der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Während rassistisch und religiös geprägter Antisemitismus zwischen 2022 und 2024 auf ähnlichem Niveau verharrte, verzeichnet die aktuelle Antisemitismusstudie des Parlaments einen signifikanten Anstieg beim israelbezogenen Antisemitismus. Besonders bei Jugendlichen und Akademikern ist der Zuwachs groß: "Studie schockt: Antisemitismus wird jung, muslimisch, bildungsfern".
Nach der Columbia-Univesity stellt die US-Regierung nun die Fördergelder in Milliardenhöhe an die Harvard-Universität auf den Prüfstand. Auch hier lautet die Begründung, Harvard habe es versäumt, Studierende vor antisemitischer Diskriminierung zu schützen, wie Bildungsministerin Linda McMahon erklärte. Neben dem in der akademischen Welt hoch umstrittenen Vorgehen der US-Regierung, die mit ihren Maßnahmen vor allem auf linken, anti-zionistischen Antisemitismus abzielt, schildert Marc Neumann sehr eindringlich in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, dass neben dem neulinken Judenhass ein weiteres Phänomen hinzutrete, der aus einer ganz anderen politischen Ecke kommt: "Rechte und libertäre Influencer verbreiten in den sozialen Netzwerken zunehmend antisemitische Stereotype". Beispielhaft nennt er Candace Owens, Joe Rogan und eben Kanye West und Andrew Tate. In den USA verbreiten diese Prominenten und Publizisten mit Millionenpublikum Verschwörungstheorien: "Sie glauben, dass Zionisten die Medien kontrollieren und Hitler im Himmel lebt – rechte Influencer vergiften das politische Klima genauso wie linke Aktivisten".
Schüler in Mecklenburg-Vorpommern sollen sich früher als bisher mit den Themenbereichen Antisemitismus und Nationalsozialismus befassen – auch schon in der Grundschule. Sie sollen so besser gegen diskriminierende Einstellungen gewappnet sein. Wie Bildungsministerin Simone Oldenburg in Schwerin mitteilte, liegt dafür jetzt eine Handreichung für den Unterricht in den Klassen eins bis sechs vor, wie der NDR und das Portal NEWS4TEACHERS berichten. Vor diesem Hintergrund auch interessant, was der Geschichtsdidaktiker Tobias Arand im Interview mit der TAZ ausführt. Seines Erachtens fehlt es den Lehrerinnen und Lehrern oft an Kompetenzen im Umgang mit Antisemitismus. »Das Verhalten von Lehrkräften bei antisemitischen Vorfällen ist oft schlicht Unterlassung«, sagt Arand. Freilich geschehe dies »nicht aus Bosheit, sondern eher aus Hilflosigkeit, aus mangelnder Kompetenz oder weil Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten fehlt«.
Wie sich Antisemitismus auf Seiten der Betroffenen, insbesondere wo es sich um Studenten und Jugendliche handelt, geht aus einer lesenswerten Reportage von Robin Schwarzenbach in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG hervor. Besonders bemerkenswert dabei, welche Konsequenzen aus ihren Erfahrungen die Jüdinnen Salvina, 18, und Aline, 19, gezogen haben. Sie gehen in die Schulen in Zürich und wollen den zwei bis drei Jahre jüngeren Schülerinnen und Schülern vor ihnen vermitteln, was es für sie bedeutet, jüdisch zu sein. Und dass sie deswegen nicht in einer anderen Welt leben. Ihr Engagement ist Teil von "Likrat", einem Projekt des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), das nichtjüdische und jüdische Jugendliche miteinander ins Gespräch bringen soll. Der Begriff ist hebräisch und bedeutet aufeinander zugehen. Nach Angaben des SIG finden pro Jahr über 150 solcher Begegnungen auf Primar- und Sekundarstufe statt: "'Ich fühlte mich angegriffen': Jüdische Teenager erzählen Schülern aus ihrem Leben – und von einem Hakenkreuz im Schnee".
