Deutsche Bibliothek ISSN 1612-7331
29.03.2007 - Nr. 761

Protest gegen TV-Ausstrahlung von "Passion Christi"



"Passion Christi" - Proteste gegen TV-Ausstrahlung




Für den diesjährigen Karfreitag haben sich die Fernsehsender ProSieben und der ORF etwas besonders Treffendes einfallen lassen: Die Ausstrahlung des Films "Die Passion Christi" von Mel Gibson. Die Dachverbände der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland und in Österreich protestieren dagegen mit einer öffentlichen Erklärung (so der österreichische Koordinierungsausschuss) und mit einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden des Senders ProSieben (so der Deutsche Koordinierungsrat).
COMPASS dokumentiert nachfolgend die Texte.



Brief an ProSieben zur Ausstrahlung Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" am Karfreitag, den 6. April 2007




Sehr geehrter Herr De Posch
Vorstandsvorsitzender (CEO),

mit höchster Verwunderung und Sorge haben wir als Vertreter von 84 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland die Ankündigung der von Ihrem Sender geplanten Ausstrahlung von Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" am Karfreitag, den 06. April 2007 zur Kenntnis genommen. Wir haben bereits im März 2004 anlässlich des Filmstarts der "Passion" in deutschen Kinos öffentlich auf den antijüdischen, ja antisemitischen Charakter dieses Films hingewiesen und dazu folgendes ausgeführt:

1. "Wir kritisieren, dass entgegen jeglicher historischer Erkenntnis die Schuld am Tod Jesu kollektiv den Juden zugeschrieben wird.
2. Wir kritisieren, dass der Film in seinen judenfeindlichen Darstellungen die traditionelle Verachtung der Juden wieder belebt.
3. Wir kritisieren, dass in der Darstellung längst überwunden geglaubte anti-jüdische Klischee-Bilder wieder aufgenommen werden.
4. Wir kritisieren, dass die christliche Botschaft filmisch durch brutale und blutrünstige Gewaltdarstellungen auf eine mittelalterliche Leidenstheologie reduziert wird.
5. Wir kritisieren, dass Gibsons Film insgesamt ein Jesus Bild vermittelt, das den christlichen Glauben drastisch verkürzt und dem gegenwärtigen Stand christlicher Theologie in keiner Weise Rechnung trägt."

Diese damalige Kritik hat nichts an Relevanz verloren.

Dass Sie die "Passion Christi" zudem ausgerechnet an einem Karfreitag ausstrahlen wollen, zeugt von besonderer historischer und politischer Insensibilität. Ihnen dürfte bekannt sein, dass die jüdischen Gemeinden Europas über Jahrhunderte hinweg just am Karfreitag Opfer brutaler Pogrome wurden. Von antijüdischen Karfreitagspredigten aufgestachelt, die ganz im Sinne von Gibsons "Passion" den Juden die Schuld am Tode Christi zuschanzten, kam es allerorten zu gewalttätiger "Judenhatz", wie es in den zeitgenössischen Quellen hieß.

Wir ersuchen Sie daher dringlich, darüber nachzudenken, ob Sie wirklich daran festhalten wollen, diesen Film zu senden, der nur dazu geeignet ist, alte anti-jüdische Vorurteile neu zu beleben. Wir unterstellen nicht, dass letzteres in Ihrer Absicht liegt; aber gerade hier kommt es nicht auf die Absicht an, sondern auf die Wirkung.


