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ISSN 1612-7331
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Online-Extra Nr.

Theresienstadt. Eine Zeitreise

UTA FISCHER und ROLAND WILDBERG





Das Wäschegeschäft und Kaffeehaus

Schwindelfassaden

Am Südrand des Platzes liegt einer der Schauplätze der Schmierenkomödie, die Eichmann und seine Helfer mit Theresienstadt inszenierten: Im Eckgebäude befand sich das Wäschegeschäft, rechts daneben das Kaffeehaus. Gleich gegenüber auf der Ecke des Hauptplatzes ließ die SS anlässlich der „Verschönerungsaktion“ im Sommer 1944 sogar einen hölzernen Pavillon errichten, in dem Musikkapellen auftraten, auch bei den Musikern handelte es sich um Häftlinge. Diese sorgfältig gezimmerte Kulisse sollte internationalen Besuchern vorgaukeln, in Theresienstadt sei alles in Ordnung. Der perfide Plan ging auf: Am 23. Juni 1944 beurkundete eine Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes den „ordentlichen Zustand“ des Lagers.



In diesem Eckgebäude an der Südseite des Platzes war das "Wäschegeschäft".



Insgesamt gab es 14 „Geschäfte“, von der „Fleischerei“ bis zur „Parfümerie“. Während in der Fleischerei nur Papp-Imitationen von Würsten die Auslagen schmückten, gab es im Wäschegeschäft tatsächlich Bettwäsche, Kleider und Schuhe, jedoch nur gebraucht: In den Auslagen glänzten Dinge, die man den Häftlingen bei ihrer Ankunft abgenommen hatte. Sie „durften“ sie dort zurückkaufen – gegen „Ghetto-Kronen“. Dieses „Geld“ war ebenfalls ein Schwindel.

Eine der makabersten Einrichtungen des Ghettos ist das Kaffeehaus. Nur der Name stimmte: Es gab dort dünnen Ersatzkaffee und Tee. Alles Übrige war grausamer Betrug, eine Scheinwelt: Eintritt erhielten Vorzugsweise „Prominente“ per Bezugsschein, der Aufenthalt war auf zwei Stunden zu festgesetztem Termin beschränkt, und Gebäck oder Ähnliches, was es eigentlich in jedem Kaffeehaus gibt, hat man dort nie gesehen. Aus den Fenstern öffnete sich ein tristes Panorama auf eine Bretterwand, von Stacheldraht gekrönt. Dahinter lag verborgen der „Marktplatz“ ohne Markt, als „arisches“ Gebiet für Juden tabu.

Dennoch war der Mummenschanz auf traurige Weise populär: „Wir mochten das Kaffeehaus, denn es erinnerte an normales Leben, an die Welt draußen“, erinnert sich die Überlebende Dagmar Lieblová. Gegen die gedrückte Stimmung spielten Kapellen wie die „Ghetto Swingers“ an, und die Eintrittskarte berechtigte zum Kauf von einer Tasse Ersatzkaffee oder Ersatztee für zwei „Kronen“. Dieses wertlose Ghetto-Geld erhielten Häftlinge seit 1943 monatlich als Lohn für die Zwangsarbeit. Bereits wenige Wochen nach Einrichtung des Ghettos ließ die Gestapo das Kaffeehaus eröffnen – es entfaltete seinen schrecklichen Zauber bis zum Ende im Mai 1945.



Die Zeichnung „Kaffeehaus“ von Leo Haas.






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Uta Fischer/Roland Wildberg
Theresienstadt. Eine Zeitreise


Wildfisch Verlag
Berlin 2011
368 S.
29,80 Euro


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