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Genie oder ein Scharlatan? Vor hundert Jahren starb der esoterische Lebensreformer Rudolf Steiner, über den bis heute die Meinungen weit auseinander gehen. „Jesus Christus des kleinen Mannes“ nannte ihn einst Tucholsky, nachdem er einen Vortrag Steiners hörte. Was immer man von ihm halten mag, wirkmächtig war er und sein Werk ohne Zweifel, wovon die Popularität u.a. von Demeter-Gemüse, Waldorfpädagogik und Weleda-Crème Zeugnis geben. Mehrere Beiträge rekapitulieren das Leben des selbsternannten Propheten und versuchen verschiedene Aspekte seines Werkes durchaus kritisch einzuordnen. Darüber hinaus nimmt ein Beitrag für die FAZ vor allem den Erfolg der Walldorfschulen in den Blick, und in der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN WOCHENZEITUNG geht es schwerpunktmäßig um die Frage nach Steiners Antisemitismus, der freilich der jüdischen Rezeption seiner Ideen keinen Abbruch tat: "Seher, Okkultist und lebenslanger Sucher: Rudolf Steiner".
Ein gemeinsames Haus der abrahamitischen Religionen – dieses ambitionierte Projekt verfolgt das "House Of One" in Berlin, das auf Pläne und Initiative beginnend im Jahr 2011 zurückgeht. 2021 wurde der Grundstein gesetzt. Seitdem ist es freilich still geworden. Ein Grund: mit dem Regierungswechsel und Antritt der Ampel-Koalition mussten mit öffentlichen Geldern finanzierte Bauprojekte deutlich nachhaltiger umgesetzt werden. Da durfte es neuer Planungen im Blick auf Geothermie, Bauteilaktivierung und Energieeinsparung. Das macht den Bau nicht nur komplizierter und teurer, sondern verzögert auch seine Fertigstellung. Gleichzeitig ist ein anderer Strang des Projekts immer wichtiger geworden: Die gemeinsame Bildungsarbeit. Denn durch die Anschläge in Aschaffenburg, Mannheim oder München ist die Nachfrage nach Formaten zum interreligiösen und interkulturellen Dialog gestiegen, wie Paul Christoph Hartmann in seiner Reportage für KATHOLISCH.de erläutert: "House Of One: Verständigung wird durch Anschläge wichtiger".
Die Berliner Künstlerin Andrea Büttner hat den internationalen Wettbewerb für ein Kunstwerk zum christlich-jüdischen Verhältnis im Kölner Dom gewonnen. Ihre Wandmalerei soll ein Gegenpol zu mehreren judenfeindlichen Darstellungen an der Kathedrale sein. Andrea Büttner, 1972 in Stuttgart geboren, Professorin für Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste München, hat sich bei dem Kunstwettbewerb, den das Kölner Domkapitel im August 2023 ausgelobt hatte, unter 15 Teilnehmenden und vier Finalisten durchgesetzt. Was ihr geplantes Bildnis darstellt und warum man sich für ihr Werk entschieden hat, geht aus Berichten für den ORF und in der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU hervor: "Kölner Dom setzt Gegenpol zu antijüdischer Kunst".
Cornelia Kimberger ist Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Der Ritterorden ist ein päpstlicher Laienorden, dem auch Priester angehören. Er ist aus einer spätmittelalterlichen Pilgerbewegung entstanden. Seit mehr als 150 Jahren übernimmt er als päpstliche Einrichtung unter der Leitung eines Kardinal-Großmeisters besondere Aufgaben im Heiligen Land (mit Schwerpunkt in Israel, Jordanien und Palästina). Im Interview mit der TAGESPOST berichtet Klimberger von ihrem Besuch in Israel und spricht über die schwierige Lage der christlichen Minderheit im kriegsumkämpften Gaza-Streifen: „Die Christen in Gaza geben uns ein Beispiel“.
Seit mehr als 160 Jahren engagiert sich der Deutsche Verein vom Heiligen Lande (DVHL) für die Menschen im Nahen Osten – immer vor dem Hintergrund des interreligiösen Dialogs und friedenspolitischen Engagements. Im Spannungsfeld von Judentum, Christentum und Islam stehen sie für Verständigung, Versöhnung und Frieden. Vor Ort in Israel betreiben sie u.a. ein Pilgerhaus in Tabgha, das seit 2020 von Georg Röwekamp geleitet wurde, der sich nun aus seinem Amt zurückzieht. Im Gespräch mit DOMRADIO zieht er Bilanz und erzählt von der schwierigen Zeit des interreligiösen Miteinanders vor Ort, das durch Corona-Pandemie und den Anschlag vom 7. Oktober 2023 mit dem nachfolgenden Gaza-Krieg geprägt war: "Hier wird aus wenig viel".