Bad Nauheim, März 2007
Präsidium und Vorstand des DKR

Dr. h.c. Henry G. Brandt
Jüdischer Präsident

Dr. Eva Schulz-Jander
Katholische Präsidentin

Prof. Dr. Berndt Schaller
Evangelischer Präsident


Gibson-Passion untergräbt die Errungenschaften des christlich-jüdischen Dialogs


  



Als "nicht hilfreich" bezeichnet der Präsident des  Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof.  Helmut Nausner, die Ausstrahlung von Mel Gibsons Film "Die Passion" im  ORF Fernsehen am Karfreitag: "Weder hilft der Film, das Geheimns des Leidens,  des Sterbens und der Auferstehung Christi zu verstehen, noch trägt er  dazu bei, Brücken zwischen Christen und Juden zu bauen." Die Gleichung,  je brutaler man das Leiden Christi darstelle, desto tiefer begreife man  den theologischen Sinn der Passion, sei falsch, so Nausner. Im  Gegenteil, die Betonung der Marter und der Gewalt an Jesus hätte in der  Geschichte immer wieder zu Gewalt und Ausschreitungen gegenüber  jüdischen Menschen geführt. "Der Film hilft vielleicht, die Quote des  ORF zu heben, dabei  reißt er aber Gräben auf und bedient alte  Vorurteile", so Nausner.

Ein falsches Bild des Judentums

Den vorgeblich dokumentarischen Charakter des Films kritisierte bei  seiner Premiere im Jahr 2004 der damalige jüdische Vizepräsident des  Koordinierungsausschusses, Richard Ames. Dieser schüre durch seine  Einseitigkeit nicht nur Vorurteile bei Christinnen und Christen, sondern  gebe auch Kritikern der christlich-jüdischen Zusammenarbeit auf  jüdischer Seite neue Nahrung: Seht die Christen, sie ändern sich nie!
Der Judaist Kurt Schubert, Gründer und Ehrenpräsident des  Koordinierungsausschusses formulierte damals: Mel Gibsons Film bietet  "mit absoluter  Sicherheit ein negatives Bild vom Judentum, indem er den  Glauben des  Judentums nur als Glaubensverweigerung an den Messias Jesu  von Nazareth darstellt, also ein entschieden falsches Bild vom Glauben  Israels bietet."  Abgesehen von einer verzerrten Darstellung des  Judentums nannte Professor Schubert damals auch Argumente aus  christlicher Haltung gegen Gibsons Gewaltexzess: "Die brutale  Darstellung des Leidens Jesu grenzt  für mich an verbotenen Voyeurismus.  Aus dem Leiden Christi einen  Horrorfilm zu machen, ist für mich kein  Zeichen für lebendigen Glauben, sondern eher ein Mangel an Ehrfurcht.  Wer sich in die Leiden  Christi vertieft, dem genügt der gotische  Schmerzensmann."

Wer kontrolliert das Lehramt von Gibson?

Koordinierungsausschuss-Präsident Helmut Nausner meint zur Ausstrahlung  des Films: "Wenn manche Kirchen heute sich bemühen, Aussagen einzelner  Theologen zu korrigieren, wer korrigiert dann das Lehramt eines Mel  Gibson, der so tut, als erfülle er eine Mission im Namen des  Evangeliums?" Mel Gibson bekennt sich zu einer schismatischen  traditionalistischen katholischen Kirche und hatte im Vorjahr durch  antisemitische Ausfälle auf sich aufmerksam gemacht, für die er sich  jedoch später entschuldigte. "Es geht wahrscheinlich auch um eine Auseinandersetzung um die Gültigkeit des Konzils in der katholischen  Kirche" so Nausner: "Aus der Zurückweisung des Gottesmordvorwurfs an die  Juden durch das Konzil und aus der Karfreitagsfürbitte für die Juden,  sie in der Treue zu Gottes Bund zu bewahren, spricht jedoch eine anderer  Geist als in Mel Gibsons Passion."

Arbeitsunterlage amerikanischer TheologInnen

Eine Gruppe christlicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den  USA hat einen Leitfaden zur Beurteilung von Passionsdarstellungen auf  dem Hintergrund aktueller biblischer Wissenschaft und der Einsichten des  christlich-jüdischen Dialogs entwickelt. Er kann in einer  deutschsprachigen Fassung auf der Website des Internationalen Rates der  Christen und Juden ICCJ als Arbeitsblatt heruntergeladen werden unter 
http://www.jcrelations.net/de/?item=2177



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