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Wer ist Gott? Wozu Gott? Wo wohnt Gott? Oder: wie riecht er? Diese für den Großteil der Menschheit so zentralen Fragen - zumindest was die ersteren betrifft - geht das Jüdische Museum Wien in seiner neuen Ausstellung auf den Grund. Die Orientierung am Höchsten hat seine Berechtigung, stellt "G*tt. Die großen Fragen zwischen Himmel und Erde" doch die offizielle Jubiläumsschau zum 130-jährigen Bestehen der Institution dar. 1895 als erstes jüdisches Museum der Welt eröffnet, feiert das Haus in der Wiener Dorotheergasse nach mehreren Umzügen und Schließung durch die Nazis jetzt den 130. Geburtstag. Historische und moderne Denkansätze - von der Shoa über Religionskritik bis hin zu den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften und Künstlicher Intelligenz - finden in der Ausstellung Raum. Sie sollen das traditionelle Gottesbild in den Kontext aktueller gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Debatten stellen, wie den Berichten über Ausstellung zu entnehmen ist: "Wo wohnt Gott, was macht er?"
Albert Schweitzer war eine Kultfigur, ein ethischer Popstar der jungen Bundesrepublik. Kinder schrieben Briefe an den märchengleichen »Urwalddoktor«, der 1953 den Nobelpreis für Frieden erhielt. Und sein legendäres Spital »Lambarene« avancierte zum symbolisch aufgeladenen Ort eines Heilungsgeschehens: Es ging um den Versuch der Tilgung einer untilgbaren Schuld, um das Verarbeiten und zugleich Verdrängen des schwer beschädigten Über-Ichs der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Vor diesem Hintergrund wundert nicht, was Caroline Fetscher in einem Beitrag für die TAZ ausführt, dass nämlich der jüdische Anteil an der Leistung Schweitzers tabu blieb: "Worüber der Theologe schwieg".
Rund um seinen 100. Geburtstag (2. April) und kurz vor Austrahlung des viel gelobten und in der Tat berührenden Biopics (7. April) im ZDF steht Mr. "Dalli, Dalli" noch einmal im Fokus vieler Medien: Hans Rosenthal. Von der jüdischen Herkunft des bieder freundlichen Quizmasters, der seiner Ermordung durch die Nazis entging, indem er sich zwei Jahre lang in einer Berliner Gartenlaube versteckte, wussten selbst auf dem Höhepunkt seinre Karriere nur die wenigsten. Die nun zu sehende Verfilmung seines Lebens stellt eine Episode vom 9. November 1978 in den Mittelpunkt. An jenem Tag weigerte sich das ZDF die "Dalli Dalli"-Jubiläumssendung zu verschieben, um Rosenthals Bitte nachzukommen, bei den Gedenkfeierlichkeiten zum 9. November 1938 teilzunehmen. Oliver Haffners Film "'Rosenthal' ist, was Biopics im besten Fall sind, nicht nur die Geschichte eines Menschen allein", schreibt Elmar Krekeler in der WELT, sondern auch "ein Gesellschaftsporträt, Ausschnittvergrößerung, Momentaufnahme eines Landes im Umbruch". Und Dietrich Leder lobt im FILMDIENST den Schauspieler Florian Lukas, dem es gelinge, "die öffentliche Figur des Moderators, der sein bekanntes Lächeln jederzeit einschalten kann, ebenso gut zu erfassen wie den privaten Menschen, der sich immer wieder an seine Leidenszeit und an den ermordeten Bruder erinnert und dadurch für einen Moment wie gelähmt wirkt".
Die jüdische Dichterin Mascha Kaléko ist eine leuchtende Ausnahmeerscheinung in der deutschen Literatur. Niemand verkörpert das Berlin der Weimarer Republik zwischen Schreibmaschinengrau, hellen Kinoreklamen und nicht enden wollenden Nächten im Romanischen Café so sehr wie die melancholische Großstadtdichterin mit ihrem sprühenden Witz. Auch nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten 1938 besang sie diese verlorene Heimat in Versen vom Emigrantenleben in New York, Jerusalem und anderswo. Zu ihrem fünfzigsten Todestag wirft Daniel Kehlmann mit einer besonderen Auswahl einen persönlichen Blick auf das Werk seiner Schriftstellerkollegin. Philipp Ramer hat den Band für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG gelesen: "Die Wunden des Nationalsozialismus heilten nie mehr ganz".
Die Links zu den Beiträgen in der Rubrik JÜDISCHE WELT.
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Brigitte Theißl schildert im österreichischen STANDARD, dass sich in den USA eine Generation formiert, die von einem weißen christlichen Gottesstaat und männlicher Herrschaft träumt. Im Zentrum ein einflussreiches Netzwerk, das das US-Medium "Mother Jones" als die "Theo Bros" bezeichnet: überwiegend junge, erzkonservative Männer, die sich im Netz erfolgreiche Kanäle aufgebaut haben, Pornografie und andere sündhafte Versuchungen verurteilen und von einem weißen christlichen Gottesstaat träumen: "Wie junge radikale Christen einen Gottesstaat errichten wollen".
In einer Reihe im SONNTAGSBLATT geht Oliver Marquart der Frage nach, wie einige unserer Spitzenpolitiker zu Religion und Glaube stehen. Bislang liegen Porträts vor von Friedrich Merz, Boris Pistorius, Lars Klingbeil und Saskia Esken: "Politik und Glauben".
Dass der Mensch »unheilbar religiös« sei oder irgendwann die Frage nach Gott stellen wird, gehörte lange zu den unhinterfragten Voraussetzungen von Theologie und Pastoral. Empirische Daten melden jedoch Zweifel an diesen Gewissheiten an. Wenn man zulässt, dass es auch anders sein könnte, verschieben sich nicht nur theologische Gedankengebäude, auch die Koordinaten der Seelsorge verändern sich von Grund auf, so der Theologe Jan Loffeld in seinem letztes Jahr erschienen Buch "Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt: Das Christentum vor der religiösen Indifferenz". Über den Befund und seine Konsequenzen ist nun in der Internationalen Katholischen Zeitschrift COMMUNIO eine kleine theologische Debatte entstanden, die in Beiträgen des Theologen Paul M. Zulehner und des Religionsssoziologen Detlef Pollack zum Ausdruck kommen. Im Kern dreht es sich dabei u.a. um die Frage, ob Religion eine anthropologische Notwendigkeit ist oder ob die zunehmende Säkularisierung nicht das Gegenteil beweist: "Theologische Lernverweigerung".
Die Links dazu in der Rubrik CHRISTLICHE WELT.
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Nicht zuletzt der Präsidentschaftswahlkampf oder die Auseinandersetzungen um das Abtreibungsrecht in den USA, ganz zu schweigen von den mannigfaltigen Instrumentalisierungen der Religion durch Donald Trump, machen deutlich, wie stark Religion die amerikanische Gesellschaft, Kultur und Demokratie beeinflusst. Religiosität steht also nicht zwangsläufig im Gegensatz zur Moderne, sondern ist ein flexibles Navigationssystem einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund hat Stefanie Coché vierzehn religiöse Führungspersönlichkeiten vom frühen 19. Jahrhundert bis heute in ihrem Buch „Religiöse Erweckung und irdische Macht. Religion und Demokratie in den USA“ versammelt, um sichtbar zu machen, warum religiöse Weltdeutungsangebote verlockend waren und wie sie sich wandelten, um attraktiv für ihre Anhängerschaft zu bleiben. Friedrich Wilhelm Graf hat das Buch mit Gewinn gelesen, wie er in seiner ausführlichen Rezension für die FAZ darlegt: "Die Ambivalenz des Religiösen".
Der Link zur Buchvorstellung in der Rubrik ONLINE-REZENSIONEN.
Einen angenehmen Tag wünscht
Dr. Christoph Münz
redaktion@compass-infodienst.de
(Editorial zusammengestellt unter Verwendung des Teasermaterials der erwähnten Artikel)

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